Hyänen in Durango - G.F. Waco - E-Book

Hyänen in Durango E-Book

G. F. Waco

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Das Geräusch ist nur schwach, aber der Hagere hat gute Ohren. Als er den Kopf wendet und zum geschlossenen Fenster blickt, sagt der Mann an der anderen Seite des Tisches: »Rede weiter. Rede, tu so, als sei ich noch hier.« Der Hagere flüstert nur, der andere Mister mit den wenigen Haaren, der etwas breiten Nase und den tief liegenden braunen Augen nickt. Dann redet er, als sei nichts passiert, greift zur Flasche. Ohne auch nur mit dem Stuhl zu schurren, kommt der Hagere hoch. Er ist ein großer Bursche, hat ein Raubvogelgesicht und eiskalte Augen. Lautlos stellt er den Stuhl zurück, genauso geräuschlos erreicht er die Tür zum Nebenzimmer. Nun blickt er sich um, starrt eine Sekunde lang auf die Lampe. Aber es ist wenig Licht in diesem Raum. Am Tisch greift der Mann mit den wenigen Haaren nach der Flasche. »Nun nimm noch einen«, sagt der Mann mit der Glatze freundlich. »Die Nacht ist noch lang, mein Freund.« Danach brummelt er vor sich hin und schlägt leicht mit dem Glas an den Flaschenhals. Es hört sich an, als gäbe ihm der Hagere Antwort. Aber er steht schon an der Tür, hat sie lautlos aufgezogen, schleicht nun um die Stühle, steht in dem dunklen Raum im Erker und zieht den Vorhang behutsam ein kleines Stück weg. Der Hagere steht still, nur die Hand bewegt sich, bis der Spalt groß genug ist und er in den Hof sehen kann. Sein Blick huscht die Mauer entlang, wandert über den Flachwagen hinweg, der dicht an der Wand steht. Dann erfasst er die Gestalt unter dem Fenster.

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Die großen Western – 351 –

Hyänen in Durango

Unveröffentlichter Roman

G.F. Waco

Das Geräusch ist nur schwach, aber der Hagere hat gute Ohren. Als er den Kopf wendet und zum geschlossenen Fenster blickt, sagt der Mann an der anderen Seite des Tisches: »Rede weiter. Rede, tu so, als sei ich noch hier.«

Der Hagere flüstert nur, der andere Mister mit den wenigen Haaren, der etwas breiten Nase und den tief liegenden braunen Augen nickt. Dann redet er, als sei nichts passiert, greift zur Flasche.

Ohne auch nur mit dem Stuhl zu schurren, kommt der Hagere hoch. Er ist ein großer Bursche, hat ein Raubvogelgesicht und eiskalte Augen. Lautlos stellt er den Stuhl zurück, genauso geräuschlos erreicht er die Tür zum Nebenzimmer. Nun blickt er sich um, starrt eine Sekunde lang auf die Lampe.

Aber es ist wenig Licht in diesem Raum. Am Tisch greift der Mann mit den wenigen Haaren nach der Flasche.

»Nun nimm noch einen«, sagt der Mann mit der Glatze freundlich. »Die Nacht ist noch lang, mein Freund.«

Danach brummelt er vor sich hin und schlägt leicht mit dem Glas an den Flaschenhals. Es hört sich an, als gäbe ihm der Hagere Antwort. Aber er steht schon an der Tür, hat sie lautlos aufgezogen, schleicht nun um die Stühle, steht in dem dunklen Raum im Erker und zieht den Vorhang behutsam ein kleines Stück weg.

Der Hagere steht still, nur die Hand bewegt sich, bis der Spalt groß genug ist und er in den Hof sehen kann. Sein Blick huscht die Mauer entlang, wandert über den Flachwagen hinweg, der dicht an der Wand steht. Dann erfasst er die Gestalt unter dem Fenster.

Eine volle Minute gewöhnt der Hagere seine Augen an die Dunkelheit. Währenddessen redet der Mann mit der Halbglatze nebenan weiter.

»Lies das erst, mein Freund, lass dir nur Zeit. Die drei Seiten enthalten Dinge, die dich ein wenig klüger machen werden.«

Klüger, denkt der Hagere. Das ist es, er ist klüger als jeder andere. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, diesen Trick mit dem Lesen zu benutzen. Jemand, der liest, braucht nicht zu reden, was? Teufel, ist er gerissen, damit überbrückt er die Zeit.

*

Der Mann drüben hat die Tischlade aufgezogen und den Colt nun in der Faust. Er blickt auf den schweren Vorhang, der den Blick nach draußen, aber auch in das Zimmer verschließt.

»Interessant?«

Danach brummelt er Zustimmung. Der Lauscher draußen trägt eine dunkle Hose, eine hellbraune Lederweste und ein knallgelbes, auch bei diesem Licht leuchtendes Halstuch. Sein Hut ist hellgrau, der Colt sitzt linksseitig.

Sieh mal einer an, denkt der Hagere grimmig. Du bist das, mein Freund? Neugierig, Mister, soll man nie sein.

Der Hagere schleicht zurück, macht leise die Tür hinter sich zu und setzt sich genauso heimlich wieder dem Mister mit den wenigen Haaren gegenüber. Der deutet auf die Zeitung, die der Hagere nun nimmt und zusammenfaltet. »Ganz schön wichtig, was?«

»Du sagst es, ich bin ziemlich überrascht. Sie vermuten uns also nicht in jener Ecke, sondern zweihundertneunzig Meilen weiter östlich.«

Der Bursche mit dem Haarkranz blickt ihn bestürzt an. Ist der Hagere verrückt, noch weiter über Einzelheiten zu sprechen? Was macht er?

Der Hagere schreibt einen Namen auf den Rand der Zeitung, wendet das Papier dem anderen zu.

»Ja«, erwidert der fast glatzköpfige Mister doppelsinnig. »Aber warum?« Dabei blickt er auf das Fenster.

»Einen Grund gibt es immer«, murmelt der Hagere hintergründig. »Es wird sich herausstellen.«

Nun trinkt er, lauscht. Dann knirscht der Kies im Hof kaum hörbar.

»Mach weiter.«

Mit einem Satz ist der Hagere hoch, hastet wieder in das Nebenzimmer und huscht zum Vorhang. Nun sieht er den Mann verschwinden.

»Er ist weg«, meldet der Hagere, und der Grimm leuchtet in seinen Augen. »Ich hatte den Kerl die ganze Zeit schon in Verdacht. Er interessiert sich für alles. Ein neugieriger Bursche, muss ich sagen. Zu neugierig, was?«

Über das Gesicht des anderen Mannes huscht ein Schatten, aber er scheint sich keine großen Sorgen zu machen.

»Wie lange ist er bei dir?«

»Zwei Wochen, doch wir haben nichts unternommen, wir sind unterwegs gewesen und haben nur ein paar Pferde getrieben.«

»Gekauft oder …«

»Idiot. Hältst du mich für närrisch, jemand, den ich nicht gut genug kenne, auf irgendeinen wilden Ritt mitzunehmen? Lew brachte ihn zu mir, er lernte ihn in Santa Fé kennen. Der Bursche knöpfte Lew eine Menge Geld beim Kartenspiel ab. Als Lew ihm dann auflauerte und ihm das Geld wieder abnehmen wollte, erwischte der Halunke ihn und brachte ihm ein paar Kartentricks bei. Sie wurden gute Freunde.«

»Und das gefiel Lew so sehr, dass er ihn mitbrachte, was? Ich habe dir oft genug gesagt: Gib den Boys nicht so viel Geld in die Hand.«

»Ich kann gerade Lew nicht anbinden oder ewig kontrollieren, das weißt du, denke ich«, antwortet er missmutig. »Teufel, wenn der Kerl von jemandem geschickt wurde? Er ist einmal mit Lew in Socorro gewesen. Das war vor etwa zehn Tagen. Wenn ich nur wüsste, ob Lew ihm mehr erzählt hat, als er wissen durfte. Ich habe ihm eingeschärft, so zu tun, als ritte er manchmal für mich. Aber der Bursche muss dennoch mehr erfahren haben. Wäre er mir sonst nachgeschlichen?«

»Er war also mit Lew drei Tage allein auf der Ranch?«

»Ja.«

»Hm, da könnte er dem guten Lew die Dinge aus der Nase gezogen haben, die er wissen wollte. Und Lew hat es sicher nicht gemerkt. Dann sind sie nach Socorro geritten und haben sich mit den anderen getroffen. Richtig?«

»Vielleicht wissen sie was, vielleicht nicht. Es kommt darauf an, wie viel Lew geredet hat. Das werden wir schnell erfahren. Oder bist du anderer Meinung?«

»War ich das schon mal?«, fragte der Mann mit der Halbglatze und steht auf. »Geh zu ihm, reite zum Store, lass ihn warten, während du dir etwas holst. Brauchst du Tabak?«

»Nein, aber Brandy, das fällt am wenigsten auf. Und du?«

Der andere wiegt seinen Revolver in der Faust. »Ich werde ein wenig reiten. Sagen wir bis zur Brücke über den Florida River. Kurz hinter der Brücke stehen ein paar Büsche am Wegrand. Vielleicht hältst du dort und steckst dir eine Zigarre an?«

»Manchmal hat man kein Streichholz. Die Idee ist gut.« Der Hagere grinst.

»Du sagst es«, erklärt der andere Mister. »Also, geh jetzt!«

Die Nacht ist still, nur der Wind kommt von Südwest und bläst das Streichholz aus, ehe es die Zigarre in Brand setzen kann. Der Hagere beginnt zu suchen, dreht dabei sein Pferd und kramt in allen Taschen.

»Kein Feuer, Boss?«

»Das ist mir auch schon passiert«, murmelt ein Mann mit knallgelbem Halstuch besänftigend, als sein Boss flucht. »Hier, Boss, du kannst sie behalten, ich habe noch zwei Päckchen in der Satteltasche. Moment.«

Hilfsbereit wie immer, denkt der Hagere. »Pass auf, Goffin, der Wind bläst hier ganz schön«, sagt er, als sein Mann das Streichholz mit den Händen abschirmt und es dennoch erlischt. »Die Weste, mein Freund.«

Goffin ist nun vorsichtiger, als er ihm Feuer gibt. Er knöpft die Weste auf, reißt das Streichholz dann erst an.

Goffin sieht nur die Zigarrenspitze, den roten Punkt, der sich unter den tiefen Zügen vergrößert. Den dritten Mann sieht Goffin nicht und auch nicht das Gewehr.

Der Mann schiebt sich aus dem einen Busch, macht vier lange Schritte und holt dann aus.

Goffin sieht den glühenden Punkt zu einem riesenhaften Ball anwachsen. Der Feuerball fliegt ihm vor den Kopf. Er glaubt noch, einen Schmerz zu spüren, dann kippt er schwer nach vorn. Sein Boss aber streckt die Hände, mit denen er die Zigarre und das Streichholz beschirmt hat, jäh aus. Ein Doppelgriff erwischt Goffins Hemd.

»Er war ein Narr«, sagt der Hagere kühl.

»Und nun werde ich ihn binden«, erklärt der Halbglatzkopf und stellt sein Gewehr an einen Zweig. »Hier, mein Freund, halt ihn mal fest. Wie weit wollen wir mit ihm reiten?«

»Nicht zu weit.«

Wenig später klappern die Hufe auf Gestein, dann kommt ein Tal, das zu einer Hochfläche hinaufführt. Als die beiden Männer mit Goffin hier ankommen, halten sie auf vier Bäume zu. »Der hat einen schönen Ast«, sagt der Hagere. »Es ist weit genug. He, er stöhnt. Will er aufwachen?«

Während der zweite Mann dicht neben Goffin hält, bindet der Hagere sein Lasso um den Strick, der die Hände des Gefangenen zusammenhält. Danach wirft er das Lassoende über einen Ast und sieht fragend den Mann mit der Halbglatze an.

»Ist er munter genug?«

»Noch nicht, denke ich, aber er wird es bald sein.«

Goffin fliegt vom Pferd. Beide Männer sind abgestiegen, ziehen am Lasso und bringen Goffin so auf die Beine. Schließlich steht der Gefangene mit gebundenen Beinen stöhnend unter dem Ast. Der Hagere zieht noch etwas am Lasso. Nun steht Goffin auf den Zehenspitzen. Er atmet heftig, aber er gibt sonst keinen Laut von sich.

»Na, mein Freund, wieder beieinander?«

»Was ist los?«, fragte Goffin keuchend. »Was soll das, Boss?«

»Ich fürchte, Goffin, du musst mir einige Fragen beantworten. Warum hast du gelauscht?«

»Ich war neugierig«, keucht Goffin. »Du wolltest nicht in die Stadt reiten, sondern die Pferde am Fluss zurücklassen. Ich dachte, da wäre vielleicht ein Girl oder mehrere. Darum bin ich …«

»Narr«, faucht der Hagere und holt zweimal aus. »Verdammter Spitzel, mach den Mund auf. Wer hat dich geschickt, für wen arbeitest du?«

Es ist aus, denkt Goffin und fühlt keinen Boden mehr unter sich.

»Sage es. Wer hat dich geschickt, Goffin? Wer war es?«

»Niemand – aah!«

Das wiegende Schaukeln verrät ihm, als er wieder zu sich kommt, dass er auf einem Pferd liegt. Und dass er gestöhnt oder gewimmert hat, wird ihm auch gleich klar, denn der eine Mann sagt trocken: »Na, Goffin, wer hat dich denn nun geschickt?« Dass er auf dem Bauch liegt und angebunden ist, merkt Goffin, als er die Erde unter sich sieht. Sie haben ihn quer über das Pferd gepackt. »Ich sagte doch – niemand. Ich weiß nicht, was ihr wollt.«

»Hm, mein Freund, was hast du denn in Socorro gemacht?«

»Getrunken, ein wenig gespielt, Boss. Was ist denn los, was hast du denn? Ich habe doch nichts gemacht, ich bin dir nur nachgegangen, weil ich dachte …«

»Du verdammter Lügner. Du wirst reden und die Wahrheit herausschreien. Da hast du etwas für deine Lügerei!«

Dann ist die Nacht erneut um ihn.

*

Sie sind nun alle in der Hütte, stehen an der Wand und blicken auf ihren Boss, der Goffin am wurmstichigen Tisch angebunden hat. Der hagere Mann wendet sich um und winkt seine Leute heran. »Die Sache ist nicht ganz einfach«, beginnt er und blickt zu Boden. »Goffin hat einen Fehler gemacht. Er war zu neugierig.«

Der Hagere macht plötzlich einen Satz und schmettert dem untersetzten Lew seine Faust unter die Rippen. »Lew, du verdammter Narr, wen hast du da angeschleppt?«

Sein Ausbruch kommt so plötzlich, dass Lew völlig überrascht wird. Der tief angesetzte Hieb lässt Lew stöhnend einknicken.

Die anderen Männer stehen erstarrt und bekommen keinen Ton heraus.

Lew wälzt sich nun auf den Bauch, stemmt sich hoch und bleibt hocken, beide Hände an den Kopf gepresst.

»Lew!« Die messerscharfe Stimme lässt ihn zusammenzucken.

»Was – was habe ich getan. Boss, was denn?«

»Das wirst du gleich erfahren«, knurrt der Hagere ihn an. »Beantworte meine Fragen, du gehirnloser Bursche. Du warst mit Goffin in Socorro. Hat er auf dem Rückweg mal einen Alleinritt unternommen? Erinnere dich genau, es ist verdammt wichtig.«

»Nein, Boss«, sagt Lew stöhnend. »Er war immer bei uns und fragte, wohin wir ritten.«

»Und was hast du ihm erzählt?«

»Nichts weiter. Ich sagte ihm nur, wir hätten Pferde zu treiben. Das haben wir ja auch getan, Boss.«

Der Hagere hebt den Fuß, lässt aber dann von seinem Vorhaben ab.

»Das ist schon besser«, knurrt der Boss zufrieden. »Lew, nachdem du Goffin zur Ranch mitgenommen hattest und ihr euch berochen hattet, hat er doch gefragt, ob du von den paar Kühen leben könntest. Stimmt das?«

»Ja, Boss. Er wollte wissen, ob ich nur vom Spielen lebte. Er meinte, für die paar Stiere hätte ich aber eine Menge Geld. Nun, ich sagte ihm, ich triebe ab und zu für jemand Rinder oder Pferde.«

Als Lew hochblickt, steht Furcht in seinem Gesicht geschrieben.

»Und hast du ihm gesagt, für wen du treibst? Hast du meinen Namen erwähnt, die Gegend, in der wir treiben, die Ranch?«

»Nein, nein. Ich sagte nur, als er nach dem Mann fragte, für den ich arbeitete, er würde dich schon kennenlernen. Boss, verdammt, was hat der Kerl gemacht? Hat er mich etwa ausgehorcht?«

»Manchmal kannst du auch denken«, knurrt der Hagere zu ihm hinab und sieht es in den kleinen Augen des untersetzten Burschen aufglimmen.

Der Hagere knirscht einen Moment mit den Zähnen, dann zieht er seinen Revolver und richtet ihn auf Lew, der kreideweiß wird. »Die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit«, sagt der große Bursche, dessen Narbe am Kinn zu glühen scheint. »Lew, hast du dem Halunken dort die Namen der anderen genannt? Hast du ihm das Versteck zwischen den Dielen der Küche gezeigt? Los, raus mit der Sprache.«

Der untersetzte Lew scheint zu frieren. »Keine Namen«, erwidert er stockend. »Aber die Brandeisen – er redete so viel von seinen Abenteuern und rauen Sachen, da habe ich … Boss, nein!« Er reißt die Hände hoch, aber er taumelt dennoch bis zu den Stuhltrümmern und japst, als sein Boss ihn am Kragen hochzieht.

»Du gehörnter Teufel, was hast du da angestellt?«, keucht der Hagere wutschnaubend. »Ich wette hundert zu eins, dass jemand die Eisen gefunden hat. Du hast es ihm gesagt, ehe ihr nach Socorro geritten seid. Richtig?«

»Ja, Boss, aber es macht nichts, wenn ich die Ranch verliere. Viel hat sie nie getaugt.«

»So wenig wie du, Narr«, faucht der Hagere verächtlich. »Deine Spielsucht und Prahlerei bringen uns vielleicht alle um Kopf und Kragen. Ich schwöre dir, Lew: Der Erste, der dann über den Jordan geht, wirst du sein. Du hast ihm gesagt, was du mit den Eisen getan hast, oder?«

»Nein – nur, dass ich ab und zu mal reite, mir ein paar Mavericks irgendwo fange und sie umbrenne, um sie nach ein paar Wochen irgendwo zu verkaufen.«

»Und du Narr glaubst, das hat er dir abgenommen?«, zischt der Boss. »Ein halbes Dutzend Brandzeichen, jedes anders. Die Arbeit macht sich keiner, der nur ab und zu ein paar Mavericks stiehlt.«

Der Hagere flucht halblaut, starrt zu Goffin, der sich nicht rührt, und geht dann mit wenigen Schritten zu dem prasselnden Feuer im alten, gemauerten Herd. Mit einem Griff hebt er das schwere Schüreisen hoch und rammt es in die Glut. Kaum aber dreht er sich um, als Lew hervorstößt: »Boss, als wir sattelten, ging Goffin noch mal ins Haus zurück, um sein schmutziges Hemd zu holen. Vielleicht ist das nicht wichtig, aber …«

»Wo schlief er?«, unterbricht ihn der Hagere hellwach und misstrauisch. »Hatte er ein anderes Zimmer, oder war er bei dir?«

»Nein, im Flur hinten, der letzte Raum, in dem Tony manchmal geschlafen hat.«

»Erinnere dich, Lew. Blieb er länger, als jemand braucht, um sein Hemd zu holen?«

Lew und Jim wechseln einen Blick, dann nickt Lew düster.

Mit einem Satz ist der Hagere am Tisch, durchwühlt nun sämtliche Taschen Goffins und legt alle Gegenstände auf die Bank. Langsam nimmt der Hagere einen angeschmutzten Block hoch, schlägt ihn auf und stellt fest, dass einige Seiten fehlen. Der nächste Griff fördert einen Stift zutage. Danach geht er zur Laterne. Dort hält der hagere Mister den Block schräg gegen das Licht. Und dann sieht er das, was er zu sehen hoffte.

Goffin hat geschrieben, und sein Stift hat deutlich lesbare Abdrücke auf dem nächsten Blatt hinterlassen.

Goffin hat den Namen jenes Misters aufgeschrieben, bei dessen Fenster er kauerte, aber der Zettel ist verschwunden.

Goffin hat nun die Augen geschlossen. Er hört, dass sich der hagere Mister nähert, vernimmt das Ratschen, als der Zettel herausgerissen wird, und bekommt einen Stoß in die Seite.

»Es stimmt doch, Goffin, du hast geschrieben, mein Freund, und dann den Zettel irgendwo versteckt. Aber wo? Goffin, willst du reden oder …«

Der Gefangene öffnet langsam die Augen, sieht den Hageren an und zischt: »Such, Bandit, ich habe nichts mehr zu sagen. Umbringen werdet ihr mich doch.«

Im nächsten Augenblick beugt sich der Hagere vor, lacht leise und tastet Goffins breiten Hosenriemen Zoll für Zoll ab. Doch er findet nichts, tritt einen Schritt zurück und mustert seinen Gefangenen von Kopf bis Fuß.

»Du hast in deinem Zimmer auf Lews Ranch einen Zettel versteckt, was, Goffin?«, fragt er lauernd. »Und du hast jenem Burschen, den du in Socorro trafest, genau gesagt, wo er ihn finden könnte, wenn er auf die Ranch käme und du nicht mehr da wärest. Das stimmt doch, Goffin, oder? Sehen wir mal die Stiefel nach.«

Ein Schnitt trennt das Leder auf. Dann stülpt er den Schaft um und fasst in das überstehende Leder. Eine Falte wird sichtbar, eine kleine Tasche und die Zettel.

»Tony Paxton – schwarzhaarig, fünf Fuß, drei Zoll«, beginnt der Hagere zu lesen, »graublaue Augen, große Ohren, rechte Hand, Zeigefinger erstes Glied. Tres Lagunas.«

Paxton stößt einen heiseren Schrei aus, springt vorwärts und lässt seine Faust herabsausen. »Hund!«, gurgelt Paxton vor Wut. »Mein Name! Du wolltest mich verraten, du wolltest …«

»Tony, Schluss. Zurück, Mann. Weg von ihm. Er wird niemanden mehr verraten. Wen haben wir denn noch?«

»Er hat immer von Girls geredet«, keucht Tony Paxton bissig. »Ich dachte mir nichts dabei, als ich ihm erzählte, ich hätte in Tres Lagunas ein Mischlingsmädchen im Saloon. Dieser stinkende Schurke.«

»Ruhig, Tony. Hier ist der Nächste. Das bist du, Steve, mein Freund. Hast du wirklich eine Knicknase?«

Steve bricht in ein Wutgebrüll aus und will sich auf Goffin stürzen. Doch der scharfe Befehl des Hageren hält ihn zurück.

»Bleib, Steve. Er wird keinem mehr gefährlich. Nur einem, Jim.«

»Ich weiß«, sagt Jim knirschend. »Ich kann nicht mehr nach Puertocito zurück.«

»Dein Girl kennt Charly und Don, mein Freund, und sie weiß, wo die beiden wohnen. Oder nicht?«

»Nein, das weiß sie nicht, Boss.«

»Wenigstens wird man aus deinem Girl nie herausbekommen können, wer die beiden Burschen waren, die dich besucht haben.«

Der Hagere steckt die Zettel ein, tritt zu Goffin und starrt ihn finster an.

»Goffin, du arbeitest für die Cattle Growers Association. Stimmt das? Du bist ein Mann der Viehzüchtervereinigung. Gibst du das zu?«

Goffin spuckt aus.

Der Hagere zuckt zurück, reißt die Faust hoch, besinnt sich dann jedoch.