Die Hexenprobe - Maj Bylock - E-Book

Die Hexenprobe E-Book

Maj Bylock

4,8

Beschreibung

Die junge Anneli hat ihr Gedächtnis verloren. Während sie umher irrt, findet sie Zuflucht bei Ylva, einer weisen Frau, die heilende Kräfte besitzt. Anneli gefällt das Leben bei Ylva. Sie stellt sich zudem sehr geschickt an und kann eine Menge von der alten Frau lernen. Von überall her kommen Menschen, um sich von Ylva und ihren geheimnisvollen Kräutern heilen zu lassen. Alles könnte so schön sein, doch irgendetwas kommt Anneli nicht geheuer vor. Immer mehr Menschen kommen und behaupten Ylva sei in Wahrheit eine Hexe. Aber stimmt das wirklich? Oder ist das alles nur Aberglaube?.–Erster Teil der "Hexen"-Reihe von Maj Bylock-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 131

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
14
4
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Maj Bylock

Die Hexenprobe

Aus dem Schwedischenvon Birgitta Kicherer

Saga

1

„Lauf!“ rief Anneli und trieb ihre kleine Schwester auf dem Pfad vor sich her. „Lauf, beeil dich!“

Sie war dem Weinen nahe. Die Zeit drängte. Aber es hatte geschneit, und der Pfad, der zum Stall hinunterführte, war steil und glatt. Die Füße der Kleinen schlitterten hin und her, und Anneli konnte ihr nicht helfen. Sie mußte ja den großen Wassereimer schleppen.

„Die Puppe!“ jammerte die Fünfjährige und versuchte zurückzulaufen, um ihre Puppe, die sie im Schnee verloren hatte, zu suchen.

„Die kriegst du nachher“, versprach Anneli. „Ich such sie dir.“

Gerade jetzt hätte sie einfach alles versprochen. Wenn nur ...

Endlich war sie mit der Kleinen im Stall. Sie breitete eine Armvoll Heu für sie aus.

„Leg dich hin und schlaf ein bißchen“, bat sie. „Oder sing den Zicklein was vor. Hauptsache, du bleibst im Heu, dann frierst du nicht. Ich komm gleich zurück.“

Rasch zog sie ein Stück Brot aus der Schürzentasche und steckte es der Kleinen zu.

„Hier hast du was!“

Die Kleine vergaß ganz zu jammern, weil sie so hungrig war. Sie hätte schon längst ihre Abendgrütze bekommen und läge auch schon im Bett, wenn nicht ...

Die Ziegen meckerten, und die Kitzlein hüpften im Verschlag umher. Die Kuh zerrte an ihrem Strick und blickte vorwurfsvoll hinter Anneli her. Sie hatte geglaubt, das Heu sei für sie.

Anneli schob die Stalltür von außen zu. Dann nahm sie den leeren Eimer und setzte ihren Weg fort, runter zur Quelle.

Mutter hatte sie gebeten, viel Wasser zu holen. Der Kessel, der oben im Haus bereits überm Feuer hing, genügte nicht.

Annelis Herz hämmerte wild. Sie hatte solche Angst. Wie sollte sie das alles nur schaffen? Das neue Kind hätte noch lange nicht kommen sollen. Und jetzt kam es doch ...

Wenn Vater nur daheim gewesen wäre! Aber Vater war heute schon in aller Frühe auf Fuchsjagd ausgezogen. Beim Nachbarn Hilfe zu holen, daran war gar nicht zu denken. Der Weg war viel zu weit und führte durch den finsteren Wald. Anneli käme nie rechtzeitig dorthin.

Hier unten lag die Quelle. Aber Anneli konnte nicht bis ganz vor rennen, sondern mußte das allerletzte Stück kriechend zurücklegen. Es war gefährlich, Wasser zu holen, wenn es so eisig und glatt war. Dies war keine gewöhnliche Quelle, sondern ein kleiner Waldtümpel, die Bodenlose Lache genannt. Wer in die Bodenlose Lache fiel, war für ewig verschwunden.

Endlich erreichte sie den Rand des Wassers.

Zum Glück brauchte Anneli kein Loch ins Eis zu hacken. Die Bodenlose Lache war immer offen, selbst wenn alle anderen Tümpel und Teiche zufroren. Bisher hatte noch niemand die Bodenlose Lache zugefroren erblickt.

Die Wasseroberfläche breitete sich blank und still vor ihr aus und spiegelte die roten Kiefernstämme und die Schneewehen am Ufer. Anneli beugte sich so weit wie möglich vor und sah ihr eigenes Bild. Ein blasses, ängstliches Gesicht. Ein hellbrauner Zopf, der über die eine Schulter nach vorne hing.

Aber was war das?

Sie war ja nicht allein! Dicht hinter ihrem eigenen erblickte sie ein anderes Gesicht im Wasserspiegel. Eine alte Frau mit weißen, strähnigen Haaren. Und die Augen ... Sie brannten, als wären sie aus Feuer!

Eine alte Frau? Vielleicht könnte sie Anneli bei Mutter helfen?

Anneli drehte sich rasch um. Doch der Pfad lag leer vor ihr. Wohin war die Alte verschwunden? Vielleicht war sie schon vorausgeeilt, hinauf zum Haus?

Anneli ließ den Eimer ins Wasser sinken, und der Wasserspiegel zerbrach.

Mutter würde viel Wasser brauchen!

Anneli füllte den Eimer bis an den Rand. Aber so wurde er zu schwer! Sie vermochte ihn kaum hochzuheben, und das Wasser schwappte über. Rock und Schürze wurden feucht, die Strümpfe völlig durchnäßt. Bei jedem Schritt platschte es in Annelis Schuhen aus Birkenrinde.

Sie mußte immer wieder stehenbleiben und ausruhen. Unruhig sah sie sich um. Wenn die Alte zu Mutter vorausgegangen wäre, müßten Spuren im Schnee zu sehen sein. Aber außer Annelis eigenen Spuren war nichts zu sehen. Und die führten zur Quelle hinunter, nicht hinauf zum Haus.

Keuchend kämpfte sie sich mit dem schweren Eimer den steilen Hang hinauf. Plötzlich stolperte sie über etwas, das aus dem Schnee herausragte.

Die Puppe!

Anneli hatte sie selbst aus einem Holzscheit für ihre kleine Schwester angefertigt. Die Haare der Puppe waren aus Moos, und die Arme trockene Zweige, die abstanden. Um den Bauch hin ein Rock aus einem blaukarierten Stoffrest.

Sie setzte die Puppe auf die Schneewehe.

Da ertönte ein Schrei!

Der Schrei schnitt Anneli direkt ins Herz, sie erstarrte und wurde so steif wie die Puppe.

Dann noch ein Schrei! Doch diesmal schwach, eher wie das Piepsen eines jungen Kätzchens.

Das Kind war geboren!

Anneli stürzte ins Haus. Hoffentlich war die Alte dort, um Mutter zu helfen. Aber nein! Außer Mutter und dem Kind war niemand da.

Jetzt mußte alles schnell gehen. Anneli kam nicht mehr dazu, etwas zu fragen, ja, kaum dazu, etwas zu denken.

Sie führte alles aus, was Mutter sie tun hieß. Zuerst suchte sie Leinen hervor, in das das Kind gewickelt werden konnte. Dann vermischte sie das heiße Wasser mit dem kalten Wasser aus dem Eimer. Es durfte nicht zu heiß sein, wenn sie den Kleinen abwusch.

Leicht war es nicht. Er zappelte, und der winzige Körper drohte ihr immer wieder aus den Händen zu gleiten. Es war ein Wunder, daß sie ihn nicht fallen ließ.

Er war so zart und klein, mußte behutsam behandelt werden und durfte ja nicht zu fest angefaßt werden!

Und die ganze Zeit schrie er, als gefalle ihm diese kalte Welt ganz und gar nicht. Er verstummte erst, nachdem sie ihn abgetrocknet und neben Mutter in die Wärme gesteckt hatte.

Endlich konnte Anneli ihre Schwester aus dem Stall holen. Das kleine Mädchen vergaß seine Puppe, als es sein Brüderchen zu sehen bekam. Voller Neugier strich die Kleine über die winzigen Zehen und Finger.

Heute abend war es beinahe unmöglich, die kleine Schwester ins Bett zu bringen. Wie ein junger Dachs krabbelte sie unter der Schaffelldecke umher, als Anneli sie zudecken wollte.

Endlich wurde es still in der Stube.

Auf dem Herd war das Feuer zu einem Gluthaufen zusammengesunken, und die Kälte begann sofort, durch die Ritzen an der Tür und in den Wänden zu dringen. Anneli erschauerte und legte noch mehr Holz auf.

Doch nicht die Kälte war heute nacht die größte Gefahr. Mutter hatte erzählt, daß das Feuer nie ausgehen dürfe, solange ein ungetauftes Kind im Haus sei. Wenn es im Haus dunkel würde, könnten die Trolle angeschlichen kommen und das Kind an sich reißen. An seiner Stelle würden sie ein Trollkind in die Wiege legen. Anfangs könne man keinen Unterschied feststellen. Aber schon bald würden dem Kind Schwanz und Krallen wachsen, und der Körper würde grau und behaart werden.

Anneli schlich zu dem Bett hinüber, wo Mutter mit dem Jungen auf dem Arm eingeschlafen war. Lange blieb sie dort stehen, streichelte die weichen Haare des Kindes und spürte den warmen Atem, der aus dem Näschen kam. Nie würde sie es zulassen, daß die Trolle ihn vertauschten! Er konnte tatsächlich schon ihren Finger festhalten!

Bald flammte das Feuer auf, und es wurde wieder hell und warm in der Stube. Anneli fröstelte nicht mehr. Ihre Augenlider wurden schwer. Aber sie würde unter keinen Umständen einschlafen! Kerzengerade blieb sie auf der Bank neben dem Herd sitzen. Sie würde bei Mutter und den Geschwistern wachen, bis Vater nach Hause käme. Schläfrig starrte sie ins Feuer. Plötzlich fiel ihr die Alte mit den goldenen Augen wieder ein ... Wer war sie, und wohin war sie verschwunden?

Anneli wachte auf, als Vater sich auf der Treppe den Schnee von den Stiefeln stampfte. Sofort lief sie ihm entgegen und berichtete voller Eifer, was geschehen war.

Vater war sonst immer sehr streng. Aber jetzt mußte er sie doch endlich einmal loben, jetzt, wo sie so tüchtig gewesen war?

Sie hatte kaum fertig erzählt, als er sie beiseite schob. „Ein Junge! Endlich ein Junge auf dem Hof! Ein tüchtiger Knecht!“

Anneli kroch zu ihrer kleinen Schwester ins gemeinsame Bett.

Ein tüchtiger Knecht, hatte der Vater gesagt. Genauso hatte er Anneli ab und zu genannt, wenn er mit ihr zufrieden gewesen war.

Bis jetzt.

Er lachte glücklich und hob das Kind hoch in die Luft.

„Tapio sollst du heißen, mein Junge. Tapio, Sohn des Waldes. Tapio hieß mein Vater, und Tapio heiße ich.“

Anneli sah den Kleinen voller Verwunderung an. Er brachte Vater zum Lachen, ohne etwas dafür tun zu müssen! Es genügte, daß es ihn gab.

Die Tage vergingen. Der Kleine durfte jederzeit schreien, soviel er wollte. Die Mädchen dagegen mußten sofort still sein, wenn Vater ins Haus kam. Am liebsten war ihm, wenn die kleine Schwester unterm Tisch saß und friedlich mit ihrer Puppe spielte.

Anneli spülte, trug Holz herein und wusch. Jetzt war sie eine Magd. Kein Knecht.

2

Die Tage vergingen. Eigentlich hätte schon längst Frühling sein müssen. Aber dieses Jahr war der Winter besonders lang und hart.

Der Junge war immer noch nicht getauft, obwohl jeder Säugling eigentlich getauft werden mußte, bevor er eine Woche alt war. Aber es war unmöglich gewesen, zur Kirche hinunterzukommen.

Das Feuer, das sowohl das Haus wärmen als auch die Trolle verjagen sollte, verschlang viel Holz. Der Holzvorrat, den Vater gehackt und in den Holzschuppen geschichtet hatte, ging allmählich zu Ende.

„Am Sonntag wird der Junge getauft“, beschloß Vater. „Jetzt können wir es nicht mehr wagen, noch länger zu warten.“

Mutter erinnerte ihn daran, wie weit der Weg zur Kirche sei. Es komme immer wieder vor, daß die Täuflinge unterwegs erfroren. Im Winter geborene Kinder seien meistens nicht besonders kräftig.

Mutter selbst war noch zu schwach, um den weiten Weg im Schnee zurücklegen zu können.

„Anneli kommt mit“, sagte Vater. „Sie muß hinterm Schlitten gehen und schieben.“

Anneli wurde ganz heiß vor Glück. Sonst war sie ja immer diejenige, die zu Hause bleiben und die Tiere und die kleine Schwester hüten mußte. Jetzt konnte sie es kaum erwarten, bis es Sonntag wurde.

Endlich!

Mutter bettete den Kleinen in ein dickes, weiches Schafsfell. Anneli versprach, gut auf ihn achtzugeben.

„Wenn er schreit, gibst du ihm von der Milch aus der Rindenflasche“, sagte Mutter.

Überall lag tiefer Schnee. Aber Vater hatte lange Beine und bahnte den Weg. Über der Schulter trug er seine Flinte – man konnte ja nie wissen, wem man begegnete, wenn man im Wald unterwegs war.

Anneli stampfte hinterher. Noch war die Rindenkiepe, die sie auf dem Rücken trug, nicht schwer. Nein, das einzige, was störte, war der Rock, der sich von Schnee durchnäßt, immer wieder um die Beine wickelte.

Der Kleine schlief friedlich auf dem Schlitten.

Sie kamen gut voran. Allmählich wurde der Wald lichter, und sie kamen auf einen Weg hinaus, den andere Menschen in den Schnee getrampelt hatten. Jetzt ging alles leichter.

Der Klang der Kirchenglocken schwang durchs Tal und hallte schwer gegen die hohen Berge.

Ding! Dong!

Ding! Dong!

Der Kleine wachte auf und begann, unter seinem Fell wütend zu schreien. Hungrig und naß! Anneli hatte inzwischen gelernt, seine Schreie zu deuten. Aber es war viel zu kalt, um ihn hier zu füttern.

Vater klopfte beim ersten Haus an, an dem sie vorbeikamen. Selbstverständlich durften sie hereinkommen und den Kleinen versorgen!

Als der Junge nicht trinken wollte, wußte die Hausfrau was zu tun war. Sie nahm einen kleinen Stoffbausch und stippte ihn in die Milch, und gleich darauf saugte der Kleine gierig alles in sich hinein.

Bald war er eingeschlafen, um erst wieder aufzuwachen, als der Pfarrer ihm das kalte Taufwasser über den Kopf goß.

Nach der langen Wanderung war Anneli ebenfalls müde. In der Kirchenbank kauerte sie sich eng neben Vater. Vorn auf dem Altar flatterten die Kerzenflammen im Zug hin und her. Der Gesang und die Wärme der vielen Menschen machten sie schläfrig. Sie nickte ein und lehnte den Kopf an Vaters dicke Lodenjacke. Aber in der Kirche schlafen – das ziemte sich nicht. Vater weckte sie mit einem Schubs.

Als es an der Zeit war, sich auf den Heimweg zu machen, hätte Anneli alles darum gegeben, sich in den Schnee legen und schlafen zu dürfen.

„Nein!“ sagte Vater. „Jetzt müssen wir uns beeilen! Die Predigt des Pfarrers war doch recht lang. Vor Einbruch der Dunkelheit müssen wir zu Hause sein.“

Obwohl der Weg jetzt bergauf führte, ging Vater sehr schnell. Einer von Annelis Rindenschuhen hatte ihren Strumpf durchgescheuert und schnitt ihr in die Ferse. Aber ohne Schuh konnte sie nicht durch den Schnee gehen. Also hinkte sie hinterher, so gut es ging. Der Schmerz in der Ferse hielt sie wach.

Sie erreichten den Wald, wo niemand außer ihnen einen Weg gebahnt hatte. Hoch oben sang der Wind sein Sonntagslied in den Kieferkronen. Mächtig und stark ...

Mächtig und stark ...

Das schwere Brausen wuchs zu einem Dröhnen. Bald darauf blies der Sturm seinen eisigen Atem über die Erde und preßte den Schnee zu Schneewehen zusammen. Bleigraue Wolken jagten über den Himmel, immer dunkler werdende Wolken, hinter denen die Sonne verschwand. Die Dunkelheit und der Schnee verwandelten Bäume und Felsen. Vater blieb stehen. Obwohl er diesen Weg schon so oft gegangen war, zögerte er jetzt. Vielleicht sollten sie doch lieber kehrtmachen und ins Dorf zurückkehren?

Nein, inzwischen hatten sie schon über den halben Weg hinter sich gebracht. Wenn sie erst etwas weiter oben auf der Höhe wären, würde er sich wieder auskennen. Sicherheitshalber setzte er seine Mütze verkehrt herum auf. Das war ein zuverlässiges Mittel, wenn man sich verirrt hatte.

Er packte den Schlitten und begann wieder zu ziehen.

Da ertönte ein Krachen. Eine Kiefer, die bisher vielen Winterstürmen getrotzt hatte, verlor ihren Halt und begann zu fallen. Vater warf sich hastig nach hinten und zerrte den Schlitten zur Seite. Der Baum erreichte den Boden nicht, sondern blieb schwer in den Zweigen der anderen Bäume hängen.

Die Wurzeln ragten wie schwarze Trollgestalten aus dem Schnee. Bald wurden sie von Eiskristallen überzogen.

Vater war inzwischen auch ganz weiß im Gesicht. Da entdeckte er zwei Felsblöcke am Berghang. Der eine streckte sich schräg gegen den anderen und bildete ein Dach. Vielleicht könnten sie dort Schutz suchen?

Er wendete den Schlitten und zog ihn zu den Felsen hinüber. Und plötzlich glitten die Kufen ganz leicht über den Schnee. Die Felsen öffneten sich freundlich wie zu einer Umarmung. Der Boden war hier von weichem, grünem Moos bedeckt.

„Oh!“

Erschöpft sank Anneli zusammen. Das Moos bildete ein wundervolles Bett. Nicht einmal Vater konnte sie am Einschlafen hindern. Sie merkte nicht, daß er am Schlitten zerrte – daß er hier wegwollte.

Er hatte nämlich entdeckt, wo sie Schutz gesucht hatten! Weit hinten zwischen den Felsen lag der Eingang zu den Sälen des Bergvolkes! Also war es das Bergvolk gewesen, das den Weg für sie geglättet hatte, um sie herzulocken. Mit dem Bergvolk wollte er nichts zu tun haben. Vor allem jetzt nicht, wo er die Kinder dabeihatte. Das Bergvolk lockte mit Vorliebe die Kinder der Menschen zu sich, um Hütejungen und Hirtenmädchen für ihre Kühe zu bekommen. Die Kinder, die in den Berg gelockt worden waren, kehrten fast nie wieder in die Freiheit zurück!

„Hier können wir nicht bleiben“, flüsterte Vater.

Aber er hatte keine andere Wahl. Draußen toste der Sturm. Vater tastete in seinen Taschen nach dem Feuerzeug. Er mußte ein Feuer anmachen, das war das einzige, was er tun konnte, um sich und die Kinder zu schützen. Nein, es gab noch ein weiteres Mittel! Er zog sein Messer aus der Scheide und schob es unter Tapios Felldecke auf dem Schlitten. Gegen finstere Mächte schützten sowohl Stahl als auch Feuer.

Und Gottes Wort, natürlich. Ein Glück, daß dies nicht auf dem Weg zur Kirche passiert war! Da war der Junge ja noch nicht getauft gewesen!