Die Geschichte nach der Geschichte - Michael Düblin - E-Book

Die Geschichte nach der Geschichte E-Book

Michael Düblin

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Beschreibung

Zwanzig Jahre nach dem Tod seines Sohnes besucht Lukas erstmals wieder den Ort, an dem der Elfjährige damals verunglückt ist. Seine Ehe ist unter der Last der Trauer zerbrochen, beruflich ist er auf dem Abstellgleis gelandet. Das Ferienhaus in Italien, in dessen Nähe sich der Unfall ereignet hat, wurde seitdem von Nicco gehütet, der dort mietfrei wohnen durfte. Nun ist Nicco gestorben. An der Coronavirus-Erkrankung, wie sich herausstellt. Kurz bevor die Grenzen zur Schweiz wegen der Pandemie geschlossen werden und über ganz Italien eine Ausgangsperre verhängt wird, fährt Lukas aus einem Impuls heraus in die Lunigiana, um nach dem Rechten zu sehen. Mit dem, was er dort vorfindet, hat er jedoch nicht gerechnet. Er wird mit Erinnerungen konfrontiert, mit denen er längst abgeschlossen zu haben glaubte und die ihn die Vergangenheit von Neuem erleben lassen. Der Roman erzählt die Geschichte eines unverhofften Neuanfangs, dem schmerzhafte Erkenntnis und späte Selbstwahrnehmung vorangehen. Ein leiser Text, der grosse Regung veranschaulicht.

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Seitenzahl: 117

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Inhalt

Cover

Impressum

Titel

Mittwoch, 4. März 2020

Donnerstag, 5. März 2020

Freitag, 6. März 2020

Samstag, 7. März 2020

Sonntag, 8. März 2020

Sonntagvormittag, 8. März 2020

Sonntagnachmittag, 8. März 2020

Montag, 9. März 2020

Über das Buch

Über den Autor

Michael Düblin

Die Geschichte nach der Geschichte

Der Zytglogge Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

Autor und Verlag danken für die Unterstützung:

© 2022 Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, BaselAlle Rechte vorbehaltenLektorat: Martin Zingg

Michael Düblin

Die Geschichte nach der Geschichte

Roman

Mittwoch, 4. März 2020

Alle Geschichten sind erzählt, dachte Lukas, alle außer der letzten, die außerhalb des Erzählens liegt.

Er blätterte lustlos in der Zeitung und trank Kaffee. Die Waffenexporte hatten um 43 Prozent zugenommen, las er, und die Zahl der Ansteckungen mit dem neuen Virus hatte sich um 37 Personen erhöht.

Draußen auf den Gassen war es ungewöhnlich ruhig. Wo sonst getrommelt und gepfiffen wurde, herrsche Tristesse, schrieb die Zeitung. Für Lukas war es lediglich ein ruhiger Morgen ohne die Hektik der Fasnachtszeit.

Die Nachricht Nicco è morto kam von einer Nummer mit italienischer Vorwahl, die er nicht kannte. Er wählte die Nummer, aber niemand nahm ab. Er speicherte sie als Unbekannt in Italien.

Nachdem er die Zeitung geblättert hatte, schickte er eine SMS mit drei Fragezeichen nach Unbekannt in Italien.

Ob die Nachricht wohl einen Adressaten fand?

Nicco è morto.

Wie jeden Morgen warf er einen Blick auf die Zierkirsche vor seinem Fenster. Sie stand in Blüte, so früh wie noch nie.

Die Natur spinnt, dachte Lukas.

Elena sagte immer, der leichte und spielerische Blütenduft sei kaum wahrnehmbar.

Ein spielerischer Duft, was für ein Unsinn.

Er sah sich unten auf dem Vorplatz stehen, in den Jahren, als er und der Baum noch jung waren. Aber im Unterschied zu ihm war die Pflanze damals schon groß. Ein hochstämmiger Baum in der Altstadt, was für ein Unfug.

Er dachte sich sein Leben im Schatten dieser Äste.

Weil dieser Gedanke so absurd war wie ein spielerischer Duft, stellte er sich sein Leben als aufgespannten japanischen Blütenfächer vor.

Auch dieses Bild überzeugte ihn nicht. Er nahm die Zeitung, rollte sie zusammen und schlug damit nach einer Fliege.

Nicco è morto.

Er konnte jetzt nichts unternehmen, er musste zur Arbeit.

Ein-Franken-Zwanzig für ungenießbaren Kaffee, notierte Lukas am Abend ins Haushaltsbuch. Es lag nicht an der neuen Espressomaschine, dass der Kaffee rasch kalt geworden war. Er hatte ihn auf seinem Büropult stehen lassen, während er Zahlenkolonnen studierte und Anmerkungen dazu verfasste.

Nicco è morto.

Bis zu den Abendnachrichten kam keine Antwort auf seine drei Fragezeichen. Unbekannt in Italien schwieg.

Er schaltete das Smartphone aus.

Drei Tage, dachte er, drei Tage lasse ich das Gerät im Wandschrank, dann werden sie Nicco wohl beerdigt haben.

Er war Nicco nichts schuldig.

Lukas machte sich Tee und ließ ihn kalt werden. Am Fernsehen lief ein Dokumentarfilm über Lurche. Er öffnete eine Flasche Bier, goss sich ein Glas ein und ließ es warm werden. Er schüttete zuerst den Tee, dann das Bier in den Ausguss.

Wer würde sich jetzt um das Haus kümmern?

Donnerstag, 5. März 2020

Der Kaffee schmeckte ihm auch am nächsten Morgen nicht. Und die Zeitung war nicht aktueller als die Ausgabe von gestern. Firmen streichen reihenweise Veranstaltungen, erklärte die Headline.

So war das doch schon vor hundert Jahren, dachte Lukas. Keine Fasnacht, keine Tanzveranstaltungen, geschlossene Kneipen. Die Ereignisse wiederholten sich bloß.

Dann fuhr er zur Arbeit.

Um 9.15 Uhr, direkt nach der Morgenpause, stürmte Gubser in sein Büro und stellte sich vor seinem Pult auf.

«Hast du die Monatszahlen fertig?», fragte er. Seine Augenbrauen fuhren in die Höhe, als Lukas den Kopf schüttelte.

«Ich habe dir gestern eine Nachricht geschickt», sagte Gubser.

«Mein Handy liegt im Schrank», antwortete Lukas. «Bis Nicco unter der Erde ist», ergänzte er.

«Wer zum Teufel ist Nicco?» Aber Lukas wusste, dass es Gubser nicht interessierte, wer Nicco war. Ihn interessierten bloß die konsolidierten Konzernzahlen, die er jeweils bis zum sechsten Tag des Folgemonats bereitzustellen hatte. Heute war der fünfte.

«Warum will Howald die Zahlen schon jetzt? Die Buchhaltung hat den Monat noch nicht fertig erfasst.»

Aber Gubser interessierte sich auch nicht für die Buchhaltung, diese war sein, Lukas’, Problem. Gubsers Problem war Howald.

«Howald braucht die Zahlen für ein Meeting mit dem Vorstand. Besser du lieferst. Du kennst ja Howald.»

«Wir schaffen das nicht bis zum Abend, Jaqueline und Renate brauchen mindestens noch diesen Tag, bis sie mit den Belegen durch sind. Und anschließend muss ich die Konsolidierung und Bewertungen nachtragen.»

Gubser neigte sich vor, sodass sein Kinn knapp über dem Rand des Bildschirms schwebte.

Gubser ist ein Gnom, dachte Lukas, aber dieser Gedanke erheiterte ihn heute nicht.

«Dann schieb eine Nachtschicht ein», sagte Gubser.

Lukas sah Gubsers Kinn mit dunklen Bartstoppeln. Er hatte es wohl eilig gehabt heute Morgen.

«Natürlich», antwortete Lukas, «ist ja nicht die erste.»

«Und es wird nicht die letzte sein», sagte Gubsers Stoppelkinn. «Du kennst ja Howald.»

Lukas kannte Howald nicht. Er kannte nur Gubser, und der brauchte ständig alles vor dem vereinbarten Abgabetermin.

Freitag, 6. März 2020

In der Nacht dachte Lukas nicht an Nicco. Er hatte nur Zahlen im Kopf. Gubsers Zahlen, Howalds Zahlen. Fünf Franken für ein Stück Pizza bei Giovanni, dem Italiener ums Eck. Alle Italiener heißen Giovanni. Außer Nicco, dachte Lukas beim Morgenkaffee. Er hatte die Tasse mit den braunen aufgedruckten Kleeblättern vor sich, links von ihm die Papierstapel mit den Zahlen fürs Büro, rechts das Haushaltsbuch. Ein-Franken-Fünfzig für Papier, notierte er. Druckeramortisation nicht berücksichtigt, fügte er hinzu. Dann kritzelte er an den Rand des Heftes: 85 weitere infiziert in CH, 778 in I.

Gubser gluckste zufrieden, als Lukas ihm den Stapel aufs Pult legte.

«Geht also doch», sagte er und legte eine Hand auf den Papierstoß.

Lukas nickte, etwas anderes als Zustimmung wurde von ihm nicht erwartet. Gubser brauchte immer einen Print der Zahlen, und in diesem Fall wäre es Lukas tatsächlich nicht recht gewesen, sie zu vermailen. Es war ja bekannt, dass Mails so leicht wie Postkarten zu lesen waren. Die aktuellen Konzernzahlen waren schwere Kost.

«Howald wird stolz auf dich sein», sagte Gubser. «Zuverlässig wie immer, der gute Berger.»

Lukas Berger wusste, dass Howald vor allem stolz auf Gubser sein würde. Das war schon immer so gewesen. Während Lukas stets lieferte, machte sich Gubser bei Howald beliebt.

«Ein Schwafler», sagte Jaqueline, eine der zwei Buchhalterinnen. «Ein Emporkömmling», ergänzte Renate flüsternd. «Ach, er macht doch nur seine Arbeit», erwiderte Lukas.

Wann wird Nicco begraben werden? Finden katholische Bestattungen auch am Wochenende statt? Und gilt das auch für Italien?

Lukas hatte keine Ahnung von Beerdigungsritualen. Simons Asche war an einem Montag beigesetzt worden, zu Hause in der Schweiz. Er verscheuchte eine Fliege, die um seinen Kopf surrte, dann seine Gedanken.

Er gähnte und schaute auf seine Uhr. Die Monatszahlen waren abgeliefert, warum sich nicht nach der durchgearbeiteten Nacht einen freien Nachmittag gönnen? Das hatte er schon Jahre nicht mehr gemacht. Nicht mehr, seit Elena ausgezogen war.

Lukas verließ sein Büro und betrat das von Jaqueline und Renate.

Er mache einen halben Tag frei, sagte er. Beide sahen ihn mit großen Augen an. Ob er krank sei, fragte Renate. Es gehe ihm gut, er mache bloß einen halben Tag frei. Das habe er noch nie gemacht, seit sie hier sei, meinte Jaqueline, die jüngere der beiden.

Lukas ging zurück in sein Büro, um den Regenschirm zu holen. Der Wetterdienst hatte Regen gemeldet. In den Bergen solle es sogar schneien. Eine Kaltfront schiebe sich aufs Wochenende von Norden über das Land und vertreibe den zarten Frühlingsbeginn. Schnee in den Bergen sei nicht ausgeschlossen.

Zarter Frühlingsbeginn, so ein Schwachsinn, als wäre die Jahreszeit ein Sonntagsbraten.

Die Wetterprognosen rechtfertigten die Ausgaben für die Zeitung, wenn auch nicht die dafür gewählte Formulierung.

Wie das Wetter in Italien wohl war?

Vor seiner Wohnung klappte er den Schirm zu. Tropfen fielen von den Blättern des Kirschbaums auf sein Gesicht, als er nach oben zu den dichten grauen Wolken blickte. Im Wohnzimmer strich er die Zeitung glatt. Ausgehtipps fürs Wochenende: Kino, Theater, Konzerte. Aber was machte man an einem nassen Freitagnachmittag?

Er setzte Wasser auf, um keine Entscheidung fällen zu müssen. Tee passt zu einem trüben Tag, dachte er.

Wo lag Nicco wohl in diesem Moment? Beim Leichenbestatter, in einem Sarg aus Mahagoni? Aufgebahrt im Haus? Lukas widerstand dem Drang, das Handy aus dem Schrank zu nehmen. Stattdessen holte er die Autoschlüssel aus der Kommode. Er kramte ein paar Kleider zusammen, auch den weinroten Pullover, denn wenn der zarte Frühlingsbeginn so abrupt endete, wie die Zeitung schrieb, wäre dieser angemessen. Wo hatte er die Schlüssel für das Haus nur hingetan? Nicht in die Kommode, wo alle anderen Schlüssel lagen, für die Wohnung, das Büro, den Briefkasten, das Fahrrad und die Tiefgarage beim Rosshof. Nachdem er auch im Küchenschrank nicht fündig wurde, stieg er hinauf auf den Dachboden, wo er die Sachen, die Elena gehörten, verstaut hatte. In der Papiertüte befand sich ein Kamm aus Elfenbein aus Mali, ein besticktes Taschentuch aus dem Engadin, eine blaue Wollmütze vom Weihnachtsmarkt in Colmar, ein dazu passender Schal und eine kleine Holzschatulle aus Casablanca, in der sie früher Ausweise und Visitenkarten im Kreditkartenformat aufbewahrt hatte. Mehr hatte sie nicht zurückgelassen. In der Schatulle fand Lukas, was er suchte. Wieder in seiner Wohnung, holte er das Handy vom oberen Regalbrett. Es wäre nicht vernünftig, den Weg ohne Telefon anzutreten.

Sono Mica, la figlia de Nicco, stand auf dem Display, als er das Gerät wieder aktiviert hatte.

Lukas wusste, wer Mica war.

Er änderte Unbekannt in Italien in Mica in Italien, obwohl er keine andere Mica kannte. Wer hieß schon Mica und lebte in Italien. Maria wäre angemessen. Oder Anna. Giovanni und Maria, Francesco und Anna.

Er schaltete das Smartphone wieder aus.

Lukas fuhr den Camry aus der Tiefgarage. 200 Franken im Monat für die Aufbewahrung von Altmetall, hatte er in sein Haushaltsbuch notiert. Die scharfen Kurven vom fünften Untergeschoss ins Erdgeschoss machten ihm zu schaffen. Der Einschlag dieses Modells war nicht ideal für Kleinwagengaragen in der Innenstadt. Mehrfach touchierte er mit den Pneus die Fahrbahnumrandung.

Dann war er mitten im Stadtverkehr.

Mein Wagen kennt die Strecke, dachte Lukas, fand diese Idee aber albern, weil das Auto mit Jahrgang 1990 über keine Intelligenz verfügte, auch nicht über künstliche.

Er lenkte den Camry aus der Stadt. Wie auf Eiern, dachte er, ich bin kein geübter Autofahrer. Auf der Autobahn beschleunigte er auf 120 Stundenkilometer, es war keine besonders schwierige Strecke, die A3 Richtung Luzern, bei Augst nicht auf der linken Spur bleiben und versehentlich in die A2 einbiegen, sonst landet man in Zürich, und beim Autobahnkreuz Härkingen muss man sich konzentrieren und nicht auf die A1 einspuren, sonst ist man schon wieder Richtung Zürich unterwegs.

Hinter dem Belchentunnel veränderte sich die Gegend. Der Jura lag hinter ihm, durch die Frontscheibe und den Nieselregen betrachtete Lukas die blasse Landschaft des Mittellandes. Als grauer Streifen fraß sich die Autobahn durch braunes Ackerland.

Wie oft war er wohl schon hier entlanggefahren? Vier bis sechs Mal pro Jahr, fast zwölf Jahre lang. Seit das Haus ihnen gehörte, ein paar Monate bevor Simon geboren wurde. Die Baustellen vor Luzern waren bestimmt nicht dieselben, unterschieden sich aber auch nicht wirklich von denen vor zwanzig Jahren. Bald nach Luzern der Gotthardtunnel, kein Stau zum Glück, das Wetter im Süden animierte nicht zu einem Kurzurlaub. Die Leventina hinab durchs Tessin, dann zur Grenze bei Chiasso, der Zollübergang ohne Kontrolle. Bald schon war er am Comer See und umfuhr ihn westwärts, wie früher, nie war er abgebogen, um die Gegend zu erkunden. Nach einer Dreiviertelstunde erreichte er die trostlose Mailandumfahrung, eine weitere Stunde später erinnerte ihn das Hinweisschild Autogrill Arda daran, dass er tanken sollte. Voller Tank, pieno, das wusste er noch. Das machte vierzig Euro. Was das wohl damals gekostet hatte? Er öffnete das Handschuhfach. Eine Packung Tempo fiel ihm entgegen. Eine CD von Eros Ramazotti lag auf den Wagenpapieren. Tutte storie. Darunter fand er das schwarze Heft im Format A5. Er blätterte durch die karierten, zerfledderten Seiten, bis er auf die Stelle traf: Tanken in Arda 62'000 Lire. Ohne Kenntnis über den Stand der Tankfüllung vor Abfahrt half das nicht weiter.

Lukas versuchte, sich an die letzte gemeinsame Fahrt mit Elena und Simon zu erinnern, aber statt der Szenerie von damals fluteten Bilder seines letzten Arbeitstags als leitender Buchhalter sein Gedächtnis.

Zwei Wochen nach Simons Beerdigung, an einem grauen Tag Anfang November, hatte er das Büro mit einem flauen Gefühl im Magen betreten. Schon zwei Tage zuvor hätte er die Quartalszahlen abliefern müssen, aber noch fehlte Gubsers Konsolidierung.

«Die kommt noch, Lukas, nur keine Hektik, mir fehlen noch die letzten Belege. Nach den Herbstferien brauchen die Buchhalterinnen eine Anlaufzeit, bis sie auf Touren kommen.»

Dabei wusste Lukas genau, dass die Buchhaltung längst fertig war.

Lukas schaute bei Renate rein, er musste gar nicht erst fragen, sie schüttelte nur den Kopf. Die Buchhaltung hatte die Zahlen wie erwartet abgeliefert.

Als er seinen Rechner hochfuhr, sah er zuerst die Mail von Howald, dem neuen CEO, den er noch nie zu Gesicht bekommen hatte: «Sie sind seit dem Vorfall nicht mehr bei der Sache, irgendwie zerstreut, nehmen Sie sich eine Auszeit.»

Vorfall, so nannten sie es. Simons Tod, ein Vorfall.

«Ich brauche keine Auszeit», schrieb er Howald zurück. Auszeit, was für ein Unsinn, als ob sich die Arbeit von selber erledigen würde.

«Das war keine Frage», antwortete Howald, «Sie sind mit sofortiger Wirkung freigestellt.»

Geht das?, dachte Lukas, eine Freistellung per E-Mail? Muss da nicht auch die HR-Abteilung involviert werden?