Die heimlichen Chefs im Körper - Berndt Rieger - E-Book

Die heimlichen Chefs im Körper E-Book

Berndt Rieger

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Beschreibung

Die wahre Machtzentrale unseres Körpers sitzt nicht im Kopf – und nein: auch nicht im Bauch. Klein und unauffällig sind sie, die großen Unbekannten. Dabei bestimmen die Hormone unser Leben ganz maßgeblich. Ist die ihr Zusammenspiel gestört, gerät der komplette Organismus aus der Balance. Unterhaltsam und anschaulich erzählt Dr. med. Berndt Rieger von den vielfältigen Botenstoffen, die im ganzen Körper ihre Wirkung entfalten, Herz und Kreislauf antreiben und nicht zuletzt die Fortpflanzung beeinflussen. Spannende Fakten zu alternativen Heilungswegen zeigen, wie man das endokrine System bei Funktionsstörungen unterstützen und selbst zurück ins Gleichgewicht bringen kann.

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Seitenzahl: 207

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Dr. med. Berndt Rieger

DIE HEIMLICHEN CHEFS IM KÖRPER

Dr. med. Berndt Rieger

DIE HEIMLICHEN CHEFS IM KÖRPER

Wie Hormone unser Leben und Handeln bestimmen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Originalausgabe

2. Auflage 2020

© 2019 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: Manuela Amode

Umschlagabbildung: © Shutterstock/Vadim Georgien, Leen Savoyar

Umschlagfoto: © Nils Schwarz

Satz: Müjde Puzziferri, MP Medien, München

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86882-959-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-266-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-267-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

Vorwort

Das Ziel aller Lebewesen ist das Überleben

Kampf oder Flucht in der Tierwelt

Der menschliche Körper im Zeitraffer

Eine Einführung in die Welt der Hormone und Mikroorganismen

Der Stress der Moderne

So geht Ihr Körper mit Stress um

Was passiert während des weiblichen Zyklus?

Von Stress- und Antistresshormonen

So lässt sich Stress bekämpfen

Die unangenehmen Folgen von Stress

Die Hormondrüsen und ihre Aufgaben

So sahen es die alten Griechen

Die Hormondrüsen im Überblick

Die Zirbeldrüse

Der Hypothalamus

Die Hypophyse

Die Schilddrüse und die Nebenschilddrüse

Das Herz

Die Nebennieren

Die Oberbauchdrüsen

Die Eierstöcke und Hoden

Wir alle haben eine Organreserve

Hormonstörungen und ihre Folgen und Behandlung

Der schwierige Nachweis von Hormonen im Labor

So wirken hormonelle Über- und Unterfunktionen

Sind Pheromone ein Hormonersatz?

Der beste Hormon-Lifestyle

Den Alltag fünffach entstressen

Die Schilddrüse und die Nebennieren massieren

Auf eine ausgewogene Ernährung achten

Die individuelle Dosis Jod bestimmen

Mit Nahrungsergänzungsmitteln Mängel beheben

Endokrine Disruptoren reduzieren

Hormonsubstitutionen einnehmen

Hormone von A bis Z

Der Autor

Bezugsquellen für Schilddrüsenextrakt, bioidentische Hormonpräparate und Phytohormone

Quellenverzeichnis

VORWORT

Hormone sind Botenstoffe, die uns bewegen. Sie erregen uns, treiben uns an. Wer aber ist dieses »Wir«, von dem wir hier sprechen? Das Großhirn, in dem unser Bewusstsein entsteht und von dem aus wir beobachten, wie uns geschieht? Sind wir aus dieser Perspektive ein Spielball der Gefühle, die Hormonflüsse in uns erregen? Oder spiegeln ganz im Gegenteil die Hormondrüsen selbst unser wirkliches Ich? Denn sind wir nicht eigentlich das, was wir von uns empfinden, was wir fühlen und was wir im Leben an Tatkraft einbringen können? All diese Funktionen finden wesentlich über die Tätigkeit der Hormondrüsen statt. So gesehen sind wir das Produkt unserer Hormone. Herz und Hirn, Verstand und Gefühl, diese alten Gegensatzpaare müssten eigentlich unter neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen umformuliert werden in: Großhirn und Hormone.

Es gibt etwa 1000 Hormone, und nur etwa 100 davon konnten bislang einigermaßen klar erforscht werden. Wir wissen heute, dass es in der Schilddrüse, der wichtigsten der Hormondrüsen, etwa 30 verschiedene Botenstoffe gibt, die auf hoch komplexe Weise untereinander, aber auch mit anderen Hormondrüsen kommunizieren, darunter vor allem der Nebenniere, die ihrerseits etwa 45 Hormone ins Treffen führt. Gemeinsam bewältigen diese beiden Hormondrüsen, Schilddrüse und Nebenniere, einen Großteil der Aufgaben, vor die uns unser Leben stellt: die Steuerung der Lebensfunktionen und den Versuch, eine maßvolle Antwort auf Stress zu finden und unsere Vitalität und Jugendlichkeit zu erhalten. Uns zu fühlenden Lebewesen zu machen. Vor allem die positiven Gefühle entstehen aus einer guten Funktion von Hormondrüsen, während mangelnde oder negative Empfindungen aus einem Stopp im Fluss notwendiger Botenstoffe entstehen.

In diesem Buch berichte ich von Erfahrungen, die ich als Arzt in 20-jähriger Praxis mit der Behandlung von Hormonstörungen gemacht habe. Es ist eine faszinierende Reise in die Welt der Hormondrüsen, exemplarisch erzählt anhand des Beispiels einer jungen Frau, die wir Tina nennen wollen. Wir begleiten Tina über mehrere Jahre in ihrem Leben hinweg. Wir sehen, wie sie ihr Erwachsenenleben naturgemäß mit einem intakten Hormonsystem beginnt, das noch kraftvoll und effektiv auf Stress reagieren kann. Im Laufe der Zeit aber leidet diese Stressantwort, und die Vitalität der Hormondrüsen geht zurück. Es bildet sich eine Hashimoto-Thyreoiditis aus. Tina erlebt dadurch einen Verfall ihrer Kraft, erkennt sich selbst nicht mehr, landet nach und nach in einem Burnout. Dazu gehört, wie das häufig der Fall ist, auch eine Depression, eine Verarmung an Botenstoffen des Zentralnervensystems. Dieses Buch erzählt, wie sich Tina aus diesem hormonellen Zusammenbruch herausarbeiten kann, und schildert dabei, welche heilende Maßnahmen in dieser Situation zur Verfügung stehen. Die Geschichte erzählt vom Zusammenhang der Hormondrüsen untereinander, von endokrinen Disruptoren, die sich ihrer Kraft entgegenstellen, und wie die Anwendung von pflanzlichen und tierischen Hormonträgern hier als natürlicher therapeutischer Gegenpol wirken kann. Es zeigt die Stellung des Mikrobioms im Botenstoffsystem auf und schildert, wie eine gezielte Ernährung und die Gabe von Vitaminen, Aminosäuren und Mineralien den Körper von seinen Botenstoffen her wieder aufrichten können. Es soll in diesem Buch aber auch um den geistig-seelischen Heilweg gehen, um einen gesunden, schonenden Lifestyle, der den Hormondrüsen gerecht wird. Anhand zahlreicher praktischer Tipps sollen Sie auch als Leser/in in die Lage versetzt werden, diese Heilmittel auf diesem Wege nach und nach kennenzulernen und so auch das Funktionieren Ihres eigenen Hormonsystems wiederherzustellen, seine Leistung zu optimieren und es zu revitalisieren. Denn ein optimales Arbeiten der Botenstoffe im Körper ist die Wurzel der Gesundheit und das Geheimnis von Jugendlichkeit und Vitalität

DAS ZIEL ALLER LEBEWESEN IST DAS ÜBERLEBEN

Wir sehen Gazellen an einer Wasserstelle. Sie trinken und während sie das tun, sehen wir, dass sich ihre Ohren bewegen. Es erinnert an Radarschirme, die Signale auffangen wollen. Augenscheinlich bereiten sich die Tiere auf etwas vor. Und tatsächlich: Plötzlich bricht eine Löwin aus dem Busch, mitten hinein in die Herde der Gazellen, die jetzt panisch auseinanderstiebt – jedes Tier unter Aufbietung all seiner Kräfte, jedes Tier im Bewusstsein, dass die schnellere Bewegung, die raschere Reaktion nun über Leben und Tod entscheidet. Ist die Jagd vorüber und hat die Löwin eine Gazelle geschlagen, kehren die anderen Gazellen wieder an die Wasserstelle zurück, um weiter zu trinken. Sie wirken dabei ebenso ruhig wie zuvor, sind in stiller Wachsamkeit und trinken, als wäre nichts passiert.

Hier kommt ein fein abgestimmtes Verhältnis der Natur zur Geltung: auf der einen Seite die Schnelligkeit der Löwin und auf der anderen Seite die Schnelligkeit der Gazelle; auf der einen Seite die gespannte Konzentration der sich anpirschenden Löwin, die alle Kräfte für den entscheidenden Anschlag bereithält, und auf der anderen Seite die Reaktionsschnelligkeit der Gazelle und ihre Fähigkeit, in kürzester Zeit alle Kräfte zu mobilisieren, um eine erfolgreiche Flucht zu ermöglichen. Wir bewegen uns hier in einem Bereich, der hormonell gesteuert wird und explizit an dieser Stelle hat die Nebenniere ihre wichtigste Bedeutung, nicht umsonst wird sie auch Stressdrüse oder Jagddrüse genannt. Wenn die Nebenniere gut funktioniert, ist das Spiel zwischen Jäger und Beutetier in unserem Gazellen-Beispiel ausgewogen: Die Löwin wird von den schnellen Läufern bald ablassen müssen, da sie weiß, dass sie mit ihnen in der Schnelligkeit nicht mithalten kann, wenn deren Nebennieren auf Touren kommen. Aber es gibt immer wieder einmal auch eine Gazelle, die alt oder schwach ist und der die Spannkraft fehlt, die die Hormondrüsen vermitteln. Deren Nebenniere funktioniert nicht optimal. Dieses Tier wird zur leichten Beute. Die Ängste, die der Angriff der Löwin auslöst, lähmt sie, anstatt sie zu mobilisieren. Und die Freisetzung von Energieträgern im Stoffwechsel, die eine raschere und weitere Flucht ermöglichen, reicht dann nicht mehr aus.

Kampf oder Flucht in der Tierwelt

Im Tierreich hat das Adrenalin des Nebennierenmarks für das Überleben eine große Bedeutung. Einmal von den Nebennieren ins Blut ausgeschüttet, führt es binnen Sekunden zur Beschleunigung des Herzschlags und zu einem Blutdruckanstieg, der die Gewebe blitzschnell mit Sauerstoff und Zucker versorgt. Die Lungen öffnen sich und können noch mehr Sauerstoff aufnehmen. Die Leber setzt mehr und mehr Zucker als Energieträger frei, und dieser dringt bevorzugt in Regionen des Körpers ein, die jetzt besonders gebraucht werden, darunter vor allem die Muskulatur. Die Folge: Das Tier springt höher und weiter und kann in kürzester Zeit große Distanzen zurücklegen, die sonst unmöglich wären. Das Phänomen, dass die Gazellen ruhigen Gemütes an die Wasserstelle zurückkehren, sobald die Gefahr vorüber ist, ist noch erstaunlicher als das der gelungenen Flucht. Es zeigt nämlich, dass das Hormonsystem über effektive Mechanismen verfügt, seine Aktivität und deren Auswirkungen binnen Minuten auch wieder herunterzufahren. »Kaltblütig«, wie das früher genannt wurde, kümmert sich jedes Tier um den eigenen Durst und das weitere Fortkommen, fast so, als wäre gar nichts geschehen. Dieses Phänomen der Kaltblütigkeit und der Ruhe, die nach einer Flucht wieder eintritt, ist aber unter den Lebensbedingungen der Gazelle nicht mehr und nicht weniger Ausdruck eines gut funktionierenden Hormonsystems.

Es gibt in uns Säugetieren eingebaute Mechanismen, die dem Körper vermitteln, dass die Bedrohung vorüber ist und die das System ebenso schnell wieder herunterfahren und die Befindlichkeit und die Funktionalität des Körpers den derzeit gültigen Gegebenheiten anpassen: Durst löschen, Hunger stillen, schlafen und die Fortpflanzung rücken wieder in den Vordergrund – gemeinsam mit der Wachsamkeit auf einen erneuten Überfall. Würde die Gazelle jetzt ängstlich an allen Gliedern schlottern, wäre sie für die nächste Raubtierattacke das schwächste Glied in der Kette. Es ist in der freien Wildbahn entscheidend, dass Kraft gespart wird und Prioritäten gesetzt werden: dass man an der Wasserstelle trinkt und den Körper damit ausreichend mit Wasser versorgt; dass man danach wieder Nahrung sucht, aufnimmt und verwertet und dass man die Energie, die man dabei gewinnt, den Bedürfnissen des Lebens anpassen kann; dass man ebenso durch kühle wie durch warme Jahreszeiten kommt und dabei immer die gleiche Temperatur im Körper bewahrt, sodass jede Zelle des Körpers ihr Potential ausschöpfen kann; dass man sich fortpflanzt und damit garantiert, dass das Leben der eigenen Art über die Zeit erhalten wird; dass man aus der Aktivität in die Ruhe und den Schlaf findet und auch wieder heraus.

Der menschliche Körper im Zeitraffer

Unter den Bedingungen des Lebens, das wir vor Millionen Jahren geführt haben, wird eine Nebennierenschwäche bei uns Menschen nur sehr ausnahmsweise vorgekommen sein. Man wurde geboren und anfangs von seiner Mutter ernährt, lebte in ihrer Nähe und erlernte dabei innerhalb der ersten zwei Jahre alles Wichtige, um überleben und sich durchbeißen zu können. Das Leben bestand aus Nahrungssuche, -aufnahme und -ausscheidung, Ruhe, Geselligkeit und das Zeugen, Empfangen und Austragen neuen Lebens. In der Gegend, in der unsere Vorfahren entstanden sind, herrschte tropisches Klima und gab es keine vier Jahreszeiten. Zwischendurch gab es mal Stress durch Bedrohungen, Krankheitserreger und Raubtiere, die es auf einen abgesehen hatten. Dies musste verkraftet werden. Dafür waren die Nebenniere und im gewissen Teil auch andere Hormondrüsen im Wesentlichen da. Nach und nach schufen Veränderungen der Lebensbedingungen mehr Aufgaben für das Hormonsystem. Wir wanderten in Gebiete aus, die vier Jahreszeiten hatten. Unter diesen Bedingungen werden wir beispielsweise unsere Schilddrüse erst richtig gespürt haben, die im Winter ihre Aktivität hochfahren musste, um die Körpertemperatur zu halten. Wenn dafür zu wenig Jod zur Verfügung stand, gab es Vergrößerungen der Schilddrüse teilweise in groteskem Ausmaß. Je weiter wir nach Norden gingen, desto fehlerhafter wurde die Steuerung der Aufnahme und des Einbaus von Kalzium in unseren Körper, da die Bildung von Vitamin D unter Einwirkung des Sonnenlichtes nicht mehr ausreichte. In der Zeit entstand in unserer Hirnanhangdrüse der Zwischenlappen, der über die Bildung von Melatonin die Pigmenteinlagerung in unsere Haut steuert. Die Haut wurde immer heller, je weiter wir nach Norden kamen, um möglichst viel Sonnenlicht nutzen zu können. Wir züchteten Bakterien in unserem Darm, die Vitamin K2 bildeten, um den Kalziumstoffwechsel auf diesem Wege stabilisieren zu können. Und wir vermehrten Hormonzellen in der Schilddrüse und Nebenschilddrüse, die den Kalziumstoffwechsel intensiver steuern können, denn dieses Alkalimetall ist an so vielen Prozessen in unserem Körper beteiligt, dass ein Kalziummangel fast alle Lebensfunktionen beeinträchtigen muss.

EINE EINFÜHRUNG IN DIE WELT DER HORMONE UND MIKROORGANISMEN

Werden wir jetzt einmal ganz allgemein. Wir haben weiter oben den Begriff der Kaltblütigkeit verwendet. Er zeigt, dass man schon vor Jahrhunderten verstanden hat, dass sich unser Lebenssaft unter Belastungsbedingungen »erwärmen« kann und man dabei kämpferischer und leidenschaftlicher wird, dass es dabei aber schwierig sein kann, »die Nerven zu bewahren«. Leidenschaft dient oft dem Zweck der Fortpflanzung. Wenn wir von einem »heißblütigen« Mann sprechen, verengt sich der Blick automatisch auf die Geschlechtsaktivität. Der Treibstoff für diese Heißblütigkeit ist etwas, das den Körper tatsächlich stärker wärmt, ein Cocktail von Botenstoffen im Gehirn und im Blut. Der Begriff »Hormaos« aus dem Altgriechischen bedeutet »ich treibe an« und tatsächlich ist es so, dass Hormone Körperstrukturen aktivieren, also antreiben. Dabei kann der »Heißblütige« aber auch auf ein »kaltes« Gegenüber stoßen, das sich von seinen Anmutungen nicht erregen lässt – und der Grund dafür ist, dass dieses Gegenüber derzeit keine vergleichbaren Hormonflüsse erlebt. Man hat schon im Altertum erkannt, dass da im Blut etwas sein muss, das diese Wirkung erklärt, aber es dauerte eine Weile, bis man begriff, dass manche kleinen Drüsen, die keinen offensichtlichen Drüsengang haben, ihre Produkte ins Blut abgeben, und dass diese Drüsen Hormondrüsen sind, die einen »besessen« oder »warmblütig« machen.

Über endokrine Drüsen (griechisch; endo: innen; krinein: abscheiden) spricht man erst seit dem 19. Jahrhundert und seither basteln wir am Verständnis eines endokrinen Systems. Wir stellen uns vor, dass Hormone aus bestimmten Gründen abgegeben werden, dass sich alle Hormonflüsse rationell erklären lassen und dass das richtige Funktionieren dieses Hormonsystems Gesundheit anzeigt. In den letzten Jahrzehnten ist diese Überzeugung ins Wanken geraten. Das hängt einerseits damit zusammen, dass wir es nicht nur mit einigen wenigen Botenstoffen zu tun haben, die miteinander hierarchisch verschaltet sind, sondern stattdessen mit einer großen Vielfalt. Es war anfangs ein einfaches gedankliches System, in dem das Gehirn die Hormondrüsen steuert und Krankheiten des Hormonsystems sich daran erkennen lassen, welche Hormonspiegel man gerade im Blut bestimmen kann. Diese Betrachtungsweise ist nicht obsolet geworden, doch sie hat mittlerweile durch die Wissenschaft so viele Ergänzungen erfahren, dass sie hoch komplex ist. Wir ahnen, dass es wahrscheinlich 1000 Hormone gibt, und kennen heute nur etwa 100 davon genauer und können ihre wichtigsten Funktionen abschätzen.

Wenn wir hier ein Hormon betrachten, beispielsweise das Trijodthyronin der Schilddrüse, das als »das« aktive Schilddrüsenhormon schlechthin bekannt war, wissen wir heute, dass es mindestens 27 solcher Hormone gibt, die dem Trijodthyronin sehr ähnlich sind, mit ihm gemeinsam ausgeschieden werden und dessen Wirkung hemmen oder unterstützen können. Ähnlich komplex sieht es in der Nebenniere und überall sonst aus, wo die Forschung hinblickt. Wir kennen auch das Zusammenspiel der bekannten Hormone nur annähernd und wir verstehen auch häufig nicht, was es bedeutet, wenn Hormonspiegel im Blut schwanken. Wir wissen, dass das mit Biorhythmen zu tun haben kann, die von einer nicht genau bekannten Entität im Körper gesteuert werden, aber es kann sich auch um andere Ursachen handeln, darunter auch krankhafte. Die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit ist besonders im Bereich des Hormonsystems immer verschwommener geworden, so sehr, dass normale Werte nicht unbedingt Gesundheit anzeigen müssen und von der Norm abweichende Laborwerte auch nicht unbedingt Krankheit. Beides kann in der Komplexität der Regelung entstehen und der Ausgang und die Bedeutung für den Menschen und seine Gesundheit sind oft ungewiss.

Das heißt nicht, dass wir die Leistungsfähigkeit des Hormonsystems nicht einschätzen können. Wer vital ist, hat beispielsweise ein gutes Hormonsystem und wird weitgehend Normwerte aufweisen. Es geht also bei der Beurteilung sehr darum, wie es einem geht. Wenn es Ihnen gut geht und Sie Ihr Leben kraftvoll leben können, wenn Sie mit den Belastungen des Lebens gut zurechtkommen, guter Stimmung sind und auch in etwa so alt aussehen, wie Sie biologisch sind, dann kann man mit Sicherheit sagen: Ihr Hormonsystem funktioniert. Da hat es weniger Bedeutung, wenn manche Laborwerte abweichen oder man einen »Knoten« in der Schilddrüse gefunden hat. Ebenso kann man über ein Sammeln von Beschwerden, die Sie vielleicht haben, Hinweise darauf finden, ob das Hormonsystem gestört ist und wo diese Störung vorliegt. Es gibt hier typische Beschwerden für die drei großen Hormondrüsen Schilddrüse, Nebenniere und Eierstock bzw. Hoden. Eine wichtige Möglichkeit der Beurteilung liefert uns auch der Hypothalamus, dessen Tätigkeit darauf abzielt, über Stimulierung der Hormondrüsen Homöostase herzustellen, also ein Gleichgewicht im inneren Milieu. Zwei der dabei beabsichtigten Resultate können gemessen werden. So liegt die Temperatur des Körpers, im Mund gemessen, bei gesunden Menschen bei etwa 36,8 Grad Celsius, mit einer Schwankungsbreite von einem halben Grad. Ist das Hormonsystem gestört und sind Schilddrüse, Nebenniere und Geschlechtsdrüsen zu schwach, verhallt der Befehl des Hypothalamus ohne Wirkung und dann schafft es der Körper nicht, diese Solltemperatur einzustellen. Auch der Blutdruck des Körpers sollte von der hormonellen Steuerung aus in einem Bereich um 120/70 gehalten werden, und zwar auch unter Belastungsbedingungen.

Man kann diese Anzeichen eines funktionierenden Hormonsystems gut und bequem zu Hause überprüfen. Wenn Sie morgens im Bett aufwachen und den Blutdruck messen, dann bekommen Sie hier ein Maß für den Blutdruck während des Liegens und im Ruhezustand des Schlafs. Wenn Sie jetzt aufstehen, ist das eine große Veränderung für den Körper, und wenn der Füllungsdruck der Adern nicht stimmt und ein Ungleichgewicht im Volumenmanagement besteht, fällt der Blutdruck deutlich ab, und zwar bereits in einer Zeitspanne von einer halben Minute. Auch hier haben Sie einen klaren Hinweis, dass die Nebenniere die Anweisung des Hypothalamus und der dazwischen geschalteten Hypophysenicht befolgen kann, Homöostase herzustellen. Blutdruck – und auch Temperatur – kann jeder messen und wenn er dabei auf Normalwerte stößt, kann das großes Selbstvertrauen wecken in Bezug auf den Hormonhaushalt und die Fähigkeit des Körpers, unzählige Botenstoffe sanft zu regulieren, wo es notwendig ist, und in anderen Bereichen einzugreifen, wenn eine Über- oder Unterfunktion bestimmter Drüsenzellen eingetreten ist. Es gibt jedoch auch andere Ebenen der Homöostase wie die Regelung des Säure- und Basenhaushalts oder des Sauerstoff- und Stickstoffgehalts im Blut, die in Eigenmessung viel mühsamer bestimmt werden können. Hier hilft eine ärztliche Untersuchung, denn mit Laborwerten lassen sich das Hormonsystem und seine Funktion auf andere Weise darstellen. Doch hier gibt es oft zirkadiane Rhythmen, die beachtet werden müssen, oder Fehlbestimmungen verschiedener Ursachen können die Werte auch mal verfälschen.

Das Interessante: Den »Körper« als Organismus, als Einheit, wie man das früher definiert hat, gibt es gar nicht. Stattdessen haben wir hier nach heutigen Erkenntnissen einen riesigen Vielzeller mit etwa 40 Billionen Zellen, die alle aus einer einzigen Ursprungszelle abstammen und die dieser Vielzeller mit seinen eigenen Hormonen zu regulieren versucht. Er kann das aber nur in enger Abstimmung mit etwa 60 Billionen einzelnen Zellen, die auf seinen inneren und äußeren Oberflächen leben, und die jede für sich ein Individuum darstellen, das mitreden will. Dies geschieht auch über Botenstoffe. Zum Großteil sind es Bakterien, die über die Produktion von Botenstoffen mit dem Vielzeller Mensch kommunizieren und ihn beeinflussen wollen. Diese Botenstoffe sind ebenso Hormone und teilweise machen sie sich sogar Hormondrüsen des Vielzellers zunutze, übernehmen also sogar die Rolle einer Steuerzentrale, wie es der Hypothalamus ist. Zumindest gilt das für niedere Lebewesen. Die Forschung hat hierfür in der Pflanzenwelt eindrucksvolle Beispiele gefunden. Rhizobakterien, die auf Tomaten leben, bilden beispielsweise Trehalose, und diese veranlasst die Pflanze, Hormone zu bilden, mit denen mehr Wasser zurückgehalten wird. So überlebt die Tomatenpflanze in Dürreperiode und mit ihr die Rhizobakterien. Es ist quasi eine Zweckgemeinschaft oder Fahrgemeinschaft, bei der aber der Beifahrer ans Steuer geht. Vergleichbar ist es mit dem Gehirn eines Säugetiers in einer Durstperiode, das mit der Bildung des sogenannten adrenocorticotropen Hormons (ACTH) die Nebenniere dazu bringt, Aldosteron zu bilden, das an der Niere Wasser einspart.1 Die Bakterien werden hier zur Herrscherschicht über die Pflanze, die sie besiedeln, und machen sich die Pflanze untertan.

Auch wir sind dem Willen der Bakterien, die unseren Darm besiedeln, zu einem gewissen Grad ausgeliefert. So kann es geschehen, dass Sie Lust auf Süßes haben, wenn Pilze in Ihrem Darm leben, und das vor allem darum, weil diese Pilze gerne Zucker essen. Der Pilz teilt uns sein Begehren über Botenstoffe mit, die ins Gehirn gehen und es dazu anregen, die Aufnahme von süßen Nahrungsmitteln in Betracht zu ziehen. Die Anzahl an Botenstoffen, die so ein Bakterium ausschütten kann, ist noch nicht bekannt, ebenso wenig wie die genaue Anzahl der Botenstoffe unseres Gehirns, die derzeit auf etwa 100 geschätzt werden. Aber was bekannt ist: Je ähnlicher diese Botenstoffe unseren eigenen Botenstoffen sind, die im Blut kursieren, desto stärker ist auch die Wirksamkeit. Und diese Botenstoffe übermitteln nicht nur Information, sie verändern sie auch. In unserem Darm leben etwa 1500 verschiedene Arten von Mikroorganismen, deren Erbmasse unsere um das 100-Fache übersteigt. Diese Mikroorganismen erlauben uns, Nahrung besser aufzuspalten und zu verdauen und sie bilden für uns verschiedene Vitalstoffe, die wir im Stoffwechsel brauchen. Doch wie stark unterliegt unser Wille diesen Lebewesen, und kann es sein, dass manche Menschen ihrem Einfluss stärker unterliegen? Nun, das Einzige, was wir unter diesem Gesichtspunkt wissen, ist, dass es Freunde unter ihn gibt und Feinde. Es ist sehr sinnvoll, Mikroorganismen zu beherbergen, die an unserer Haut und unseren Schleimhäuten eine Barriere bilden, und feindliche Keime bekämpfen, die uns als reines Wirtstier oder Fleisch besiedeln und zerstören wollen. Denn die gibt es auch und gelingt ein offener Einbruch solcher Feinde, tritt eine Infektion und womöglich sogar eine Blutvergiftung auf, die zum Tod führen kann. Diese Verhältnisse erklären, warum unser Körper feindliche Mikroorganismen auch bekämpft und ihre Ausscheidung fördert, indem er Durchfall erzeugt oder Erbrechen. Und es erklärt, warum unsere Darmschleimhaut Mechanismen aufweist, die freundliche und hilfreiche Keime mittels Bildung winziger Zäune in Gefangenschaft nimmt, um sie wie Haustiere nutzen zu können. Unser Körper braucht also andere Organismen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Sie helfen ihm dabei, mit den Anforderungen des Lebens besser zurechtzukommen. Um diese Ressourcen nutzen zu können, müssen alle Zellen miteinander kommunizieren. Hormone und ihre Botschaften dienen hier als gemeinsame Sprache.

Der Stress der Moderne

In der Entwicklungsgeschichte der Menschheit feilten wir zunehmend an einer Intensivierung unseres Gemeinschaftswesens, denn Organisation und Arbeitsteilung erhöhen die individuellen Überlebenschancen, verbessern die Lebensbedingungen und erlauben es uns, die Lebensfeindlichkeit der Natur zu überwinden, die Härte der Realität abzumildern und ein Leben auf einem höheren Niveau zu führen. Einerseits ist das tatsächlich so. Andererseits hat sich der Stress lediglich verlagert und so bezahlen wir für die Segnungen der Zivilisation mit einer größeren Anstrengung jener Drüse, die in der Natur für unser Überleben unter Bedrohung sorgt. Das ist die Ironie unseres Lebens, dass die wachsende Bequemlichkeit und der Komfort des Lebens mit immer größeren Anstrengungen in unserem Körper verbunden sind, zumindest sofern wir in der Gemeinschaft und unter ihren Bedingungen leben. Wer daraus ausbricht und in die wilde Natur zurückkehrt, wird damit seine Nebenniere entlasten und deshalb oft auch wieder von einer Schwäche seines Hormonsystems heilen können. »Aussteigen« nennt man das, wenn ein »Burn-out« einen Zusammenbruch aller Lebensfunktionen – darunter vor allem des Hormonsystems – zur Folge hat. Aber in einer Zeit, in der die Erde immer kleiner geworden ist, wird so ein Ausstieg immer schwieriger möglich. Man kann ihn auf milde Weise unternehmen, indem man beispielsweise aus einem Job der Überanstrengung aussteigt und sich in das mehr oder minder weiche Netz der Grundversorgung fallen lässt. Oder indem man einen anderen Job annimmt, der weniger stressig ist und die Selbsterfüllung eher erlaubt. Man kann auf finanzielle Ansprüche verzichten und weniger arbeiten. Man kann sich durch angemessene Freizeitgestaltung mental und emotional aus dem Stress einer Lebenssituation herausziehen. Wer die Möglichkeiten ausnutzt, die ihm sein Leben in einer Partnerschaft, Familie oder Sippe bieten, das Leben stressärmer zu gestalten, kann dabei wieder zu jenem paradiesischen Zustand zurückkehren, der als Vorstellung in uns allen angelegt ist: ein stressfreies Leben mit friedlichen Tieren, Harmonie und überreich fließenden Nahrungsquellen. In der Bibel wird sehr zutreffend beschrieben, wie verschärfte Lebensbedingungen den Menschen aus diesem paradiesischen Zustand vertrieben haben, ohne allerdings darauf aufmerksam zu machen, dass der eigene Anspruch an das Leben, die Positionierung in der Gemeinschaft, aber auch die Konditionen des Lebens in einer Gemeinschaft ganz verschiedene Grade einer Stressbelastung erzeugen können. Wenn dann in einer Gesellschaft wie der, in der wir leben, mehr als die Hälfte der Menschen in der Mitte des Lebens eine Schwäche ihrer Hormondrüsen erleben und über Schilddrüsenentzündungen, Nebennierenschwäche, Diabetes und Wechseljahresbeschwerden klagen, gibt das zu denken. Es stellt sich die Frage, was hier im Einzelnen den Druck ausmacht, der diese Hormondrüsen angreift und ihre Kraft zerstört – Hormondrüsen, die unter den Lebensbedingungen entstanden sind, wie sie Gorillas in den Regenwäldern Afrikas erleben. Was entleert diese »Akkus«, was führt uns ins »Burnout«?

So geht Ihr Körper mit Stress um