Die Gilde der Hutmacher (Die magischen Gilden, Band 1) - Geheimnisse aus Stoff und Seide - Tamzin Merchant - E-Book

Die Gilde der Hutmacher (Die magischen Gilden, Band 1) - Geheimnisse aus Stoff und Seide E-Book

Тамзин Мерчант

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Beschreibung

Der Auftakt einer wundervollen Abenteuerreihe Uralte Handwerkskunst und streng gehütete Geheimnisse – die magischen Gilden fertigen atemberaubende Kreationen! Fingerspitzen voller Magie Eine schlimme Nachricht erschüttert Cordelia Hatmaker: Ihr Vater hat nach besonderen Accessoires für neue Hüte gesucht und ist seitdem verschollen! Cordelia kann das nicht glauben. Und dann setzt auch noch jemand die Magie der Hüte für dunkle Zwecke ein. Ganz England schwebt in großer Gefahr! Ist eine der verfeindeten Handwerksgilden dafür verantwortlich? Während sich die Gilden gegenseitig verdächtigen, liegt es einzig an Cordelia, das Land mithilfe von Magie und atemberaubenden Kreationen zu retten … In dieser abenteuerlichen  Kinderbuchreihe mit Mode und voller Magie nimmt eine mutige Heldin ihr Schicksal selbst in die Hand und gibt niemals auf. In einem bezauberndem Setting im historischen London wird das Thema Fashion mit dem beliebten Do-it-yourself-Trend und geheimnisvoller Handwerkskunst kombiniert – wunderschöner Lesestoff mit vielen hochwertigen Schwarz-Weiß-Illustrationen für Kinder ab 10 Jahren. Der Titel ist bei Antolin gelistet.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 354

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Kapitel 1 – Die Nacht war …

Kapitel 2 – Cordelia wich stolpernd …

Kapitel 3 – Cordelia schlüpfte in …

Kapitel 4 – Soweit Cordelia zurückdenken …

Kapitel 5 – Euer Majestät«, stammelte …

Kapitel 6 – Der Ausdruck rasender …

Kapitel 7 – Aus dem Kupferkessel, …

Kapitel 8 – Was haben wir …

Kapitel 9 – Der Hutmacherladen hatte …

Kapitel 10 – Mit wehendem Umhang, …

Kapitel 11 – Im vierten Buch, …

Kapitel 12 – Das Theatre Royal …

Kapitel 13 – Cordelia und Goose …

Kapitel 14 – DIEBE UND HALUNKEN!«, …

Kapitel 15 – Cordelia hatte mit …

Kapitel 16 – Bevor Cordelia die …

Kapitel 17 – Als die Kutsche …

Kapitel 18 – Als Cordelia auf …

Kapitel 19 – Die Luft war …

Kapitel 20 – Die zehn Handschuhmacher …

Kapitel 21 – Wie eine Sturzflut …

Kapitel 22 – Die Luft im …

Kapitel 23 – Bei den Uhrmachern …

Kapitel 24 – Niemals könnte Cordelia …

Kapitel 25 – Im Kleiderschrank war …

Kapitel 26 – Cordelia lief Richtung …

Kapitel 27 – Sie kamen zu …

Kapitel 28 – Die Köchin kochte. …

Kapitel 29 – Cordelia riss erstaunt …

Kapitel 30 – Die breiten Tore …

Kapitel 31 – Cordelia fuhr herum. …

Kapitel 32 – Hinter Cordelia setzte …

Kapitel 33 – Cordelia schlug das …

Kapitel 34 – Die schwere Holztür …

Kapitel 35 – Als sie die …

Kapitel 36 – Als die königliche …

Kapitel 37 – Es war leise …

Kapitel 38 – Zum Glück erwartete …

Kapitel 39 – Der Knall war …

Kapitel 40 – Am anderen Ende …

Kapitel 41 – Im Tower von …

Kapitel 42 – Man zog das …

Kapitel 43 – Mehrere Abende später …

Kapitel 44 – Stunden später lag …

Glossar

Ein Hinweis zu Gefährlichen Materialien

Platz für neue Materialien und Accessoires

Danksagung

Kapitel 1

Die Nacht war wild und wurde von Blitzen zerrissen – es war die Art von Nacht, nach der nichts mehr ist, wie es einmal war.

Gezackte Gabeln aus Licht zuckten über den Himmel und Donner grollte in brandenden Wellen über die Dächer und Türme Londons. Die Wolken ballten sich krachend zusammen und es goss in Strömen, sodass es sich anfühlte, als wäre die ganze Stadt im Meer versunken.

Doch Cordelia Hatmaker hatte keine Angst. In ihrem kerzenerleuchteten Zimmer ganz oben im Haus der Hutmacher tat sie so, als befände sie sich an Bord der JOLLY BONNET. Von wuchtigen Wellen wurde das Schiff hin und her geworfen, während sie übers Deck (ihren Kaminvorleger) wankte und gegen den heulenden Wind ankämpfte.

BUMM.

»Die Schotten dicht machen, Fortescue!«, brüllte sie. »Ich muss mich ans Steuer binden!«

Vom Kaminsims starrte sie mit leerem Blick ein Zinnsoldat an. »Aye, aye, Käpten!«, piepste Cordelia aus dem Mundwinkel.

BUMM.

»Der Feind greift an!«, rief Cordelia, packte die Rückenlehne ihres Holzstuhls und hievte ihn hoch. Unter ihren Händen wurde er zum großen Steuerrad eines Schiffes.

BUMM.

Eine stürmische Windbö wehte das Fenster auf. Flackernd erlosch die Kerze und um Cordelia wurde es finster.

BUMM, BUMM, BUMM.

Durch alle fünf Stockwerke des Hauses schallte lautes Klopfen, als jemand an die Haustür hämmerte.

Cordelia verließ ihr Zimmer über die Leiter und sprintete durch den oberen Flur. Eingewickelt in einen pflaumenfarbenen Morgenmantel aus Samt, erschien Tante Ariadne aus ihrer Kammer. Auch Onkel Tiberius tauchte auf, vom Schlafen ganz zerknautscht.

»Vater!«, rief Cordelia und schob sich an ihnen vorbei. »Mein Vater ist zu Hause!«

BUMM, BUMM, BUMM.

Cordelia rannte die Wendeltreppe hinab, die sich durch die Mitte des Hauses zog. Sie stürmte an Großtante Petronella vorbei, die vor dem flackernden blasslila Feuer im Alchemiesalon döste. Als sie an den hohen Türen zum Hutmacheratelier vorbeieilte, überlegte sie, dass der schnellste Weg ins Erdgeschoss ein Rutsch auf dem Korkenziehergeländer wäre, und drei Herzschläge später war sie unten angekommen.

Barfuß patschte sie über die kalten Fliesen des Eingangsbereichs. Sie schüttelte den Kopf, um den Schwindel zu vertreiben, und rannte (noch immer etwas benommen und in leichten Schlangenlinien) durch den breiten Flur zur Tür.

Weißes Licht erhellte den Himmel, als sie den wuchtigen Schlüssel im Schloss drehte. Durch das geriffelte Glas des Fensters zeichnete sich eine große Gestalt ab.

Über ihnen krachte Donner, während Cordelia die schwere Eichentür aufzog.

Ein Blitz spaltete den Himmel.

Auf der Schwelle stand ein Mann. Er war nass bis auf die Knochen, sah mitgenommen aus und schnaufte schwer im Wind.

Es war nicht ihr Vater.

Kapitel 2

Cordelia wich stolpernd zurück, als der Mann ins Haus torkelte und sowohl den Regen als auch den unbändigen Wind mitbrachte. Sein prächtiger Brokatmantel roch nach Meergischt und Salz.

»Lord Witloff!« Tante Ariadne kam mit einer Laterne die Treppe herab. »Was um Himmels willen ist geschehen?«

Auf dem Boden der Eingangshalle bildete sich rund um Lord Witloff eine Pfütze Regenwasser. »Der Himmel hat leider nichts damit zu tun, Madam Hatmaker, sondern das Meer!« Lord Witloff rang pfeifend nach Luft. »Das Meer hat zugeschlagen!«

Cordelia fühlte sich, als würde eine Sibirische Eisspinne über ihren Nacken krabbeln.

»Bitte, Mylord, erzählt uns doch, was vorgefallen ist«, bat Onkel Tiberius.

»Ist der JOLLY BONNET etwas zugestoßen?« In der Tür zur Küche war die Köchin aufgetaucht, die Haare in Lockenwicklern und einen Holzlöffel in der Hand.

»Wo ist mein Vater? Kapitän Hatmaker?« Vor Angst war Cordelias Stimme ganz dünn und zittrig.

Lord Witloff nahm den schwarzen Dreispitz vom Kopf und kippte eine beträchtliche Menge Wasser aus der Krempe. »Die JOLLY BONNET«, antwortete er, »ist gesunken. Sie ist an den grauenhaften Felsen vor Rivermouth zerschellt.«

Der Wind heulte durchs Haus.

»Und mein Vater? Wo ist er?«, wollte Cordelia wissen.

Die Eisspinne spann in ihrem Magen ein kaltes Netz.

Lord Witloff betrachtete seine Stiefelspitzen. »Ich war dabei. Habe oben im Leuchtturm gewartet, um dafür zu sorgen, dass das Schiff sicher durch die Meerenge gelotst wird«, murmelte er und umklammerte seinen Hut so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. »Im Palast wartet man sehnsüchtig darauf, dass der Kapitän mit dem letzten Material für den neuen Hut des Königs zurückkehrt. Doch heute Abend …« Lord Witloff unterbrach sich und seine Augen füllten sich mit Grauen. »Mitten im Sturm kamen die Segel in Sicht«, fuhr er aschfahl fort. »Ich war nah genug, um die Schreie der Crew im Wind zu hören, habe Kapitän Hatmaker persönlich am Steuer gesehen … Doch bevor das Schiff die Felsen passieren konnte, um den sicheren Hafen von Rivermouth zu erreichen, erhob sich eine schreckliche Flutwelle aus dem dunklen Meer und warf die JOLLY BONNET gegen die Klippen. Innerhalb von wenigen Augenblicken war das Schiff nur noch Kleinholz.«

Cordelia schüttelte den Kopf. Dann erst fiel ihr auf, dass sie am ganzen Körper zitterte.

»Alle sind mit dem Schiff untergegangen«, flüsterte Lord Witloff. »Es gab keine Überlebenden.«

»Aber … Nein«, sagte Cordelia. »Mein Vater ist der beste Schwimmer, den ich kenne. Er weiß, wie man durch Sturmwellen und Strudel schwimmt. Er kann gar nicht ertrunken sein!«

Lord Witloff wirkte seekrank und traurig. »Kapitän Hatmaker ist verloren«, sagte er. »Es tut mir leid.«

Cordelias Trauer und Wut waren stärker als ihre schwachen Beine und trugen sie die Treppe wieder hinauf. Tante Ariadnes Stimme wehte wie eine zerrissene Fahne hinter ihr her. Während Cordelia sich ihren Weg durch den obersten Flur ertastete, bahnte sich in ihren Augen eine verräterische Tränenflut an. Am Ende des Ganges riss sie die Tür auf und der herzzerreißend vertraute Geruch ihres Vaters hüllte sie ein. Es duftete nach Gewürzen, die er von seinen Abenteuern mitbrachte, nach Zedern, Holzfeuer und Seeluft. Cordelia warf sich auf sein leeres Bett und wickelte sich in die kratzigen Wolldecken ein.

Das Gesicht im Kissen vergraben, lag sie da und fühlte sich, als wollte das traurigste Lied der Welt aus ihr herausbrechen. Heulend jagte es durch ihren Bauch in ihre Brust, umrundete ihr Herz und wanderte ihren Hals hinauf, wo sie es verzweifelt zittern spürte.

»Cordelia?«, flüsterte Tante Ariadne, die auf Zehenspitzen ins Zimmer kam. Über ihnen grollte Donner. Es klang, als würden Schiffe auf Felsen zerschellen. »Meine arme Cordelia.«

Cordelia lag angespannt da, fest entschlossen, das Lied nicht aus ihrem Mund zu lassen. Eine warme Hand legte sich auf ihren Rücken.

Schließlich sagte ihre Tante: »Das hier wird dir beim Einschlafen helfen, mein Schatz.« Sie strich Cordelias Haar beiseite und Cordelia spürte den Samt einer Mondblumen-Nachtmütze, die ihr behutsam über den Kopf gezogen wurde.

Die Nachtmütze wirkte ihre Magie, sodass Cordelia ein einziges Seufzen später eingeschlafen war.

Aus schwarzer Tiefe reckten sich ihr Tentakel entgegen und sie rief nach ihrem Vater, doch ihre Stimme verlor sich in den schemenhaften Wellen. Die ganze Nacht über spukten die Worte verloren, verloren, verloren durch ihre sturmgepeitschten Träume, in denen an einem seltsamen Himmel ein Albatros schrie und seine Kreise zog.

Am Morgen erwachte Cordelia mit einer Idee: Was verloren ist, kann gefunden werden.

Kapitel 3

Cordelia schlüpfte in die Jacke ihres Vaters. Ihre goldenen Knöpfe schimmerten so hell wie die Hoffnung. Sie schob sich die Ärmel hoch und tappte aus dem Zimmer.

Im Haus war alles still. Durch das Fenster schaute ein klarer blauer Himmel herein und die Regentropfen auf den Scheiben glitzerten in blassgelbem Sonnenlicht.

In der Bibliothek roch es nach Bienenwachs, poliertem Holz und Orientteppichen. In den Regalen standen Rücken an Rücken Tausende von Büchern. Uralte Zauberbücher, Einführungen in moderne Wissenschaften und dicke Wälzer voll schauerlicher Geheimnisse machten sich gegenseitig den Platz streitig. Manche Exemplare reichten Cordelia bis übers Knie und hatten geriffelte Lederrücken. Andere waren kleiner als ihre Handfläche und in juwelenfarbene Seide gebunden. Doch sie alle waren Bücher, deren Seiten wisperten, wenn Cordelia in ihnen blätterte.

Es war so früh, dass die Schicksalstauben in ihrer Voliere, dem großen Vogelkäfig neben dem Fenster, noch schlummerten, die Köpfe unter die Flügel gesteckt.

»Gurr, gurr«, rief Cordelia leise. Mehrere leuchtend schwarze Augen blinzelten sie an, als sie die Schälchen mit frischen Körnern und frischem Wasser füllte.

Einer der Vögel schaute sie aufmerksam an.

»Agatha«, sagte Cordelia. »Mein Vater ist auf See verschollen und du bist die Einzige, die ihn finden kann.«

Agatha breitete bedeutsam die Schwingen aus und gurrte.

Cordelias Vater, Kapitän Prospero Hatmaker, hatte Agatha (als Ei) einst in seiner Achselhöhle warm gehalten und somit selbst ausgebrütet. Als sie sich eines Tages aus ihrer Schale gepickt hatte, fand sie sich in seiner behutsamen Hand wieder und erwählte ihn zu ihrer Ziehmutter.

Wenn eine Schicksalstaube auf diesem Weg das Licht der Welt erblickt, findet sie ihre Mutter, egal, wo sie ist, um für sie von dort eine Botschaft nach Hause zu fliegen. Also nahm Cordelia aus der oberen Schreibtischschublade eine der winzigen Schriftrollen und notierte:

Vater, angeblich bist du auf See verschollen. Wenn du

verloren bist, kann man dich finden. Bittefindedich

so bald wie möglich auf See wieder ein.

Auf dem Papier war kaum noch Platz, also quetschte sie dazu:

Und bitte komm nach Hause.

Alles Liebe, Dilly

Sie küsste den Zettel – vorsichtig, um die Tinte nicht zu verwischen –, bevor sie ihn zum Trocknen in der Luft wedelte. Anschließend rollte sie ihn fest auf und versiegelte ihn mit rotem Wachs und einem Korken in einer winzig kleinen Glasflasche.

Dann nahm sie Agatha liebevoll aus der Voliere und band die Flasche ans Bein des Vogels. Sie spürte, wie Agathas kleines Herz dreimal so schnell schlug wie sonst.

»Zu Prospero, zu Prospero!«, flüsterte Cordelia wie einen Zauberspruch. Dann riss sie weit das Fenster auf und Agatha flog davon. Cordelia lehnte sich nach draußen und sah der Taube nach, bis sie nur noch ein undeutlicher Fleck über den frisch gewaschenen Häusern Londons war.

»Cordilly?« Onkel Tiberius war auf der Schwelle erschienen und rieb sich verschlafen das Gesicht. Er wirkte wie ein Bär, den man zu früh aus dem Winterschlaf gerissen hatte. »Geht es dir gut, meine Kleine?« Seine grollende Stimme klang sanft.

»Ja, Onkel«, antwortete Cordelia. »Ich habe Vater gerade eine Nachricht geschickt.«

Onkel Tiberius ließ die Schultern hängen. »Ach, Cordelia, meine Süße«, sagte er.

»Weißt du«, erklärte Cordelia, »wenn er auf See verloren ist, heißt das doch, wir müssen ihn nur finden. Also habe ich Agatha losgeschickt, damit sie nach ihm sucht.«

»Kleine Hutmacherin«, sagte Onkel Tiberius seufzend, »wenn die Mutter einer Schicksalstaube … tot ist … fliegt das arme verwirrte Ding einfach weg … und wird nie wieder gesehen.«

Plötzlich begannen die Augen von Onkel Tiberius zu glitzern und er putzte sich mit einem grünen Seidentuch die Nase.

»Nicht weinen, Onkel!« Cordelia stieg auf einen Stuhl, um ihm die bebende Schulter zu tätscheln. »Agatha wird Vater finden. Er ist nicht tot – er ist nur verloren, das ist etwas ganz anderes.«

Onkel Tiberius wischte sich über die Augen.

»Jetzt mach nicht so ein Gesicht!« Cordelia grinste. »Wir müssen noch den Konzentrationshut für den König fertig machen. Im Palast warten sie bestimmt schon!«

Normalerweise herrschte im Haus der Hutmacher an einem Tag, an dem eine Lieferung für den Palast anstand, immer eine Mischung aus ausgelassener Stimmung und Chaos. Doch an diesem Morgen fehlte jedem der schwarz gekleideten Hutmacher der Schwung und sie hatten rot verweinte Augen, außer Cordelia. Die Köchin gab einen extra Löffel Honig in Cordelias Haferbrei und ihr einen schweren Kuss auf die Stirn.

Jones, der Kutscher der Hutmacher, beugte sich mit einer Tasse Tee in der Hand zum Küchenfenster herein. Er trug seine schicke blaue Uniform, einen tintenschwarzen Dreispitz und einen Ausdruck der Trauer im Gesicht.

Tante Ariadne, die blass am Kopf der Frühstückstafel saß, biss in ein trockenes Stück Toast. Nachdem sie einen Weinrautenzweig auf ihrem schwarzen Trauerhut zurechtgerückt hatte, sagte sie: »Es tut mir leid, dass wir heute in den Palast müssen, Cordelia, mein tapferes Mädchen. Königliche Hutmacher zu sein, hat auch seine Nachteile: Die Pflicht ruft.«

»Außerdem dürfen wir uns nicht von dieser verflixten Stiefelmacher-Gilde ausbooten lassen. Von diesen etepetete Handschuhmachern ganz zu schweigen«, knurrte Onkel Tiberius, der schlecht gelaunt in seinem Brei rührte.

»Genauso wenig wie von den Uhrmachern oder Mantelmachern!«, ergänzte Cordelia.

»Klatschmäuler und Angeber«, murrte Onkel Tiberius.

»Und davon mal ganz abgesehen«, meinte Cordelia, »würde Vater wollen, dass wir hingehen.«

Tante Ariadne verzog den Mund. »Wir müssen den Hut nun einmal so gut wie möglich fertigstellen, auch ohne das besondere Material, das Prospero uns bringen wollte.«

»Was war das denn?«, wollte Cordelia wissen.

»Die Ohrenfeder einer Eule der Athene aus den Platonischen Wäldern«, antwortete Onkel Tiberius. »Der weiseste Vogel der Welt: gibt sich ungeheuer große Mühe, Menschen aus dem Weg zu gehen. Durch die Feder hätte sich der König voll und ganz auf seine Arbeit konzentriert und mit Begeisterung von jeder Ablenkung ferngehalten.«

»Geh doch schnell und hilf Großtante Petronella bei ihrem Feuer, meine Cordelia«, sagte Tante Ariadne mit seltsam bebender Stimme.

»Mit mehr Schwung, Kind!«, krächzte Großtante Petronella.

Cordelia pumpte den ächzenden Blasebalg so kräftig, dass das zartlila Feuer züngelnd zum Leben erwachte und mit violetten Zungen den rußigen Schlot hinaufleckte. Purpurschatten tanzten durch den Alchemiesalon, als das Feuer die Messinginstrumente mit flackerndem Licht überzog. Großtante Petronella legte ihre kühlen Hände auf Cordelias Wangen.

»Du bist ein starkes Mädchen«, sagte die uralte Dame mit einer Art leidenschaftlichem Krächzen.

Cordelia fand, dass die Erwachsenen sich ziemlich albern benahmen, eingehüllt in so viel Schwarz – und dauernd erzählten sie ihr, wie tapfer und stark sie doch war.

»Ich weiß, ihr glaubt, Vater sei ertrunken. Das dachte ich auch, letzte Nacht«, sagte sie zu ihrer Großtante. »Aber dann, als ich aufgewacht bin, wurde mir klar, dass er nur verloren ist. Das ist etwas ganz anderes, weißt du? Einmal hat er zwölf Tage auf einem undichten Floß überlebt, das auf dem Ozean trieb. Er kann alles überstehen.«

Prospero Hatmaker hatte in der Tat zwölf Tage auf einem Stück Schiffsrumpf im Meer treibend überlebt. Ebenso wie Cordelia. Es war ihre Lieblingsgeschichte.

»Du wurdest auf dem Meer geboren, kleine Hutmacherin«, hatte ihr Vater ihr schon oft erzählt. »Deine Mutter und ich haben gemeinsam auf der Suche nach Materialien viele Abenteuer bestanden. Eines Tages wurde uns klar, dass mit uns ein dritter Hutmacher auf Reisen war: du! In der Nacht, als du zur Welt kamst, ein kleines Stück abseits der Küste von Marokko, war die Nacht voller Sterne. Die versammelte Mannschaft veranstaltete eine Feier und deine Mutter und ich waren überglücklich vor Freude. Auf dem Schiff hatten wir kein Babybett, also bauten wir aus einer Hutschachtel eine Wiege, in der du zu gerne geschlafen hast. Diese Hutschachtel war es auch, die dich gerettet hat …

Viele Wochen später brach aus heiterem Himmel ein schrecklicher Sturm über uns herein. Ein Blitz traf den Mast und unser Schiff fing Feuer. Ich stand am Steuer und versuchte, uns aus dem Unwetter zu manövrieren, als ich deine Mutter unter Deck rennen sah. Durch Feuer und Rauch kam sie mit der Hutschachtel in den Armen wieder herauf.

Im selben Moment brach das Schiff mit einem unheilvollen Kreischen entzwei – das gewaltige Feuer hatte es bis zum Kiel bersten lassen. Die Welt schien in zwei Hälften zu zerreißen. Deine Mutter warf verzweifelt die Hutschachtel über das aufklaffende Loch, über das brodelnde Wasser. Ich bin dir sofort nachgesprungen. Die Hutschachtel landete auf einem Wellenkamm, noch während ich ins Wasser eintauchte. Als ich wieder an die Oberfläche kam, war die Hälfte des Schiffs verschwunden. Ich zog mich auf die Überreste des Wracks und du, du warst in deiner Hutschachtel wie durch ein Wunder am Leben geblieben, wenn auch sehr nass und zappelnd wie ein kleiner Wurm.

Die ganze Nacht lang habe ich nach Überlebenden gesucht. Doch im Licht der aufgehenden Sonne sah ich schließlich, dass deine Mutter fort war. Die ganze Besatzung war fort. Du und ich waren die Einzigen, die übrig waren, gestrandet auf einem halb versunkenen Schiff und kilometerweit umgeben von nichts als leerem Ozean.

Zwölf Tage später sammelte uns ein portugiesisches Segelschiff auf und am Ende erreichte ich mit dir London – der größte Schatz, den ich je nach Hause gebracht habe.«

Ihr Vater trug immer eine Kette mit einem Schneckenhaus um den Hals. Darin befand sich ein winziges gemaltes Bild, nicht größer als Cordelias Auge. Es war ein Porträt ihrer Mutter. Dieses Gemälde konnte Cordelia stundenlang ansehen, ihre glatte Haut, ihr volles dunkles Haar und ihre freundlichen, lächelnden Augen. Es faszinierte sie.

»Du siehst genauso aus wie sie, kleine Hutmacherin«, sagte ihr Vater immer wieder mit liebevollem Blick. »Dass du so schön und klug bist, hast du von ihr geerbt.«

In solchen Momenten lächelte Cordelia ihren Vater immer an und erwiderte: »Und was hast du mir vermacht, mein lieber Vater?«

Dann grinste er und antwortete: »Die Talente der Hutmacher: ein freier Geist und Fingerspitzen voller Magie!«

»Du bist ein tapferes Mädchen und so stark«, unterbrach nun die heisere Stimme von Großtante Petronella Cordelias Gedanken.

Cordelia blinzelte. Ihre Großtante sah sie voller Stolz und Traurigkeit an. »Er ist nicht tot«, sagte Cordelia überzeugt. »Er kommt zurück. Ich habe Agatha losgeschickt.«

Ihre Großtante drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und ein Sonnenzucker-Karamell in die Hand.

»Cordelia! Ich brauche dich im Atelier!«, rief Tante Ariadne die Treppe herauf.

Kapitel 4

Soweit Cordelia zurückdenken konnte, hatte sie ihrer Familie bei ihrem Handwerk geholfen. Noch bevor sie laufen konnte, war sie mit Bändern und Spitze im Mund zwischen den Eichenwerkbänken des Ateliers herumgekrabbelt. Erreichten diese ein wenig feucht ihr Ziel, hatte ihr Onkel sie immer geduldig am Feuer getrocknet, bevor er sie an seine Kreationen nähte.

Als Cordelia mit dem Laufen begann, stolperte sie mit Federn für die Hüte durchs Schmuckzimmer und gab gut acht, sie auch immer schön hochzuhalten. Sie tappte durch die Dampfschwaden, die von den Hutblöcken ihrer Tante aufstiegen, und wankte im Alchemiesalon durch feine Wirbel aus tanzendem Kristalllicht.

Die ersten Worte, die sie lernte, schrieben sich mit zackigen Runen und stammten aus den wispernden Büchern der Bibliothek. Sie freundete sich mit den üppigen Pflanzen an, die in dem Gewächshaus oben auf dem Dach gediehen, machte sich durchs Teleskop ihrer Großtante mit den Sternen vertraut und gab all den Schicksalstauben Namen.

Wenn Schnee die Erde bedeckte, wickelte sie den Mondkaktus in einen Wollschal ein und im Sommer kühlte sie den Vesuvischen Stein mit einem Fächer, damit er nicht länger Lava auf den Tisch ihrer Großtante spuckte. Sie wusste, welche Bürsten schroff waren, solange man nicht höflich mit ihnen umsprang, und sie war die Einzige, die den Timorfarn dazu ermutigen konnte, neue Blätter auszutreiben, indem sie ihm freundlich zuraunte.

Seit mehr Generationen, als man überhaupt zählen konnte, hatten in diesem Hause Hutmacher gelebt. Alle Bretter und Balken, sämtliche der abgewetzten Steine waren bis zum Kern vollgesogen mit der Magie der Materialien, die von Abenteuern aus aller Welt nach Hause gebracht worden waren. Das wellige Glas der alten Fenster, die Wände und selbst die Schornsteine knisterten und vibrierten von Magie.

Einiges davon konnte einem ziemlich auf die Nerven gehen. Trat man zum Beispiel auf die falsche Stelle des Kaminvorlegers im Atelier, ließ er einen absichtlich stolpern. Eines der Bodenbretter war überaus kitzlig und hatte den Hang, sich zu schütteln, wenn man darüberging. Onkel Tiberius seinerseits verlor oft die Geduld mit dem Schrank, in dem alles Unsichtbare aufbewahrt wurde. Die Schranktüren waren im Lauf der Zeit allmählich selbst unsichtbar geworden – erst unauffällig, dann durchscheinend und schließlich ganz verschwunden. Doch wenn ihr Onkel den Griff wieder einmal nicht finden konnte, wusste Cordelia genau, in welchem Winkel sie auf die Wand spähen musste, um ihn zu entdecken.

So nützlich sich Cordelia im Haus auch machte, erlaubte man ihr trotzdem nicht, einen eigenen Hut herzustellen.

»Materialien sind unberechenbar«, warnte ihre Tante sie häufig. »Wenn man sie nicht exakt verwendet, können sie extrem großen Schaden anrichten. Und manche Materialien sollte man überhaupt nicht benutzen.«

Diese verbotenen Gegenstände wurden im Kabinett der Gefahren eingeschlossen, einem Schrank aus Eisen, der im Atelier stand. Zu den Gelegenheiten, wenn er einmal geöffnet wurde, schickte man Cordelia grundsätzlich aus dem Zimmer. Zwar war sie unglaublich neugierig, was für tückische Schätze darin aufbewahrt wurden, doch bisher hatte sie noch keinen einzigen Blick erhaschen können. Alles, was von einer der Expeditionen mit nach Hause gebracht, aber als zu gefährlich eingestuft wurde, verschwand hinter den eisernen Wänden, und der Schlüssel zum Kabinett der Gefahren hing grundsätzlich an Tante Ariadnes Gürtel.

Über den Türen des Kabinetts stand auf Latein das Motto der Hutmacher geschrieben:

NOLI NOCERE

Es bedeutete: Richte niemals Schaden an, was in der Kunst des Hutmachens das oberste Gebot war.

Einmal hatte Cordelia ihren Vater und Onkel Tiberius dabei belauscht, wie sie ein einzelnes Barthaar eines Säbelzahntigers abwogen. Mit dem Ohr am Schlüsselloch zum Hutkämmerlein hatte sie ihren Onkel seufzen hören: »Es ist viel schwerer als mein höchstes Maß an Gefahr, Prospero! Wir werden es im Kabinett der Gefahren einschließen müssen.«

Also hatte man das Kabinett der Gefahren geöffnet und das Schnurrhaar weggesperrt.

Cordelia war das Gerücht zu Ohren gekommen, dass der Schrank sogar einen Krötenstein enthielt, aber danach zu fragen, wagte sie nun wirklich nicht.

Dafür hatte sie mehr als einmal versucht, ihrer Tante die Erlaubnis zum Hutmachen im Allgemeinen abzuringen. »Ich würde keinen bösen Hut machen!«, hatte sie argumentiert und möglichst offen und ehrlich dreingeschaut. »Ich würde einen wirklich netten Hut herstellen. Einen sehr sicheren.«

»Du bist noch nicht alt genug, Cordelia«, antwortete ihre Tante jedes Mal. »Bevor du überhaupt daran denken kannst, einen eigenen Hut anzufertigen, hast du noch eine ganze Menge zu lernen.«

Doch Cordelia dachte nun einmal darüber nach, wie sie ihren ersten Hut erschaffen würde. Sie sehnte sich danach, bunten Filz um einen Hutblock zu wickeln, ihn mit Bändern und Federn, Edelsteinen und gewundenen Zweigen zu bedecken, ihn mit Perlen zu verzieren, mit Knöpfen und Muscheln und Blumen und …

»Das steht vollkommen außer Frage«, beendete ihre Tante grundsätzlich die Diskussion.

Das hörte Cordelia nie gerne.

Tante Ariadne besaß eine goldene Hutnadel, geschmückt mit einem Smaragd, so groß wie eine Stachelbeere. Mit einem entschlossenen Handgriff steckte sie sich diese Nadel immer ins Haar, bevor sie die Ärmel hochkrempelte, um sich an einen neuen Hut zu wagen. In der Hutnadel steckte die Macht, ihre Tante in eine geniale und hinreißende Hutmacherin zu verwandeln.

Onkel Tiberius gehörte eine glänzende silberne Hutnadel, die er immer in seiner Brusttasche aufbewahrte. Großtante Petronellas steckte immer in ihrem Haarknoten, wo der rote Stein prächtig und edel schimmerte. Prosperos Hutnadel, die er an seinem Kapitänshut trug, war aus dem Ast eines Fleetholzbaums geschnitzt.

An jedem Geburtstag hoffte Cordelia, ihre eigene zu bekommen: eine Hutnadel, die sie zur Hutmacherin machen würde. Eine Hutnadel zu besitzen, würde ihr endlich erlauben, die Arbeit zu tun, nach der es ihr in den Fingern juckte. Doch sie wusste, dass auch sie – wie alle Hutmacher vor ihr – ihren ersten Hut erst an ihrem sechzehnten Geburtstag würde herstellen dürfen.

Bis dahin waren es gefühlt noch Ewigkeiten.

Als ganz besondere Überraschung hatte sie an ihrem elften Geburtstag die frisch aufgezogenen Filzrohlinge mit einer steifen Dachshaarbürste bearbeiten dürfen, bis sie glänzten.

»Wenn du zwölf wirst, kleine Hutmacherin, wirst du lernen, was es mit den mächtigen Accessoires auf sich hat, mit denen wir die Hüte schmücken. Mit den Federn fangen wir an«, hatte Prospero versprochen. »Federn tragen ungeheuer viel Magie und Persönlichkeit in sich.«

Heute, einige Monate vor ihrem zwölften Geburtstag, rannte Cordelia in das Atelier, wo sie ihren Onkel über einen salbeigrünen Hut auf dem Hutblock gebeugt fand. Er war gerade dabei, eine Girlande aus Rosmarin auf die weite Samtkrempe zu nähen.

»Rosmarin für Erinnerungsvermögen«, murmelte er.

Während der Arbeit legten ihre Tante und ihr Onkel die schwarzen Trauerhüte ab. Stattdessen trugen beide nun mit Rüschen besetzte Hauben, die unter dem Kinn mit großen leuchtend gelben Schleifen zusammengehalten wurden.

»Ich weiß, wir sehen albern aus«, sagte Tante Ariadne, als sie Cordelias Blick bemerkte, »aber wir können nicht zulassen, dass unsere eigene Trauer in den Hut des Königs sickert. Es würde unsere ganze harte Arbeit ruinieren. Also tragen wir Frohnaturhauben, solange wir unser Werk vollenden, um die schlechte Stimmung zu vertreiben.«

Sie bot Cordelia auch eine Haube an, doch Cordelia lehnte ab. »Die brauche ich nicht, danke, Tante«, sagte sie.

Tante Ariadne wandte sich ab, das Gesicht hinter den übertriebenen Rüschen der Haube verborgen.

Cordelia wusste, dass sie sich alle Mühe gab, positiv zu sein. Der Gemütszustand eines Hutmachers während der Arbeit war nämlich äußerst wichtig. Zahlreiche Male hatte Tante Ariadne ihr eingeschärft: »Es ist absolut notwendig, nur Gutes aus deinem Geist über deine Hände in den Hut fließen zu lassen.«

War ein Hutmacher zum Beispiel traurig oder wütend, achtlos oder unruhig, dann übertrug sich das auf sein Werk und anschließend auf den Träger des Huts, wenn er erst auf dessen Kopf saß. Onkel Tiberius hatte ihr einmal von einem Hutmacher erzählt, der über beide Ohren verliebt gewesen war, während er für einen Politiker einen Hut der Würde hergestellt hatte. Die Liebe des Hutmachers erfüllte den Hut der Würde mit aufkeimender Bewunderung, was wiederum den Politiker, als der ihn aufsetzte, mit einem überwältigenden Gefühl der Liebe für den Anführer der Opposition erfüllte. (Cordelia vermutete, dass Onkel Tiberius selbst der Schöpfer dieses speziellen Hutes gewesen war, auch wenn er das nie zugegeben hatte.)

»Spinnenseide«, sagte Tante Ariadne, die sich Cordelia erneut zuwandte und die silberne Strähne eines zierlichen Netzes hochhielt. »Gesponnen von einer Braunen Studienspinne und gestern vor Mondaufgang geerntet. Komm, Cordelia, dabei brauche ich deine Hilfe. Und denk daran, dich zu konzentrieren.«

Cordelia streckte die Hände aus, während Tante Ariadne behutsam die feine Spinnenseide darumwickelte. Wenig später spannte sich zwischen Cordelias Händen eine glänzende Brücke aus Silber.

»Und jetzt eindrehen«, wies Tante Ariadne sie an.

Cordelia drehte die Hände, sodass die Fäden sich zu einem feinen Zwirn aus Seide verbanden. Tante Ariadne schnitt ihn ab und knotete beide Enden sorgfältig zu.

»Als Nächstes nähen wir das an den Hut, und zwar fangen wir hier an, über dem linken Auge …« Tante Ariadne steckte den Spinnenseidezwirn am Hut fest. »Und lassen es im Uhrzeigersinn um die Krone herum bis zur Spitze wandern …«

Voller Bewunderung sah Cordelia zu, wie ihre Tante das glänzende Seil kunstvoll um den Hut drapierte.

»Es soll dem König dabei helfen, sich zu konzentrieren, was genau dem in Auftrag gegebenen Hut entspricht.« Cordelia nickte. Ihre Tante drehte sich zu ihr um. »Kannst du mir sagen, warum ich die Seide einer Braunen Studienspinne ausgesucht habe?«

Cordelia dachte kurz nach, bevor sie antwortete. »Spinnenseide hast du gewählt, weil Spinnen so fleißig sind und sich Mühe geben, wenn sie ihre Netze bauen – und dieser Hut soll dem König ja dabei helfen, fleißig zu sein … Eine Braune Studienspinne mag außerdem Papier und Stille – genau das braucht der König, um konzentriert arbeiten zu können.«

»Hervorragend.« Tante Ariadne lächelte. »Wir sollten ihm den letzten Schliff mit einer frischen Blüte der St.-Aigis-Rebe geben. Holst du uns eine?«

Cordelia duckte sich unter den Wäscheleinen hindurch, an denen die frisch gefärbten Seidentücher hingen, und flitzte die Treppe hinauf ins Gewächshaus. Als sie am Alchemiesalon vorbeikam, wallte eine himmelblaue Rauchwolke zur Tür heraus.

»Prächtig!«, hörte sie Großtante Petronella krächzen. »Das Peilglaströpfchen ist fast fertig!«

Als Cordelia einen Abstecher in den Salon machte, erblickte sie ihre Großtante mit einer Eisenzange einen schimmernden Tropfen halten. Er sah aus wie flüssiges Sonnenlicht. In der Luft lag ein durchdringender Geruch. Cordelias Meinung nach war Alchemie eine Mischung aus Poesie und Wissenschaft.

»Ah, Kind – hol mir doch rasch das Glas dort vom Fensterbrett«, bat Großtante Petronella. »Aber Vorsicht, es ist voll mit Donnerregen.«

Cordelia öffnete das Fenster und hob achtsam das Glas hoch, das auf dem Sims stand. Es war randvoll mit sturmgrauem Regenwasser, von dem Cordelia auf dem Weg durchs Zimmer etwas verschüttete. Prompt erhob sich aus dem Glas ein Donnergrollen und ein winziger Blitz zuckte übers Wasser.

»Schön frisch«, sagte Großtante Petronella lächelnd, als Cordelia es auf den Tisch stellte.

Ihre Großtante ließ den glühenden Tropfen ins Wasser gleiten. Wie eine Gewitterwolke erhoben sich gewaltige Dampfschwaden in den Raum. Rings um sie herum zuckten und knisterten winzige gezackte Blitze.

Als Großtante Petronella durch den aufsteigenden Dunst wieder zu sehen war, stellte Cordelia fest, dass der Glastropfen, den sie noch immer mit der Zange hielt, nun kristallklar leuchtete.

»Dieses Peilglas wird dem König dabei helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren«, erklärte ihre Großtante.

»Warum hat es sich so verändert?«, wollte Cordelia wissen.

»Nichts härtet so gut ab wie Gewitterregen. Ein Unwetter zu überleben, kann einen Menschen prägen.«

Cordelia stockte der Atem. Großtante Petronella sah sie durchdringend an. Ihre Augen waren wie zwei Kristalle, die inmitten der uralten Falten ihres Gesichts funkelten.

»Was braucht man, um einen Sturm zu überleben? Ein gutes Herz und gutes Urteilsvermögen«, sagte sie ruhig. »Prospero hat beides.«

»Glaubst du …?«, setzte Cordelia an.

Doch die alte Dame hielt eine Hand in die Höhe, um sie zu bremsen. »Die Glashersteller in Venedig kennen sich mit Stürmen aus«, sagte sie. »Sie haben ganze Fässer voll Gewitterregen. Sie sammeln verschiedene Arten von Wasser von allen möglichen verschiedenen Unwettern. Und die Sammelbecken dafür sind groß genug, um Elefanten darin zu baden. Diese Venezianer sind wahre Meister des Glases.«

»Warst du schon einmal dort und hast sie getroffen?«, fragte Cordelia mit großen Augen.

»Ah – das ist lange her …«, begann ihre Großtante, wurde aber von einem Ruf von unten unterbrochen.

»Cordelia! Wo bleibt die Blüte?«

»Schon unterwegs, Tante!«, rief Cordelia zurück, schlitterte aus dem Salon und flitzte hinauf ins Gewächshaus.

Wenige Minuten später war der frisch hergestellte Peilglastropfen an der Hutspitze festgenäht, wo er wie ein dicker Tropfen glasklaren Wassers hing. An der Krempe leuchtete eine hellgelbe Blüte der St.-Aigis-Rebe und man brachte den Hut in das Hutkämmerlein.

Mitten im Zimmer stand eine gewaltige Holzwaage und auf Regalen an den Wänden reihten sich Hunderte von Messinggewichten.

Onkel Tiberius wählte ein Gewicht von der Größe eines Apfels aus. »Konzentration«, sagte er und stellte es auf die Waagschale. »Mit der Macht von zehnfacher Vertiefung.«

Tante Ariadne legte den Hut behutsam auf die andere Waagschale. Langsam neigte sich das hölzerne Gerät wie eine Schaukel und der Hut sank, bis er sich auf einer Linie mit dem Gewicht auf der anderen Seite befand.

»Bravo!«, donnerte Onkel Tiberius. »Konzentration in Hülle und Fülle!«

»Versuch es mit Besonnenheit«, schlug Tante Ariadne vor.

»Was heißt Besonnenheit?«, flüsterte Cordelia, während Onkel Tiberius nach einem Gewicht, so groß wie eine Kanonenkugel, griff, um es gegen den Hut aufzuwiegen.

»Es ist eine ganz besondere Art von Vernünftigsein«, flüsterte ihre Tante zurück.

Der Hut war eine Winzigkeit leichter als das Besonnenheitsgewicht, also versuchte Onkel Tiberius es mit einem kleineren. Diesmal war der Hut schwerer.

Tante Ariadne nickte zufrieden. »Das genügt.«

Zum Schluss legte Onkel Tiberius ein winziges Gewicht, nicht größer als ein Marienkäfer, in die Schale. Der Hut und das klitzekleine Gewicht hielten sich perfekt die Waage.

»Und was ist das?«, wollte Cordelia wissen.

»Freude«, murmelte Onkel Tiberius. »In kleinem Maß. Damit die Arbeit leicht von der Hand geht.«

Die Hutmacher begutachteten ihr Werk. Es war ein eleganter Hut aus hellem Graugrün, umschlungen mit Silber und Rosmarin. Cordelia stellte sich vor, wie der König Tag und Nacht nur noch fleißig in seinem Arbeitszimmer würde verbringen wollen, sobald er ihn sich aufsetzte.

Ihr Onkel schniefte. »Mit der Ohrenfeder der Eule der Athene wäre er besser gewesen«, sagte er, die Stimme brüchig vor Trauer.

»Ist ja gut, Tiber«, tröstete ihn Tante Ariadne.

Für gewöhnlich wurde ein neuer Hut, war er erst gewogen, in den Hutaufzug gelegt und mit der Seilwinde nach unten in den Hutmacherladen im Erdgeschoss befördert.

Doch dieser Hut war für den König bestimmt.

Gebettet in feine Seide wurde der Konzentrationshut in einer hübschen grauen Hutschachtel, verschnürt mit marineblauem Band, in die Kutsche der Hutmacher verladen.

Jones wartete mit dem Gefährt schon am Hauseingang. Er saß auf dem Kutschbock und hielt die Zügel zweier prächtiger Pferde, die wiehernd die Köpfe schüttelten und es kaum erwarten konnten aufzubrechen.

Tante Ariadne und Cordelia stiegen ein. Onkel Tiberius folgte ihnen und hielt die Hutschachtel vorsichtig im Arm. Großtante Petronella winkte ihnen zum Abschied von ihrem Fenster aus.

Jones schnalzte mit der Zunge und die Pferde setzten sich in schnellem Trott in Bewegung. Die Hutschachtel hopste den ganzen Weg von der Wimpole Street bis zum Palast auf Onkel Tiberius’ Schoß.

In der Kutsche herrschte Schweigen. Hin und wieder schniefte Tante Ariadne, die mit ihren schwarzen Handschuhen Cordelias Hand festhielt, während Onkel Tiberius stirnrunzelnd die Hutschachtel betrachtete. Er und Tante Ariadne hatten ihre bunten Frohnaturhauben abgenommen und trugen nun wieder die finsteren Trauerhüte, die das Innere der Kutsche durch ihr Schwarz wie mit Schatten erfüllten. Es war eine sehr stille Reise.

Im Palast dagegen herrschte reger Aufruhr.

Diener in roter Livree mit Rüschen, schwarzer Samtbarettmütze und weißen Strumpfhosen an den dünnen Beinen (was Cordelias Meinung nach ziemlich dämlich aussah) jagten aufgescheucht durch den großen Vorhof. Hektisch versuchten sie, Hunderte von Briefen und Papieren einzufangen, die vom Wind umhergeweht wurden.

Die Kutsche kam mitten in diesem Chaos zum Stehen. Ein ehrwürdiger Diener öffnete ihnen die Tür und alle Hutmacher stiegen aus.

»Hier entlang«, bat der Diener und führte sie durch die goldenen Palasttüren. Sein nobler Versuch, das Tohuwabohu um ihn herum zu ignorieren, scheiterte spätestens, als ihm einer der fliegenden Zettel mitten ins Gesicht klatschte.

Cordelia konnte eine Zeile in einer krakeligen Handschrift lesen:

Seine Majestät der König erteilt der Eisenfeuer-Kanonenfabrik

hiermit den Auftrag, 10.000 …

Doch bevor sie fortfahren konnte, stürzte sich ein panischer junger Lakai, dem die Samtkappe halb über die Augen gerutscht war, auf das Papier und brachte den Diener dabei gehörig ins Wanken.

Die Hutmacher kannten den Weg zu den Gemächern des Königs und brachen auf in das Labyrinth aus Gängen, wobei Onkel Tiberius die Hutschachtel wichtig vor sich hertrug. Herrschaftliche Damen, Zofen und Hofbeamte mit weißen Perücken drehten sich neugierig nach ihnen um, wenn sie vorbeiliefen. Cordelia strahlte vor Stolz, als sie neben der Hutschachtel herging, die für den König bestimmt war.

Ein Dienstmädchen mit einer Ladung Wäsche über dem Arm japste: »Meine Güte! Die Hutmacher!«

Cordelia winkte ihr mit einem freundlichen Lächeln zu, woraufhin das Mädchen die Wäsche überrascht fallen ließ.

Als sie die Türen zu den Gemächern des Königs erreichten, hielten dort vier Soldaten in silberschwarzen Uniformen Wache. Sie schienen ihr Möglichstes zu tun, die seltsamen blökenden Laute aus dem Zimmer hinter ihnen zu ignorieren. Merkwürdigerweise lag zu ihren Füßen ein einzelner hellblauer Stiefel.

»Ah! Familie Hatmaker!«, rief einer der Wächter. »Wir haben Sie bereits erwartet!« Er schob die Türen auf und die Hutmacher betraten den Raum.

König George befand sich auf seinem Thron. Was allerdings das einzig Normale an der Szene war, die sich ihnen nun präsentierte.

Der König trug nichts als eine spitzenbesetzte, lange Pluder-Unterhose, glänzende Schuhe aus Schlangenleder und eine scharlachrote Jacke, die nicht einmal zugeknöpft war. Außerdem saß er nicht auf dem Thron, er stand darauf – auf einem Bein und blökend wie ein verlorenes Schaf. Über ein Ohr hatte er sich einen Samthandschuh gestülpt, in einem Nasenloch steckte ein Radieschen und auf seinem Kopf balancierte er den anderen hellblauen Stiefel.

Kapitel 5

Euer Majestät«, stammelte Tante Ariadne und verneigte sich tief.

Cordelia und Onkel Tiberius verbeugten sich ebenfalls.

In den königlichen Gemächern herrschte Chaos. Papiere und Kleidungsstücke bedeckten den Boden, auf einem Schemel schlug ein Pfau mit den Flügeln und die Vorhänge wehten zu den offenen Fenstern hinaus. Die weiße Lockenperücke des Königs saß – schief – auf der Statue einer griechischen Göttin.

Prinzessin Georgina stand angespannt neben dem Thron ihres Vaters, sie trug ein wunderschönes Kleid aus rosa Seide. In den geballten Fäusten hielt sie einen schimmernden purpurfarbenen Umhang und schien mit Mühe die Tränen zurückzuhalten.

Zur anderen Seite des Königs stand Lord Witloff. Er wirkte noch erschöpfter als am vergangenen Abend, als er bei den Hutmachern erschienen war. Dennoch stand er eisern dazu bereit, Seine Majestät aufzufangen, sollte der König das Gleichgewicht verlieren und abstürzen.

»Ah, meine Hutleute!«, rief der König. »Ein Löffel ist ein Löffel, bis er heilig ist, dann erst wird er zur Gabel, zu essen damit Marmeladenrollmops.«

Onkel Tiberius nickte ernst. »In der Tat, Euer Majestät.«

»Schreib das auf, Perkins«, wandte der König sich an den Pfau, zog sich das Radieschen aus der Nase und knabberte daran.

Cordelia kicherte, bis Tante Ariadne sie in die Seite stieß.

Interessiert blickte der König Cordelia an. »Das Lachen eines Kindes ist die beste Medizin«, sagte er und wedelte mit den Radieschenblättern. »Außer natürlich, es handelt sich um einen Fall von ausgeprägtem Schluckauf. Dann muss man auf einen Springer Spaniel gesetzt werden, bis es aufhört.«

Cordelia nickte höflich.

»Legt diesen Verrückten in Ketten!«, rief König George, sprang vom Thron und zertrat bei der Landung eine silberne Taschenuhr. Dann trat er gegen einen großen Stoß Papiere und kicherte, als sie wie Herbstlaub aufwirbelten.

»Majestät, ich bitte Euch, tretet nicht gegen diese Dokumente«, flehte Lord Witloff. »Es sind wichtige Unterlagen, die den Frieden zwischen uns und Frankreich sichern!«

»Wollen wir es noch einmal versuchen, Mylord?«, schlug die Prinzessin vor und schüttelte den Purpurmantel.

Lord Witloff nickte. »Ich werde mich nur rasch um die Papiere kümmern«, flüsterte er, während er die Dokumente in der richtigen Reihenfolge wieder aufstapelte, solange der König damit beschäftigt war, sein Spiegelbild in einem goldenen Teller zu betrachten. Lord Witloff legte den Stoß auf den Schreibtisch am Fenster und stippte eine Schwanenfeder in das Tintenfass.

»Würdet Ihr wohl noch einmal den Köder spielen?«, bat die Prinzessin ihn.

Lord Witloff seufzte, bevor er sich die Schreibfeder wie eine Kakaduhaube über den Kopf hielt. »Kommt und holt mich, Euer Majestät«, flötete er.

Der König hörte auf, seinem Spiegelbild Grimassen zu schneiden, und schlich sich wie eine Katze auf der Jagd nach einem Spatz an den Lord an. Als er innehielt und so tat, als würde er sich die Schnurrhaare putzen, warf ihm die Prinzessin den Umhang über die Schultern.

Einen Moment lang stand König George aufrecht und starr, schlagartig wirklich königlich, während der Mantel stattlich von seinen Schultern floss. Lord Witloff brachte Seine Majestät zum Schreibtisch.

»Hier unterzeichnen, Euer Majestät! Einfach GR, das genügt vollkommen«, sagte Lord Witloff freundlich und aufmunternd.

Der König griff nach der Feder und betrachtete die Papiere.

Als er das Schreibgerät anhob, wagte niemand auch nur zu atmen. Er zwirbelte die Feder einmal in der Hand – und plötzlich kitzelte er Lord Witloff damit an der Nase.

»HAAAAA-TSCHIEEE!«, nieste der Lord.

Vor Schadenfreude kichernd schmiss der König den ganzen Papierstoß aus dem offenen Fenster und warf das Tintenfass gleich hinterher.

Die Prinzessin schluchzte.

»Genug mit dem Mumpitz!«, rief der König und sprang auf. »Schaut euch meine Polka an!«

Seine Majestät begann, Runde um Runde durch sein unordentliches Gemach zu wirbeln, sodass der Purpurmantel wie ein Paar federleichter Flügel hinter ihm aufflatterte.

Verzweifelt blickte Lord Witloff aus dem Fenster den Dokumenten nach, die zu Boden segelten. »Diese Unterlagen hätten schon lange überbracht werden müssen«, seufzte er erneut und fischte in seiner Tasche. Als er eine gläserne Uhr mit einem blauen Schmetterling auf dem Zifferblatt hervorzog, ächzte er. »Lieber Himmel, schrecklich spät! Und das Benehmen Seiner Majestät verschlimmert sich zusehends! Am Anfang war Seine Majestät nur etwas gedankenverloren – hat mit dem Essen gespielt, Stimmen imitiert und Ähnliches. Aber inzwischen ist es so schlimm, dass Seine Majestät sich nicht einmal mehr eine Minute lang konzentrieren kann! Alles, was Seine Majestät tut, ist furzen, tanzen und seine Hose zu verweigern!«

Cordelia konnte verstehen, wie schwer es sein musste, wenn ein übertrieben alberner König im Palast alles auf den Kopf stellte, auch wenn sie fand, dass Seine Majestät wirklich prima Polka tanzen konnte. Der König versuchte, seine Tochter mit sich zu wirbeln, doch sie riss sich von ihm los.

Ihr Vater ist genauso verloren wie meiner, wenn auch auf ganz andere Art, dachte Cordelia.

»Was man auch versucht hat, wirkte nie länger als einen oder zwei Augenblicke!«, platzte die Prinzessin heraus. »Die Logikuhr der Uhrmacher zeigte ganze zwei Sekunden Wirkung und nun ist sie vollkommen zertrümmert. Die Grübelstiefel der Stiefelmacher haben es nicht einmal bis an seine Füße geschafft. Die Trägheitshandschuhe der Handschuhmacher haben keine Minute dafür sorgen können, dass er aufhört zu zappeln. Und der Mant- … oh nein!«

Der König hatte den Mantel vom Staatsbalkon geworfen und schaute nun fasziniert zu, wie er wie eine seltsame purpurne Qualle durch die Luft trudelte.

»Sie sind unsere letzte Hoffnung, Hutmacher! Wenn dieser Hut meinen Vater nicht von seiner wunderlichen Art heilt, weiß ich nicht weiter!«

»Wir haben sogar schon nach dem königlichen Leibarzt geschickt«, erzählte Lord Witloff. »Um zu sehen, ob er sich einen Reim auf diese Angelegenheit machen kann. Bitte geh ihn holen, Probert.« Er gab einem Diener ein Zeichen, woraufhin dieser davoneilte.

»Meine Güte«, murmelte Onkel Tiberius. »Ein Arzt. Wie modern.«

Wenig später kehrte der Diener zurück, gefolgt von einem großen Mann mit ernstem Gesichtsausdruck, passend zu seinem ernsten Schnurrbart.

»Ah, Doktor Leech, treten Sie ein«, sagte Lord Witloff.