Die göttliche Komödie - Dante Alighieri - E-Book + Hörbuch

Die göttliche Komödie Hörbuch

Dante Alighieri

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Beschreibung

Dante AlighieriDie göttliche Komödie In seinem Klassiker der Weltliteratur lässt Dante zuerst den römischen Dichter Vergil durch Hölle und Fegefeuer führen und zuletzt seine Jugendfreundin Beatrice durch das Paradies. Mit dieser Reise möchte der Autor auf tieferer Ebene den symbolischen Weg zu Gott beschreiben, wobei dem Leser dabei die Seelen unzähliger Verstorbener begegnen, unter anderem lässt Dante Horaz, Barbarossa und Ovid sprechen.

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Zeit:3 Std. 10 min

Sprecher:Dirk Glodde

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Dante Alighieri

Die göttliche Komödie

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Hölle – Inferno

Erster Gesang

Zweiter Gesang

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Sechster Gesang

Siebenter Gesang

Achter Gesang

Neunter Gesang

Zehnter Gesang

Elfter Gesang

Zwölfter Gesang

Dreizehnter Gesang

Vierzehnter Gesang

Fünfzehnter Gesang

Sechzehnter Gesang

Siebzehnter Gesang

Achtzehnter Gesang

Neunzehnter Gesang

Zwanzigster Gesang

Einundzwanzigster Gesang

Zweiundzwanzigster Gesang

Dreiundzwanzigster Gesang

Vierundzwanzigster Gesang

Fünfundzwanzigster Gesang

Sechsundzwanzigster Gesang

Siebenundzwanzigster Gesang

Achtundzwanzigster Gesang

Neunundzwanzigster Gesang

Dreißigster Gesang

Einunddreißigster Gesang

Zweiunddreißigster Gesang

Dreiunddreißigster Gesang

Vierunddreißigster Gesang

Erster Gesang

Zweiter Gesang

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Sechster Gesang

Siebenter Gesang

Achter Gesang

Neunter Gesang

Zehnter Gesang

Elfter Gesang

Zwölfter Gesang

Dreizehnter Gesang

Vierzehnter Gesang

Fünfzehnter Gesang

Sechzehnter Gesang

Siebzehnter Gesang

Achtzehnter Gesang

Neunzehnter Gesang

Zwanzigster Gesang

Einundzwanzigster Gesang

Zweiundzwanzigster Gesang

Dreiundzwanzigster Gesang

Vierundzwanzigster Gesang

Fünfundzwanzigster Gesang

Sechsundzwanzigster Gesang

Siebenundzwanzigster Gesang

Achtundzwanzigster Gesang

Neunundzwanzigster Gesang

Dreißigster Gesang

Einunddreißigster Gesang

Zweiunddreißigster Gesang

Dreiunddreißigster Gesang

Erster Gesang

Zweiter Gesang

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Sechster Gesang

Siebenter Gesang

Achter Gesang

Neunter Gesang

Zehnter Gesang

Elfter Gesang

Zwölfter Gesang

Dreizehnter Gesang

Vierzehnter Gesang

Fünfzehnter Gesang

Sechzehnter Gesang

Siebzehnter Gesang

Achtzehnter Gesang

Neunzehnter Gesang

Zwanzigster Gesang

Einundzwanzigster Gesang

Zweiundzwanzigster Gesang

Dreiundzwanzigster Gesang

Vierundzwanzigster Gesang

Fünfundzwanzigster Gesang

Sechsundzwanzigster Gesang

Siebenundzwanzigster Gesang

Achtundzwanzigster Gesang

Neunundzwanzigster Gesang

Dreißigster Gesang

Einunddreißigster Gesang

Zweiunddreißigster Gesang

Dreiunddreißigster Gesang

Fegefeuer - purgatorio

Das Paradies - paradiso

Impressum neobooks

Die Hölle – Inferno

Dante Alighieri

Die göttliche Komödie

Impressum:

Titel: Die göttliche Komödie

Autor: Dante Alighieri

Übersetzer: Karl Witte

Verlag: Pretorian Books, Ul Hristo Samsarov 9, 9000 Varna

Erscheinungsdatum: 23.6.2019

Erster Gesang

Es war in unseres Lebensweges Mitte,

Als ich mich fand in einem dunklen Walde;

Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege.

Wohl fällt mir schwer, zu schildern diesen Wald,

Der wildverwachsen war und voller Grauen

Und in Erinnrung schon die Furcht erneut:

So schwer, daß Tod zu leiden wenig schlimmer.

Doch um das Heil, das ich dort fand, zu künden,

Will, was ich sonst gesehen, ich berichten.

Wie ich hineingelangt, kann ich nicht sagen,

So schlafbenommen war ich um die Zeit,

Als ich zuerst den wahren Weg verlassen.

Doch, als ich eines Hügels Fuß erreichte,

An welchem jenes Tal zu Ende ging,

Das mir das Herz mit solcher Furcht befangen,

Blickt' ich empor, und sah des Hügels Schultern

Bekleidet schon mit des Planeten Strahlen,

Der uns den rechten Pfad zeigt allerwege.

Beruhigt wurde da die Furcht ein wenig,

Die in des Herzens See mir angedauert

Die Nacht durch, die so angstvoll ich verbrachte.

Wie einer, der mit ganz erschöpftem Atem,

Dem Meer entronnen, das Gestad' erreicht,

Auf die verräterische Flut zurückblickt,

So wandte sich mein Geist, noch immer fliehend,

Zurück, um zu beschaun die dunkle Talschlucht,

Die keinen, der drin weilt, lebendig ließ.

Als etwas ich den müden Leib gerastet,

Setzt' ich den Weg am wüsten Abhang fort,

So daß der ruh'nde stets der untre Fuß war.

Doch, siehe, fast bei dem Beginn des Anstieg's,

Ein Panthertier, leichtfüßig und behende,

Das überdeckt war mit gestecktem Haare.

Vor meinen Augen wich das Untier nimmer

Und störte mich so sehr in meinem Wege,

Daß mehrmals schon zur Umkehr ich mich wandte.

Es war die Zeit der ersten Morgenfrühe;

Die Sonne stieg empor mit jenen Sternen,

Die sie begleiteten, als Gottes Liebe

Zuerst bewegte diese schönen Dinge,

So daß kein Unheil mich befürchten ließ

Von jenem Tier mit buntgeflecktem Felle

Die Stunde, wie die schöne Jahreszeit.

Doch war darum der Schrecken nicht geringer,

Der mich ergriff beim Anblick eines Löwen,

(Erhabnen Hauptes und mit grimmem Hunger

Kam dieser dräuend auf mich zugeschritten,

So daß die Luft vor ihm zu fürchten schien)

Und einer Wölfin, die von jeder Gier

Besessen schien in ihrer Magerkeit,

Und über viele schon Verderben brachte.

Sie gab mir durch die Furcht, die von ihr ausging,

So großes Ungemach, daß ich die Höhe

Des Berges zu erreichen nicht mehr hoffte.

Und wie der Mann, der gern Reichtümer sammelt,

Wenn eine Zeit kommt, die Verlust ihm bringet,

In seinem Herzen sich betrübt und wehklagt,

So ward mir ob des friedelosen Tieres,

Das wie es auf mich zukam, ganz allmählich

Mich dahin drängte, wo die Sonne schweiget.

Und während ich zur Tiefe niederstürzte

Erschien mir plötzlich eines Mann's Gestalt,

Der heiser mir, vor langem Schweigen, däuchte.

Als in der großen Wüst' ich den erblickte,

Rief flehend ich ihn an: Erbarm dich meiner,

Sei'st du ein Lebender, sei'st du ein Schatten.

Kein Lebender, wohl war ich einst ein solcher.

Lombarden waren meine Eltern beide

Und ihre Vaterstadt war Mantova.

Geboren unter Julius, wenn auch spät,

Lebt' ich in Rom zur Zeit August's des guten,

Als man die falschen Lügengötter ehrte.

Ein Dichter war ich, sang von des Anchises

Gerechtem Sohne, der von Troja kam,

Als Ilion war verbrannt, die stolze Veste.

Doch du, weshalb zu so viel Plage kehrst du?

Weshalb ersteigt du nicht den schönen Berg,

Der Anfang ist und Ursach aller Freude?

So bist du der Virgil und jene Quelle,

Der so gewalt'ger Redestrom enfließet?

Entgegnet ich mit schamgefärbter Stirne.

O Licht und Ehre du der andren Dichter,

Mein Eifer, meine Liebe für dein Buch,

Die ich bewährt, sei'n mir bei dir Empfehlung.

Du bist mein Meister, du mein hohes Vorbild,

Und nur von dir hab' ich die schöne Schreibart

Entnommen, die zur Ehre mir gereichte.

Sieh jenes Tier, das mich zur Umkehr trieb.

Errette mich vor ihm, gepriesner Weiser,

Denn Puls' und Adern macht es mir erbeben.

Willst du entgehen diesem argen Orte,

Erwidert' er, als er mich weinen sah,

So mußt zu and'rer Reise du dich wenden,

Denn jenes Tier, das deiner Klagen Anlaß,

Gestattet niemand, diesen Weg zu ziehen.

Es hindert jeden, bis es ihn getötet.

So bös geartet ist es, so verworfen,

Daß seine schnöde Gier es nimmer sättigt

Und nach dem Fraß mehr Hunger als zuvor hat.

Viel Tiere sind, mit denen es sich gattet,

Und mehr noch werden sein, bis daß der Rüde

Erscheinen wird, der unter Qual es tötet.

Nicht Land, nicht Silberblech sind seine Speise,

Wohl aber Weisheit, Christenlieb' und Tugend.

Daheim ist zwischen Feltro er und Feltro.

Italien wird er retten, das gebeugte,

Für das Camilla einst, die Jungfrau, starb,

Eurialus, Turnus, Nisus sich verblutet.

Von Stadt zu Stadt wird er die Wölfin jagen,

Bis er zurückgetrieben sie zur Hölle,

Von wo der erste Neid sie losgelassen.

Weshalb zu deinem Heil ich denk' und ordne,

Daß du mir folgst; ich will dein Führer sein.

Geleiten werd' ich dich durch ew'ge Räume,

Wo der Verzweiflung Schrei du wirst vernehmen

Von jenen alten schmerzgebrochnen Geistern,

Die alle nach dem zweiten Tod begehren.

Dann wirst du jene sehn, die in den Flammen

Zufrieden sind, weil sie, wie spät auch immer,

Zu den Erwählten zu gelangen hoffen.

Willst auch zu diesen du empor dann steigen,

Wird eine Seele, würdiger als ich bin,

Dahin dich führen, wenn ich von dir scheide.

Denn, der dort oben herrscht, des Weltall's Kaiser,

Will, weil ich unbefolgt ließ sein Gesetz,

Nicht, daß durch mich in seine Stadt man komme.

Im Weltenall gebeut, doch dort regiert er,

Dort ist die Stadt und dort sein hoher Thron.

Gesegnet ist, wen dort er auserkoren.

Und ich zu ihm: O Dichter, ich beschwöre

Bei jenem Gotte dich, den du nicht kanntest,

Damit ich dies und größ'res Unheil fliehe,

Daß du mich dorthin führest, wo du sagtest,

So daß des heil'gen Petrus Tür ich sehe,

Und jene, die du schilderst als so traurig.

Dann ging er, und ich folgte seinen Schritten.

Zweiter Gesang

Der Tag entfloh, das abendliche Dunkel

Entnahm die Tiere, die auf Erden weilen,

Allseitig ihrer Müh; nur ich allein

Bereitete mich vor zum Doppelkampfe

Der Wanderschaft sowohl als auch des Mitleids,

Den die Erinn'rung, die nicht irrt, nun melde.

Jetzt, Musen, helft mir, hilf erhabner Geist,

Gedächtnis, das verzeichnet, was ich schaute,

Hier möge sich dein Adel offenbaren!

O Dichter, hub ich an, der du mich leitest,

Erwäge meine Kraft, ob sie auch hinreicht,

Eh du mich wagen läßt die kühne Wandrung.

Zwar sagst du, daß des Silvius frommer Vater,

Verweslich noch zur wandellosen Welt

Gepilgert sei mit seinem Erdenleibe;

Doch, wenn der Feind des Bösen, in Erwägung

Der Zukunft, die sich an Aeneas knüpfte,

Des wer und was, ihm solche Gunst gewährte,

Kann tiefer Denkende das nicht befremden,

Weil er erkoren war im Empyreum

Zum Vater Rom's und seines hohen Weltreich's.

Denn beides war, die Wahrheit zu bekennen,

Vorherbestimmt zum gottgeweihten Orte,

Wo der Nachfolger Petri seinen Sitz hat.

Auf jener Wanderung, die du ihm nachrühmst,

Vernahm er Dinge, die zu seinem Siege

Und zu der Päpste Mantel mitgewirket.

Auch das erwählte Rüstzeug ging hinüber,

Um für den Glauben Kräftigung zu bringen,

Der Anfang ist zum Wege der Erlösung.

Doch welchen Grund hab' ich und wer gewährt mir's

Aeneas bin ich nicht und bin nicht Paulus;

Für würdig hält mich niemand und ich selbst nicht.

Drum, wenn dem Wunsch des Gehn's ich mich ergebe,

Befürcht' ich Törichtes zu unternehmen.

Erwäg' es selbst, der weiser du als ich bist.

Und wie, wer nicht will, was zuvor er wollte,

Und, neues sinnend, seinen Vorsatz ändert,

So daß sein erstes Ziel er gänzlich aufgibt,

So widerfuhr mir an dem düstren Abhang.

Bedenkenvoll entsagt ich dem Beginnen,

Das, als ich es ergriff, bei mir so feststand.

Wenn richtig deine Meinung ich verstanden,

Erwiderte der Schatten jenes Hohen,

Hat Kleinmut deiner Seele sich bemächtigt,

Der oft in solchem Maß den Mann betöret,

Daß er von ehrenvoller Bahn ihn abzieht,

Wie falsches Sehn die Tiere, wenn sie scheuen.

Damit von solcher Furcht du dich befreiest,

Vernimm, weshalb ich kam und was ich hörte,

Als deiner mich zum erstenmal erbarmte.

Ich weilte da, wo Freude nicht noch Pein ist.

Da rief ein Weib mich, die so schön als selig,

So daß, mir zu gebieten, ich sie ansprach.

Ihr Auge leuchtete so hell als Sterne,

Und leis' und langsam hub sie zu mir an

Mit engelgleichem Laut in ihrer Rede:

Du wohlgesinnte Mantuanerseele,

Von deren Ruhm die Welt noch itzt erfüllt ist

Und bleiben wird so lang' als die Bewegung,

Mein Freund, der aber nicht des Glückes Freund ist,

Wird an dem wüsten Berghang so behindert

In seinem Weg, daß er vor Furcht zurückweicht.

Nach dem, was ich von ihm im Himmel hörte,

Besorg' ich fast, er sei schon so verirret,

Daß ich zu spät zur Hilfe mich erhoben.

So eile denn, mit kunstgeübter Rede

Und dem, was sonst zu seiner Rettung nottut,

Ihm so zu helfen, daß ich sei getröstet.

Ich bin Beatrix, die zu gehn dir aufträgt.

Dorthin zurück, woher ich kam, verlangt mich.

Die Liebe hieß mich gehn und heißt mich reden.

Bin ich demnächst aufs neu vor meinem Herren,

So werd' ich oft, was du getan, ihm rühmen.

Dann schwieg sie; aber ich begann zu reden:

O Frau, so hochbegnadigt, daß die Menschheit

Nur ihretwillen alles überraget,

Was sonst noch in sich schließt der engste Himmel,

So sehr ist mir, was du befiehlst, willkommen,

Daß, hätt' ich's schon getan, zu spät mir's schiene;

Mir deinen Wunsch mehr zu enthüll'n bedarf's nicht.

Doch, sage mir den Grund, daß du nicht Scheu trägst,

In diesen Mittelpunkt herabzusteigen

Vom weiten Raum, wohin du dich zurücksehnst.

Verlangst du denn so tief eingehnde Auskunft

Sprach sie zu mir, will ich dir kurz berichten,

Warum, hierherzukommen ich nicht fürchte.

Furcht hegen soll man nur vor solchen Dingen,

Die Schaden uns zu tun, die Macht besitzen;

Vor andren nicht, weil nichts an ihnen furchtbar.

Durch seine Gnade schuf der Herr mich also,

Daß all' eu'r Elend mich nicht kann berühren,

Und dieses Brandes Flamme mir nichts anhat.

Ein holdes Weib beklagt im Himmel droben,

Das Hindernis, zu dem ich dich entsende,

So daß sie harten Richterspruch dort umstößt.

Lucìen trat sie an mit ihrer Bitte,

Und ihre Worte waren: dein Getreuer

Bedarf itzt dein und dir sei er empfohlen.

Lucìa, die jedweder Härte Feind ist,

Begab sich zu dem Ort, wo ich verweilte,

Wo ich mit Rahel saß, der Tochter Laban's.

Beatrix, sprach sie, wahres Lob des Herr'n,

Was hilfst du dem nicht, der dich so geliebt hat,

Daß er um dich verließ den großen Haufen?

Vernimmst du nicht den Schmerzlaut seiner Klage,

Gewahrst du nicht den Tod, der mit ihm streitet

Am Flußgestade, schlimmer als der Meerstrand?

Dort in der Welt war niemand je so eilig,

Ihm Dienliches zu tun, zu fliehn den Schaden,

Als ich, nachdem ich dieses Wort vernommen.

Zu dir kam ich von meinem sel'gen Sitze,

Auf deiner würd'gen Rede Macht vertrauend,

Die dich und alle, die sie hörten, ehret.

Als diese Wort sie zu mir gesprochen,

Verwandt' in Tränen sie den Glanz der Augen,

Wodurch sie zu noch größ'rer Eil mich antrieb.

Wie sie geboten, kam ich her zu dir,

Und führte dich hinweg von jenem Tiere,

Das dir zum Berg den graden Weg versperrte.

Was hast du nun, daß du noch länger zauderst,

Was nährest solchen Kleinmut du im Herzen?

Was hegst du Zuversicht und frischen Mut nicht,

Da drei so hoch gebenedei'te Frauen

Im Himmelshof fürsorgend dein gedenken

Und meine Rede solches Heil dir zusagt?

Wie Blümlein, die der Nachthauch schloß und senkte,

Sobald die Morgensonne sie erleuchtet,

Sich auf dem Stiel aufrichten und erschließen,

So kräftigte sich mein gesunkner Mut,

Und so viel Sicherheit gewann mein Herz,

Daß ich begann, wie wer von Zweifeln frei ist:

Gesegnet sei, die mir zu helfen eilte.

Dir aber dank ich, daß du gern bereit warst,

Zu tun, wie wahrheitstreu sie dir gesagt hat.

Den Wunsch, mit dir zu gehn, hast du im Herzen

Mir also angefacht durch deine Worte,

Daß ich zurück zum ersten Vorsatz kehrte.

So geh' denn; nur ein Will' ist in uns beiden.

Sei du mir Herr, mir Meister, sei mir Führer.

Da wandt' er sich zum Gehn, und unsre Schritte

Betraten einen Pfad, der rauh hinabstieg.

Dritter Gesang

Der Eingang bin ich zu der Stadt der Schmerzen,

Der Eingang bin ich zu den ew'gen Qualen,

Der Eingang bin ich zum verlor'nen Volke.

Gerechtigkeit bestimmte meinen Schöpfer,

Geschaffen ward ich durch die Allmacht Gottes,

Durch höchste Weisheit und durch erste Liebe.

Vor mir entstand nichts, als was ewig währet,

Und ew'ge Dauer ward auch mir beschieden;

Laßt, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.

In dunkler Farbe sah ich diese Zeilen

Als einer Pforte Inschrift. Drum begann ich:

O teurer Meister, düster ist ihr Sinn mir.

Er aber sprach, das rechte wohl erfassend:

Absagen mußt du jeglichem Bedenken

Und jeden Kleinmut hier in dir ertöten.

Gelangt sind wir dahin, wo ich dir sagte,

Du würdest sehn die schmerzerfüllten Scharen,

Die der Erkenntnis hohes Gut verloren.

Als seine Hand er dann gelegt in meine

Mit heit'rer Miene, die mir Mut gewährte,

Führt' er mich ein in die geheimen Dinge.

Hier tönten Seufzer, Schluchzen, laute Klagen

Erschütternd durch die sternenlose Luft,

So daß zu Anfang ich mitweinen mußte.

Verschiedne Zungen, grauenvolle Sprachen,

Des Schmerzens Worte, zornentbrannte Töne,

Erstickt' und laute Rufe, Schlag der Hände,

Sie bildeten ein wildverworrnes Tosen,

Das in der ewig düstren Luft sich umtreibt,

Wie bei des Wirbelwindes Wehn der Sand tut.

Ich aber, dem das Haupt Entsetzen einnahm,

Begann: Was ist das, Meister, was ich höre,

Und was für Volk, das übermannt vom Schmerz scheint?

Und er zu mir: Solch' jammervolle Weise

Verführen die unwürd'gen Geister deren,

Die ohne Lob gelebt und ohne Schande.

Der Engel schlechter Schar sind sie verbunden,

Die, ohne gegen Gott sich zu empören,

Ihm treu nicht, sondern unparteiisch waren.

Der Himmel Schönheit hätten sie getrübt,

Auch nimmt die tiefre Hölle sie nicht auf,

Weil etwas Ruhm sie den Verdammten brächten.

Da sprach ich: Meister, was ist denn so quälend

Für sie, daß solche Klagen es hervorruft?

Und er: Das will ich kürzlich dir berichten:

Der Tod hat Hoffnung ihnen nicht zu bieten,

Und so verächtlich ist ihr blindes Leben,

Daß sie jedwedes andre Los beneiden.

Die Welt gestattet ihnen keinen Nachruhm;

Erbarmen und Gerechtigkeit verschmäht sie.

Kein Wort von ihnen; schau, und geh vorüber.

Ich blickte hin: Da sah ich eine Fahne,

Die so geschwind umkreisend sich bewegte,

Daß zu verschmähn sie mir jedwede Rast schien.

Und hinterdrein lief solch endloser Haufen

Von Volke, daß ich nimmermehr vermutet,

So viele habe schon der Tod vernichtet.

Und als erkannt ich hatte den und jenen,

Erblickt' und kannte ich den Schatten dessen,

Den Feigheit zum Verzicht, dem großen, antrieb.

Sofort ward ich bewußt mir und versichert,

Dies sei die Schar der schmachbeladenen Seelen,

Die Gott und seinen Feinden gleich mißliebig.

Die Elenden, die nimmer wahrhaft lebten,

Sie waren nackt und wurden schwer gepeinigt

Von Bremsen und von Wespen, die dort waren.

Bei deren Stichen troff von Blut ihr Antlitz,

Das tränenuntermischt zu ihren Füßen

Von ekelhaften Würmern ward verschlungen.

Und als ich weiter noch den Blick entsandte,

Sah Schatten ich am Ufer eines Stromes;

Weshalb ich sprach: Gewähre mir nun, Meister,

Daß, wer sie sind, ich hör', und welcher Antrieb

Sie scheinbar so zur Überfahrt geneigt macht,

Wie in dem falben Licht ich unterscheide.

Erfahren wirst du, sagt' er, was du fragest

Sobald wir hemmen werden unsre Schritte

Am Uferrand des traur'gen Acheron.

Da senkte schamerfüllt ich meine Blicke

Und, fürchtend, daß ihm lästig sei mein Reden,

Enthielt ich bis zum Flusse mich der Worte.

Und, sieh', im Nachen kam herangefahren

Ein Greis, der ob des Haares Alter weiß war,

Und ausrief: Weh euch, ihr verruchten Seelen!

Den Himmel hoffet nimmermehr zu schauen.

An's andre Ufer komm' ich euch zu führen

In ew'ge Finsternis, in Frost und Hitze.

Und, die du dort verweilst, lebend'ge Seele

Entferne dich von diesen, die gestorben.

Und als er sah, daß ich mich nicht entfernte,

Sprach er: Nicht hier, durch andre Weg' und Häfen

Wirst du zum Strand der Überfahrt gelangen;

Das Schiff, das einst dich tragen soll, ist leichter.

Mein Führer aber sprach: Sei ruhig Charon.

So will man's droben, wo jedwedes Wollen

Zugleich ein Können ist; nicht frage weiter.

Da glätteten sich die behaarten Wangen

Des Fährmann's auf dem trübgefärbten Sumpfe,

Der um die Augen Flammenräder hatte.

Doch jene Seelen, nackend und ermattet,

Verfärbten sich und klappten mit den Zähnen,

Sobald die harten Worte sie vernahmen.

Sie fluchten Gott und fluchten ihren Eltern,

Der Menschenbrut, dem Ort, dem Tag, dem Samen,

Durch die gezeugt sie wurden und geboren.

Dann drängten sie sich unter lautem Weinen

In dichten Scharen an das schlimme Ufer,

Das jedes wartet, welcher Gott nicht fürchtet.

Mit feur'gen Augen sammelt Teufel Charon

Gebieterischen Wink's die Seelen alle,

Schlägt mit dem Ruder jeden, der da zaudert.

Gleichwie zur Herbsteszeit die Blätter alle,

Eins nach dem andern abfall'n, bis der Zweig

Am Boden alles sieht, das ihn bekleidet,

So stürzt hier Adam's schuldbeladener Samen

Sich Haupt für Haupt vom Ufer in den Nachen,

Wie Vögel tun, wenn sie den Lockruf hören.

Hinüber fahren sie auf dunkler Flut,

Und eh' dem Kahne drüben sie entstiegen,

Hat diesseits schon sich neue Schar gesammelt.

Mein Sohn, begann zu mir der güt'ge Meister,

Die unter Gottes Zorne sterben, alle

Versammeln hier sich aus jedwedem Lande.

Auch ist zur Überfahrt bereit ein jeder;

Die göttliche Gerechtigkeit ist ihnen Sporn,

So daß die Furcht sich wandelt in Verlangen.

Nie fuhr noch fährt ein Guter hier hinüber!

Darum, wenn Charon scheltend dich zurückweist,

Verstehst du nun den Sinn von seinen Worten.

Darauf erzitterte die düstre Fläche

So heftig, daß noch itzt in der Erinn'rung

Mich des Entsetzens Schweiß kalt überrieselt.

Ein Luftstoß drang aus dem betränten Boden,

Worin ein roter Lichtesglanz erblitzte.

Darob entschwand mir jegliches Bewußtsein,

Und nieder sank ich, wie wen Schlaf ergriffen.

Vierter Gesang

Es brach den tiefen Schlaf in meinem Haupte

Ein Donnerschlag, von dem ich jäh emporfuhr,

Gleich einem, den gewaltsam man erwecket.

Das ausgeruhte Auge ließ ich schweifen!

Grad' aufgerichtet schaut' ich in die Runde,

Den Ort, wo ich verweilte, zu erforschen.

In Wahrheit fand ich mich am jähen Absturz

Des tränenreichen Tal's der Unterwelt,

Aus dem unnennbar'n Schmerzes Wehruf aufstieg.

So qualmerfüllt, so dunkel und so tief war's,

Daß ich, wie sehr ich auch das Auge schärfte,

In seinem Grunde nichts erkennen konnte.

Laß denn zur blinden Welt uns niedersteigen!

Begann der Meister mit verstörtem Antlitz,

Voraufgehn will ich, und sei du der zweite

Und weil ich seine Blässe wahrgenommen,

Sagt' ich: Wie soll ich folgen, wenn Du zagest,

Der meinem Zweifel sonst Beruh'gung bringt?

Er aber sprach: Die Seelenpein der Geister

In diesem Kerker malt auf meine Wangen

Des Mitleid's Farbe, welche du für Furcht hältst.

Auf denn! Zur Eile treibt des Weges Länge

So schritt er vor, so ließ er mich betreten

Der Kreise ersten, die du Abgrund gürten.

Hier war, so viel als meinem Ohr vernehmlich,

Kein Weheklagen, sondern nur ein Seufzen,

Das jene ew'ge Luft erbeben machte:

Gram ohne Qualen war des Seufzens Ursach,

Der auf den Scharen all, die viel und zahlreich,

Von Kindern, Frau'n und Männern, ewig lastet.

Mein Meister sprach: Du unterläßt zu fragen,

Was es für Geister sind, die du hier siehest;

Doch sollst Du, eh wir weiter gehn, vernehmen,

Daß sie nicht sündigten. Und wenn Verdienste

Sie hatten, g'nügt es nicht, weil ohne Taufe

Sie starben, welche deines Glaubens Teil ist.

Und lebten sie noch vor dem Christentume,

So beteten zu Gott sie falscher Weise;

Und diesen bin ich selber beizuzählen.

Ob solchen Mangels, nicht ob andren Fehles,

Sind wir verloren, und nur dadurch leidend,

Daß, ohne Hoffnung, wir in Sehnsucht leben.

Als ich's vernommen, faßte tiefer Schmerz mich

Denn ich begriff, wie Seelen höchsten Wertes

In dieses Vorhofs Mittelzustand schwebten.

Sag' an, mein Meister, sage mein Gebieter,

Begann ich, um Bestätigung zu finden

Des Glaubens, welcher jeden Wahn vernichtet:

Ward einer je von hier befreit und selig

Durch fremdes, oder eigenes Verdienst?

Und er, verstehend die verhüllte Rede,

Entgegnete: Noch neu in diesem Zustand

War ich, als ein Gewaltiger daher kam,

Um dessen Haupt sich Siegeszeichen wanden.

Er raubte uns des ersten Vaters Schatten

Und Abel seinen Sohn, Noah und Moses,

Der die Gesetze schrieb, und doch gehorchte,

Abra'm den Patriarchen, König David,

Israel mit dem Vater und den Kindern

Und Rahel auch, um die er lang geworben,

Viel andre noch, und alle macht' er selig.

Doch wissen sollst du, daß niemals vor ihnen

Die Seele eines Menschen ward errettet.

Nicht hemmten, weil er sprach, wir uns're Schritte

Rastlos durchschritten wir vielmehr den Wald;

Ich sage, Wald, von ungezählten Schatten.

Und als wir lange Zeit noch nicht gegangen

Seit mich der Schlaf befiel, sah ich ein Feuer,

Das eine Finsternishalbkugel hellte.

Obwohl noch mäß'ge Fern' uns von ihm trennte,

So glaubt' ich dennoch sicher zu erkennen,

Daß auserles'ne Seelen dort verweilten.

O Meister, der du Wissenschaft und Kunst ehrst

Warum genießen diese solches Vorrecht,

Das von dem Los der übrigen sie sondert?

Drauf er zu mir: Der ehrenvolle Namen,

Der ihnen nachklingt dort im Erdenleben,

Gewinnet solche Gunst im Himmel ihnen.

Da hört' ich einer Stimme Ruf erschallen:

Erweiset dem erhabnen Dichter Ehre!

Sein Schatten kehrt zurück, der uns verlassen.

Als nun die Stimme schwieg und nicht mehr tönte,

Sah ich vier hohe Schatten sich uns nahn;

Ihr Antlitz zeigte Trauer nicht, noch Freude.

Mein Meister aber sagte rasch zu mir:

Sieh jenen mit dem Schwert in seiner Hand,

Der vor den andren hergeht als ihr Meister!

Das ist Homer, der königliche Dichter

Der zweit' ist der Satiriker Horaz,

Als dritter folgt Ovid, Lucan als letzter.

Weil jeder nun mit mir den Namen teilt,

Den du die Einzelstimme nennen hörtest,

Tun sie mir Ehr' an, und so ist's geziemend.

So sah versammelt ich die schöne Schule

Der Meister des erhabensten Gesanges,

Der ob den andren, gleich dem Adler, fliegt.

Als miteinander etwas sie gesprochen,

Da wandten sie zu mir sich, freundlich grüßend;

Mein Meister aber lächelte darob.

Und mehr der Ehr' erzeigten sie mir noch;

Denn ihrer Schar gesellten sie mich zu,

So daß ich Sechster ward im Kreis der Weisen.

Inzwischen näherten wir uns der Flamme,

Und sprachen, was sich zu verschweigen ziemet,

So wie sich's ziemte, dort es zu besprechen.

Zum Fuße einer stolzen Burg gedieh'n wir,

Die siebenfache Mauern rings beschließen

Und die zur Wehr ein schöner Bach umgibt.

Den überschritten wir gleich festem Boden;

Durch sieben Tore traten dann wir ein

Und fanden uns auf frisch begrünter Matte.

Die Geister dort, sie blickten ernst und ruhig,

Es lag in ihrem Ausdruck hohe Würde,

Sie sprachen selten und mit sanfter Stimme.

Wir wählten einen Platz, der licht und offen

Zur Seite sich erhob, so daß von dort aus

Wir all die Scharen deutlich überschauten.

Uns gegenüber auf dem grünen Teppich

Wies mir mein Führer dann die großen Geister;

Weshalb ich noch mich rühm, und glücklich preise.

Elektra sah ich unter viel Gefährten,

Wovon Aeneas ich erkannt' und Hektor,

Cäsar im Waffenschmuck mit Falkenaugen.

Ich sah Cammilla und Penthesilea,

Latinus auch den König, und die Tochter

Lavinia, welche fern den andren saßen.

Den Brutus sah ich, der Tarquin vertrieben,

Lucretia, Julia, Martia und Cornelia,

Und einsam und abseits den Saladin.

Als etwas höher ich die Wimper hob,

Sah ich den Meister aller die da wissen,

Umgeben rings von Philosophen-Schülern;

Auf ihn nur schauen ehrerbietig alle.

Hier sah ich Sokrates sowohl als Plato,

Die vor den andren ihm am nächsten stehn.

Auch Demokrit, dem alles gilt für Zufall,

Und Thales, Anaxagoras, wie Zeno,

Empedokles und Heraklit, den dunklen,

Diogenes und Dioskorides,

Heilsamer Pflanzen Sammler, Orpheus, Linus,

Cicero, Seneca, den Sittenlehrer,

Euklid, den Geometer, Ptolemäus,

Hippokrates, Galen und Avicenna,

Averroës, den großen Kommentator.

Unmöglich kann ich einzeln alle nennen.

Zur Kürze treibt so sehr des Stoffes Länge,

Daß dem Geseh'nen oft mein Wort nicht nachkommt.

Die Sechsgesellschaft mindert sich auf Zweie,

Und andre Pfade wählt der weise Führer.

Aus ruh'ger Luft komm' ich in die bewegte,

In ein Gebiet, wo nichts mehr ist, das leuchtet.

Fünfter Gesang

So stieg ich nieder von dem ersten Kreise

Zum zweiten, der gering'ren Raum umfaßt,

Doch um so größ're Qual, die Klagen auspreßt.

Graunvoll steht Minos hier und fletscht die Zähne,

Er prüft die Sünder einzeln, wie sie kommen,

Verurteilt sie, und bannt sie durch Umwinden.

Ich sage: wenn die schlimmgeborne Seele

Ihm gegenübersteht, bekennt sie alles;

Er aber, als ein Kenner jeder Sünde,

Erwäget, welcher Höllenplatz ihr zukommt:

Umwindet mit dem Schwanz so manches Mal sich,

Als Stufen sind, die sie soll niedersteigen.

Gar viele stehn vor ihm zu jeder Zeit,

Und nacheinander gehn sie in's Gerichte,

Bekennen, hören, wenden sich zur Tiefe.

Du, der da kommt zum schmerzensvollen Hause,

Sprach Minos, als er mich erblickt, zu mir,

Des Richteramtes Übung unterbrechend,

Sieh, was du tust, und wem du dich vertrauest;

Laß dich nicht täuschen durch des Eintritt's Weite.

Mein Meister sagte drauf: Was soll dein Schelten?

Verhindre nicht die vorbestimmte Reise.

So will man's droben, wo jedwedes Wollen

Zugleich ein Können ist; nicht frage weiter.

Doch nun beginnen herben Schmerzes Laute

Vernehmlich mir zu werden; nun gelang ich

Dahin, wo vieles Wehgeschrei mein Ohr trifft.

Verstummt war alles Licht in diesem Raume,

Der gleich dem sturmbewegten Meere brüllet,

Wenn es die Wind' im Widerstreit bekämpfen.

Der höllische Orkan, der nimmer nachläßt,

Erfaßt mit seiner Windsbraut diese Geister,

Wirft qualvoll sie umher, stößt sie zusammen.

Wenn sie alsdann zum Absturz hingelangt sind,

So schrei'n sie laut, wehklagend unter Tränen,

Und lästern Gott zugleich und seine Allmacht.

Und ich erfuhr, es sei'n zu solchen Qualen

Verurteilt, die in Fleischeslust gesündigt,

Weil die Vernunft dem Trieb sie unterworfen.

Und wie zur kalten Zeit ihr Flügelpaar

Die Stare hinführt in gedrängter Menge,

So führt der Windshauch hier die argen Geister.

Er jagt sie hin und her, hinauf, hinab,

Und keine Hoffnung bietet ihnen Trost

Geringrer Pein, geschweige denn der Ruhe.

Gleich wie die Kraniche wehklagend ziehn,

Und lange Streifen in der Luft beschreiben,

So sah, getragen von der Macht des Windes,

Ich eine Schar mir nahn mit lautem Weinen.

Zu meinem Meister sagt' ich drum: Wer sind

Die Schatten, die die schwarze Luft so geißelt?

Die vorderste der Schar, von welcher Kunde

Du wünsch'st, entgegnete darauf mir jener,

Beherrschte Völker von gar vielen Sprachen

Der Wollust Laster war sie so ergeben,

Daß durch Gesetz sie jede Lust erlaubte,

Die Schmach zu tilgen, welcher sie verfallen.

Sie ist Semiramis, von der wir lesen,

Daß sie, des Ninus Gattin, ihn beerbte.

Das Land beherrschte sie, das jetzt des Sultan's.

Die nun folgt, ist's die sich aus Lieb' ermordet

Und Treu' gebrochen des Sichäus Asche.

Dann kommt Cleopatra, die glutentbrannte.

Helena sah ich, die so langes Unheil

Verursacht, und Achilles auch, den großen,

Der noch zuletzt mit Liebe kämpfen mußte.

Paris und Tristan und wohl tausend zeigte

Virgil, sie mir benennend, mit dem Finger,

Die uns'rer Welt die Lieb entrissen hat.

Als mir die Frau'n der Vorzeit und die Ritter

Namhaft gemacht von meinem Meister waren,

Ergriff mich Mitleid, daß ich kaum bewußt blieb.

Drauf sagt' ich zu dem Führer: Gern spräch ich

Mit jenen Zwei'n, die sich zusammenhalten,

Und die so leicht bewegt vom Wind' erscheinen.

Und er darauf: Beschwörst du, wenn erst näher

Sie uns gekommen sind, sie bei der Liebe,

Die sie vereint, so zweifle nicht, sie kommen.

Sobald der Wind sie zu uns hergewendet,

Erhob die Stimm' ich: Schmerzbeladene Seelen,

Ist's nicht verwehrt, so kommt, mit uns zu reden.

Wie Tauben, die, gerufen vom Verlangen

Zum süßen Nest, mit ausgespannten Schwingen

Die Luft durchschneiden, so sah ich die beiden,

Kraft ihres Willens, durch die schlimme Luft

Sich aus der Schar, wo Dido weilt, uns nahen;

So wirksam war mein anteilvolles Rufen.

O wohlgesinntes, liebereiches Wesen,

Das du, die Nacht der Unterwelt durchwandelnd,

Uns heimsuchst, die mit Blut die Erde färbten,

Wär' unser Freund des Weltgebäudes König,

So wollten wir ihn flehn um deinen Frieden,

Weil du mit uns'rem Elend Mitleid fühlest.

Anhören und euch sagen woll'n wir alles,

Was du zu reden und zu hören wünschest,

So lang der Wind noch, wie er itzt tut, schweiget.

Gelegen ist der Ort, wo ich geboren,

Am Meeresstrand, zu dem der Po hinabsteigt,

Um mit den Nebenflüssen Ruh' zu finden.

Die Liebe, leicht entflammend edle Herzen,

Entflammte diesen für den schönen Körper,

Der mir geraubt ward, und das wie quält noch mich.

Die Liebe, die zur Gegenliebe nötigt,

Ließ mich an ihm solch Wohlgefallen finden,

Daß, wie du siehst, sie noch nicht von mir abläßt.

Die Liebe führt' uns zu vereintem Tode;

Caïna wartet des, der uns gemordet.

So lautete, was sie zu uns gesprochen.

Als die unsel'gen Geister ich vernommen,

Senkt' ich das Haupt, und hielt es so geneiget

Bis mir der Meister sagte: Nun, was sinnst du?

Darauf erwidernd, hub ich an: O Himmel,

Wie mancher stille Liebeswunsch, wie manches

Verlangen führte sie zum Schritt voll Schmerzes!

Dann wendet' ich mich ihnen zu und sagte:

Francesca, deiner Qualen Anblick macht

Vor Trauer mich und vor Mitleiden weinen.

Doch sage mir, zur Zeit der süßen Seufzer,

An was und wie gestattete dir Amor,

Das schüchterne Verlangen zu erkennen?

Drauf sagte sie zu mir: Kein Schmerz ist größer,

Als sich der Zeit des Glückes zu erinnern,

Wenn man in Elend ist; das weiß dein Lehrer.

Heg'st du jedoch, die Wurzel uns'rer Liebe

Zu erkennen, solch entschiedenes Verlangen,

So werd' ich tun, wie wer im Reden weinet:

Wir lasen eines Tages zum Vergnügen

Von Lanzelot, wie Liebe ihn umstrickte,

Allein und unbeargwohnt waren wir.

Oft hieß des Buches Inhalt uns einander

Scheu ansehn und verfärbte unsre Wangen;

Doch nur ein Punkt war's, welcher uns bewältigt.

Denn als wir, wie das langersehnte Lächeln

Von solchem Liebenden geküßt ward, lasen,

Da küßte, dem vereint ich ewig bleibe,

Am ganzen Leibe zitternd, mir den Mund.

Zum Kuppler ward das Buch und der's geschrieben.

An jenem Tage lasen wir nicht weiter.

Und während so der eine Schatten sprach,

Vergoß der andre solchen Strom von Tränen,

Daß ich ohnmächtig ward, wie wen ich stürbe,

Und nieder fiel ich, wie ein toter Körper.

Sechster Gesang

Bei des Bewußtseins Rückkehr, welches Mitleid

Mit den zwei Schwägern mir genommen hatte

Und mir das Herz erfüllt mit Traurigkeit,

Seh' ringsum neue Qualen ich und neue

Gequälte, wohin auch den Blick ich wende,

Wohin ich schaue und wohin mich kehre.

Ich bin im dritten Kreise, dem des ewgen,

Verwünschten, kalten, qualenvollen Regens,

Des Art und Weise nimmer sich verändert.

Grobkörn'ger Hagel, Schnee und trübes Wasser

Fällt rastlos durch die finstre Luft hernieder;

Der Boden stinkt, der solch Gemenge aufnimmt.

Und Cerberus, das Untier sondergleichen,

Bellt aus drei Rachen, so wie Hunde pflegen,

Die Schatten an, die dort am Boden liegen.

Rot ist sein Auge, schwarz der Bart und schmierig,

Der Bauch geschwollen, krallig sind die Hände;

Er kratzt die Geister, schindet und zerfleischt sie.

Der Regen macht sie heulen als wie Hunde;

Oft wenden sich die elenden Verfluchten,

Daß eine Seite Schutz der andern biete.

Als Cerberus uns sah, der große Wurm,

Riß er die Rachen auf, zeigt' uns die Zähne,

Und seiner Glieder keines hielt er stille.

Mein Meister öffnete die beiden Hände,

Griff Erdreich auf, und mit gefüllten Fäusten

Warf er hinein es in die gier'gen Schlünde.

Dem Hunde gleich, der im Heißhunger belfernd,

Wenn er den Fraß gepackt hat, sich beruhigt,

Und ihn nur zu verschlingen strebt und trachtet,

So wandelten sich die unsaubern Schnauzen

Des Teufels Cerberus, der jene Seelen

So anbellt, daß sie wünschten taub zu sein.

Fort ging es durch die Schatten, die der Regen

Danieder hält; es traten uns're Sohlen

Auf ihre Nichtigkeit, die Wesen scheinet.

Sie lagen hingestreckt am Boden alle;

Nur einer richtete sich eilend auf,

Als er uns sah, wie wir vorübergingen.

Der du geführet wirst durch diese Hölle,

Erkenne mich, sprach er, wenn du's vermagst;

Begann dein Leben doch, eh mein's geendet.

Ich sagte drauf: Die Qual, die du erduldest,

Entfremdet dich vielleicht so der Erinnerung,

Daß es mich dünkt, ich sah zuvor dich nimmer.

Doch nenne dich, dem solch unsel'ge Stelle

Beschieden ist, und eine Strafe, welche,

Wenn größer nicht, doch ekler ist als alle.

Drauf sagt' er: Deine Stadt, die so von Neide,

Erfüllt ist, daß der Sack zu bersten droht,

Umfaßte mich dereinst im lichten Leben.

Ihr Stadtgenossen nanntet mich nur Ciacco,

Weil ich ergeben war der Schlemmerei,

Und wie du siehst, zernagt mich itzt der Regen.

Auch bin ich nicht allein hier, so zu trauern;

Nein, alle dulden wir die gleiche Strafe

Aus gleicher Ursach. Und damit verstummt' er.

Ich sagte drauf: O Ciacco, deine Qual

Rührt mich so sehr, daß ich dem Weinen nah bin;

Doch sage mir, wenn du es weißt, welch' Ende

Der zwiegespalt'nen Bürger Streit nimmt, sage,

Ob einer dort gerecht ist, und warum

Die Stadt von solcher Zwietracht ist befallen.

Darauf erwidert' er: Nach langem Hader

Fließt endlich Blut, und die Partei der Fremden

Vertreibt die andre, vielfach sie beschäd'gend.

Dann, eh' drei Jahre schwinden, fällt sie wieder,

Und jene andre trägt den Sieg davon

Durch dessen Hilfe, der jetzt noch laviert.

Hoch wird sie lange Zeit die Stirne tragen,

Und schwere Last auf die besiegte häufen,

Wie groß für diese Scham und Schmerz auch seien.

Gerecht sind zwei; doch unverstanden sind sie.

Die Funken, welche jedes Herz entzündet,

Sind Neid und Geiz mit Hochmut im Vereine.

Hier endet' er die schmerzensvolle Rede.

Ich aber sprach: Belehre mich noch weiter

Und schenke mir noch mehr von deiner Rede:

Tegghiaio und Farinata, jene Wack'ren

Jacopo Rusticucci, Arrigo, Mosca,

Die andren auch, die recht zu handeln strebten:

Sag' an, wo sind sie? Laß mich sie erkennen;

Denn groß Verlangen heg' ich, zu vernehmen,

Ob Höllengift, ob Himmelssüß' ihr Los ist.

Und er darauf: Verschiedenart'ge Schuld

Stieß tiefer sie hinab zu schwärz'ren Schatten;

Steigst du so weit hinab, kannst du sie sehen.

Doch, bist du heimgekehrt zur schönen Welt,

So rufe mich den Leuten ins Gedächtnis.

Mehr sag' ich nicht, noch geb' ich weiter Antwort.

Den graden Blick verdreht' er nun zum Schielen;

Sach mich ein Weilchen an, den Kopf dann senkt' er

Und fiel zu Boden gleich den andren Blinden.

Der Meister sprach: Der steht nicht wieder auf

Bis die Posaun' am letzten Tag' ertönet,

Und die Gewalt erscheint, die ihnen feindlich.

Sein unheilvolles Grab sucht jeder dann,

Sein Fleisch und sein Gebein nimmt er zurück,

Was ewig wiederhallen wird, zu hören.

Indes durchgingen wir langsamen Schrittes

Der Schatten und des Regens schmutz'ge Mischung,

Das künft'ge Leben im Gespräch berührend.

Den Meister fragt ich: Werden diese Qualen

Noch wachsen nach dem großen Richterspruch,

Wird Mind'rung folgen, oder gleich sie bleiben?

Drauf er: Gedenke deiner Wissenschaft,

Die jedem Ding, im Maß als es vollkommner,

Mehr Sinn für Freuden, wie für Schmerzen beimißt.

Ob niemals gleich dies fluchbeladene Volk

Zu wirklicher Vollkommenheit gelangt,

Wird wesenhafter doch nach jenem Tag' es.

In weitem Bogen gingen wir die Straße,

Besprechend manches, das ich nicht berichte.

Und angelanget, wo der Weg hinabführt,

Erblickten Pluto wir, den großen Feind.

Siebenter Gesang

Pape, Satan, Pape Satan, Aleppe!

So hub mit rauher Stimme Pluto an;

Doch, alles wohlerkennend, sprach der Weise

Mir gütig zu: Laß nimmer dich von Furcht

Beirren; denn, wie groß auch seine Macht sei,

Wird sie des Felsens Abstieg dir nicht rauben.

Dann wandt' er sich zu dem geduns'nen Antlitz

Und sagte: Schweig vermaledeiter Wolf!

Verzehre deine Wut im eignen Herzen.

Nicht Willkür heißt zur Nacht uns niedersteigen;

Dort oben will man es, wo Michael

Des Hochmuts Hurerei zu rächen wußte.

Wie Segel, aufgebläht vom günstigen Winde,

Zusammenfallen, wenn der Mast zerbricht,

So fiel zu Boden dieses grimme Untier.

Wir aber gingen ein zur vierten Lache,

Das Ufer voller Schmerz noch mehr umkreisend,

Das alles Weh der Welt in sich begreift.

O göttliche Gerechtigkeit, wer häufte

Die Strafen all, die Qual auf, die ich sah?

Warum schafft unsre Schuld uns solche Leiden?

Wie dort an der Charybdis eine Welle

Sich an der andern bricht, auf die sie stößt,

So wirbelten die Schatten hier zusammen.

Des Volkes mehr als anderwärts noch sah ich,

Das, mit der Brust sich gegenstemmend, Lasten

Von beiden Seiten wälzte mit Geheule.

Sie stießen aufeinander, und dann wandte

Zur Stelle jeder sich und wälzte rückwärts

»Was hältst du fest?« »Was wirfst du von dir?« rufend.

So kehrten zum entgegenstehenden Punkte

Im dunklen Kreis' allseitig sie zurück,

Das Lied des Hohns sich unablässig singend.

Und wer durchmessen seinen Halbkreis, drehte

Zu neuem Aufeinanderstoß sich um.

Ich, dessen Herz von Mitleid fast durchbohrt war,

Begann: O Meister jetzt verkünde mir,

Wer diese sind, und ob die Tonsurierten

Zu unsrer Linken alle geistlich waren?

Drauf er: Im ersten Leben waren alle

So geistig blind, daß sie nichts ausgegeben,

Wobei das rechte Maß sie eingehalten.

Ihr eigner Ruf gibt dessen bellend Kunde,

Wenn, wo der Schuld Verschiedenheit sie trennt,

Sie an des Kreises Enden sich begegnen.

Die, deren Wirbel unbehaart ist, waren

Geistlichen Standes, Päbst' und Kardinäle,

In denen Geiz sein höchstes Maß erreichet.

Und ich: O Meister, unter diesen Schatten

Vermut ich mehrere, die mir bekannt sind,

Weil sie mit solcher Sünde sich beschmutzten.

Der Meister aber sprach: Dein Wahn ist irrig.

Das einsichtslose Leben, das sie führten,

Verdunkelt sie für jegliches Erkennen.

Zum Doppelanprall kommen sie auf ewig.

Geschornen Haupts erstehn noch aus dem Grabe

Die einen, mit geschlossener Faust die andern.

Verkehrtes Geben oder Halten raubte

Den Himmel ihnen, treibt zu diesem Kampf sie,

Den dir zu schildern ich die Worte spare.

Erkennen kannst du nun den kurzen Wahn

Der Güter, die dem Glück sind übergeben

Und die zu so viel Streit die Welt entflammen.

Denn alles Gold, das jetzt sich unterm Monde

Befindet, oder je befand, vermöchte

Nicht eine dieser Seelen zu befried'gen

Drauf sagt' ich, Meister, offenbare mir

Was jenes Glück ist, dessen du gedachtest,

In dessen Klau'n die Erdengüter sind?

Und er zu mir: O törichte Geschöpfe,

Wie schwer umnachtet euch Unwissenheit.

Nimm achtsam in dich auf nun meine Lehre!

Er, dessen Wissen alles übersteiget,

Erschuf die Himmel, gab jedwedem Lenker,

So daß in gleichbemess'ner Lichtverteilung

Ein jeder jeden andern Teil bestrahlet.

So auch zur allgemeinen Lenkerin

Der Erdengüter ordnet' er Fortuna,

Die jenen eitlen Glanz zur rechten Stunde

Von Volk zu Volk, von Stamm zu Stamm vertausche,

Entrückt der Gegenwehr von Menschenklugheit.

Nach ihrem Urteilsspruch, der sich verborgen,

So wie die Schlang' im Grase hält, geschieht es,

Daß ein Geschlecht regiert, ein andres kranket.

Machtlos ist gegen sie eu'r ganzen Wissen;

Sie überlegt, beschließet und vollstreckt

In ihrem Reiche so wie andre Götter.

Nicht Rast, nicht Ruhe kennt ihr ewger Wandel;

Notwendigkeit beflügelt ihre Schritte,

So oft geschieht's daß die Geschicke wechseln.

An's Kreuz geschlagen wird sie von gar vielen

Auch unter denen, welche Preis ihr schulden

Und sie mit Unrecht tadeln und verläumden;

Doch unberührt bleibt sie von solcher Rede

Mit andern erstgeschaffnen Wesen lenket

Sie freudig ihre Sphär' in Seligkeit.

Laß nun zu größrer Qual uns niedersteigen

Schon senkt sich jeder Stern, der als ich aufbrach

Emporstieg, längres Weilen ist nicht statthaft.

Das Tal zum andern Ufer hin durchschneidend

Gelangten wir zu einem Quell, der siedet

Und niederwärts durch einen Graben abfließt.

Es war sein Wasser schwarz mehr als nur dunkel

Und im Geleite seiner finstren Wellen

Führt' uns ein Pfad hinab, der rauh und seltsam.

Styx heißt der Sumpf, den dieser traur'ge Bach

Am Fuß der unheilvollen Felsen bildet,

Von deren grauer Wand er in das Tal fließt.

Und ich, der sorglich umzuschaun bemüht war,

Sah schlammbedeckte Leut' in jenem Sumpfe

Ganz nackend und mit zornerregten Zügen.

Nicht nur mit Händen schlugen sie einander,

Sie stießen sich mit Kopf und Brust und Füßen,

Zerfleischten sich durch Bisse gegenseitig.

Mein Meister aber sagte: Sohn hier siehst du

Die Seelen derer, die der Zorn bezwungen.

Doch mögest du als gleich gewiß mir glauben,

Daß andres Volk noch unterm Wasser seufzet

Und diesen Sumpf die Blasen werfen läßt,

Die dir dein Auge zeigt wohin du's wendest.

Im Schlamme steckend sagen sie: Wir waren

Unmutig in der süßen lichten Luft,

Weil unser Herz des Trübsinns Qualm benommen;

Jetzt trauern wir mit Recht im schwarzen Moore.

Doch gurgeln sie dies Lied nur in der Kehle,

Weil sie's voll auszusprechen nicht vermögen.

Damit umkreisten wir im weiten Bogen

Die schmutz'ge Lache zwischen Mitt' und Ufer,

Die Augen zugewandt den Schlammverschluckern;

Dann kamen wir zu eines Turmes Fuße.

Achter Gesang

Fortfahrend sag' ich, daß schon eine Weile

Eh wir zum Fuß des hohen Turms gelangten,

Zu seiner Höh' sich unser Auge wandte;

Denn aufgesteckt war dort ein Fackelpaar,

Und eine dritt' erwiderte das Zeichen,

So fern, daß sie das Auge kaum gewahr ward.

Ich sprach, gewandt zum Meer jedweder Weisheit,

Was will dies Feuer sagen, was entgegnet

Das andre, und wer sind, die sie entzündet?

Er sagte: Schon kann auf den schmutzgen Wellen,

Was zu erwarten steht, dein Blick gewahren,

Wenn dich der Nebel nicht am Sehn verhindert.

Nie schnellte einen Pfeil des Bogens Sehne,

Der so geschwind die Luft durchschnitten hätte,

Als über's Wasser her im Augenblick

Ein Schifflein ich auf uns zukommen sah,

Geleitet nur von einem einz'gen Fährmann.

Der schrie: Bist du nun da, verworfne Seelen?

O Phlegyas, entgegnete mein Meister,

Vergeblich ist für diesmal dein Geschrei;

Zur Überfahrt nur sollst du uns besitzen.

Wie wer vernimmt von schmählichem Betruge,

Der ihm gespielt ward und darob ergrimmet,

So ward, verbissnen Zornes, Phlegyas

Mein Führer stieg hernieder in den Nachen,

Und, da ich dann auf sein Geheiß ihm folgte,

Schien als ich eintrat, erst der Kahn beladen.

Als beide wir uns nun im Schiff befanden,

Durchschnitt auf seiner Fahrt der alte Kiel

Mehr Wasser, als er tut, trägt er nur Schatten.

Und während wir den toten Moor befuhren,

Taucht' einer vor uns auf, den Schlamm bedeckte:

Wer bist du, rufend, der du vor der Zeit kommst?

Ich sagte: Kam ich, ist's nicht um zu bleiben,

Doch wer bist du, daß du so ganz besudelt?

Drauf er: Das siehst du: einer der da weinet.

Ich aber sprach: In Weinen und in Trauer

Verbleibe denn, du fluchbeladner Schatten!

Wohl kenn' ich dich, wenn du auch ganz beschmutzt bist.

Da griff er nach dem Kahn mit beiden Händen;

Doch eilig stieß der Meister ihn zurück

Und sagte: Pack' dich mit den andern Hunden!

Mir aber schlang er um den Hals die Arme.

Mein Antlitz küssend sprach er: Eiferseele,

Gesegnet sei der Schoß der dich getragen!

Ein Mensch voll Hochmut war im Leben jener;

Nicht eine Tugend schmückt sein Angedenken,

Drum ist sein Schatten hier von Wut entbrannt.

Wie viele dünken Könige sich jetzt,

Und werden Säuen gleich im Kot hier stecken,

Dort aber Schande nur und Schmach verlassen.

Ich sagte: Meister wohl wär ich begierig

Zu seh'n, wie man ihn taucht in diese Brühe

Bevor wir hinter uns den See gelassen.

Und er zu mir: Noch eh' die andre Küste

Sich dir gezeigt, wirst du befriedigt werden.

Die Lust, die du begehrst, sollst du genießen.

Nicht lange drauf ward von den Schlammbedeckten

Vor meinen Augen jener so geschüttelt,

Daß, dankend, Gott darum noch heut' ich preise.

Sie alle schrie'n: Es gilt Philipp Argenti!

Und der ergrimmte Florentiner Schatten

Zerfleischte sich mit seinen eigenen Zähnen.

Wir ließen ihn. Nicht mehr von ihm erzähl ich;

Denn meine Ohren traf ein Schmerzenslaut,

Weshalb ich angestrengt nach vorne blicke.

Der gute Führer sagte: Sohn, es nahet

Bereits die Stadt sich, welche Dis genannt wird,

Voll schwerer Bürger und voll großer Scharen.

Ich sagte: Meister, ihre Minarette

Erblick' ich wahrlich schon im Tale drunten,

Rotschimmernd als ob Feuer sie durchglühte.

Darauf entgegnet er: Die ew'gen Flammen,

Darin sie brennen, färben sie so rot,

Wie du gewahrst in dieser niedern Hölle.

Wir fuhren in die tiefen Gräben ein,

Die die verzweiflungsvolle Stadt umgeben;

Die Mauern schienen mir von festem Eisen.

Indes nach langem Umweg erst gelangten

An einen Ort wir, wo mit lauter Stimme

Der Fährmann rief: Steigt aus, hier ist der Eingang!

Ich sah wohl tausend, welche einst vom Himmel

Geregnet, bei dem Tor, die zornig sagten:

Wer ist der eine denn, der ohne Tod

Das Reich des toten Volkes so durchwandert?

Vorsorglich gab mein Führer zu erkennen,

Daß er geheim mit ihnen reden wollte.

Da dämpften sie den wilden Zorn ein wenig

Und sagten: Komm allein. Umkehre dann

Der so verwegen eindrang in dies Reich.

Allein geh' er den tör'gen Weg zurücke,

Wenn er ihn finden kann. Du aber bleibe,

Der durch so dunkles Land ihn hergeleitet.

Nun denk' dir, Leser, ob ich ward entmutigt

Beim Tone der vermaledeiten Worte;

Gewiß, ich dachte nimmer heimzukehren.

O teurer Führer, der du siebenmal

Und öfter Sicherheit zurück mir gabest,

Und mich aus dringender Gefahr befreitest,

Verlaß mich nicht in solchen Nöten, sagt' ich;

Ist uns das Weitergehn verwehrt, so laß uns

Gemeinsam rückwärts unsren Pfad durchmessen.

Mein Meister, der bis dorthin mich geführt

Erwiderte: Sei furchtlos, unsre Reise

Kann niemand hemmen, solche Bürgschaft hat sie.

Nun aber bleibe hier, und speis' und stärke

Den müden Geist mit Hoffnung und Vertrauen,

Daß in der untern Welt ich dich nicht lasse.

Also verläßt mich, also geht von dannen

Der süße Vater, und zurück in Sorgen

Bleib' ich, weil ja und nein im Haupt mir streiten.

Was er zu ihnen sprach kann ich nicht sagen;

Doch lange hatt' er nicht geweilt mit ihnen,

Als um die Wett' in's Tor ein jeder eilte.

Die Pforte schlossen unsre Widersacher

Vor meinem Herrn, dem sie den Einlaß wehrten

Und der die Schritte zögernd zu mir wandte.

Die Augen senkt' er nieder, von den Brauen

Schien jeder Mut geschwunden, und mit Seufzen

Sagt er: Wer wehrte mir des Schmerzes Wohnstatt?

Drauf wandt' er sich zu mir: Erzürn' ich gleich,

So fürchte deshalb nicht, denn siegen werd' ich,

Was man zur Abwehr drinnen auch versuche.

Nicht neu ist solche Frechheit mir an ihnen;

An weniger geheimem Tor, das seitdem

Verschlußlos blieb, bewährten sie sie schon.

Auf ihm gewahrtest du die tote Inschrift.

Diesseits von ihm steigt schon den Abhang nieder,

Durchschneidend ohne Führer all die Kreise,

Der, dessen Macht uns wird die Pforte öffnen.

Neunter Gesang

Es trieb die Blässe, mit der Furcht mich malte,

Die neu entstanden, schleuniger zurück.

Als ich des Führers Umkehr sah, die seine,

Aufmerkend stand er gleich dem Mann der horchet;

Denn durch die düstre Luft, den dichten Nebel

Vermochte nicht das Aug' ihn weit zu tragen.

Wohl müssen wir in diesem Kampfe siegen,

Sagt' er. Wo nicht; doch, der's versprach, wird helfen!

Wie lange däucht es mir, bis Hilfe eintrifft.

Ich merkte wohl, wie er der Rede Anfang

Durch das verdeckte, was noch hinterdrein kam;

Denn Worte waren's jenen widersprechend.

Trotzdem erschreckte mich was er gesprochen;

Vielleicht weil ich die abgebroch'ne Rede

In schlimm'rem Sinn verstand als er sie meinte.

Stieg wohl zu diesem Grund der traur'gen Schale

Jemals ein Schatten von der ersten Stufe,

Die keine Strafe kennt als Hoffnungsmangel?

So frug ich, und er sagte drauf: Nur selten

Geschieht es, daß aus unsrer Mitte einer

Den Weg zurücklegt, welchen ich jetzt wandle.

Doch ist es wahr, daß ich schon einmal hier war,

Beschworen von der grimmigen Erichtho,

Die zu den Leibern ihre Seelen heimrief,

Seit kurzem war mein Fleisch von mir entkleidet,

Als sie mich eingehn hieß in diese Mauer,

Um einen Geist aus Judas' Kreis zu holen.

Der dunkelste, der tiefste Ort ist das,

Der fernste von dem äußersten der Himmel;

Der Weg ist mir bekannt, darum sei ruhig.

Der argen Stank ausatmende Morast

Umgürtet rings die Stadt der bittern Schmerzen,

In die wir friedlich Eingang nicht mehr finden.

Noch andres sagt' er, doch mir ist's entfallen;

Denn schon war zu des Turmes glühndem Gipfel

Ich durch mein Auge mächtig hingerissen.

Drei Höllenfurien, ganz von Blut gerötet,

Sah ich mit einem Mal dort aufrecht stehn,

Die an Gebärd' und Gliedern Weiber schienen.

Gegürtet waren sie mit grünen Schlangen,

Blindschleichen bildeten ihr Haar und Ottern,

Und wanden rings sich um die grausen Schläfe.

Er aber sagte, weil bekannt ihm waren

Der Königin der Tränen Dienerinnen:

Blick hin, das sind die gräßlichen Erynnen!

Die dort zur linken Seite ist Megaera,

Zur Rechten weint Alekto. In der Mitte

Siehst du Tisiphone und damit schwieg er.

Die Brust zerriß sich mit den Nägeln jede,

Mit Fäusten sich einander schlagend, schrien

So laut sie, daß ich scheu zum Meister floh.

Medusen bringt herbei, ihn zu versteinen!

So sprachen alle, auf mich niederblickend,

Wir rächten zu gelind des Theseus Anfall.

Schnell wende dich und schließe fest die Augen!

Denn, zeigen sie Gorgonen und du siehst sie,

So kehrst du nie zur Oberwelt zurücke.

So sprach mein Meister, und er selber wandte

Mich rückwärts. Drauf, mißtrauend meinen Händen,

Schloß mit den seinen auch er mir die Augen.

Ihr die gesund euch das Verständnis wahrtet,

Erwägt die Lehre wohl, die mit dem Schleier

Der Verse sich verhüllt, die seltsam lauten!

Schon aber kam daher die schmutz'gen Wellen

Entsetzenvollen Tones fernes Dröhnen,

Davon die Ufer beiderseits erbebten.

Dem Winde glich es, welcher, ungestüm

Geworden durch den Kampf von Hitz' und Kälte,

Sich auf den Wald mit schrankenloser Wut stürzt,

Die Zweige bricht, hinaus die Blüten schleudert.

Staubwirbelnd schreitet er, jagt übermütig

Die Herde wie die Hirten in die Flucht.

Die Augen löst' er mir und sprach: Nun richte

Den Nerv des Sehens längs dem alten Schaume

Dorthin, wo dieses Sumpfes Qualm am dicksten.

Wie vor der Wasserschlange, ihrer Feindin,

Die Frösche alle durch die Flut entschlüpfen,

Bis auf den Boden jeder sich geduckt hat,

So sah ich Tausende verlorener Seelen

Vor einem fliehen, der den Übergang

Des Styx bewirkte, nicht die Sohlen netzend.

Die dicke Luft von seinem Antlitz scheuchend,

Bewegt' er vor sich her oftmals die Linke,

Und nur von dieser Pein schien er beklommen.

Ich spürte wohl, er sei des Himmels Bote;

Mein Meister aber winkte noch ausdrücklich,

Daß ich in Schweigen mich vor ihm verneige.

Wie schien er so erfüllt mir von Entrüstung!

Das Tor berührt er kaum mit seiner Gerte,

So sprang es auf trotz alles Widerstrebens.

Vom Himmel ausgestoßenes schnödes Volk,

Begann er auf der grauenvollen Schwelle,

Was unterfangt ihr euch so kecker Frechheit?

Wie wagt dem Willen ihr zu widerstreben,

Der niemals unerreicht sein Ziel gelassen,

Und öfters eure Qualen schon gemehrt hat?

Was hilft es dem Geschick zu widerstreben?

Eu'r Cerberus trägt, wenn Ihr Euch entsinnet,

Geschunden noch davon so Kinn als Kehle.

Dann wandt' er sich zurück die schmutz'ge Straße;

Zu uns sprach er kein Wort und tat wie einer,

Den andre Sorg' in Anspruch nimmt und quälet,

Als die des Mannes, der ihm gegenwärtig.

Der Stadt zu wandten wir nunmehr die Füße

Voll Zuversicht auf Grund der heiligen Worte,

Und Eintritt ward uns ohne weitern Kampf.

Ich aber, der gespannt war zu erkunden

Die Eigenheit des Orts der so befestigt,

Entsandte, wie ich eintrat, rings die Blicke,

Und sah nach jeder Richtung weite Fläche

Von Schmerzen angefüllt und arger Qual.

Wie wo die Rhone sich bei Arles aufstaut,

Und wie bei Pola nahe dem Quarnaro,

Der Wälschland schließt und seine Grenzen netzet,

Der Grund uneben ist von lauter Gräbern,

So war er's hier auch nach jedweder Seite!

Nur war der Gräber Art um vieles bittrer,

Denn Flammen brannten zwischen Grab und Grab,

Und hielten sie in so gewalt'ger Glut,

Daß größre keine Schmiedekunst erfordert.

Die Decke war von jedem aufgehoben

Und innenher erklang so bittre Klage,

Daß Zeugnis sie von schweren Martern gab.

Und ich: O Meister, wer sind diese Schatten,

Die in den Grüften hier begraben scheinen

Und sich in Seufzern so vernehmen lassen?

Drauf Er: Hier sind der Ketzereien Stifter,

Mit seinem Anhang von Sektierern jeder;

Viel voller als du denkst sind all die Gräber.

Mit gleichem ist der gleiche hier begraben

Und mehr und minder glühend sind die Särge.

Als er darauf zur Rechten sich gewendet

Führt unser Weg uns zwischen Qual und Zinnen.

Zehnter Gesang

So geht mein Meister auf geheimem Pfade,

Der zwischen Martern sich und Mauer hinzieht,

Und wandelnd folg' ich hinter seinen Schultern.

Erhabne Kraft, die durch die sünd'gen Kreise

Wie dir's beliebt mich wendet, so begann ich,

Steh Rede und gib Antwort meinen Fragen.

Könnt' ich das Volk nicht sehn, das in den Gräbern

Hier liegt? Sind doch die Deckel all gehoben

Und niemand ist zu sehn, der Wache hielte?

Geschlossen werden, sprach er, all die Gräber,

Wenn heimgekehrt sie sind von Josaphat

Mit ihren Leibern, die sie droben ließen.

Nach dieser Seite hin streckt sich der Kirchhof

Des Epikur und der ihm Gleichgesinnten,

Die mit dem Leib die Seele sterben lassen.

Drum soll Genüge dir alsbald hier werden,

Nicht auf die Frage nur, die du getan hast,

Nein auf die andere auch, die du verschwiegen.

Da sprach ich: Guter Herr, sag' ich nicht alles,

So tu' ich's nur, um nicht zu viel zu reden,

Und öfter schon hast du mir so geraten.

Toscaner, der du durch die Stadt des Feuers

Lebendig wandelst, so verständig redend,

Gefalle dir's, ein wenig hier zu weilen.

Mir offenbar macht deine Sprache dich

Als in dem edlen Vaterland geboren,

Dem ich vielleicht zu viel Beschwerde brachte.

So tönte plötzlich aus der Gräber einem

Zu mir empor vernehmbar eine Stimme,

Weshalb ich furchtsam mich dem Führer nahte.

Er aber sagte: Wende dich, was tust du?

Sieh' Farinata dort, der sich erhoben;

Vom Gürtel aufwärts wirst du ganz ihn sehn.

Schon hatt' ich meine Blick' auf ihn gewendet,

Und er erhob mit Stirne sich und Brust,

Als achtet' er gering die ganze Hölle.

Da drängten meines Führers kräftige Hände

Mich zwischen all den Grüften zu ihm hin,

Wobei er sprach: Gezählt sei'n deine Worte.

Als ich gelangt zu seines Grabes Fuße,

Schaut er mich etwas an und fast verächtlich

Frug er mich drauf: Wer waren deine Ahnen?

Ich aber, der bereit war zu gehorchen,

Verbarg ihm nichts und offenbart' ihm alles,

Worauf die Wimper er ein wenig aufschlug.

Dann sagt' er: Feindlich waren sie zuwider

So mir als meinen Stamm und der Partei,

So daß im Kampf ich zweimal sie zerstreute.

Und wurden sie verjagt, so sind allseitig

Das ein' und andre Mal sie heimgekehrt;

Schlecht lernten aber diese Kunst die euren.

Da richtete längs jenem ersten Schatten

Ein zweiter, sichtbar bis zum Kinn, sich auf:

Ich glaub' er hatte knieend sich erhoben.

Er blickte um mich, als ob er verlangte

Zu wissen, ob nicht sonst wer mich begleite.

Als aber sein Vermuten ganz erloschen,

Begann er weinend: Gibt des Geistes Hoheit

Dir Recht, durch diese Kerkernacht zu wandeln,

Wo ist mein Sohn dann, und warum nicht mit dir?

Ich sagte drauf: Nicht von mir selber komm' ich;

Mich leitet jener, der dort auf mich wartet,

Den zu gering vielleicht eu'r Guido hielt.

Verkündet hatten schon die Art der Strafe

Und seine Worte mir des Schattens Namen,

Darum war meine Antwort so erschöpfend.

Da schnellt' er plötzlich in die Höh' und rief:

Du sagst, er hielt; so lebt er denn nicht mehr,

Verschloß sein Auge sich dem süßen Lichte?

Und als er sah, daß ich ein wenig zaudre,

Eh' ich ihm Antwort gab auf seine Frage,

Stürzt' er zurück und ward nicht mehr gesehen.

Doch der hochherz'ge andr', auf dessen Bitte

Ich stehn geblieben war, verzog die Miene

So wenig, wie er Hals und Hüfte wandte.

Und wenn, fuhr in der vor'gen Red' er fort,

Wenn schlecht die meinen jene Kunst erlernten,

Ist größre Qual mir das als dieses Bette.

Doch fünfzig Male nicht wird neu entzündet

Der Herrin Antlitz, welche hier regieret,

So hast, wie schwer die Kunst sei, du erfahren.

Und, willst zur schönen Welt du jemals kehren,

So sprich, warum in jeglichem Gesetze

So grausam mit den Meinen jenes Volk ist?

Die Niederlage, sagt' ich und das Unheil,

Die rot von Blut der Arbia Wasser färbten,

Sind solcher Predigt Grund in unsrem Tempel.

Als seufzend er darauf das Haupt geschüttelt,

Sagt' er: Da war ich nicht allein und sicher

Hätt' ich ohn Ursach nicht dabei geholfen.

Doch da war ich allein, als alle riefen,

Vertilgt vom Boden müsse Florenz werden,

Der es mit offenem Visier verteidigt.

Soll jemals eu'r Geschlecht zur Ruhe kommen,

Beschwor ich ihn, so löset mir den Knoten,

In den sich mein Verständnis hier verwickelt.

Vernehm' ich recht, so scheint es, ihr gewahret

Im voraus, was die Zeit erst mit sich bringet;

Doch für die Gegenwart verhält sich's anders.

Wir sehn gleich einem, dessen Auge schwach ist,

Erwidert' er, die Dinge die uns fern sind;

So viel vergönnt uns noch der höchste Herrscher.

Doch nahn sie, oder sind sie schon, so können

Wir sie nicht sehn, und von dem Loos der Menschen

Erfahren wir nur, was uns andre melden.

Begreifen kannst du nun, daß alles Wissen

Für uns erlöschen muß mit jenem Tage,

An dem der Zukunft Tor sich ewig zuschließt.

Da sprach ich, wie von meiner Schuld betroffen:

Nun saget jenem, der dort niederfiel,

Daß bei den Lebenden sein Sohn noch weilet.

Wenn statt der Antwort ich vorhin verstummte,

So sagt ihm, es geschah, weil ich dem Irrtum

Schon nachsann, welchen ihr vorhin mir lös'tet.

Schon aber rief zurücke mich der Meister,

Weshalb den Schatten ich in Eile bat,

Mir noch zu sagen, wer mit ihm dort weile.

Ich liege hier mit mehr als tausend, sagt' er;

Dort innen ist der zweite Friederich,

Sodann der Kardinal, von andern schweig' ich.

Drauf barg er in der Gruft sich und ich wandte

Zum alten Dichter meine Schritt', erwägend

Was feindlich mir in jener Rede schien.

Mein Führer ging voran und, wie wir gingen,

Sagt' er zu mir: Was bist du so betreten?

Ich aber gab auf seine Frage Auskunft.

Es wahre dein Gedächtnis, was du hörtest

Daß dich bedrohe, so gebot der Weise,

Und sprach, den Finger hebend: Nun merk' auf:

Stehst du einst vor dem süßen Strahle jener,

Die alles sieht mit ihrem schönen Auge,

So hörst von ihr du deinen Lebensweg.

Dann wandt' er seinen Fuß zur linken Seite;

Fort von der Mauer gingen wir der Mitte

Auf einem Pfade zu, der nach dem Tale

Hinführet, dessen Stank die Luft schon einnimmt.

Elfter Gesang

An eines hohen Ufers letztem Rande,

Gelangten wir zu schlimmerem Gedränge.

Den Felsen, die im Kreis gebrochen, bilden,

Wir aber zogen vor dem Übermaße

Des schrecklichen Gestankes, der vom Abgrund

Emporqualmt, hinter eines hohen Grabes

Steindecke uns zurück, auf der ich las

Die Inschrift: Anastas, den Papst bewahr' ich,

Den ab vom rechten Wege zog Photin.

Nur zögernd wollen wir jetzt niedersteigen,

Daß etwas sich zuvor der Sinn gewöhne

An den Gestank und er nachher nicht hindre.

So sprach der Meister, und ich sagt': Ersinne

Was uns die Zeit, die wir hier weilen, ausfüllt.

Er aber: Du wirst sehn, daß ich's bedachte.

Mein Sohn, im Innern dieses Felsgeklüftes,

Begann er, sind drei Kreislein, die gleich denen,

Die du verläßt, sich stufenweise folgen.