Die Göttliche Komödie: Hölle - Dante Alighieri - E-Book

Die Göttliche Komödie: Hölle E-Book

Dante Alighieri

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Beschreibung

Eine neue, gut lesbare Übersetzung, klar und genau, in natürlicher Sprache. Sie wird ergänzt durch: Zahlreiche knappe Erläuterungen und Lesehilfen, eine Einführung in die Göttliche Komödie und in Dantes Zeit, eine Biographie des Dichters, eine Übersicht über seine sonstigen Werke und ein ausführliches Register. Dantes Göttliche Komödie ist ein Höhepunkt der Weltliteratur. Obwohl im Mittelalter geschrieben, ist sie immer noch lebendige Lektüre. Doch ist es keine Komödie. Es ist die Schilderung einer ungewöhnlichen Reise, die der Pilger Dante antreten muss. Ihren Anfang nimmt sie bei einer „midlife crisis“, wo „der rechte Weg“ verlorengeht. Die Reise führt ihn hinab in die Hölle, dann hinauf auf den Läuterungs-berg und schliesslich ins Paradies. Ganz am Schluss wird ihm ein Blick auf das Licht Gottes zuteil. Aber er muss wieder zur Erde zurück. Es ist der Weg eines Menschen zu immer grösserer Selbsterkenntnis. (Man kann die Göttliche Komödie durch-aus auch psychologisch lesen.) Spirituelle Einsichten und konkrete, überraschende Geschehnisse mischen sich. In zahlreichen Begegnungen mit namhaften Persönlichkeiten im Jenseits erfahren wir von diesseitigen Schicksalen. Ein reiches Panorama des weltlichen Geschehens entfaltet sich. Es zeigen sich Höhen und Tiefen der Gesellschaft, der Politik, aber auch des familiären Lebens. Neben Vorbildlichem ist da auch Betrug, Verrat, Gewalt, Habgier und Machtstreben. In Dantes unnachahmlicher Sprache werden selbst schwierigere Themen fasslich und Abstraktes anschaulich. Im Italienischen ist die Göttliche Komödie in Versen mit kunstvollen Reimen gehalten. Sie im Deutschen zu imitieren, wirkt gezwungen und unbefriedigend. Diese Übersetzung strebt eine natürliche Sprache an, mit der Möglichkeit, die Zeilen als Verse zu lesen.

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Das Bild auf dem Einband stammt aus den berühmten 135 Holzstichen zu Dantes „Göttlicher Komödie“ des genialen französischen Illustrators Gustave Doré (1832–1883). Es zeigt Dante mit seinem Führer Vergil vor dem Tor zur Hölle (3. Gesang, Anfang).

Inhaltsverzeichnis Band 1

Dank

Widmung

Vorwort

Zu dieser Übersetzung

Verse oder Prosa?

Verse – ohne strenge Form

Dantes Sprache und ihre Wiedergabe im Deutschen

Was bleibt von Dantes Original?

Warum ohne italienischen Text?

Akzente bei Eigennamen und Fremdwörtern

Zu den Anmerkungen

Verzeichnis der Abkürzungen

Einführung 1. Teil (für den 2. Teil: siehe Band 3)

Der Inhalt der Göttlichen Komödie – kurz und knapp

Einige Vorbemerkungen zur Lektüre

Die Göttliche Komödie

Ihr Weltbild

Die drei Jenseitsbereiche

Entstehung, Titel, Sprache

Äussere Struktur und Zahlensymbolik

Beatrice

Hölle

(Text und Anmerkungen)

Dantes Hölle: Schema (Graphik)

Inhaltsverzeichnis Band 2

Läuterungsberg (Text und Anmerkungen)

Dantes Läuterungsberg: Schema (Graphik)

Inhaltsverzeichnis Band 3

Paradies

(Text und Anmerkungen)

Dantes Paradies: Schema (Graphik)

Einführung 2. Teil

Geschichtlicher Hintergrund

Dantes Leben

Biographische Daten tabellarisch

Andere Werke Dantes

Bibliographie (Verwendete Ausgaben)

Verzeichnis von Namen, Orten, Begebenheiten und Begriffen

Dank

Viele Menschen haben mich während meiner jahrelangen Arbeit an dieser Übersetzung begleitet. Ihnen danke ich herzlich für ihre Unterstützung, vor allem: Heini Delb, meinem treuen Mitleser und Korrektor der ersten Fassung; Florian Rexer, Schauspieler und Regisseur, für seine freundschaftliche Begleitung und unermüdliche Beratung in klanglichen und rhythmischen Fragen bei der Revision; Kurt Locher für seine kompetenten Antworten auf astronomische und physikalische Fragen; meiner Frau Susanne Anderau-Mörikofer für astrologische Auskünfte wie auch für ihr feines Ohr bei sprachlichen Zweifelsfragen und für ihre Geduld und Anteilnahme über die Jahre hinweg; Tita Zimmermann-Porro für Erörterungen von Mehrdeutigkeiten im Italienischen; Ulrich Zwimpfer für die Klärung philosophischer Begriffe; sowie Verena Dubacher für Latein und Griechisch und Pierre Casetti für Hebräisch, Alexander Höhne für hilfreiche Beratung bei der Gliederung der Einführung, und nicht zuletzt dem Naturhistorischen Museum Luzern und der Vogelwarte Sempach für ihre freundliche Auskunft. Brigitta Neumeister-Taroni danke ich für ihr sorgfältiges Lektorat und für hilfreiche Beratung, Michael Anderau für seine Kompetenz und Geduld beim Layout.

Ebenso fühle ich mich allen in der Bibliographie genannten Übersetzern, mit deren Übertragungen ich die meine ständig verglichen habe, zu grossem Dank verpflichtet. Wo gelegentlich Zeilen oder Wendungen mit ihren Übertragungen gleichlauten, handelt es sich in der Regel nicht um Übernahmen, sondern um Übereinstimmungen. Doch habe ich in selteneren Fällen Trouvaillen anderer nicht verschmäht.

Widmung

Gewidmet sei diese Übersetzung

DANTE

– dem Pilger durch die drei Bereiche Hölle, Läuterungsberg und Paradies,

in seiner Menschlichkeit, seiner Beherztheit und seinem Kleinmut,

seinem Stolz und seiner Demut,

seinen Zweifeln und seiner Wissbegierde;

– dem Dichter aber für seine staunenswerte schöpferische Kraft und

seine über die Jahrhunderte wirkende Modernität

Vorwort

Dante wurde im Jahr 1265 geboren. Seither sind rund 750 Jahre vergangen. Das scheint lange her, und doch ist seine „Göttliche Komödie“ immer noch lebendige Literatur und beeindruckt noch heute. Sie ruft auch immer wieder nach neuer Übertragung, obwohl es mittlerweile gegen sechzig deutsche Übersetzungen gibt, angefangen mit einer Prosaübertragung aus den Jahren 1767–69. Eine klassische deutsche Übertragung allerdings wird es kaum je geben – zu viele Anforderungen sind es, die man beim Übersetzen alle zugleich bewältigen müsste.

Allein schon Dantes ausdrucksvolle und zugleich präzise Sprache mit ihrem unverwechselbaren Klang, mit ihrer Klarheit (trotz der manchmal fast extremen Dichte) und ihrer Musikalität, aber auch die unterschiedlichen Stilebenen, die er verwendet, seine überraschenden Bilder, seine Gabe, auch Kompliziertes oder Abstraktes konkret und verständlich wiederzugeben, sein umfassendes, dichterisch verarbeitetes Wissen, und nicht zuletzt sein Variationsreichtum innerhalb einer durchgehaltenen, strengen Form und die sehr anspruchsvollen Reime – all dem kann eine einzelne Übersetzung nicht gerecht werden.

Das ist der Grund, und zugleich die Rechtfertigung, warum immer aufs neue der Versuch der Übertragung unternommen wird. Übersetzungen können zudem veralten, in Sprache und Charakter, und viele der deutschen Dante-Übersetzungen sind wieder in der Versenkung verschwunden. Es scheint eine wiederkehrende Aufgabe jeder Generation zu sein, dass sie ihre eigene(n) Version(en) erstellt.

Die vorliegende Übertragung setzt sich drei Ziele:

Sie soll möglichst genau sein.

Sie soll, in möglichst natürlicher Sprache, gut lesbar sein.

Sie soll sich zum Rezitieren eignen.

Zu dieser Übersetzung

Die vorliegende Übertragung war schon Ende 2009 fertiggestellt, doch die angekündigten und mittlerweile erschienenen Übersetzungen zweier namhafter Hochschulprofessoren und Fachleute, Kurt Flasch und Hartmut Köhler, liessen begreiflicherweise eine dritte Veröffentlichung nicht zu. Nachträglich aber erwies sich dies als Chance, denn es ermöglichte mir eine nochmalige gründliche Überprüfung u. a. anhand der genannten beiden Übertragungen.

Verse oder Prosa?

Dante schrieb seine Göttliche Komödie in kunstvollen Versen mit verschränkten Reimen, in sogenannten Terzinen. Es gibt rund zwei Dutzend deutscher Übersetzungen, welche ihn darin nachzuahmen versuchen, doch ist man heute davon abgekommen – die deutsche Sprache eignet sich nicht wirklich dafür. Ein namhafter Übersetzer, Karl Vossler, meinte denn auch, dies sei „eine eher akrobatische als künstlerische Aufgabe“. Doch nicht nur Reimen, selbst Versen begegnet man heutzutage mit Skepsis. Hartmut Köhler schreibt im Nachwort zu seiner Übersetzung (2010–12), dass Verse „ehrlicherweise nicht mehr möglich seien“, eine „Prosaauflösung“ sei „plausibler“. So sind denn auch in den letzten zwanzig Jahren fast nur Prosaübertragungen erschienen, fünf an der Zahl. Prosa hat zudem den Vorteil, dass sie den Inhalt des Originals getreuer wiedergeben kann; bei einer strengen Versform hingegen leiden oft sowohl Natürlichkeit wie Inhalt.

Und doch: Die Göttliche Komödie in Prosa zu rezitieren – und es ist ein Werk, dass man hören sollte – ist unbefriedigend. In Italien, wo Dante ungebrochen lebendig ist, gibt es noch und noch Lesungen mit grossem Zulauf, in Theatern, in Sälen und auf öffentlichen Plätzen, bei denen die Zuhörer gebannt hörend seiner sprachlichen Gestaltung folgen. Im deutschen Sprachgebiet ist Dante zwar nie in dem Mass heimisch geworden, aber auch bei uns müsste es möglich sein, die Göttliche Komödie – wenn auch im Abglanz der Übersetzung – auch über das Ohr zu erfahren. Prosa ist dafür zu wenig, aber auch Verse der einstigen gebundenen Art eignen sich nur noch bedingt.

Verse – ohne strenge Form

Bald jedoch musste ich einsehen, dass damit weder Natürlichkeit noch Genauigkeit, zwei der gesteckten Ziele, zu erreichen waren. Aber Dantes Aussage ist zugleich genau und natürlich, und so sollte sie auch die Übersetzung wiedergeben. Hier ist eine der deutschen Sprache aufgezwungene strenge Form nicht sinnvoll, wenn sie das Verständnis verdunkelt und zusätzlich erschwert. Die Einsichten, die der Pilger bei Dante gewinnt, müssen auch für den Leser klar erfassbar sein.

Um einen regelmässigen, fünfhebigen Blankvers zu erzielen, behalf man sich früher oft mit zum Teil recht gewaltsamen Wortumstellungen oder man apostrophierte Wörter, um sie rhythmisch verwendbar zu machen. Hier nur zwei Beispiele aus an sich guten Übersetzungen:

… dess’ einz’ge Qual nur ist des Hoffens Schwund …

… drum gnüge jenes Beispiel, wem Gnad ’ es zu erfahren aufbewahret …

Offensichtlich leidet dabei die Natürlichkeit. Dem heutigen Leser sind solche poetischen Lizenzen oder Notbehelfe fremd geworden, sie lassen sich nicht mehr verwenden.

Als weiteres Problem zeigte sich, dass das „passendste“ Wort bei einer strengen Versform sich oft auf keine Art und Weise in einen jambischen Rhythmus einfügen lässt, so dass man mit einem passenden zweitbesten vorlieb nehmen muss.

Aber auch die feste Zeilenlänge bietet Probleme, denn Dantes Zeilen sind in der Aussage manchmal so dicht, dass ihr gesamter Inhalt unmöglich in einer deutschen Blankverszeile Platz findet. Also muss man entweder kürzen oder zusammendrängen, was gelegentlich bis zur Unverständlichkeit des Gesagten führt (man vergleiche die oben zitierten Zeilen).

Da Natürlichkeit und Genauigkeit für mich Vorrang hatten, habe ich (ungern) auf die Regelmässigkeit der Verse und auf einheitliche Zeilenlänge verzichtet. Mit andern Worten: Die Zeilen in dieser Übersetzung sind rhythmisch vielfältig und ungleich lang.

Allerdings war es mir ein Anliegen, dass trotz der Unregelmässigkeit niemand beim Lesen ins Stolpern komme und jede Zeile als Vers oder zumindest rhythmisch gelesen werden kann. Im übrigen ist die Zeilenlänge nicht willkürlich, sondern bewegt sich zwischen höchstens sieben Hebungen und nicht weniger als drei (wobei in der Mitte zwischen drei und sieben noch immer das Ideal der ursprünglichen fünf Hebungen erkennbar sein mag). Es zeigte sich, dass damit alles, was Dante gesagt hat, auch im Deutschen gesagt werden kann, getreu und ohne Kürzung.

Die Sätze der Übertragung sind möglichst natürlich gehalten – ohne das Verständnis erschwerende Umstellungen, die bei starrem Versmass oder Reim fast unvermeidlich sind. Darum sollte es Lesern und Leserinnen gelingen, bei langsamerer Lektüre den Sinn eines Satzes und den Zusammenhang unmittelbar zu erfassen. Zugleich aber berücksichtigt der Satzbau – soweit mit dem Deutschen vereinbar – Dantes Anordnung. Auch bei gelegentlich langen, kunstvoll gebauten Satzgefügen habe ich versucht, seine charakteristische Darstellung und seine Reihenfolge beizubehalten. Man sollte diese Gebilde meiner Meinung nach nicht zerteilen, um sie mundgerechter zu machen.

Dantes Sprache und ihre Wiedergabe im Deutschen

Was für ein Stil kann heute Dantes Ausdrucksweise gerecht werden? Sicher nicht eine antiquierte oder abgehobene Sprache, aber anderseits auch nicht eine forciert moderne oder Alltagssprache – sie muss etwas von dem dichterischen Charakter beibehalten, mit dem Dante selbst sie prägte. Sie soll aber auch nicht „poetisieren“, wie es einzelne älteren Übersetzungen manchmal taten, denn Dantes Sprache ist klar und präzis, nie lyrisch zerfliessend, sondern bestimmt. Im Ausdruck ist sie vielfältig, und ihr Klang reicht von zart bis derb.

Mein Bestreben ging dahin, diese Register beizubehalten, nicht zu glätten, und auch die zum Teil ungewöhnlichen Bilder so wiederzugeben, wie sie Dante entsprechen. Das bedeutet auch, dass man manchmal auf Bezeichnungen stösst, die uns heute zuerst fremd vorkommen, so zum Beispiel, wenn Dante die kreisenden Himmelssphären „Räder“ nennt, oder die Reigen der Engel „Mahlsteine“, weil sie sich waagrecht drehen. Die Anmerkungen helfen in solchen Fällen.

Dante hat auch viele neue Wörter geprägt, vor allem Verben (z. B. „intuarsi“: sich in ein Du versetzen; „inforsarsi“: sich einem „Vielleicht“, d. h. einem Zweifel hingeben, usw.). Ich habe nicht versucht, ähnliche deutsche Wörter zu schaffen, die Ergebnisse (wo andere Übersetzer es wagten) überzeugen nicht.

Ebenso ist es ein Ding der Unmöglichkeit, Dantes Musikalität der Sprache und die unzähligen Alliterationen (bewusst ähnlich klingende Wörter) wiederzugeben. Die wenigen Übersetzungen, die es versuchten, wirken misslungen.

Was bleibt von Dantes Original?

Wenn schon die Reime wegfallen (bei Dante ein wesentliches Formelement) und nun auch noch die regelmässige Form – was bleibt dann noch? Genug, darf man wohl erwidern, trotz des Verlustes, denn die Form macht noch nicht die ganze Dichtung aus. Bei Dante ist der Inhalt so dicht und reich – weshalb es sich lohnt, ihn vollständig und genau wiederzugeben – und seine Darstellung so lebendig, dass auch die vorliegende deutsche Form bei LeserInnen (oder HörerInnen) Interesse und Freude wecken sollte.

Warum ohne italienischen Text?

Diese Übersetzung wendet sich an „gewöhnliche“, nicht-spezialisierte LeserInnen ohne Vorkenntnisse und mit vielleicht zu geringem Italienisch, um Dante im Original zu lesen (was selbst für Italiener nicht ganz einfach ist). Deshalb ist ihr der originale italienische Text nicht beigegeben. Doch kann man leicht eine der vielen günstigen italienischen Ausgaben daneben halten; die Abfolge der Zeilen im Original und in der Übersetzung ist fast immer identisch.

Akzente bei Eigennamen und Fremdwörtern

Bei weniger bekannten Namen und Fremdwörtern – vor allem italienischen, lateinischen und griechischen –schien es mir sinnvoll, bei der erstmaligen Nennung einen Betonungsakzent zu setzen.

Zu den Anmerkungen

Die Anmerkungen sind als Lesehilfen gedacht und erklären etwa, was ich mir selber auch verdeutlichen musste. Sie sind möglichst einfach und knapp gehalten und erheben keinen Anspruch auf Originalität. Sie erläutern Figuren, Ereignisse und Zusammenhänge, die uns historisch nicht mehr geläufig sind; manchmal aber geben sie auch lediglich an, wer mit „er“ oder „sie“ unter der ganzen Beziehungsvielfalt gemeint ist. Die unzähligen Anspielungen und Anklänge aus der Bibel, aus antiken Autoren wie auch zeitgenössischen Dichtern sind nicht sämtliche verzeichnet; man findet sie in grösseren italienischen Ausgaben, zum Beispiel bei Inglese.

Wer mehr Vertiefung sucht, sei es philosophischer, theologischer, historischer oder anderer Art, muss wohl oder übel zu italienischen, ausführlichen Kommentaren greifen. Dantes umfassendes Wissen und seine vielen Bezüge zu Personen, Geschehnissen und Orten weckten von Anfang an das Bedürfnis nach Erläuterungen. Schon zwei der Söhne Dantes verfassten solche, und frühe Ausgaben erschienen bereits mit Kommentaren.

Es sind viele Anmerkungen, mehr als in fast allen anderen deutschen Ausgaben. Es wäre aber nicht sinnvoll, alle ständig mitzulesen, sie würden den Fluss der Lektüre ins Stocken bringen, und es könnte sich leicht ein Gefühl von Pedanterie einstellen. Man möchte sogar etwas kühn empfehlen, bei der ersten Lektüre die Anmerkungen nicht zu berücksichtigen, selbst wenn nicht alles im Einzelnen verständlich ist, sondern jeweils einen ganzen Teil (Hölle, Läuterungsberg, Paradies) langsam fortlaufend zu lesen und ihn auf sich wirken zu lassen. Danach empfände man wahrscheinlich Lust, manche Stellen anhand der Kommentare genauer zu betrachten.

Mit der Anordnung auf einer Doppelseite, rechts der Text und links gegenüber der Kommentar dazu (anstelle von Fussnoten oder Anmerkungen im Anhang), soll ein umständliches Suchen vermieden werden.

Ich habe mich grösstenteils an die Anmerkungen von Anna Maria Chiavacci Leonardi, Inglese, Pasquini/Quaglio und Singleton, sowie Dragone, Sapegno und Scartazzini/Vandelli gehalten. Die Literatur zu Dante ist uferlos; nach der Bibel ist die Göttliche Komödie wahrscheinlich das meistkommentierte Werk.

Leider gibt es auf deutsch kaum neuere gesamthafte Einführungen; zu nennen wären etwa die rund 60 Seiten zur Göttlichen Komödie bei Ulrich Prill oder Ferdinand Barths Erläuterungsband (mit einem zusammenhängenden Kapitel zu jedem Gesang) zu Naumanns Übersetzung. Mit Gewinn liest man immer noch das kurze Nachwort von Philalethes oder die Einführungen in Gmelins Kommentarbänden (für die genannten Namen s. Bibliographie). Ferner auch: Kurt Leonhard (1970) und Michele Barbi (1933, dt. 1943). (Für alle genannten Namen vgl. die Bibliographie am Ende von Band 3.)

Verzeichnis der Abkürzungen

Hölle 9, 118 ff.

Hölle, 9. Gesang, Zeilen 118 und folgende

Läut

Läuterungsberg

Par

Paradies

Ges.

Gesang

Anm.

Anmerkung

Ovid, Met 8. Buch, 43–57

Ovid, Metamorphosen, 8. Buch, Zeilen 43–75

vgl./s.

vergleiche/siehe

Abkürzungen für Bücher der Bibel

(alphabetisch; zitiert in den Anmerkungen)

Altes Testament:

Est

Buch Ester

Ex

Exodus (2. Buch Mose)

Gen

Genesis (1. Buch Mose)

Hld

Hohelied

Hos

Hosea

Ijob

Buch Ijob (Hiob)

Jer

Jeremia

Jes

Jesaia

Joel

Buch Joel

Jos

Josua

1 Kön

1. Buch der Könige

2 Makk

2. Buch der Makkabäer

Ps

Psalm(en)

Ri

Buch der Richter

Sam

Buch Samuel

Sir

Buch Jesus Sirach

Tob

Buch Tobit

Weish

Buch der Weisheit

Neues Testament:

Apg

Apostelgeschichte

Hebr

Hebräerbrief

Jak

Jakobusbrief

Joh

Johannesevangelium

2 Kor

2. Korintherbrief

Lk

Lukasevangelium

Mk

Markusevangelium

Mt

Matthäusevangelium

Offb

Offenbarung des Johannes

Röm

Römerbrief

1 Tim

1. Timotheusbrief

2 Tim

2. Timotheusbrief

Einführung 1. Teil

Der Inhalt der Göttlichen Komödie – kurz und knapp

Der Pilger Dante muss, um aus einem dunklen Tal herauszukommen, zuerst alle Stufen der Hölle hinuntersteigen, danach wieder aufsteigen auf den Läuterungsberg und sich dann durch alle Himmelssphären des Paradieses emporbewegen, und er wird dabei mit allem Geschehen, mit Leiden und Freuden konfrontiert, zuerst unter der Führung Vergils, später Beatrices.

Das klingt nicht sehr vielversprechend – aber es täuscht. In Wirklichkeit ist die Jenseitsreise des Pilgers Dante bewegt, voller Wechsel und Überraschungen. Er führt unter anderem lebhafte Gespräche mit namhaften Leuten und erfährt auch von vielen Erdenschicksalen.

Einige Vorbemerkungen zur Lektüre

„Wie soll man die Göttliche Komödie lesen?“ ist eine oft gestellte Frage – zu der es aber keine abschliessende Antwort gibt; zu verschieden sind die Möglichkeiten.

Man kann sie von ganz verschiedenen Blickwinkeln her betrachten und deuten, so unter anderem religiös, philosophisch, psychologisch, allegorisch oder symbolisch, historisch oder politisch und natürlich auch als literarisches Werk. Keine dieser Betrachtungsweisen ist ganz falsch oder abwegig. Der Grund liegt in der Vielschichtigkeit des Werks, das sehr viele Gebiete in einer wohl einmaligen dichterischen Synthese vereinigt. Falsch wäre es, es nur von einem Gesichtspunkt aus verstehen zu wollen, denn einseitig war Dante keineswegs, und obwohl er als gläubiger katholischer Christ schrieb, war er eben auch philosophisch, historisch, politisch und wissenschaftlich äusserst interessiert, überdurchschnittlich gebildet und ein grosser Dichter.

Man würde die Göttliche Komödie nicht erfassen, wenn man sie ausschliesslich an Bibelzitaten festmachen wollte, was schon versucht worden ist. Aber ebenso wenig wird man ihr gerecht, wenn man ihr alles Religiöse abspricht und sie etwa rein auf aristotelische Philosophie beschränken will. Denn unbestreitbar führt der Weg des Pilgers Dante zu Gott, und es säumen ihn – neben unzähligen historischen Gestalten und persönlichen Bekannten – auch Selige und Engel. Es ist auch der Heilsweg, an den Dante selbst glaubte, was aber nicht heisst, dass jemandem, der nicht gläubiger Christ ist, die Göttliche Komödie nichts zu bieten hätte – dazu ist sie zu abwechslungsreich, zu differenziert, zu originell.

Aussergewöhnlich ist schon, dass da auf dem Gerüst eines mittelalterlichen Weltbildes und im Rahmen mittelalterlicher katholischer Lehre – die doch dem heutigen Menschen starr, unanziehend und entlegen vorkommen müssten – ein höchst lebendiger Kosmos entsteht: durch die vielen knappen Berichte der ehemaligen Erdbewohner ein vielfältiges Spiegelbild unserer „diesseitigen Welt“ unter dem Zeichen des Jenseitigen, und zugleich der Widerschein eben dieses Ewigen, dessen Glanz man sich kaum entziehen kann.

Einzigartig ist auch das Gebilde der Göttlichen Komödie selbst: Nicht Gedicht, wohl aber Verse, nicht Epos, aber von grosser Weite bei aller Knappheit im Ausdruck, kein Roman und doch abwechselnde, spannende Erzählung – sie lässt sich in keine der bestehenden Gattungen einordnen. Man hat sie eine Summe des Mittelalters genannt, also ein abschliessendes grosses Werk. Aber sie ist auch eine Summe von Dantes Schaffen, ein Verschmelzen seiner lebenslangen verschiedenartigen Bemühungen und Erfahrungen. Da sind die Verse, die er in seiner frühen Lyrik bis zu höchster Schönheit vervollkommnet hat, ihre vergeistigte Tiefe, und zugleich bildliche Konkretheit, die jetzt Dantes Instrument sind, aber auch die früheren (wenigen) derben Verse dienen nun einzelnen handfesten, derben Stellen der Göttlichen Komödie; da ist der Einfluss von Dantes philosophischen und wissenschaftlichen Studien, die hier ebenfalls Ausdruck finden, aber in anschaulicher Sprache, die auch dem für uns entlegensten Thema die Trockenheit nimmt.

Kurz, Dante offenbart seine Gabe, aus vielen und zum Teil noch unbekannten Quellen und Anregungen durch seine Inspiration etwas Neues und eine Einheit zu schaffen. So ist seine Fülle von Wissen eingebettet im Übrigen, und dieses Übrige sind vor allem die unzähligen Gespräche mit bedeutenden Personen aller Art: Könige und Fürsten, Politiker, Kirchenlehrer, Ordensgründer, Philosophen, Dichter usw., Freunde und auch Frauen. Dante ist äusserst interessiert nicht nur an Wissensfragen, sondern auch an Begegnungen und erfährt so Schicksale, Lebenssituationen und Rollen die er uns beim Lesen vermittelt. Wenige Worte schon vergegenwärtigen sie, und die damit verbundenen Menschen – auch im Jenseits erscheinen sie noch individuell – treten uns konkret und plastisch vor Augen. Es ist „die Zauberkraft seiner Stimme“ (Auerbach), die solches vermag, so wie auch einige knappe Striche Dantes eine ganze Landschaft heraufbeschwören können.

Ebenso lebendig sind seine Reaktionen auf andere Personen und Umstände: Da ist es nicht nur der mittelalterliche Mensch, der so reagiert, sondern es könnten durchaus auch unsere Reaktionen sein. Eine einzelne angedeutete Geste seines Gesprächspartners, ein abgebrochenes Wort, ein Seufzer: Wie viel an Innerem wird da spürbar! Wesentlich ist, dass diese Menschen „wirklich“ sind, wie auch Dante der Pilger und seine Reise „wirklich“ sind (was Dante immer wieder, unter anderem auch durch die Ich-Erzählung und durch seine präzisen topographischen Angaben betont) und zugleich allegorisch: Seine Reise ist der Weg jedes Menschen zu einem höheren Ziel (sei es religiös wie hier, oder auch geistig im allgemeinen Sinn), Dante der Pilger steht für jeden Menschen, der zu einem solchen Ziel unterwegs ist.

Und nicht zu vergessen die Hunderte von Vergleichen, ein charakteristisches Stilmerkmal Dantes: Sie konkretisieren einen Vorgang oder eine innere Verfassung, lassen eine Situation vertraut erscheinen, verblüffen gelegentlich auch. In ihnen zeigt sich zudem eine bescheidenere Umgebung: die Natur, die Tier- und Vogelwelt, bäuerliche und handwerkliche Tätigkeit und vieles mehr.

Dantes Sprache ist stets konkret und bildhaft, selbst bei Abstraktem, und so kann er symbolisches Geschehen oder die Welt der Engel darstellen, auch im Grunde Unbeschreibbares: Gott oder den nicht-irdischen Christus – eine staunenswerte Ausdrucksfähigkeit!

Für weitere Hinweise auf interessante Details ist hier nicht Raum genug. Beim Lesen werden sie ganz individuell mitzuerleben sein, und die Überraschung und Spannung soll nicht schon vorweggenommen werden.

Doch vor der Lektüre noch ein Zitat – um einem hartnäckigen Vorurteil entgegenzutreten – aus Romano Guardinis Notizen zu einer „Einleitung zu einem Dante-Kolleg“: „[Es] wirkt immer noch nach die romantische Wertung, wonach der erste Teil der Göttlichen Komödie, das Inferno, das Schönste, schon das Purgatorio das weniger Lebendige, das Paradiso endlich abstrakte Gedankendichtung sei. [Das ist] vollkommen falsch. Das Umgekehrte ist wahr. [Man] darf ruhig sagen, dass es ein Kennzeichen echten Danteverständnisses ist, ob die steigende Grösse und Schönheit der drei Teile zu Bewusstsein kommt.“

Die Göttliche Komödie

Ihr Weltbild

Dante, der Pilger, durchwandert von der Erde aus die drei Jenseitsbereiche Hölle, Läuterungsberg und Paradies. Das Weltbild des Autors Dante ist noch das ptolemäische, wo die Erde unbeweglich den Mittelpunkt des Universums bildet.

Um die Erde kreisen neun konzentrische Himmelssphären. Den ersten sieben ist je ein Planet zugeordnet: Mond, Merkur, Venus, die Sonne (die als Planet gilt), Mars, Jupiter und Saturn. In der achten Himmelssphäre befinden sich die Fixsterne, während die neunte Sphäre Primum Mobile (das erste Bewegte) heisst oder auch Kristallhimmel, wegen ihrer Transparenz, da dort keine materiellen Körper, das heisst Sterne, mehr anzutreffen sind. Das Primum Mobile gibt seine Bewegung an alle unteren Himmelssphären weiter. Diese neun Himmelssphären aber umfasst ein zehnter Himmel, das Empyreum. Er ist weder räumlich noch zeitlich mehr begrenzt und ist unbeweglich, denn dort waltet die Ewigkeit. Es ist der Sitz Gottes und auch der Ort der Engelscharen und der Seligen: das himmlische Paradies.

Die Erde, von der aus Dante für seine Reise aufbricht, hat zwei Hemisphären: Eine Landhemisphäre mit Jerusalem als Mittelpunkt und eine Wasserhemisphäre, aus der nur der Läuterungsberg aufragt. Er ist der genaue Antipode (d. h. gegenüberliegend) zu Jerusalem. (Es ist besser, nicht von nördlicher und südlicher Hemisphäre zu sprechen, da dies Dantes Einteilung nicht ganz entspricht).

Unter Jerusalem – dem Ort der Kreuzigung Christi – befindet sich die Hölle (vgl. etwa die entsprechende Darstellung auf Ikonen). Sie ist ein riesiger Trichter, der bis zum Erdmittelpunkt reicht und sich zunehmend verengt. Die unterste Hölle am Erdmittelpunkt ist zugleich am weitesten entfernt von Gott – dort befindet sich Luzifer, der Antipode Gottes. Dante unterteilt die Hölle, wo die Verdammten sind, in Kreise, durch die Dante, der Pilger, mit seinem Führer Vergil bis ganz unten absteigen muss. Vom Erdmittelpunkt führt eine Höhle und dann ein schmaler Gang auf der anderen Seite wieder empor und mündet am Läuterungsberg.

Auch der Läuterungsberg ist unterteilt – in Terrassen, auf denen sich Seelen für die sie erwartende Seligkeit läutern. Dante und Vergil ersteigen den Berg und gelangen schliesslich zum Anfang des Paradieses.

Das Paradies ist nicht mehr materieller Art wie die Hölle oder der Läuterungsberg, sondern besteht aus den oben aufgezählten Himmelssphären, die Dante, jetzt mit Beatrice, zurücklegt bis hin zum himmlischen Paradies. Dort hört die Göttliche Komödie auf, da das letzte Ziel erreicht ist, aber auch, weil vor dem nicht mehr Beschreibbaren alle Worte und Dichtung verstummen müssen.

Würde man eine Linie ziehen mit Jerusalem als Ausgangspunkt bis zum Endpunkt des himmlischen Paradieses, läge alles Erwähnte (Jerusalem, Höllenschlund, Erdmittelpunkt, Läuterungsberg bis zum Gipfel wie auch die kreisenden Himmelssphären bis zum Empyreum) auf einer Achse. Nicht zufällig, denn symmetrische Entsprechung und abgewogene Proportion sind wesentlicher Teil von Dantes Bestreben, im Universum die Harmonie der idealen göttlichen Ordnung erscheinen zu lassen. Die Stilisierung seines Weltbilds entspringt diesem Gedanken.

Die drei Jenseitsbereiche

Die Hölle umfasst bei Dante neun konzentrische Kreise – so wie der Läuterungsberg neun Terrassen und das Paradies neun kreisende Himmelsphären aufweisen (wiederum in Dantes Suche nach Entsprechung und Harmonie). Den ersten Kreis bildet der sogenannte Limbus oder die Vorhölle, wo (nach früherer, aber nie offiziell anerkannter Lehre) die ungetauften Kinder sind, anderseits aber Dante auch die edlen Geister aus der vorchristlichen Antike versammelt.

Weiter wird eine obere Hölle und eine untere Hölle unterschieden, welche die Ringmauer der Stadt Dis (= Luzifers) deutlich voneinander trennt. In der oberen Hölle (2.–5. Kreis) sind die Sünder aus Unmässigkeit, das heisst die nicht vorsätzlich Bösen – Wollüstige, Schlemmer, Geizige/Habgierige, Zornwütige, und die Verdrossenen/Lustlos-Passiven. Ihnen werden, nach dem 6. Kreis der Ketzer, die gewollt Bösen der unteren Hölle (7.–9. Kreis) entgegengesetzt: Gewalttätige, Betrüger und Verräter. Deren Kreise unterteilt Dante nochmals in verschiedene „Ringe“, bzw. „Gräben“ (im 7. und 8. Kreis) oder Bereiche (im 9. Kreis), um Gewalt, Betrug und Verrat genauer differenzieren zu können.

Die Sünden nehmen also von oben nach unten an Schwere zu. Ihre Kategorien hat Dante aus der Antike, unter anderem von Aristoteles, übernommen und zum Teil etwas verändert. Zu den neun Kreisen fügt er vor der eigentlichen Hölle mit ihren neun Kreisen, wiederum aus eigener Idee, noch einen Aufenthaltsort für die Lauen, Unverbindlichen (die Dantes Temperament höchst zuwider waren) hinzu. Damit kommt er von 9, der göttlichen Zahl, auf 10, die vollkommene Zahl, wie später auch im Paradies, das in der Hölle seine negative Entsprechung hat.

Die Strafen der Verdammten folgen dem Gesetz des „contrappasso“ (ein unübersetzbarer Ausdruck Dantes): Sie entsprechen bildhaft ihren Vergehen, entweder analog – die von Lust Getriebenen werden vom Wind noch mehr getrieben und gebeutelt – oder in Umkehrung – die Lauen werden heftig zerstochen, das heisst angestachelt. Dantes Einfallsreichtum ist hier unerschöpflich.

Den Kreisen sind auch Wächter zugeteilt, die zum Teil aus der antiken Mythologie stammen, wie zum Beispiel Kentauren oder Giganten, manchmal aber auch zu Monstern umgeformt sind. Teufel treten prominent nur im 21. und 22. Gesang auf, und später natürlich noch Luzifer. Auch Feuer kommt wider Erwarten selten vor.

Die Atmosphäre in der Hölle ist die eines ständigen Dunkels, einer Unterwelt, wild, felsig, mit Abbrüchen und Abgründen, entsprechend der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, die vorherrscht.

Der Läuterungsberg dagegen ist in mildes, heiteres Licht getaucht, da sind Farben, da finden sich Sonnenaufgang und –untergang, es gibt Tageszeiten. Die Stimmung ist hoffnungsvoll; immer wieder ertönen Gesang und Gebet. Hier gibt es keine Dämonen, dafür Engel, auch vor den einzelnen Terrassen als Wächter.

Es ist ein Bereich der Bewegung (wenn auch nicht der Dramatik, wie in der Hölle), denn die Seelen sind unterwegs zu einem Ziel (das es in der Hölle nicht gibt). Im Grunde ist es ein Durchgang vom Irdischen – der Berg scheint geographische Realität– zum Himmlischen, dessen vergeistigter Charakter bereits spürbar ist. War die Hölle der Ort der grössten Entferntheit von Gott, so erfolgt hier die Rückkehr zum Schöpfer.

Der Läuterungsberg widerspiegelt in umgekehrter Form die Gestalt des Höllentrichters und erscheint als Konus, das heisst, er verjüngt sich nach oben. Auf jeder seiner sieben Terrassen oder „Simse“, wie Dante sie nennt, wird eine der sieben „Todsünden“ abgebüsst, auch hier nach dem Muster des „contrappasso“. Es sind dieselben Sünden der Unmässigkeit wie in der Hölle, hier allerdings sind sie bereut; anderseits fehlen Gewalt, Betrug und Verrat. Nur ist die Reihenfolge der Sünden umgekehrt, von den schwereren hin zu den leichten. Nach der Busse auf dem einen Sims – wozu die „Seele“ den Berg umkreisen muss – steigt sie zum nächsten auf, zur erneuten Konfrontation mit einer Sünde, und wieder geschieht Busse. So durchläuft jede Seele alle Stufen, mit mehr oder weniger langem Verweilen. Ganz oben angekommen ist sie frei von Schuld.

Dem „Purgatorium“ (= Reinigungsort) entspricht die mittelalterliche Vorstellung des „Fegefeuers“: Die Seelen, die auf Erden Reue zeigten (im Gegensatz zu den Seelen in der Hölle, die ihre Sünden nicht bereuten und deswegen verdammt sind), brauchen nach katholischer Lehre auf ihrem Weg zum Heil auch eine Läuterung, die durch Busse geschieht (ein Ort dafür ist in der Bibel nicht festgelegt). „Das reinigende Feuer“ aber, ein altes sprachliches und symbolisches Bild für „die läuternde Kraft“ (Gottes), geriet in der volkstümlichen Vorstellung immer mehr in die Nähe des Höllenfeuers. Mit der unglücklichen und falschen Übersetzung „Fegefeuer“ (erst ab ca. 12. Jahrhundert) entstanden dann vollends die schrecklichen Martervisionen.

Dante aber lässt diese quasihöllischen Vorstellungen des „Fegefeuers“ völlig beiseite. In schöpferischer Umgestaltung wählt er als „purgatorio“ (wie Dante es nennt) einen Berg, den die Seelen nach und nach ersteigen müssen – Aufstieg zum Paradies, statt Abstieg zur Hölle. (Die treffende deutsche Bezeichnung „Läuterungsberg“ erscheint in den Übersetzungen erst anfangs 20. Jahrhundert.) Feuer als Pein der Läuterung kommt bei Dante überhaupt nicht vor, ausser – wie in Mozarts „Zauberflöte“ – einmal als eine Art Feuerprobe, die sie durchschreiten müssen. Die auferlegten Bussen sind zwar schwer genug, aber von positiver Hoffnung umgeben –Dante gestaltet beides in vielfältiger Phantasie –, und die Seelen unterziehen sich ihnen willentlich. Interessanterweise wird Dante, der Pilger, auf dem Läuterungsberg zum Teil selber zum Büsser, während er in der Hölle Betrachter war.

Das Paradies mit seinen Himmelssphären ist weiter oben unter „Dantes Weltbild“ schon beschrieben worden. Dante steigt mit seiner Führerin Beatrice von einer Sphäre zur nächsten aufwärts. Schon beim Aufstieg wird deutlich, dass hier weder Raum noch Zeit mehr gelten. Er ist schwerelos und geschieht ohne jede körperliche Handlung – während er noch auf dem Läuterungsberg ermüdend sein konnte –, nicht physikalisch erklärbar, allein durch den Blick von Beatrices Augen. In ihnen widerspiegelt sich das göttliche Licht, das hinaufzieht.

Dante muss lernen, dieses Licht auszuhalten, und so wie seine Sicht zunimmt, die dennoch immer wieder Blindheit beschlägt, wächst auch seine Möglichkeit, an dieser geistigen Welt teilzuhaben. Zugleich nimmt auch die Schönheit Beatrices von Sphäre zu Sphäre zu und gewinnt an Lichtglanz. Glanz, Licht und Schönheit erfüllen denn auch das Paradies mit ihrer Intensität und verleihen diesem Bereich – und damit auch der Dichtung des „Paradieses“ – eine unvergleichliche Dichte, Anziehungskraft und Tiefe. Sie kompensieren zudem die Schwierigkeit, dass es im Paradies keine beschreibbare konkrete Realität – Landschaft und menschliche Gestalt – mehr gibt, alles ist Vision und unkörperlich. Die „Seelen“ sind alle umhüllt von ihrem Licht und nicht mehr individuell erkennbar.

Und doch gibt es auch hier anschauliche, grosse symbolische, gemeinsame Auftritte von Scharen der Seligen. Es finden aber auch viele Begegnungen mit Einzelnen, mit bedeutenden „Personen“ statt – die wenigstens im Charakter stets noch Individuen sind –, und aus dem Gespräch entwickelt sich jeweils eine Lehre über ein grosses Thema. Hier kommt es nun auf die einzelnen LeserInnen an, ob sie solche Stellen als handlungsarm zur Seite schieben, oder ob sie die Darstellung selbst, in Dantes unnachahmlicher Gestaltung, als „spannend“ empfinden.

In der christlichen Tradition gibt es für das eigentliche Paradies (hier das Empyreum) kaum fertig geprägte Bilder, ausser „Abrahams Schoss“ und „das himmlische Jerusalem“, doch Dantes Kunst findet auch hier ein völlig neues, grossartiges Bild (es wäre schade, es bereits schon zu verraten), um das Paradies darzustellen.

Entstehung, Titel, Sprache

Entstanden ist die Göttliche Komödie im Exil, begonnen hat Dante sie ca. 1307 und beendet kurz vor seinem Tod 1321.

Schon während der Entstehung zirkulierten Abschriften einzelner Teile; nach Fertigstellung des ganzen Werks war die Nachfrage beim Publikum sehr gross, und die Zahl der Manuskripte wuchs im 14. Jahrhundert auf gegen 400. Gedruckt wurde die Göttliche Komödie erstmals in Foligno (Umbrien) 1472. Heute sind um die 800 Manuskripte bekannt, die teilweise voneinander abweichen, doch ist darunter keine Originalhandschrift Dantes. Es ist auch kein Brief, nicht einmal eine Unterschrift von ihm überliefert und auch kein zeitgenössisches Porträt.

Der Titel lautete zuerst nur „Commedia“ (bei Dante „Comedìa“). Den bewundernden Zusatz „göttlich“ verwendete zuerst Boccaccio in seiner „Kleinen Abhandlung zum Lobe Dantes“ (1360), und der Titel „Divina Commedia“ erschien erstmals gedruckt in einer venezianischen Ausgabe von 1555. Heute besteht eine gewisse Tendenz bei neuen Ausgaben und Übersetzungen, das nicht von Dante stammende „göttlich“ wegzulassen.

Trotz der Bezeichnung „Komödie“ ist in dem Werk – ausser vielleicht in der grotesken Teufelsposse des 21. und 22. Gesangs der „Hölle“ – nichts Komisches zu finden. Der Name bezeichnet vielmehr den Gegensatz zum lateinisch geschriebenen, erhabenen und tragisch endenden Epos wie zum Beispiel Vergils „Aeneis“. Dantes Werk endet nicht tragisch; es finden sich darin verschiedene Stilebenen, manchmal auch „niedere“, das heisst derbe Sprache, und es ist in der Volkssprache geschrieben. Vielleicht aber ist die Erklärung einfach die, nach Philalethes, „dass mit dieser Benennung ein bescheiden-achtungsvoller Abstand von der [von Dante] bewunderten Aeneis gewahrt werden sollte“.

Da es noch keine eigentliche italienische Schriftsprache gab – noch überwog das Latein – ging Dante für die Göttliche Komödie von seinem Florentiner Dialekt aus, mit vielen Anreicherungen. Noch während er im Begriff war, sie abzuschliessen, trat ein bolognesischer Gelehrter mit der in ein langes, klassisches lateinisches Gedicht gekleideten Aufforderung an ihn heran, sich doch lieber mit einem ebensolchen lateinischen Gedicht seine dichterischen Lorbeeren zu holen, die man ihm in Bologna überreichen würde. Dante lehnte ab – in zwei langen, ebenso klassischen lateinischen Antwortgedichten – und zeigte damit gleichzeitig, dass er es wohl gekonnt hätte, aber nicht in der alten Konvention verharren wollte. Indem er bewusst die geringgeschätzte „Volkssprache“ wählte, formte er sie zum literarischen Instrument. Oder wie Boccaccio sagt: „Durch ihn wurde die Herrlichkeit der Fiorentiner Mundart dargetan. Durch ihn ward jegliche Schönheit der gemeinen Sprache nach gehörigen Regeln geordnet.“

Äussere Struktur und Zahlensymbolik

Die Göttliche Komödie hat drei Teile (bei Dante „Cantica“ genannt): Hölle, Läuterungsberg (Purgatorium), und Paradies. Jeder Teil umfasst 33 „Gesänge“, und der erste Teil dazu noch einen einleitenden Gesang – das sind insgesamt 100 Gesänge. Jeder Gesang hat zwischen etwa 130 und 150 Zeilen; das ganze Werk umfasst über 14‘000 Zeilen.

Die Zahlen 3, 33 und 100 sind nicht zufällig, sondern haben eine Bedeutung: „Drei“ bezieht sich auf die göttliche Dreifaltigkeit, 33 und 3 x 33 potenzieren diese Aussage. Die Zahl 10 ist die symbolische Zahl für Vollkommenheit, die Zahl 100 (10 x 10) demnach wiederum eine Steigerung der Vollkommenheit oder Göttlichkeit. Diese wiederkehrenden Zahlen erhöhen gleichsam noch die Bedeutung des Inhalts.

Die Zahl „Drei“ erscheint auch in der von Dante verwendeten Form der Terzinen, in denen die Göttliche Komödie geschrieben ist. Jeweils eine Terzine, das heisst drei gereimte Zeilen (gelegentlich auch zwei oder mehr Terzinen) enthält einen Gedankengang (was auch in der deutschen Übersetzung noch zum Ausdruck kommt, deshalb ist die italienische Dreiernummerierung beibehalten). Die Terzinen sind im italienischen Original durch drei verschränkte Reime untereinander fortlaufend verknüpft: aba bcb cdc usw., wobei jeweils die mittlere Zeile die äusseren Reime der nächsten Terzine bildet. Diese anspruchsvolle Reimform war offenbar eine Erfindung Dantes. Die Verschränkung der Reime ist aber mehr als nur ein kunstvolles Ornament: Sie deutet wiederum auf die Dreifaltigkeit in ihrer unauflösbaren Verbundenheit hin.

Zahlensymbolik oder Zahlenmystik (die überhaupt beliebt war im Mittelalter bis zum Barock) spielt auch sonst eine Rolle in Dantes Göttlicher Komödie, einzelne Stellen werden in den Anmerkungen hervorgehoben. Auch in seinem Jugendwerk „Vita Nuova“ (Neues Leben) verwendet Dante schon die Zahl 9 (= 3 x 3) in solchem Sinn. Die symbolische Zahl steht für Form, Proportion, Symmetrie und Schönheit, denn nach mittelalterlicher Auffassung ist sie göttlichen Ursprungs und weist auch wieder auf Gott hin. Die vielen verborgenen Zahlen bei Dante (wie später z. B. in der Musik von Johann Sebastian Bach) setzt der Künstler nicht für sein irdisches Publikum, sondern zum Lobe Gottes.

Beatrice

Beatrice erscheint in Dantes Werken mehrmals: Zuerst ist sie die Hauptgestalt in „Vita Nuova“, sie wird einige Male im „Gastmahl“ erwähnt, und in der Göttlichen Komödie erhält sie schliesslich überragende Bedeutung. Vom frühen Werk „Vita Nuova“ bis zum letzten der Göttlichen Komödie aber wandelt sich ihre Rolle.

In „Vita Nuova“ ist sie eine junge Frau von anscheinend gesellschaftlich höherem Rang, die der Erzähler in der Tradition des mittelalterlichen Minnedienstes von ferne liebt und verehrt. Zum erstenmal habe er (d. h. Dante selbst) sie gesehen, als sie beide neunjährig waren, worauf seine Liebe zu ihr unauslöschlich geblieben sei.

Beatrice (wie auch alle anderen Figuren) wird nicht beschrieben, und Dante gibt uns keinen Hintergrund. Sie könnte eine dichterisch erfundene Gestalt sein oder, auf Grund der zunehmenden Entpersönlichung und Verklärung besonders nach ihrem Tod etwa in der Mitte der „Vita Nuova“ auch eine blosse Allegorie, das heisst eine sinnbildliche Gestalt für eine abstrakte Idee, zum Beispiel für „göttliche Weisheit“. Selbst der Name Beatrice braucht nicht real zu sein, sondern könnte – nach vielgeübtem Brauch jener Zeit – eine symbolische Bedeutung haben: die Seligmachende.

Nun greift aber Giovanni Boccaccio, fünfzig Jahre nach Dante geboren und ein grosser Verehrer des älteren Dichters, das Thema Beatrice wieder auf. In seiner „Kleinen Abhandlung zum Lobe Dantes“ identifiziert er Beatrice als eine wirkliche Figur, und zwar als Beatrice Portinari, Tochter eines angesehenen Kaufmanns und Politikers in Florenz, die mit 18 Jahren den ebenso angesehenen Bankier Simon dei Bardi heiratete (beziehungsweise mit ihm verheiratet wurde) und mit 25 Jahren starb. Boccaccio beschreibt sogar ihr Äusseres, sehr romanhaft (wie er auch die Szene der ersten Begegnung mit Dante, beide als Neunjährige, ausmalt). Man könnte es als reine Erfindung abtun (wie noch etliches in Boccaccios Darstellung) oder als blosse Ausgestaltung der spärlichen Angaben in „Vita Nuova“, hätte Boccaccio nicht noch Kontakt gehabt mit Leuten, die Dante in jungen Jahren kannten.

Es bleibt also die ungelöste Frage, wieviel man davon glauben soll. Frühere Einführungen zu Dante nehmen teilweise die Beatrice-Geschichte der „Vita Nuova“ wörtlich. Es gibt aber auch die gegenteilige Auffassung, die Beatrice nur als Allegorie gelten lässt.

Die Gestalt der Beatrice und ihre Bedeutung für Dante wird nie ganz erfassbar sein. Zwar ist ihre Erscheinung nie unklar, aber anderseits so vieldeutig und nuanciert, dass Erklärungen immer nur eine Teilwahrheit sind. „Etwas muss gewesen sein“, wie ein Kommentator schrieb, das heisst irgendeine Begegnung in Dantes Leben, die ihm die Gestalt der „Beatrice“ so einprägte, dass sie ihn sein Leben lang begleitete und, vom Biographischen sich lösend, ihm zur dichterischen Inspiration und zur Weiserin des rechten Weges wurde. Da ist auch noch die Krise in Dantes Leben nach Beatrices Tod, eine radikale Richtungsänderung, die nicht erst mit dem Exil einsetzte. (Es wäre auch die feindselige Haltung von Beatrice Portinaris Ehemann gegenüber Dante zu nennen – wenn man die zweifelhafte Realität der Biographie so weit gelten lassen will.)

Noch wichtiger ist aber die Intensität der Gestalt Beatrices in der Göttlichen Komödie und ihrer gefühlsmässigen Beziehung zu Dante auch als Frau (jedoch nicht im erotischen Sinn). Dies alles erhält eine solche Wirklichkeit (neben aller symbolischen Bedeutung), wie sie bei einer blossen Allegorie kaum möglich wäre, auch nicht innerhalb der Konvention des mittelalterlichen Minnedienstes (d. h. der ritterlich-dienenden, unerfüllt bleibenden Beziehung eines Edelmanns zu einer verheirateten edlen „Herrin“). Im Jenseits ist Beatrice Dante sogar viel näher als auf der Erde – das gilt für „Vita Nuova“, wo Beatrice auf Erden nur eine unerreichbare, stumme Figur war, und noch viel mehr für die Göttliche Komödie, wo sie Dante durch die Himmelssphären führt und lebhaft mit ihm spricht, einerseits als Gottgesandte und anderseits sehr menschlich. Sie kann gebieterisch, streng bis tadelnd sein, vor allem auf dem Läuterungsberg, wo Dante sich oft noch begriffsstutzig zeigt, oder aber mild, liebevoll, sich erbarmend, mütterlich, tröstend – und diese Episoden vermögen uns auch beim Lesen zu berühren. Nicht zu vergessen aber, dass sie es ist, die Dante den Auftrag gibt, seine Erfahrungen der Jenseitsreise aufzuschreiben und damit auch der Menschheit einen Weg zum Heil zu vermitteln.

Beatrice ist die bestimmende Figur in der Göttlichen Komödie, auch wenn sie weniger lang in Erscheinung tritt als der erste Führer Vergil, nämlich nur vom 30. Gesang im „Läuterungsberg“ bis zum 31. Gesang im „Paradies“, das heisst in 35 Gesängen, während Vergil vom 2. Gesang der „Hölle“ bis zum 30. Gesang im „Läuterungsberg“ und damit in 63 Gesängen gegenwärtig ist. Doch ist ihre Präsenz von Anfang an gegeben – Vergil betont, dass Beatrice ihn geholt und zu Dantes Führer bestimmt hat –, und sie wird auch immer wieder spürbar, wenn Vergil auf sie verweist als höhere Autorität, die religiöse Fragen klären wird, wo er mit seiner vernunftmässigen Erkenntnis nicht ausreicht:

„So viel wie der Verstand hier sieht,

kann ich dir sagen; für das, was darüber hinausgeht, halte dich

nur an Beatrice, denn es ist Sache des Glaubens. …“(Läut 18, 46-48)

Es ist auffällig, wie viele Christussymbole Dante, der Dichter, mit Beatrice verbindet. Es zeigt „die im ersten Augenblick herausfordernde Nähe, in welche sie zu Christus gerückt wird“ (Guardini). Doch ist sie keine weibliche Göttin anstelle von Christus. Vielmehr bezieht sie sich stets auf Christus, der über ihr steht. Er erscheint einige Male, wie am Rand, aber bestimmend – in Licht verhüllt oder als Symbol (der sagenhafte Greif mit seiner Doppelnatur von Adler und Löwe, der Christus darstellt), vermittelt durch Beatrices Augen,

… die so strahlten,

doch noch fest auf dem Greif verweilten.

Wie im Spiegel die Sonne, nicht anders

erstrahlte in ihnen das doppelte Tier,

bald mit der einen, bald mit der andern Natur.

(Läut 30, 119–23)

In ihren Augen verdeutlicht sich gleichsam das Wesen Christi, und der letzte Gesang des Paradieses mündet in der Vision der Dreifaltigkeit, wo sich der zweite Kreis (= Christus) zeigt als „in seinem Innern bemalt mit unserem menschlichen Abbild“ (Par 33, 130–131).

Beatrice bleibt durch ihre Nähe zum Göttlichen die Mittlerin – nicht die einzige (Dante gibt auch Lucia und Matelda diese Rolle), aber weitaus die wichtigste. So ist es nicht verwunderlich, dass sie, die letztlich Unausdeutbare, eine eigenwillige Schöpfung Dantes, im allegorischen Sinn als Vermittlerin göttlicher Wahrheit und Weisheit, als liebende göttliche Zuwendung zum Menschen, aber auch als Erklärerin theologischer Fragen (oder geradezu als Allegorie der Theologie) und noch anderes mehr gesehen wurde. Oder, in einer Bemerkung des Franziskaners Richard Rohr: „In der Göttlichen Komödie ist Beatrice ganz klar die imago amore [= das Abbild der Liebe Gottes] für Dante. Immer schaut er auf Beatrice und sie schaut zu Gott. Er kann gar nicht direkt zu Gott schauen, er sieht immer nur den Widerschein Gottes auf dem Gesicht von Beatrice.“

Mit diesem ersten Teil der Einführung sollte der Leser/die Leserin schon genügend gerüstet sein, um die ungewöhnliche Jenseitsreise mit Dante anzutreten. (Der zweite Teil der Einführung – zur geschichtlichen Situation, zur Biographie Dantes, zu seinen anderen Werken –, den es als Vorbereitung nicht zwingend braucht, befindet sich am Schluss des dritten Bandes).

Möge die Reise begleitet sein von Ausdauer, Neugier, vielleicht Staunen, und nicht zuletzt von Freude!

Hölle

fand ich mich in einem dunklen Wald: Dem Pilger und Ich-Erzähler Dante (der nur gelegentlich mit dem Dichter Dante identisch ist – es ist kein autobiographischer Bericht) wird bewusst, dass er sich in einer Situation befindet, die ihn zur Umkehr oder einen Ausweg zu suchen zwingt. (Vom Dichter Dante ist eine solche Lebenskrise zum mindesten nicht bekannt.) – Die ganze Passage, und das ganze Werk überhaupt, ist voll von charakteristischen Begriffen (neben Wendungen aus der Bibel), für die sich allegorische oder auch psychologische Deutungen anbieten. Hier nur einige wenige Hinweise: der „dunkle Wald“: ein oft verwendetes Bild für Verlorenheit, Verirrung (in „Sündhaftigkeit“), Orientierungslosigkeit, Ausweglosigkeit, Irrweg; psychologisch gesehen ein Bild für die Lebenskrise in der Lebensmitte, die Konfrontation mit dem Dunklen, Irrationalen des Unbewussten; das „Dunkel“: wo das göttliche Licht fehlt oder die geistige Erleuchtung, die Fähigkeit zur Einsicht usw.; der „rechte Weg“: der Rechtschaffenheit, der Gerechtigkeit, der Weg zu Gott, zu Christus („ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“) usw.; der „Schlaf“ (Z. 11): nicht wach zu sein für „das Gute“, oder es fehlt die Wahrnehmung des Gangbaren und Richtigen u. a. m. Zugleich aber ist die Reise Dantes nicht nur symbolisch zu deuten, sondern er schildert sie als reales Geschehen, zeitlich datierbar und mit historisch belegten Gestalten (neben mythologischen).

um (nachher dann) vom Guten zu berichten

von den andern (weniger guten) Dingen

des Gestirns: der Sonne (= des göttlichen Lichtes) auf dem Hügel (Z. 13), dem „Berg des Herrn“ (Ps 24,3), eine erste Hindeutung auf den Läuterungsberg im 2. Teil

im See des Herzens: Nicht bloss ein poetisches Bild, sondern man verstand darunter anatomisch eine Höhlung des Herzens, wo sich, besonders bei Affekten, das Blut ansammelte; dieser „See“ galt zugleich als der Ort, wo die Furcht beheimatet war.

die Nacht hindurch, … mit so viel Qual: Es ist, wie aus späteren zeitlichen Andeutungen in der Göttlichen Komödie erschlossen werden kann, die Nacht von Gründonnerstag.

Hölle, 1. Gesang

Dante im dunklen Wald verirrt – auf dem Berg oben Sonne – den Aufstieg verwehren drei Tiere – Vergil tritt als Helfer auf – er prophezeit einen Retter Italiens – er wird Dante auf „einem andern Wege“ führen

In der Mitte unsres Lebensweges

fand ich mich in einem dunklen Wald,

wo mir der rechte Weg verlorenging.

Ach, zu sagen, wie er war, wie ist das hart –

dieser wilde Wald, so rauh und dicht,

der im Gedanken schon die Angst erneuert!

So bitter ist er, dass der Tod nur wenig bitterer ist;

doch um vom Guten zu berichten, das ich da fand,

rede ich erst von den andern Dingen, die ich dort erblickte.

Ich kann nicht recht sagen, wie ich da hineinkam,

so voller Schlaf war ich in jenem Augenblick,

als ich den wahren Weg verliess.

Doch als ich zum Fuss eines Hügels gelangte,

dort, wo jenes Tal zu Ende war,

das mir mit Angst das Herz durchdrungen hatte,

blickte ich hinauf und sah seine Schultern

schon bekleidet von den Strahlen des Gestirns,

das die Menschen richtig führt auf jedem Weg.

Da kam die Angst etwas zur Ruhe,

die mir im See des Herzens angedauert hatte

die Nacht hindurch, die ich mit so viel Qual verbrachte.

Und wie der, der mit keuchendem Atem,

aus dem Meer entronnen ans Ufer,

sich umdreht zum gefahrvollen Wasser und schaut,

so wandte meine Seele, die noch immer floh,

Vermutlich setzt Dante als Autor die Angst des Pilgers Dante symbolisch parallel zur Todesangst Christi im Garten von Gethsemane in jener Nacht.

Und wie der …: Der erste der vielen charakteristischen Vergleiche Dantes, die stets eine innere Regung oder ein Befinden veranschaulichen.

fast am Beginn des Aufstiegs: d. h. nachdem Dante den Aufstieg bereits begonnen hatte

ein Panther: oder Leopard oder Luchs, eine nicht genau bestimmbare Raubkatze

zu Beginn des Morgens: Es ist Karfreitag (vgl. Anm. 21).

mit jenen Sternen: im Tierkreiszeichen des Widders, weil man im Mittelalter glaubte, Gott („die göttliche Liebe“, Z. 39) habe die Welt im Frühling erschaffen. Die „schönen Dinge“, die er „erstmals in Bewegung setzte“, sind die kreisenden Planeten.

die milde Jahreszeit: der Frühling

die Tagesstunde: der Morgen (Z. 37)

mit erhobenem Kopf: Zeichen der Hochmut, für die hier der Löwe ein Abbild ist

eine Wölfin: Die drei Raubtiere (die auch in Jer 5,6 genannt werden) repräsentieren vermutlich die drei Hauptsünden Habsucht, Hochmut, Wollust (vgl. 1 Joh 2,16: „Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde des Fleisches [= die Wollust]. die Begierde der Augen [= Habgier] und das Prahlen mit dem Besitz [= Hochmut] ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.“). Die Wölfin verkörpert die Habsucht, die für Dante die schwerste der drei genannten Sünden darstellt, das schlimmste Übel seiner Zeit (vgl. 1 Tim 6,10: „Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen … haben sich viele Qualen bereitet.“), unheilvoll nicht nur für den Einzelnen, sondern auch gesellschaftlich, in Staat und Kirche. – Der „sehr behende“ Panther (Z. 32) steht für die Wollust, nach einer Stelle in Vergils „Aeneis“, wo Venus, die Göttin der sinnlichen Liebe, ein geflecktes Luchs- (oder Leoparden- oder Panther-)Fell trägt. Doch sind solche Gleichsetzungen, bei der Vieldeutigkeit der Göttlichen Komödie, immer relativ.

der gern sein Gut vermehrt, und … es ihn verlieren lässt: Möglicherweise hatte Dante die florentinische Kaufmannschaft vor Augen.

dem friedlosen Tier (= der Wölfin): das keine Ruhe gibt und unersättlich ist

wo die Sonne schweigt: d. h. nicht scheint

sich zurück, um das Tal noch einmal zu betrachten,

das noch niemand je am Leben liess.

Nachdem ich den müden Leib ein wenig ausgeruht hatte,

nahm ich den Weg am öden Hang wieder auf,

so, dass stets der feste Fuss der untere war.

Und siehe, fast am Beginn des Aufstiegs, da stand

ein Panther, leicht und sehr behende,

der war mit einem gefleckten Fell bedeckt,

und er entfernte sich nicht vor meinem Gesicht,

ja, er hinderte meinen Weg so sehr,

dass ich mich mehrmals zur Umkehr wandte.

Es war die Zeit zu Beginn des Morgens,

und die Sonne stieg empor mit jenen Sternen,

die bei ihr waren, als die göttliche Liebe

erstmals diese schönen Dinge in Bewegung setzte,

so dass die Tagesstunde und die milde Jahreszeit

mir ein Grund war, dass ich Gutes erhoffte

von dem Raubtier mit dem gefleckten Fell;

aber doch nicht so, dass mir der Anblick

eines Löwen, der mir erschien, nicht Angst gemacht hätte.

Dieser schien auf mich loszukommen

mit erhobenem Kopf und mit wütendem Hunger,

so dass die Luft vor ihm zu beben schien.

Und eine Wölfin, die mit allen Begierden

bebürdet schien in ihrer Magerkeit

– und viele Leute liess sie schon im Elend leben –,

diese bescherte mir so viel Schwere

durch die Angst, die von ihrem Anblick ausging,

dass ich die Hoffnung auf jene Höhe verlor.

Und wie es einem geht, der gern sein Gut vermehrt,

und es kommt die Zeit, die es ihn verlieren lässt,

so dass er in all seinen Gedanken jammert und sich grämt –

so ging es mir mit dem friedlosen Tier,

das mir entgegenkam und nach und nach

mich zurücktrieb, dorthin, wo die Sonne schweigt.

zur Tiefe stürzte: Hals über Kopf zurück in das Tal hinunterlief

Fast verstummt schien: Wie sich später herausstellt, ist seine Stimme (in allegorischer Bedeutung) die der Vernunft, die der Pilger Dante in der Zeit seiner Verirrung nicht mehr hörte.

„Miserere di me“: „Erbarme dich meiner!“

ob Schatten oder wahrer Mensch: sei es nun lediglich die Seele eines Verstorbenen oder ein lebendiger Mensch

unter Julius (Cäsar)

spät: Vergil war erst 26 Jahre alt, als Cäsar ermordet wurde.

unter dem guten (Kaiser) Augustus

der falschen (= heidnischen) und lügenhaften Götter (die als Dämonen galten)

Sohn des Anchises: Äneas, der von Troja nach Italien kam

was kehrst du zurück: in dieses Tal der Verirrung und der Angst (in vorwurfsvollem Ton gesagt)

den wonnevollen Berg: „wonnevoll“, weil der Aufstieg (allegorisch) zum Paradies hinaufführt