Die große Revolution (Science-Fiction Klassiker) - Paul Scheerbart - E-Book

Die große Revolution (Science-Fiction Klassiker) E-Book

Paul Scheerbart

0,0

  • Herausgeber: e-artnow
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Dieses eBook: "Die große Revolution (Science-Fiction Klassiker)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. "Auf dem Monde wars Nacht. Und die dicke Luft war ganz still. Und die Goldkäfer saßen auf den dunklen Moosfeldern und leuchteten - so wie die Sterne am schwarzen Himmel leuchteten. Von der Erde war nur ein Viertel als Halbkreis zu sehen. Und fünf Mondmänner schwebten über den Moosfeldern und leuchteten auch - aber so wie Kugeln von Phosphor. Und der Mondmann, der voranflog, wurde plötzlich so rot wie eine feurige Kohle, und da flogen die vier anderen Mondmänner an seine Seite und wurden ganz allmählich ebenfalls so rot. Durch dieses Rotwerden sagten sich die Mondleute, daß sie bereit wären, miteinander zu sprechen. Und der Mondmann, der zuerst rot wurde, sprach jetzt langsam und nachdenklich: "Der Stern, mit dem wir leben, unser guter Mond, will ein großes Auge haben - und wenns möglich wäre - schließlich ein großes Auge sein - bloß noch ein einziges Auge sein - ganz Auge sein." Die Mondleute hatten, wenn sie in der Luft schwebten, unten Kugelgestalt, und aus der ragte oben ein kleiner Brustrumpf mit einem Rübenkopf und zwei Armen heraus..." Paul Scheerbart (1863-1915), auch unter seinen Pseudonymen Kuno Küfer und Bruno Küfer bekannt, war ein deutscher Schriftsteller phantastischer Literatur und Zeichner.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 152

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Paul Scheerbart

Die große Revolution (Science-Fiction Klassiker)

e-artnow, 2016 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-5092-2

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text

Auf dem Monde wars Nacht.

Und die dicke Luft war ganz still.

Und die Goldkäfer saßen auf den dunklen Moosfeldern und leuchteten - so wie die Sterne am schwarzen Himmel leuchteten.

Von der Erde war nur ein Viertel als Halbkreis zu sehen.

Und fünf Mondmänner schwebten über den Moosfeldern und leuchteten auch - aber so wie Kugeln von Phosphor.

Und der Mondmann, der voranflog, wurde plötzlich so rot wie eine feurige Kohle, und da flogen die vier anderen Mondmänner an seine Seite und wurden ganz allmählich ebenfalls so rot.

Durch dieses Rotwerden sagten sich die Mondleute, daß sie bereit wären, miteinander zu sprechen.

Und der Mondmann, der zuerst rot wurde, sprach jetzt langsam und nachdenklich:

»Der Stern, mit dem wir leben, unser guter Mond, will ein großes Auge haben - und wenns möglich wäre - schließlich ein großes Auge sein - bloß noch ein einziges Auge sein - ganz Auge sein.«

Die Mondleute hatten, wenn sie in der Luft schwebten, unten Kugelgestalt, und aus der ragte oben ein kleiner Brustrumpf mit einem Rübenkopf und zwei Armen heraus.

Und mit den siebenfingrigen Händen, die unten an den Armen hingen, klatschte jetzt jeder der fünf Mondmänner auf seinen Ballonbauch, daß es dumpf dröhnte - wie von Pauken.

Mit diesen Tönen tat die Mondbevölkerung ihr Wohlbehagen und ihre Heiterkeit kund.

Rasibéff, der Mondmann, der seiner feurigen Gesinnung wegen seit Jahrhunderten bekannt war, rief nun hell in die Nachtluft:

»Was der große Mafikâsu soeben gesagt hat- das gibt unserm Streben das Rückgrat. Wir wollen, was unser Stern will. Und wenn unser Wille der Wille unsres Sterns ist, so muß dieser Wille alle Mondvölker mitreißen - und wir müssen in unserm Monde ein Fernrohr bauen, wies der Mond nicht größer haben kann - ein Fernrohr von der Größe des Monddurchmessers.«

Wenn die Mondleute ihren Rumpf vorbeugten und über ihren Ballonbauch rüber nach unten blickten, so kam ihnen das Bild der dunklen Mondoberfläche fast ebenso wie das Bild des Himmels mit den Sternen vor, da die Goldkäfer unten auch so still leuchteten wie oben die großen Weltgestalten im unendlichen Raum.

Die fünf Mondmänner beugten sich jetzt sämtlich vorne über und flogen danach viel schneller als bisher mit dem Rübenkopfe voran dem nächsten Krater zu.

Die Rübenköpfe hatten oben einen Kranz von Fühlhörnern, die sich beim Fliegen nach allen Richtungen vorreckten und dadurch kronenartig wirkten; die Fühlhörner witterten wie feine Geruchsorgane alle Dinge, an denen man sich stoßen kann.

Da sprach Zikáll, der Mann der Wissenschaft:

»Jedenfalls bezweifle ich, daß der Mond seinen Willen mit unsrer Beihilfe durchsetzen möchte. Wenn der Mond wirklich auf der anderen Seite ein Organ haben will, das unsrem Auge entspricht, so braucht er dazu nicht die Beihilfe der kleinen Mondleute. Wissenschaftlich nicht zu begründende Aussprüche wie die vom Mondauge sollten bei der Agitation nicht gebraucht werden. Wenn wir sagen, daß wir ein großes Fernrohr haben wollen, dessen Länge die des Monddurchmessers erreichen soll, so haben wir damit nach meiner Meinung genug gesagt. Die großen Worte haben immer einen kleinen Spaßgehalt in sich. Die großen Worte sind der Tatenlust zuwider.«

Die Sterne des Himmels funkelten jetzt, und die beiden hellblauen Augen des großen Mafikâsu, der zuerst gesprochen hatte, funkelten ebenfalls, und er sagte nun, während er langsamer flog:

»Jedenfalls freue ich mich, daß der große Zikáll die Herstellung des großen Fernrohrs, das so lang wie der Monddurchmesser werden soll, nicht für eine Unmöglichkeit erklärt. Und da Zikáll nicht will, daß ich das Wort Mondauge gebrauche, so will ich das Wort vermeiden, obschon ich doch bemerken muß, daß die Sterne öfters grade die kleinsten Lebewesen zur Durchführung ihrer großen astralen Absichten benutzen.« Hierauf sagte der Zikáll sehr rasch:

»Es fragt sich übrigens, ob unser Stern, der Mond selber, durch das große Fernrohr sieht - wenn wir, die Mondmänner, da durchsehen.«

»Das«, versetzte Mafikâsu, »fragt sich wohl. Aber wir wollen nicht vergessen, daß wir das große Fernrohr nur dann durchdringen werden, wenns unserm Monde nicht unbequem ist. Wir wollen nicht den Respekt vor dem Ganzen vergessen.«

Nach diesen Worten hatten die fünf den Krater, dem sie zuflogen, erreicht und ließen sich nun oben am Rande des Kraters auf fünf freien Natursäulen nieder; die Mondmänner setzten sich auf die Säulen, indem sie ihren Ballonbauch zusammenzogen und daraus eine Art Raupenfuß machten; die dicke gummiartige Hautmasse des Bauches umschloß muskulös den ganzen Kopf der Säule, so daß das Sitzen recht bequem war und auch so aussah.

Die Mondmänner glühten immer noch wie rote Kohlen, nur die Rübenköpfe und die Hände phosphorescierten silberartig, und die zehn Augen flimmerten in hellblauen Farbtönen.

Nun ergriff der weitsichtige Loso das Wort:

»Ja!« rief er, »wir verstehen den großen Mafikâsu vollkommen. Alles geht gegen die Erdbeobachtung. Die Mondleute, die das große Fernrohr haben wollen, haben eine große Abneigung gegen den Stern, der uns am nächsten steht - gegen die große Erde. Wir sollen gezwungen werden, die Erdbeobachtung aufzugeben. Wir sollen uns fürderhin nur noch mit den weiterab befindlichen Sternen - mit dem entfernteren Weltenraume - beschäftigen. Das ist es, worauf alles hinausläuft.«

In der Ebene, die sich unten vor dem Krater weit ausdehnte - da glitzerten jetzt die Goldkäfer - und oben am Himmel glitzerten die goldenen Sterne; die Luft machte die Lichteffekte oft anders.

Der heftige Rasibéff, der immer röter wurde als alle anderen, sagte leise:

»Loso dürfte nicht so ganz unrecht haben.«

Der weitsichtige Loso sprach noch einmal - sehr eindringlich - also:

»Auf der Mondseite, die stets der Erde zugekehrt ist, haben wir heute im ganzen ungefähr zehntausend Fernrohre. Unsre Krater haben sich doch recht brauchbar gezeigt; wenn auch die Beweglichkeit des einzelnen Rohres nicht allzu groß ist, so ergänzen sich doch die verschiedenen Krater untereinander so gut, daß wir zufrieden sein können. Jedes Fernrohr sitzt in seinem Krater so naturgemäß drinnen, daß es uns beinahe schon unnatürlich erscheint, wenn wir einen Krater erblicken, in dem sich kein Fernrohr befindet - obschon wir wissen, daß auf zehn Krater nur einer mit Fernrohr kommt, während neun noch ohne Fernrohr sind. Wenn wir nun die Absicht hätten, unsre sämtlichen Krater mit Fernrohren zu versehen, so würde ich diese Absicht nur loben, denn die Arbeit, die uns dadurch aufgebürdet wäre, müßten wir für klein ansehen gegen die Arbeit, die uns das große Fernrohr, das Monddurchmesserlänge haben soll, verursacht. Unsre Fabrikleiter sprechen da doch von einer Arbeit, die Jahrhunderte in Anspruch nehmen könnte. Demnach sage ich klar und deutlich: Lieber neunzigtausend großartige Kraterfernrohre als das eine einzige Riesenteleskop mit einer Monddurchmesserlänge! Das ist meine Meinung! Und von der werde ich vorläufig nicht abgehen!«

Uber die Ebene schwebten jetzt große Scharen silbern phosphorescierender Mondleute vorüber, die verglichen mit den Goldkäfern in der Tiefe Silberkäfern nicht unähnlich sahen. Wie silberne Sterne zogen die Mondleute in der Ferne vorüber; runde Ballonbäuche hatten alle Mondleute ohne Ausnahme - und auch alle Mondkäfer.

Zikáll, der Mann der Wissenschaft, sagte leise:

»Was mehr Arbeit machen würde - das eine große oder neunzigtausend kleine Teleskope - das dürfte wohl schwer zu entscheiden sein. Es käme doch nebenbei noch darauf an, welche Größe die kleinen Teleskope erreichen sollen. Wir haben in den letzten Jahrhunderten jedes neue Fernrohr immer ein wenig größer gebaut als das vordem fertiggestellte; wenn wir also die Größe bei den neuen neunzigtausend so weiter steigern, so könnte das letzte vielleicht viel größer werden als das eine große, das die Länge des Monddurchmessers doch nicht überragen darf.« Jetzt lachte Rasibéff.

Und die anderen lachten ebenfalls.

Aber der fünfte Mondmann, der bislang geschwiegen hatte und Knéppara hieß, sprach nun folgendermaßen:

»Das kommt davon, wenn man über eine Sache mit Leidenschaft redet. Man schweift ab und gibt schließlich nur Gelegenheit zum Lachen. Das Wichtigste wird dabei regelmäßig vergessen. Ihr denkt gar nicht mehr daran, welchen Umfang die Beobachtung der Erde erreicht hat. Das ist doch die Hauptsache! Ich leite die Beobachtung an neunhundert Teleskopen, und der liebe Loso leitet die Beobachtung an vierhundertunddreißig Teleskopen. Und diese dreizehnhundertunddreißig Teleskope sind nur auf die Erde gerichtet - seit Jahrhunderten! Und viele hundert andrer Teleskope sind ebenfalls nur auf die Erde gerichtet, so daß man wohl sagen kann: Die Hälfte der Mondbevölkerung beschäftigt sich ausschließlich nur mit der Erde.«

»Die Rechnung stimmt nicht«, rief da heftig der Rasibéff, »mehr als zwei Drittel der Mondbevölkerung beschäftigt sich mit der Erde.«

»Nun - wenns so ist«, fuhr der mächtige Knéppara fort, »dann spricht ja das noch besser für uns. Dann begreife ich aber nicht, wie Ihr die Erdfreunde dazu bestimmen wollt, ihre Tätigkeit, die ihnen Jahrhunderte lang so viel Freude bereitete, plötzlich an den Nagel zu hängen. Die Mehrzahl ist doch gegen Euch. Es war doch wahrlich keine Kleinigkeit, das Leben der Erdbewohner genauer kennenzulernen. Wir sind doch schon in der Lage, das zu lesen, was sie drucken lassen. Das hat Mühe gekostet - denn wir haben ihre Sprache mit dem Ohre niemals vernommen. Wir sehen, welche Anstrengungen die Erdleute machen, nach allen Seiten weiterzukommen. Wir sehen, wie sie den ganzen Erdball mit eisernen Schienen umspannen und alles außerdem noch mit Drahtnetzen umspinnen. Die Beobachtung dieser energischen Völkerscharen sollen wir plötzlich aufgeben, um nach den entferntesten Sternen zu greifen? Ich muß feierlich erklären, daß ich die himmelstürmenden Ziele für himmelschreienden Leichtsinn halte - und werde, solange ich noch Einfluß besitze, die Weltfreunde bekämpfen und mit allen Mitteln die Arbeiten der Erdfreunde zu schützen wissen.«

Loso hatte während dieser Rede seine rote Farbe verloren, Knéppara verlor sie jetzt auch - und dadurch deuteten die beiden an, daß sie das Gespräch abzubrechen wünschten.

Mafikâsu sagte nur noch ernst, während er noch röter wurde:

»Ich weiß, daß Knéppara und Loso unsre mächtigsten Gegner sind. Und die Weltfreunde wissen, daß sie keinen kleinen Kampf zu kämpfen haben - und daß sie den nicht mehr vermeiden können.«

Zikáll, der Mann der Wissenschaft, hatte nur noch rote Punkte auf seinem Phosphorleibe.

Und als die beiden Erdfreunde, Knéppara und Loso, fragten, ob Zikáll mitkäme - zum Zackenkrater- da zergingen die roten Punkte auf Zikálls Haut.

Und Zikáll begleitete die beiden Erdfreunde.

Die drei Herren wünschten den Zurückbleibenden freundlich: »Guten Abend!«

Und gleich nach der Erwiderung dieses Grußes war der große Mafikâsu mit seinem Apostel Rasibéff allein.

»Glaubst Du«, fragte hastig der Apostel, »daß der Zikáll den Erdfreunden treu bleiben wird?«

»Das glaube ich keineswegs!« versetzte der große Mafikâsu gelassen.

Jetzt schwebten in nächster Nähe viele andere Mondleute vorüber.

Und nach einigen Augenblicken gesellten sich drei von diesen zu den beiden glühenden Weltfreunden.

Diese drei sagten ebenfalls freundlich: »Guten Abend!«

Und dabei setzten sie sich auf die Säulen, auf denen noch vor kurzem die drei anderen saßen.

»Pflastermann!« rief Mafikâsu lächelnd, »wo willst Du hin?«

Der Pflastermann erwiderte ebenfalls lächelnd:

»Die Herren Nadûke und Klámbatsch, die hier neben mir sitzen, wollen ihrem Leben ein Ende machen, da sie müde geworden sind. Wir wollen morgen in den Todesgrotten sein.«

Ich spreche«, sagte Mafikâsu rasch, »den beiden Herren meinen herzlichsten Glückwunsch aus. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich die Herren begleiten dürfte.«

»Bist Du«, fragte der Pflastermann, »auch schon müde geworden?«

»Das nicht«, versetzte Mafikâsu, »aber ich hoffe, in den Todesgrotten neue Freunde zu finden.«

»Aha!« rief Nadûke, »er hat seine Idee vom großen Fernrohr noch nicht aufgegeben.«

»Ich gab niemals«, erwiderteMafi, »das, was ich anfing, auf. Wir haben übrigens ein neues Agitationsmittel gefunden.«

»Laß hören!« sagte Klámbatsch darauf.

Die Müden wurden aber nicht rot - auch der Pflastermann wurde nicht rot.

Aber das wirkte nach dem Gesagten nicht abstoßend.

Mafikâsu glühte jetzt noch heftiger als bisher- so wie glühendes Eisen.

Und er sprach leise und eindringlich:

»Ihr wißt, es gibt drüben auf der anderen Seite des Mondes, die von der Erde und von uns niemals gesehen wurde, keine Luft. Wir können da nicht fliegen. Wir können schon hier nicht sehr hoch steigen - dort aber könnten wir nicht einmal auf den Händen kriechen. Nun ist es aber ein par Freunden der Weltsache gelungen, am Rande ein paar kurze Strecken mit Luftschläuchen auf Schienen in dem unbekannten Lande vorzudringen. Und da haben die Mutigen gefunden, daß dort der Boden überall aus durchsichtigen Glassteinen besteht. Und von diesen Glassteinen haben sie etliche mitgebracht. Und Rasibéff trägt nun immer welche bei sich. Daß die ganze andre Mondseite sich nur aus solchen durchsichtigen Glassteinen zusammensetzt - daran glaube ich. Nun besteht unsre Mondhälte fast nur aus großen und kleinen Grotten - darum dürften in der anderen Mondhälfte auch Grotten sein. Die müssen aber infolge der durchsichtigen Glasoberfläche Licht von außen bekommen. Da müssen eben wundervolle bunte Lichtgrotten sein - mit vollem Sonnenlicht. Ist das nicht großartig? Schon allein dieser Lichtgrotten wegen müssen wir den alten Mond im Mittelpunkte durchbohren. Vom Mittelpunkte aus müssen wir ja ganz bequem in die sonnigen Lichtgrotten hineinkommen; diese könnten auch in der Nacht sehr seltsam wirken. Wenn das große Teleskop nicht mehr ziehen will, so ziehen vielleicht die Glassteine.«

»Und hier sind die Glassteine!« rief der ebenfalls glühende Rasibéff.

Während dieser aus seinem Rucksacke kleine bunte leuchtende und funkelnde und glitzernde Steine hervorholte, liefen die beiden Müden und der Pflastermann rosarot an.

Die Steine gingen von Hand zu Hand, und verschiedene funkelten im Sternenlicht- wie Brillanten.

Und Rasibéff sagte erklärend:

»Es sind auch wirkliche Brillanten unter den Steinen - daher das Funkeln - das bleibt auch im Dunkeln.«

Nachdem die drei die Steine vielfach untersucht und bewundert hatten, verabschiedete sich der Rasibéff und flog rasch davon; er hatte noch viel vor.

Indessen stiegen die vier andern, während sie lebhaft über die Existenz und über die Bewohnbarkeit der Lichtgrotten ihre Meinungen äußerten, langsam mit ihrem Ballonleibe, der sich durch einen Atemzug wieder füllte, empor - und schwebten über den Kraterrand.

Im Krater wars dunkel.

Und oben zogen die vier ihren Ballonleib wieder zusammen - und stürzten sich kopfüber in die Tiefe.

Die Mondleute brauchten keine leuchtenden Wegweiser, denn sie waren ja selber fliegende Lampions, die alles hell machten.

Und mit ihren Fühlhörnern, die jetzt steif wie ein Hörnerschmuck aus ihrem Rübenkopfe herausragten, konnten sie noch besser als mit den Augen alles Hindernde von ferne bemerken.

Und sie sausten - hinab.

Und unten im Krater gings durch und dann rechts und dann links.

Und ein großes Grottenreich tat sich vor den vieren auf. Und da flogen sie hinein.

Den Felsenwänden entströmte ein veilchenblaues Licht, das auch die Mondleute veilchenblau machte.

Die Ballonbäuche wurden hier, wenn die Mondleute langsamer schweben wollten, lange nicht so weit aufgeblasen als auf der Oberfläche des Mondes, da die Luft in den Grotten dicker und schwerer ist.

In stillen blauen Nischen saßen andre Mondmänner auf seltsam geformten Alabastersäulen - und ruhten sich aus und dachten an die Erde und an die große unendliche Welt.

Und alles war sehr ruhig und - veilchenblau.

Und die vier schwebten hinaus und weiter durch eine langgestreckte schwarze Grotte, deren Wände stellenweise als ganz glatte Flächen spiegelten. Die vier konnten sich in den schwarzen Spiegeln deutlich sehen, da die Körper der Mondleute in dunkleren Räumen noch heftiger leuchten; wie ferne Gespenster zogen die Spiegelbilder rechts und links dahin.

Und aus den schwarzen Grotten gings in die hellen Bernsteingrotten, die mit dem Nebelkrater in Verbindung stehen.

Hier gings lebhafter zu.

Viele Mondleute sausten scharenweise aus dem großen Nebelkrater heraus - in die sehr tief gelegenen Bernsteingrotten hinunter - mit Glasplatten und Messinginstrumenten, Papierrollen und Beleuchtungsgeräten, mit Röhren und Schrauben, mit Chemikalien in flüssigem und festem Zustande, mit Kapseln und Schläuchen, Büchern und Handwerkszeug; verschiedene von diesen Sachen wurden immer zusammen von mehreren Leuten auf flachen Schalen aus Gummihäuten getragen.

Andre Mondleute schwebten wieder scharenweise mit Aluminium-Fässern, Eisendrähten und Kupferstangen nach oben dem breiten Kraterloche zu, in das die Schlußapparate des kolossalen Fernrohrs wie mit langen Fühlhörnern sich hinunterreckten.

»Mafikâsu! Mafikâsu!« ertönte es da von allen Seiten. Und der so Begrüßte wurde nun von vielen angesprochen, so daß er und seine drei Begleiter langsamer schweben mußten.

Und im Fluge hörte der Führer der Weltfreunde ein paar Dutzend Neuigkeiten.

»Du hast recht«, rief ein sehr korpulenter Mondmann dem Mafikâsu zu, »Deine Gedanken sind stets ganz außerordentlich praktisch. Wir sind Deinem Rate gefolgt und haben die Aufnahmebedingungen an unserm Rohr erleichtert und infolgedessen zweihundert Mann auf unsre Seite gezogen. Zweihundert Weltfreunde gibts jetzt wieder mehr.«

Der Korpulente sauste so schnell wie ein Stück Gold mit schlappem Bauch in die Tiefe.

»Wird hier«, fragte Nadûke, »die Erde gar nicht mehr beobachtet?«

»Längst nicht mehr!« erwiderte der Pflastermann, »man merkt, daß Nadûke müde geworden ist; den Nebelkrater hätte so leicht keiner vergessen.«

Und Klambatsch sagte lächelnd:

»So hat mein Gedächtnis noch nicht gelitten. Und ich sehne mich doch auch nach dem Tode. Nadûke weiß nicht mehr, daß im Nebelkrater nur noch Nebelflecke beobachtet werden. So was!«

Wie in einem Bienenkorbe wogte es in der Tiefe des Kraters auf und ab - und die Stimmen der geschäftigen Mondleute summten und brummten durcheinander; jeder hatte da seine bestimmten Obliegenheiten am Rohre - wie in den Salpeterkörben die blauen Käfer, die auf dem Monde Bienen heißen und den Moossamen zerreißen.

Ein Teil der Mondleute war an den photographischen Apparaten tätig- ein andrer sorgte dafür, daß sich die Bewegung des Rohres stets in der gewünschten Weise vollzogeinzelne saßen abseits und rechneten - sehr viele hatten nur die verschiedenen Putzapparate zu beobachten und zu regulieren - und die komplizierte Beleuchtung nahm ebenfalls viele Hände und Köpfe in Anspruch.

»Jetzt«, sagte Nadûke, der sich aufmerksam das ganze Treiben am Rohre angesehen hatte, »erinnere ich mich, und ich möchte nur wissen, ob hier auch noch das Farben- und Wärme-Spektrum untersucht wird.«

»Das ist aufgegeben!« erwiderte der Pflastermann.

Und die vier flogen schneller.

Der Pflastermann fuhr leise fort:

»Der Nadûke darf nicht vergessen, daß er sterben will. Die lebhafte Beteiligung an den Ereignissen unsrer Zeit ist den Müden nicht mehr erlaubt. Wer dem angenehmen Tode ins Auge blickt, soll nicht mehr so lebhaft sein.«

»Na«, versetzte der Mafi, »so lebhaft ist der Nadûke doch nicht.«

Schweigend schwebten die vier in die große Lesegrotte der Bibliothek. Da waren alle Wände weiß wie Schnee und leuchteten wie sonnenheller Tag. Hundert Ecken hatte die Grotte. Und die Mondleute saßen auf weißen Säulen, die überall in ziemlich gleicher Höhe vor den Wänden aus der Tiefe emporragten. In Nischen, die sich dicht hinter den Säulen in die Wände hineinwölbten, lagen dicke Bücher und Mappenwerke, vor denen die Mondleute - blätternd, lesend und schreibend - sich eifrig beschäftigten mit dem, was auf fernen Nebelflecken sich ereignete.

Aufgestapelt waren die gesammelten Bücher und Mappenwerke in langen schmalen Seitengrotten, zu denen die Eingänge tiefer lagen; wie Radspeichen den Mittelpunkt des Rades umgeben, so reihten sich die Seitengrotten um die große Lesegrotte.