Die Jagd nach meinem toten Mörder - Arnika Bodenbach - E-Book

Die Jagd nach meinem toten Mörder E-Book

Arnika Bodenbach

0,0

Beschreibung

Es wird kriminell, lyrisch, dramatisch, romantisch, spannend, witzig, an manchen Stellen komisch und ein bisschen erotisch - aber auf keinen Fall langweilig!" Der Roman handelt von Sascha und Finn, die sich schicksalshaft über den Weg laufen u nd in eine gefährliche und emotionale Geschichte verwickelt werden. Der Roman enthält Elemente von Liebe, Verrat, Verbrechen und Spannung. Sascha und Finn müssen sich gegen eine unbekannte Bedrohung wehren. Wird ihre Liebe überstehen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 392

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Triggerwarnung:

Lieber Leser! In diesem Roman kommen Szenen voller Gewalt, sexueller Handlungen, bösen Worten und Traurigem vor, die potentiell vielleicht belastend wirken können. Bitte lies diesen Roman nur, wenn du dich dazu in der Lage siehst. Solltest du eher zu den empfindlichen Menschen gehören, so bitte ich Dich, diesen Roman nicht zu lesen oder aber es dir gut zu überlegen. Während sich die eine Liebe tränenreich verliert, wartet schon eine Neue an verborgener Stelle. Selbst wenn wir nicht nach ihr suchen, so wird sie uns finden. Sie versteckt sich hinter manch grotesker Fassade. Wie einst das Trojanische Pferd findet sie Wege, sich in die Tiefen unsers Inneren zu schleichen. Ehe wir verstehen, was geschehen ist, brennt unser Herz lichterloh. Manchmal sind es Freudenfeuer. Manchmal Scheiterhaufen. Die Liebe ist wie eine garantierte Infektion. Manchmal verläuft sie in Episoden, die Liebesinfektion. Oftmals ist sie chronisch. Die einen überleben sie und werden mit ihr sehr alt. Andere gehen an ihr zugrunde…

(Arnika Bodenbach)

Während sich die eine Liebe tränenreich verliert,

wartet schon eine Neue an verborgener Stelle.

Selbst wenn wir nicht nach ihr suchen,

so wird sie uns finden.

Sie versteckt sich hinter manch grotesker Fassade.

Wie einst das Trojanische Pferd findet sie Wege,

sich in die Tiefen unsers Inneren zu schleichen.

Ehe wir verstehen, was geschehen ist,

brennt unser Herz lichterloh.

Manchmal sind es Freudenfeuer.

Manchmal Scheiterhaufen.

Die Liebe ist wie eine garantierte Infektion.

Manchmal verläuft sie in Episoden, die Liebesinfektion.

Oftmals ist sie chronisch.

Die Einen überleben sie und werden mit ihr sehr alt.

Andere gehen an ihr zugrunde…

(Arnika Bodenbach)

Inhalt

Streit im Paradies.

Alleine

Sylt.

Pedro

Sonnenschein und andere Katastrophen

Entschuldigung geht durch den Magen

Essen mit fadem Nachgeschmack

Wir probieren es nochmal.

Ungeplante Übernachtung.

Ein neuer Morgen.

Zurück in die Zukunft.

Home sweet Home!

Routine oder eben nicht

Vermissen

Zwischen Kopf und Herz

Licht und Schatten

Unverhoffte Angebote

Alles seltsam

Locker ist nicht lose.

Verschollen

Letzte Warnung.

Wo steckst du bloß?

Glaube

Tanti

Eine Reise

Lügen

Zweisamkeit

Entscheidung ohne nachgedacht zu haben

Ganz schön traurig

Einsam

Wieder Zuhause

Etwas Süßes zum Dessert

Apfelkuchen

So viele Fragen und keine Antworten

Ein Spiel gegen die Zeit

Am Ende wird alles gut

Epilog

Danke

Streit im Paradies.

„Im Streit zwischen Mann und Frau erscheint der Mann immer roh, die Frau immer gemein.“ (Frank Wedekind)

„Sag mal, spinnst du!“ Krachend schlug neben Saschas Kopf die Kaffeetasse an die Wand und ging scheppernd zu Boden. „Ob ich spinne?“, schrie Mathis seine Verlobte an. „Ob ich spinne, fragst du mich?“ „Die gleiche Frage könnte ich dir stellen!“ Ihr Streit wegen eines dummen und simplen Kommunikationsfehlers eskalierte. Sascha war die Chaotin in ihrer Beziehung mit Mathis. Mit 23 Jahren hatten sich beide im Urlaub auf Lanzarote kennengelernt und verliebten sich. Nun befanden sie sich im sprichwörtlich verflixten siebten Jahr. Seit Monaten herrschte zwischen beiden eine Spannung, die ein Atomkraftwerk neidisch machen würde. Wegen Kleinigkeiten stritten sie. Die Zeit der Harmonie wurde immer weniger. Sie entzweiten sich. Keine gute Basis, wenn man bedachte, dass sie sich erst vor wenigen Monaten offiziell verlobt hatten. Und das war der Auslöser: Sascha hatte ohne mit Mathis zu sprechen bereits eine Lokation für ihre geplante Hochzeit gebucht. Sie stelle ihn einfach vor vollendete Tatsachen, ohne sich Gedanken gemacht zu haben. Sascha blickte an die Wand, an der nun ein hässlicher Kaffeefleck klebte. Kleine Rinnsale liefen in feinen Linien die Wand hinab. „Du bist ein Idiot“, keifte Sascha. „Du biste eine egoistische Kuh“, brüllte Mathis zurück. Ihre Stimmen prallten von den Wänden ab wie Gummibälle. Mathis blickte sich wütend um und suchte nach dem nächsten Gegenstand, den er werfen konnte. Doch bevor er entschieden hatte, was er werfen würde, drehte Sascha auf dem Absatz um und schnappte sich im kleinen Hausflur ihres alten Bauernhauses ihre Handtasche und ihren Schlüssel und schmiss krachend hinter sich die Haustüre zu. Bebend vor Wut stieg sie in ihren Mini und brauste mit quietschenden Reifen davon. In das Bauernhaus in einem kleinen Örtchen mitten in der Eifel waren Mathis und Sascha vor drei Jahren gezogen. Bis zu diesem Entschluss lebten beide in Köln. Mathis war Grundschullehrer und hatte das Glück, in der Eifel eine neue Stelle an einer kleinen Grundschule zu finden. Sascha war Künstlerin und verdiente ihr Geld mit dem Bau von Skulpturen. Ihr liebster Rohstoff dafür war Holz. Sie liebte die Wäre und die Wandelbarkeit von Holz. Freunde und Familie erklärten Sascha und Mathis für verrückt, aus dem impulsiven Köln in die Einöde ohne Handyempfang zu ziehen, und prognostizierten keine lange Wohndauer. Doch immerhin wohnten sie nun schon drei Jahre in der Eifel, und somit fast doppelt so lange, wie man beiden vorhergesagt hatte. Sascha genoss dieses zurückgezogene Leben. Und sie liebte die große Scheune, welche zum Wintergarten umfunktioniert wurde und somit dem ansonsten beengten Haupthaus einen lichtdurchfluteten und lufthohen zusätzlichen Wohnteil schenkte. Der Boden war mit alten Keramikfliesen ausgelegt und es gab eine riesige Fensterfront mit bodentiefen Fenstern, durch die man spektakuläre Sonnenaufgänge bewundern konnte. Sascha gehörte zu den Lerchen und liebte das frühe Aufstehen. Dieses mystische Licht, welches über den Spitzen der Krüppelkiefern aufleuchtete und den großen Raum im Zeitraffer in heller werdenden Lumen erstrahlen ließ. Die Wände waren schlicht weiß gekalkt worden und man konnte bis in den Dachgiebel schauen. In der Mitte des Raumes befanden sich ein gigantischer Werktisch und allerlei Werkzeug sowie Material für Saschas Arbeit. In einer Ecke stand ein alter Holzofen, der im Winter die nötige Wärme spendete. Sascha umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. Viel zu schnell fuhr sie durch die engen Straßen des Dorfes und stieß in Höhe eines kreuzenden Wirtschaftswegs fast mit dem hiesigen Bauern zusammen. Dieser hupte laut und saß wild gestikulierend hinter dem Steuer seines Traktors. Sascha umfuhr in einem zackigen Bogen die Front des Traktors, ohne wirklich die Geschwindigkeit zu verringern. Das Heck ihres Minis rutschte nervös hin und her. Doch Sascha war noch immer so aufgewühlt, dass es ihr schlicht scheißegal war. Unbeirrt und lediglich noch genervter setzte sie ihre Fahrt fort. Sie befuhr den Zubringer Richtung Autobahn. Ziel war ihre beste Freundin Milena, welche in Köln-Worringen wohnte. „Sascha?“ Überrascht öffnete Milena die Haustüre ihrer Doppelhaushälfte. „Was ist pas…“? Doch weiter konnte Milena ihre Frage nicht stellen, da ihr Sascha weinend in die Arme fiel. „Mensch!“ „Komm erstmal rein!“, sagte Milena sanft und zog Sascha mit in die Küche. „Setz dich!“ Schniefend nahm Sascha Platz. „Tee?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte Milena den Wasserkocher in Betrieb und bereitete zwei große Tassen mit Milenas eigener Kräuterteemischung vor. Eine Mischung aus Melisse, Pfefferminze und getrockneten Hibiskusblütenblättern. Wohliger Duft waberte durch die Küche, als Milena den Tee aufgoss. Schweigend stellt sie Sascha eine Tasse vor die Nase und setzt sich ebenfalls an den Tisch. Sie nippte an dem Tee. Feiner Dampf stieg aus der Tasse empor und hüllte Milenas grünen Augen kurz in Nebel. „Was ist passiert?“, fragte Milena leise. Sascha hatte aufgehört zu weinen und saß blass und zusammengesunken am Tisch. „Wir haben uns gestritten“, so richtig übel. Mathis hat sogar eine Kaffeetasse nach mir geworfen… Milena zog die Augenbrauen hoch. „Er hat was?“ Sascha nickte mit zusammengepressten Lippen. „Wegen was habt ihr so gestritten?“ Milena machte ein fassungsloses und ratloses Gesicht. Sascha wischte sich mit der Hand über die Nase wie ein kleines, trotziges Kind. „Wir wollen oder wollten doch nächstes Frühjahr heiraten“, begann Sascha. Naja, und ich habe eine Lokation gefunden. In einem alten Bahnhof, in dem man einen Saal mieten kann. Herrlich rustikal und schlicht. Dummerweise habe ich es mit Mathis nicht abgesprochen. Er hatte sich ja was Schlichtes gewünscht. Näher an Köln – wegen seiner Familie und unseren Freunden und so. Naja – und damit der Saal safe ist, habe ich die Kaution in Höhe von 500 Euro und die Saalmiete in Höhe von 550 Euro bereits überwiesen. Das Geld habe ich von unserem Gemeinschaftskonto genommen. Und Mathis hatte heute Morgen beim Onlinebanking gesehen, dass das Geld abgegangen ist. „Naja… So kam eben eins zum anderen.“ Milena schloss kurz die Augen. „Oh Sascha!“ Sascha ließ den Kopf hängen und seufzte. Ich habe es verbockt. Und es lief eh schon scheiße bei uns die letzten Monate. Ich glaube, Mathis fehlt die Stadt. „Er hat nur mir zu Liebe durchgehalten.“ Milena nahm Saschas Hand und drückte diese liebevoll. „Ach Liebes!“ „Es tut mir sehr leid!“ Wieder kugelten dicke Tränen über Saschas Wangen. Schniefend stellte sie ihrer die Frage: „Kann ich ein paar Tage bei dir pennen?“ Milena nickte. „Du nimmst mein Zimmer.“ Ich schlafe auf der Couch. »Dann störe ich nicht, wenn ich mich für die Arbeit fertig mache.« Sascha flüsterte einen Dank in Richtung Milena. Milena winkte nur ab und zwinkerte ihrer Freundin Kokett zu. Wie gut, dass Sascha und Milena etwa gleich groß waren. Somit konnte Milena mit Kleidung aushelfen, die Sascha in der Eile natürlich nicht eingepackt hatte. Es war nach 23 Uhr, als Saschas Handydisplay leuchtend einen Nachrichteneingang meldete. Sie war von Mathis: Hallo Sascha, vermutlich bist du bei Milena. Sorry wegen der Tasse. Habe mir ein Zimmer bei Georg und Helga genommen. Meine Schlüssel habe ich in den Briefkasten geworfen. Du kannst das Haus weiter bewohnen. Ist eh mehr deines als meines. Denke das war's für uns? Gruß Mathis Sascha saß im Dunkeln auf dem Bettrand und las wie versteinert die Nachricht. Denke das war's für uns? Dieser Satz brannte sich in ihre Augen und in ihr Inneres. Ein schmerzhafter Knoten bildete sich in ihr und drehte sich um ihre Eingeweide wie eine bösartige Würgeschlange, welche gerade sehr ausgehungert Beute gemacht hatte. Und nun? War es das wirklich? Sascha saß schon am Küchentisch, als Milenas Wecker klingelte. Die Kaffeemaschine fauchte bereits und der Kaffee tröpfelte zischend und duftend in die Glaskanne. Verschlafen betrat Milena die Küche. „Na du Lerche?“, fragte Milena brummelnd. „Hast du überhaupt geschlafen?“ Sascha verneinte mit einem Kopfschütteln. Sie schob ihrer Freundin die Nachricht von Mathis zu. Milena kniff ihre Augen zusammen, um diese dazu zubewegen, sich scharfzustellen, um somit den Text entziffern zu können. „Fuck!“, kommentiert sie einen Moment später. Schweigend tranken sie den ersten Kaffee dieses frühen Morgens. „Ich bin mal duschen“, sagte Milena und verschwand Richtung Badezimmer. Einen Moment später schloss die Türe mit einem Klack und kurz darauf war das Rauschen des Wassers zu hören. Und Sascha saß alleine am Küchentisch. Daran würde sie sich wohl gewöhnen müssen, dachte sie in dieser Stille. Milena nippte immer wieder an ihrem Kaffee. Gleichzeitig ließ sie ihren Blick durch die Küche schweifen. An der langen Wand in Milenas Küche war eine riesengroße Magnetwand. Diese war üppig behangen mit gefühlt tausenden von Zetteln, Karten, Notizen, Postkarten und Zeitungsseiten, die ganz schön lieblos aus Magazinen gerissen waren. Es sah aus wie eine plane Litfasssäule. Der Vorgänger des heutigen digitalen Posts. Eine Pinnwand. Inmitten dieses Durcheinanders fand Sascha eine Karte mit einem Spruch, der ihr sofort ins Auge stach: „Das Leben ist Fahrradfahren.“ „Um das Gleichgewicht zu halten, musst du in Bewegung bleiben.“ – Albert Einstein Über diesen Satz verlor sich Sascha in Gedanken und erschrak furchtbar, als Milena frisch geduscht, angezogen und wohlduftend wieder in der Küche stand. Vor lauter Schreck ließ sie die Kaffeetasse aus der Hand fallen. „Ach, Scheiße“, fluchte Sascha und holte hastig Küchenpapier, um den Schaden in Grenzen zu halten. Während Sascha den Tisch und den Boden vom Kaffee befreite, setzte sich Milena in ihrem sehr eleganten und perfekt sitzenden Kostüm an die andere Seite des Tisches. Milena arbeitete als Chefredakteurin einer Lokalzeitung. Sascha brach das Schweigen: „Ich fahre heute wieder in die Eifel.“ „Ich muss ja ein paar Sachen klären, denke ich…“ Milena nickte stumm. Milena war kein Mensch vieler Worte. Ihre kommunikativen Stärken lagen eher im Bereich Wort und Schrift. „Ich muss los“, sagte Milena. Sie trat um den Tisch und gab ihrer besten Freundin einen Kuss auf den Scheitel. „Du kannst bleiben, so lange du möchtest.“ „Schreib mir“, sagte sie liebevoll. Mit diesen Worten brach sie auf. Mit einem KLACK fiel die Türe ins Schloss. Und wieder zog die Stille ein und zog einen schweren Mantel um Saschas Schultern. Eine Stunde später, nachdem sie ein wenig aufgeräumt und vor allem den kaffeekochenden Drachen ausgeschaltet hatte, brach sie auf in Richtung Eifel.

Alleine

Am Anfang trifft man sich nur, später vermisst man sich, und irgendwann kann man nicht mehr ohne. Die ganze Welt verliert die Farbe, wenn du alleine bist Und du denkst, du musst lernen, damit umzugehen (Sierra Kidd – Signal, Album: Kopfvilla).

Mit gemischten Gefühlen und einer großen Portion Unbehagen schloss Sascha die Türe auf. Vor der Trennung kam ihr die Stille des kleinen Häuschens nicht so bedrohlich vor. Doch heute hatte sie etwas Gefährliches an sich. Das Erste, was ihr auffiel, waren die Lücken an der Wand im Flur. Mathis hatte Nägel mit Köpfen gemacht, wie sich gleich feststellte. Mathis hatte alle persönlichen Sachen bereits mitgenommen. Die Schulferien hatten gerade begonnen, was Mathis Zeit gab, um seine sieben Sachen zu packen. Er fuhr einen großen Skoda Octavia, der stolze 505 Liter Kofferraumvolumen besaß. Mathis war Minimalist. Das Meiste, was er besaß, waren Bücher und Nachschlagewerke und diverse Musikinstrumente. Gitarren, Flöten, eine Kalimba, ein Keyboard sowie ein Benjo. Sascha überflog in Gedanken die Menge an Hab und Gut, welches von Mathis stammte, und schätzte, dass er nur zwei volle Kofferraumladungen brauchte, um ausgezogen zu sein. Sie ging langsam durch das Haus. Es glich einem Lost Place. Es wirkte seltsam leer, obwohl alles, bis auf wenige Dinge, an seinem Platz stand. Die meisten Möbel hatte Sascha mit in die Beziehung gebracht. Viele alte Fundstücke vom Sperrmüll oder vom Flohmarkt, die sie liebevoll aufgearbeitet und restaurierte und ihnen so als Upcycling eine zweite Lebensdauer schenkte. In diesem Moment wurde Sascha bewusst, dass sie Mathis nicht viel Platz und Raum in ihrer Beziehung gelassen hatte. Nicht nur räumlich gesehen. Sie hatte ihn überrollt und ihm die nötige Luft genommen. Wie giftige Pfeilspitzen traf sie diese Erkenntnis. Sie rutschte mit dem Rücken an der Wand der Scheune herunter und kam sitzend auf dem Boden auf. Schweigend und traurig blickte sie aus den großen Fenstern. Sie sah zu, wie der Tag Abend wurde und aus dem Abend Nacht. Der Mond war noch nicht ganz voll. Dennoch erleuchtete er alles. Sein Licht fiel direkt auf Sascha. Es war, als säße sie im Rampenlicht. Im Dunkeln glaubte sie, Zuschauer zu vermuten, welche alle mit dem Finger auf sie zeigten und sich bereit machten, mit faulen Eiern und Tomaten nach ihr zu werfen. Ihr fielen die Textzeilen von „Loosing my Religion“ von REM ein: „Oh life is bigger.“ It’s bigger than you… That's me in the corner. That's me in the Spot-Light. „Loosing my religion…“ Das Rampenlicht verschwand mit dem Wandern des Mondes. Anstatt eines wütenden Publikums schlichen zwei Katzen an den bodentiefen Fenstern entlang und fühlten sich in der nächtlichen Dunkelheit fast unsichtbar. Sascha konnte einen Igel sehen, der ihren doch eher naturbelassenen Garten durchquerte. Ein Reh mit Kitz fraß in Seelenruhe in Mitten des Gartens, der ohne Zaun nahtlos in den Wald überging. Ein Uhu war in Entfernung zu hören. Ein Marder schrie. Doch das alles bemerkte Sascha kaum. Sie starrte gerade weg hinaus und sah, dass aus der Nacht ein neuer Tag geworden war. Ihre Blase meldete sich. Sie hatte die ganze Nacht auf dem kalten Steinboden gesessen. Ihr Rücken war fest und steif. Der Bauch knurrte heftig. Schon komisch, dass der Körper dem normalen Tagesgeschäft folgt, während Herz und Seele trauern. Unbeholfen rappelte sich Sascha hoch. Es dauerte einen langen Moment, ehe sie in der Lage war, sich vorwärts zu bewegen. Mechanisch steuerte Sascha die kleine Gästetoilette im Erdgeschoss an. Sie schaute während des anschließenden Händewaschens in den Spiegel. Sie war blass mit eingefrorener Mimik und tiefdunklen Augenringen. Sie sah aus wie der Tod auf Urlaub. Da ihr Bauch nicht aufhörte zu knurren, begab sich Sascha in die gemütliche Küche mit der Eckbank und dem dreieckigen Tisch. Der Tisch sollte groß genug sein, um viele Menschen an sich sitzen zu lassen. Und Sascha wollte unbedingt eine Eckbank. Sie fand bei Einzug, das müsse man in einem Bauernhaus so haben. Da ein klassisch viereckiger Tisch aber nicht gepasst hätte, bearbeitete Sascha kurzerhand einen Kieferntisch und machte somit beides möglich: Eckbank und Platz für zehn Personen. Um aus dem Sondermaß auch noch ein Unikum zu machen, bekam der Tisch ein Tischplattenmosaik aus alten Fliesen, Glassteinchen und Tonscherben. Er wirkte fast schon mallorquinisch. Doch der Tisch fügte sich unglaublich harmonisch in die Ecke der Küche ein und es wirkte, als ob nie etwas anderes dort hätte stehen sollen als diese Essecke mit dem dreieckigen Mosaiktisch. Sascha nahm sich eine trockene Scheibe Toast und bereitete sich mit dem Kaffeevollautomaten einen Kaffee. Das Mahlen der Bohnen dröhnte in ihren Ohren. War das Ding immer schon so laut? Der Krach sprengte beinahe die Wände. Dann trat wieder Stille ein. Nach Kaffee und Toast überkam Sascha eine bleierne Müdigkeit, die stärker war als jede Anziehungskraft. Schlurfend begab sie sich die schmale, knarrende Treppe nach oben. Dort gab es ein Bad mit Dusche und WC, ein geräumiges Schlafzimmer, ein Gästezimmer und ein Büro für Mathis. Ohne einen Blick hineinzuwerfen schloss Sascha lediglich die Türe des Büros und stolperte dann ins Bett. Sie schaffte es gerade noch, die Decke überzulegen, als sie der Schlaf übermannte. Es war bereits früher Abend, als Sascha die Augen öffnete. Sie tastete nach Mathis Bettseite. Doch diese war kalt und leer. Ausgelaugt setzte sich Sascha auf die Bettkante. Von unten konnte sie dumpf ihr Handy klingeln hören. Ohne Eile stieg Sascha die Treppe hinab und lokalisierte den Ort, von dem das Klingeln kam. Das Handy war noch in der Handtasche. Diese hing im Flur an der selbstgebauten Garderobe aus alten Geweihen. Sascha war der Meinung, ein altes Bauernhaus in der Eifel braucht so etwas. Was hatte Mathis eigentlich gewollt? Fast alles, auf das sie blickte, entsprach ihren Vorstellungen und Wünschen. Hatte Mathis überhaupt Platz in ihrer Beziehung gehabt? Er hatte sich nie beschwert, aber er wurde immer unglücklicher. Sie hatte es nur nie wahrgenommen. Wie blind hatte sie in dieser Beziehung gelebt? Selbsthass stieg in Sascha auf. Ein erneutes Klingeln ihres Handys störte den Prozess. Sascha fummelte unbeholfen in ihrer Tasche herum und angelte das Handy heraus. „Hallo?“, sagte Sascha müde. „Herr je Sascha! Ich versuche seit Stunden, die zu erreichen. Ich war kurz davor, ins Auto zu steigen und zu dir zu fahren. Geht’s dir gut? Was treibst du? Für Milena ein reißender Redefluss, der bei ihr höchst selten vorkam, es sei denn, sie war betrunken oder in einer extremen emotionalen Gefühlslage. Letzteres traf in diesem Falle zu. „Mist!“ Sorry Milena. Ich habe geschlafen. Sonstnix. Sonst ist hier nichts los. Weil ich bin alleine. Und daran bin ich ganz alleine Schuld. Weil ich eine egoistische, selbstverliebte, blöde Kuh bin…“ Sascha brüllte die letzten Worte in das Telefon. Doch ehe Sascha weiter reden konnte, plärrte Milena dazwischen. „Stopp“!!! „Rühr dich nicht von der Stelle! Ich mach auf den Weg zu Dir!“ Sascha stockte. „Was?“, fragte Sascha, das am Ende machende TUT TUT TUT. Etwa 1,5 Stunden später stand Milena im Türrahmen. Sascha fiel ihr abermals weinend in die Arme. „Ich habe ein paar Tage „Home-Office“ genommen, sagte Milena, während sie sich umschaute. „Wir kennen uns jetzt wie lange?“ Diese Frage war mehr rhetorischer Art, und die Antwort gab sich Milena selber: „Seit unserem 17. Lebensjahr. Richtig! Das sind schon ein paar Tage. Und es waren auch schon ein paar Männer und Trennungen dabei. Doch so am Boden habe ich die noch nie gesehen!“ Liebevoll nahm Milena Saschas Gesicht in beide Hände und blickte ihr voller Wärme in die Augen. Dicke Tränen rollten Saschas Wangen hinab. „Ich bin da für dich! Das war ich immer und das werde ich immer sein!“ Mittlerweile saßen beide Frauen auf dem Sofa. Sascha in Milenas Armen. Schweigend saßen beide Frauen nebeneinander auf dem Sofa. Milenas Plan: Sascha wieder in die Spur zu bekommen. Was hältst du von einer Dusche? „Ich werde in der Zwischenzeit etwas für uns kochen.“ Sascha schnaufte tief durch. Milena hatte Recht. Vom Trübsalblasen würde es nicht besser werden. Somit begab sich Sascha ins Bad, während Milena sich an die Töpfe stellte. Als Sascha nach der Dusche zurück in den Flur trat, hieß ihre Nase einen fantastischen Duft aus gebratenem Speck und Eiern willkommen. Milena hatte wunderbares French Toast zubereitet. Dazu gab es eine Guakamole. Das Essen tat Sacha gut. Es beruhigte nicht nur ihren Magen, sondern auch ihre Nerven. Sie musste nach vorne schauen. „Sag mal“, begann Milena mit vollem Mund. „Wie sieht es finanziell bei dir aus?“ Sascha blieb fast der Toast im Halse stecken. Sie hustete und spülte dann mit einem Schluck Wasser hinterher. „Wie meinst du das?“ Milena hob eine Augenbraue. „Wie, wie meine ich das?“ So wie ich es gefragt habe. Wie sieht es finanziell aus? Sascha war skeptisch. „Ganz gut, warum?“ Milena kaute zu Ende. „Naja, wenn es ganz gut ist, dann pack deine Koffer und fahr für ein paar Tage weg. Schalt ab. Komm auf andere Gedanken. Sowas eben. Dafür braucht man eben ein bisschen Kohle.“ Sascha schaute ihre Freundin nachdenklich an. Wieder kam ihr das Zitat von Einstein in den Sinn, welches sie an Milenas Pinnwand gelesen hatte. Sascha blickte an Milena vorbei und verlor sich in verschiedenen Gedanken. Sie atmete tief ein und wieder aus. Du hast Recht. Vielleicht sollte ich das tun. Ein paar Tage ans Meer. Je länger Sascha darüber nachdachte, umso besser gefiel ihr die Vorstellung. Dabei nickte Sascha wie ein Wackeldackel auf der Hutablage eines Autos. „Klingt gut“, erwiderte Milena Saschas Kopfnicken. Sascha nickte weiter. Ja! „Das klingt wirklich gut.“ Zwei Tage und viele Taschentücher später verabschiedete sich Milena und trat den Weg zurück nach Köln an. Da Sascha noch zwei Auftragsarbeiten abzuschließen hatte und noch ein paar Dinge zu klären waren, verschob sich Saschas Reisebeginn um vier weitere Wochen. In dieser Zeit gab es von Mathis kein Lebenszeichen. Selbst bei ihren wöchentlichen Einkäufen im nächstgelegenen Supermarkt begegnete sie ihm nicht. Noch nicht mal rein zufällig. Sie vermisste Mathis. Nachts besonders. Das Schlimme: Sie vermisste Mathis nicht als Mensch und seine Art, sondern eher wie etwas Liebgewonnenes, was man verloren hatte. Wie ein Kuscheltier, das man im Urlaub vergessen hatte. Oder einen Ring, den man verlor und es erst am nächsten Tag bemerkt. Es war mehr ein Bedauern. Schade, dass er weg ist. Klar hätte ich ihn auch geheiratet. Wir wären schon glücklich alt geworden. Irgendwie. Es war doch gut. Ich kannte alle seine Macken und Ecken. Diese und noch mehr Gedanken schossen Sascha in den Kopf, wenn sie ihre Gedanken nicht auf ein bestimmtes Thema lenkte. Diese Gedanken stimmten Sascha traurig, denn sie machten ihr schmerzlich bewusst, wie abgeliebt ihre Beziehung schon war. Die vier Wochen vergingen wie im Flug und dann war es in Stein gemeißelt: Ihr Reiseziel war Sylt. Jeden Tag, der seit dem Auszug von Mathis verstrich, wurde Sascha immer bewusster, dass Mathis und sie schon lange vor dem hässlichen Aus getrennt waren. Sie hatten es nur nicht bemerkt oder aber nicht aussprechen wollen. Diese Erkenntnis schmerzte zusätzlich, ließ die Situation aber irgendwie erträglicher erscheinen. Mathis hüllte sich zurzeit in großes Schweigen und hielt weiterhin Abstand. Houdini wäre sehr stolz auf ihn gewesen – so unsichtbar machte er sich. Mathis Mutter rief eines Abends Sascha an und wollte ihren Teil der Geschichte hören. Sie bedauerte die Trennung sehr, aber beide waren ja noch sehr jung. Vielleicht auch noch zu jung, um sich schon festzubinden… Als ob man mit 30 Jahren gerade aus dem Gröbsten heraus wäre, was unter Umständen vielleicht auch stimmt. Aber was erlaubte Mathis Mutter sich überhaupt? Hatte sie selber nicht mit 19 Jahren geheiratet? Sie war jetzt 75. Mathis war ihr Nesthäkchen. Der Jüngste von 5 Kindern. Dennoch kein Grund, von ihm und ihr zu sprechen, also ob sie große Kinder wären. Sie hatte mal gelesen, dass Mütter in ihren Kindern immer ihre Kinder sähen, egal wie alt diese schon waren. Da Sascha noch keine eigenen Kinder hatte, konnte sie diese These nicht bestätigen oder dementieren. Ihre Mutter wiederum gab keinen Kommentar dazu. Wie üblich. Lediglich sprach sie etwas von Schicksal, Führung und Bestimmung. Ihr übliches Mantra und Antwort auf alle Lebensfragen und Krisen. Saschas Mutter war Esoterikerin durch und durch. Sie hatte eine kleine Jogaschule, machte Meditations-Workshops und unterrichtete „Kräuterkunde im Garten, Feld und Wiese“ an der VHS. Sie lebte das Gebot der Nächstenliebe in freier Interpretation, was zur Folge hatte, dass durch das Leben ihrer Mutter so viele Männer zogen wie Plankton durch die Barten eines Blauwals. Namen merkte sich Sascha schon lange keine mehr. Sie liebte ihre Mutter dennoch. Einen Vater gab es nicht. Also schon. Bestimmt. Saschas Mutter hatte nach ihrer Geburt angegeben, dass der Vater unbekannt sei. Sascha war sich sicher, dass ihre Mutter wusste, wer ihr biologischer Vater war. Doch sie sprach nie darüber. Vermutlich würde sie dieses Geheimnis mit ins Grab nehmen. Das war auch einer der Gründe, warum Sascha und ihre Mutter nur sporadischen Kontakt hatten. Saschas Mama war die friedlichste und liebenswerteste Person, der sie jemals begegnet war. Doch wenn Sascha das Thema „Wer-ist-mein-Vater-denn-ich-habe-ein-Recht-darauf-es-zu-wissen“ anschnitt, wurde aus ihrer so sanften Mutter eine Furie. Darauf hatte Sascha absolut keinen Bock mehr. Daher minimierte sie sämtliche Besuche und Telefonate auf das Nötigste.

Sylt.

Dieses Gefühl, wenn du ins Bett gehst und weißt: Morgen beginnt dein Urlaub! (Küstenglück)

Sascha war voller Vorfreude auf ihren wohlverdienten Urlaub auf der wunderschönen Insel Sylt. Nach einer langen Zugfahrt von fast neun Stunden erreichte sie endlich ihr Ziel. Noch während Sascha im ICE saß und durch das Watt über den Hindenburgdamm fuhr, erahnte sie Sylt mehr, als dass sie die Insel sah, denn sie wurde von dichtem Nebel eingehüllt. Sie erreichte den Bahnhof Westerland. In Rantum hatte sie noch eine kleine Ferienwohnung mit 35 m2 ergattern können. Ein niedliches kleines Nest mit nur 5 Gehminuten zum Strand. Genau das, was Sascha wollte. Es war noch Ferienzeit und somit Urlaubszeit. Die meisten Unterkünfte auf Sylt waren schon lange vor dem Beginn der Urlaubszeit ausgebucht. Doch aus einem Bauchgefühl heraus hatte Sascha die Vermieter der kleinen Ferienwohnung angeschrieben und einfach nur Glück gehabt, dass diese Wohnung frei war – und zwar für drei Wochen. Sie buchte ohne Sinn und Verstand sofort die gesamte Zeit. Sascha war der Meinung, es verdient zu haben. Es schlichen sich heimlich die Worte ihrer Mutter in ihre Gedanken. Fügung. Schicksal. Vorherbestimmt. Sascha schüttelte kurz den Kopf und fegte diese Gedanken hinfort. Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Wie gut, dass der Zugführer mit seinem sympathisch nordischen Akzent die Einfahrt ansagte, denn draußen war so dichter Nebel, dass Sascha auf Gut Glück ausgestiegen wäre. Sie stand auf und holte ihren Trolley aus der Gepäckablage und schnallte sich ihren großen Rucksack auf den Rücken. Den Kragen ihres Hoddies zog sie noch etwas höher. Dann kam der Zug ruckelnd zum Stehen. Mit im Zugabteil waren zwei Schulklassen, welchen Sascha den Vortritt ließ und sich zurück in ihre Sitzreihe stellte. Die Lehrer hatten alle Hände voll zu tun, ihre Schützlinge im Auge zu behalten. Die Kids waren damit beschäftigt, wild durcheinander ihre Koffer, Taschen und Rucksäcke einzusammeln und sonstigen Krimskrams nicht zu vergessen. „Wem gehört diese Jacke?“ „Hat jemand meine Kopfhörer gesehen.“ Es wurde geschubst und gedrängelt. Ein einziges Tohuwabohu. Aber dann war auch Sascha endlich an der Reihe und konnte aus dem Zug steigen. Draußen schlug ihr eine kalte Nebelfront entgegen. Mit Sommer, Sonne und Sonnenschein hatte das hier alles nichts zu tun. Aber die Wetterprognosen stimmten zuversichtlich, dass Sascha auch Bikini und Shorts tragen konnte. Vom Bahnhof bis zu ihrer Unterkunft waren es nochmal 6 km. Also verließ sie den Bahnhof und suchte sich ein Taxi. Davon gab es hier auf Sylt scheinbar reichlich, denn sie hatte die Qual der Wahl. Mit einem freundlichen „Moin“ begrüßte sie einer der Fahrer, der einfach schneller wie seine Kollegen war, und half Sascha, den Trolley gut im Kofferraum zu verstauen. „Wo soll`s denn hingehen?“, fragte der Taxifahrer, der schon um die Mitte 50 sein durfte, mit diesem von Sascha so geliebten friesischen Platt in der Stimme. „In die Stiindeelke 16 nach Rantum bitte“, antwortete Sascha. „Na denn Mann Tau“, gab der Fahrer zurück und begann die Fahrt. „Ist heut nicht so schön, was?“ Der Taxifahrer versuchte sich im Smalltalk. „Naja. Ist ja nur Dook. Und wenn et dakig is, dann dieselt dat nech.“ Sascha war wie wohl jeder Tourist, der die Sprache nicht verstand, sehr höflich und sie lächelte und nickte sehr geübt, wie ein Wackeldackel auf einer Hutablage in einem Auto. Der Taxifahrer warf einen grinsenden Blick in den Rückspiegel und schaute dann noch breiter lächelnd auf die Straße. Er hätte ihr die schlimmsten Schimpfwörter an den Kopf schmeißen können wie „Döösbattel“ oder „du dove dreetittige Koh“. Die Fahrt ging schnell vorüber und so gab es keine Zeit für weitere peinliche Momente. Sascha hatte genickt und gelächelt. Sascha ging davon aus, dass der Fahrer nichts Unanständiges zu ihr gesagt hatte, und gab ihm ein anständiges Trinkgeld. Im Gegenzug bekam Sascha seine Visitenkarte. „Wenn ehr eens en Foehrer bruken". Sascha konnte sich denken, was er sagte. Sie nickte ihm erneut zu und steckte die Visitenkarte in die Seitentasche des Rucksacks. Eine halbe Stunde später saß sie auf dem süßen, kleinen, roten Sofa ihrer schnuckeligen und winzigen Ferienwohnung. Draußen war nichts zu sehen als Nebel. Doch sie hörte die Möwen schreien und in den Pausen ihrer Schreierei hörte sie die Wellen schlagen. Sie war auf Sylt angekommen. Endlich! Die Wohnung war so niedlich klein, dass ihr Trollie und der Rucksack, welche sie in der Mini-Küchen-Wohn-Ess-Stube abstellte, beinahe den gesamten Platz einnahmen. Also rappelte sich Sascha auf und verstaute den Inhalt beider Gepäckstücke in dem Schrank. Draußen war es lausig. Es war nicht nur immer noch nebelig, sondern der Wind hatte begonnen zu wehen. Er schien den Nebel direkt vom Meer auf die Insel zu treiben. Es war nicht direkt kalt, aber Sascha fröstelte es. Es lag vielleicht auch an ihrer Müdigkeit, die sich so langsam in ihren Gliedern breit machte. Eine warme Dusche würde helfen. Das sagte ihr Kopf. Doch eine Etage tiefer meldete sich ihr Magen zu Wort. Sascha stand irgendwie zwischen den beiden. Kurzerhand gab sie ihrem Magen Recht und schob die warme Dusche nach hinten. Sie fischte sich eine frische Jeans und einen Pullover aus ihrem Schrank. Dazu die Wanderschuhe und ihren Multifunktionsparka. Vermutlich das Pendant zur Übergangsjacke. In den Tiefen ihres Rucksacks befand sich irgendwo auch noch eine Strickmütze, die nach viel umständlicher Kramerei zu Tage kam. Jetzt noch ihre Geldbörse und das Handy und bloß nicht den Schlüssel der Wohnung vergessen. Darin war Sascha Spitze! Wann es immer gar nicht passte, vergaß Sascha ihren Haustürschlüssel. Der war praktischerweise an ihrem Autoschlüssel befestigt. Nun müsste man meinen, dass, wenn man spät dran ist und einen wichtigen Termin hat, man neben Tasche und sonstigem Firlefanz auch an den Schlüssel denken müsste. Jeder, nur Sascha nicht. Wie oft hatte sie sich selber ausgesperrt? Wild fluchend war sie dann mit dem Handy in der Hand durch das kleine Dorf geirrt, auf der Suche nach ein bisschen Empfang, um dann Mathis zu schreiben oder ihn anzurufen. Da er es nicht weit hatte von der Schule, an der er arbeitete, bis zu ihnen nach Hause, half er ihr immer aus der Patsche. Irgendwann entwarf Sascha eine große Holzskulptur, die aussah wie eine überdimensionale Eule und den Eingangsbereich vor der Haustüre schmückte. Darin gab es ein Geheimfach für den Haustürschlüssel. Doch hier auf Sylt gab es keinen Mathis, der an so wichtige Dinge wie Schlüssel dachte. Sascha war gezwungen, an sich zu arbeiten. So viel zum Thema Urlaub. Alles Wichtige, inklusive Schlüsseln, verstaute sie in ihrer Jacke und trat auf die kleine Straße, die an der Ferienwohnung lag. Erst dachte Sascha, dass sie sich das mit dem Wind nur eingebildet hatte, doch als sie aus dem Windschatten des Hauses trat, fegte sie eine Böe fast um. Überrascht justierte Sascha ihren Gleichgewichtssinn nach. Was für sie schon ein halber Sturm war, schien für die Sylter lediglich ein laues Lüftchen zu sein. Auf der anderen Straßenseite sah eine Dame mittleren Alters mit ihrem Hund spazieren gehen. Beide sichtlich unbeeindruckt. Der Wind verpasste dem langhaarigen Cockerspaniel einen neuen Scheitel, und auch der Bommel der Mütze auf dem Kopf der Frau zeigte, woher der Wind kam. Ohne Fehltritt oder große Schieflage setzten beide ihren Weg fort. Sascha hatte sich die Gastronomie Strandmuschel ausgesucht. Sie lag nur 250 Meter von ihrer Ferienwohnung entfernt. Als sie die sehr einladende und moderne Strandbude erreichte, war nicht viel los. Es war erst kurz nach sechs und die Küchenpause hatte gerade erst geendet. Somit hatte Sascha Glück, ein sehr gemütliches Plätzchen zu finden. Glück war auch, dass sich der Nebel nach und nach auflöste. Die großen Fenster, die ringsherum waren, gaben minütlich mehr und mehr Sicht auf das Meer frei. Jetzt begann es sich nach Urlaub anzufühlen. Die freundliche Bedienung kam und Sascha brauchte nicht lange, um sich aus den vielen Köstlichkeiten für eines zu entscheiden: Knoblauch-Tagliarini mit Kirschtomaten und Gambas. Wenn schon, denn schon! Und Knoblauch konnte ihr nun jetzt niemand mehr vermiesen. Mathis hasste Knoblauch. Das Essen war fantastisch. Der Wein zum Essen hervorragend. Der Cappuccino danach auch.

Pedro

Mit einem kurzen Schweifwedeln kann ein Hund mehr Gefühl ausdrücken als mancher Mensch mit stundenlangem Gerede. (Louis Armstrong) Gesättigt und sehr zufrieden verließ Sascha das Lokal und ging die geschätzten 50 Meter bis zum Strand. Der Wind hatte abgeflaut, der Nebel war bis auf eine leichte Trübung verschwunden und man konnte die untergehende Sonne dennoch spüren. Das rhythmische Schlagen der Wellen, das Lachen der Möwen, der salzige Geruch des Meerwassers – all das begann in Sascha zu wirken. Mit einem Lächeln auf den Lippen blickte sie auf das Meer hinaus und atmete tief ein und aus. Alles in ihr begann sich zu beruhigen und zu lösen. Noch ein tiefer Atemzug. Im nächsten Moment lag Sascha auf dem Rücken im Sand. Verwundert und verdutzt. „Oh Gott“, rief eine Männerstimme. „Pedro! Hier hin! „Pedro, hier hin!“, schrie hysterisch eine Frauenstimme. Im nächsten Moment tauchte über Sascha ein Mann in ihrem Alter auf. Er gab Sascha die Hand und zog sie mit so viel Kraft nach oben, dass, wenn er sie nicht festgehalten hätte, sie geradewegs die nächste Landung in den Sand gemacht hätte. Doch dieses Mal direkt auf das Gesicht. „Tschuldigung“, brachte der Mann stotternd nervös hervor. „Pedro ist noch jung und sehr ungestüm.“ Sascha war noch immer verwirrt. Sie klopfte sich den Sand von den Klamotten. Ihren Helfer hinderte sie mit einer Handbewegung daran, ebenfalls den Sand von ihrer Kleidung klopfen zu wollen. Beinahe hätte er begonnen, ihr den Hintern zu versohlen, wenn sie ihn nicht gebremst hätte. Ja. Sorry. Klar." Wieder stotterte der Mann. In Entfernung hörte Sascha immer noch das hysterische „Pedro hier. PEDRO KOMM JETZT ENDLICH HIERHIN.“ Der peinlich berührte Mann lief rot an. Die anderen Strandbesucher hatten ihren Spaß. Sichtlich erheitert schauten sie dem Schauspiel zu, welches Sascha und der Fremde ihnen boten. „Alles gut“, sagte Sascha. „Es ist ja nichts passiert.“ „Ok. „Danke“, sagte der Mann sichtlich erleichtert und wendete sich bereits ab, um seiner vermutlichen Frau und dem riesigen Labrador namens Pedro hinterherzulaufen. Derweilen kam Pedro zurückgaloppiert. Dahinter mit ungesundem roten Kopf die Frau. In der einen Hand wild wedelnd die Hundeleine mit samt dem Halsband. In der anderen Hand ihre Mütze. Bei der körperlichen Ertüchtigung brauchte sie wirklich keine Mütze. Mit der dicken Jacke, die sie noch trug, musste sie schwitzen wie ein Schwein. Je näher die Frau kam, umso lauter hörte man ihr angestrengtes Schnauben. Pedros Herrchen glaubte nun die Chance zu haben, den Ausreißer in die Finger zu bekommen, und ging gekonnt in die Stellung „schwebende Jungfrau auf öffentlicher Toilette, die versucht, bloß keinen Kontakt zu Keramik und sonstigen kontaminierten WC-Bestandteilen zu haben“. Er machte das wirklich gut. Von hinten erinnerte er Sascha an einen Skispringer. Pedro freute sich sichtlich, sein Herrchen zu sehen. Sein Hundegrinsen wurde breiter. Der Sabber spritzte links und rechts an den Lefzen vorbei. Der junge Hund freute sich so sehr, dass er während des Laufens an einen windenden Wurm erinnerte. Pedro war nicht nur schnell, sondern auch clever! Er schoss im letzten Mühmoment an Herrchen vorbei und steuerte geradewegs auf Sascha zu. Sascha nahm einen stabilen Stand ein. Frauchen fehlte die Luft zum Schreien. Herrchen hielt sich die Hände vor das Gesicht. Im nächsten Moment lag Sascha wieder auf dem Rücken. Nun aber mit einem sabbernden, wedelnden, versandeten, nach nassem Hund riechenden Pedro auf der Brust. Der Rüde wog bestimmt an die 30 kg, wenn nicht sogar mehr. Sascha nahm es für ein paar Atemzüge die Luft. Doch sie reagierte dennoch und umschlug den Rüden mit den Händen am Hals. Der Hund wiederum glaubte an ein Spielchen und gab sich dieser Leidenschaft gänzlich hin. Herrchen und Frauchen nutzten die Gelegenheit der ungeplanten Spielstunde, um dem agilen Rüden das Halsband wieder anzulegen. Sascha war sich nicht sicher, ob Hunde Blau anlaufen konnten. Sie war sich aber ziemlich sicher, dass Pedro es konnte. Aus dem nun sehr eng geschnallten Halsband konnte Pedro nur entwischen, wenn er dazu kurz den Schädel abnehmen konnte. Herrchen übernahm nun die Führung des ungestümen Junghundes und suchte das Weite. Frauchen machte eine chinesisch anmutende Verbeugung mit einem Blick, der jeden Dackelzüchter hätte neidisch gemacht, und versuchte, trotz Luftnot und kollabierendem Kreislauf hinter ihren Männern herzueilen. Sascha lag immer noch auf dem Rücken. Sie blickte in einen blassblauen Himmel und auf Möwen, die vor lauter Lachen Schwierigkeiten hatten, sich in der Luft zu halten. Graue und weiße Wolken spielten Hasch mich. Sascha fand es irgendwie schön und blieb einfach liegen. Bis ein kleines Mädchen neben Sascha stand. „Bist du tot?“ Sascha hob eine Augenbraue und setzte sich dann auf. „Ne. Noch nicht. Warum? Das Mädchen zuckte mit den Achseln und verschwand wieder. Sascha stellte bei jeder Bewegung fest, dass sie in vermutlich allen Körperritzen und sämtlichen Hautfalten Sand kleben hatte. Ein guter Grund, den Weg zur Ferienwohnung anzutreten. Der Verstand schrie sehr laut und deutlich: „Duschen. Jetzt. Warm und lange und ausgiebig.“ Der Magen hatte nichts zu sagen, und auch sonst sagte nichts des restlichen Körpers irgendwas anderes. „Alles klar! Es geht zurück“, gab sie ihrem Selbst murmelnd Antwort. Kurz hoffte Sascha über Applaus, diesen doppelten Angriff überlebt zu haben, aber die Gäste am Strand waren schon wieder mit sich und anderen Dingen beschäftigt. Auf dem Weg zur Unterkunft überlegte Sascha kurz, ob jemand ein Video gemacht hatte und auf welcher Plattform es zuerst zu sehen wäre. Inständig betete sie, dass beides niemals geschah!

Sonnenschein und andere Katastrophen

Auch in einer Träne kann sich die Sonne spiegeln. (Spruch des Tages)

Die folgenden Tage präsentierten sich von ihrer schönsten Seite. Sonnenschein, Wind, Wärme, Meer und lauter glücklich wirkende Menschen. Sascha begann zu entspannen und hatte das Gefühl, vor lauter neuer Energie nur so zu sprühen. Heute stand auf ihrer ToDo-Liste der Ort List. Sie wollte unbedingt in die alte Tonnenhalle. Viele Geschäfte und Händler boten dort allmöglichen Krimskrams an. Es gab eine Bücherei und Lädchen, die Dekorationen für Heim und Garten verkauften: Handtaschen, Mützen, Souvenirs, Süßwaren, Praktisches, Unnützes, Niedliches, Teures, Fragwürdiges, Schönes, Kunst und Antiquitäten und noch vieles mehr. Es war sehr voll, eng und bunt. Es roch überall nach etwas Anderem und hielt damit alle Sinne auf Trab. Es war noch recht früh, und somit waren noch nicht viele Menschen unterwegs, um sich die vielen Dinge anzuschauen, welche die verschiedenen Einzelhändler und Verkäufer darboten. Sascha verlor sich vor lauter Stöbern und Schauen und Staunen. Sascha war zeitlos. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie war nur für sich selber verantwortlich. Es war egal, wie lange sie schlief und wie lange sie wach blieb. Es war einfach eine einzige „Ich kann, wenn ich will“-Nummer. Selbst bei den Bussen musste sie nicht ganz so pünktlich sein, denn es fuhren oft genug welche, um von A nach B zu kommen. Nur als Not wäre Sascha die 23 km auch gelaufen. Nach dem Durchschlendern der Alten Tonnenhalle meldete sich mal wieder ihr Magen zu Wort. Der hatte durch die Seeluft eine neue Form von ADHS entwickelt und war stets und ständig präsent. Ihre Anlaufadresse war Das Lokal Gosch. Sie fand Platz mit Sicht auf das bunte Treiben zwischen der Alten Tonnenhalle und dem Fußweg, der Richtung „Erlebniswelten Naturgewalten“ führte. Ein kurzer Blick in die Karte und Sascha hatte sich entschieden. Der heutige Gewinner einer kostenlosen Umlagerung vom Teller nach Magen über Mund und Speiseröhre gewinnt: Curry-Kokos-Suppe mit gebratenen Flusskrebsen. Wir gratulieren und wünschen eine angenehme Reise! Wohlgesättigt und noch zufriedener schlenderte Sascha in Richtung Naturgewalten. Viele Schulklassen waren hier versammelt, kamen von oder gingen zu einer geführten Wattwanderung, sammelten sich, um gemeinsam das Museum zu besuchen, oder aber verließen es gerade. Ein unübersichtliches Gewusel. Sascha war es ein Rätsel, wie die Lehrer und Betreuer bei so vielen Kindern ihre eigenen im Auge behalten konnten. Ein Stückchen unterhalb der Erlebniswelten sah Sascha eine Gruppe von Surfern, die gerade eine Übungsstunde hatten. Die meisten von den angehenden Surfern waren mehr im Wasser als auf den Boards. Immer wieder fielen sie nach nur wenigen Sekunden des wackeligen Stehens ins Wasser. Aufgeben tat niemand und hin und wieder trug der Wind Gelächter ans Festland. Sascha schmunzelte und setzte sich auf die Kaimauer. Diesem Treiben wollte sie noch etwas zusehen. Der Wind spielte mit ihren kurzen, lockigen Haaren und die Sonne wärmte ihr dazu das Gesicht. Sie saß rittlings auf der Mauer. Den Rucksack hatte sie vor sich abgestellt und stützte darauf ihre Unterarme ab und legte den Kopf darauf. Sascha dachte das erste Mal seit Monaten an nichts. Sie sah, roch, hörte und spürte. Mehr nicht. Sie fixierte mit ihren Augen den Horizont. Sie konnte fast schon Dänemark erkennen. Eine Fähre näherte sich aus dieser Richtung. Ein alter grüner Kutter fuhr in entgegengesetzter Richtung. Dann schaute sie sich zurück zu dem Punkt, an dem gerade noch die Surfer ihr Glück versuchten. Bis auf zwei Leute waren die anderen schon am Strand und zogen die Surfbretter hinter sich an Land. Sascha seufzte und rappelte sich auch hoch. Sie wollte noch ein bisschen die Gegend erkunden. Sie schmiss sich den Rucksack auf den Rücken und ging in Richtung Naturgewalten weiter und wollte dem Fußweg einfach folgen. Im Anschluss an die Naturgewalten zwischen einem Hotel und der Wattenmeerstation gab es eine Wassersportschule. Diese hatten auf ihrem Teil der Promenade grünen Teppich verlegt. Auf der einen Seite der Promenade war ihre kleine Hütte, in der die Schüler ihre Ausrüstung entgegennahmen, und nur drei oder vier Schritte über die Promenade hinweg war ihr eigener Zugang zum Meer. Es ging leicht bergab, dann kam ein Stückchen Strand und dann begann schon das Meer. Sascha sah bereits die ersten Surfschüler, die ihre Bretter und Segel unterm Arm geklemmt Richtung Hütte trugen. Dann rappelte ihr Handy. Sie hatte extra für Milena einen eigenen Klingelton eingerichtet. Es schrillte lautstark „Love is a Battlefield“ von Pat Benatar. Hektisch und fast panisch beförderte Sascha das Handy aus der kleinen Umhängetasche, in der sie die wichtigsten Sachen wie Geldbörse, Handy und Schlüssel verstaut hatte. Fast wäre ihr noch das Handy aus der Hand gerutscht. Noch während sie versuchte, das Handy beim Weiterlaufen aufzufangen, rief sie ein: „Hallo Milena, warte mal kurz! Bin gleich dran.« Währenddessen kamen auch die letzten Surfschüler den kleinen Stich hochgelaufen. Laut lachend und Witze erzählend. Vorweg ein großer, trainierter Mann, dem sein Neoprenanzug mit kurzen Armen und Beinen äußerst gut stand. Doch Sascha nahm den Mann nicht wahr. Und der lachende junge Mann, welcher sich mit einem Fuß bereits auf dem grünen Teppich befand, sah Sascha nicht, die wild fuchteln auf ihn zukam. Der Mann drehte sich in einer tänzerischen Pirouette lachend zu den anderen Männern um. Dabei Sprüche klopfend. Er schien vergessen zu haben, dass er das Surfbrett noch immer unter dem Arm hatte, und fegte bei dieser Drehung mit dem Brettende Sascha um. Mit einem lauten „Pfffff“ kam Sascha zum Liegen. Der Rucksack auf ihrem Rücken machte den Aufprall sehr schmerzhaft. Für einen kurzen Moment war es sehr still und es war ihr leicht schwarz vor den Augen. Dann wurde es laut. Mehrere Stimmen, die sich zu einem einzigen Stimmgewirr vermischten, redeten auf Sascha ein, während zwei Hände sie jeweils links und rechts unter die Arme griffen und auf die Beine zogen. Dieser Moment kam ihr irgendwie bekannt vor. Doch es fehlte Pedro oder irgendein anderer Hund. Sie schaute an sich herunter und machte einen kurzen Selbstcheck. Sie war in Ordnung. Dann schaute sie sich um und gefühlte zwei Köpfe über ihr entdeckte sie das blasse schuldbewusste Gesicht eines braungebräunten, blondhaarigen und blauäugigen Mannes mit einem leichten Dreitagebart, der verdammt gutaussehend in einem Neoprenanzug steckte. Es tut mir leid. „Ich hab sie nicht gesehen.“ Sascha blickte auf ihre Schuhe und richtete ihre Kleidung, an der es eigentlich nichts zu richten gab, und blickte dann wieder nach oben. „Hab ich gemerkt“, sagte sie trocken. Bevor der Mann seine Entschuldigung fortführen konnte, hob Sascha die Hand, um ihn zu stoppen. „Mein Handy!“ Der Mann schaute irritiert. „Ich habe mein Handy verloren. Das hatte ich in der Hand, bevor sie mich… Also bevor ich…“ Der Mann verstand und schaute sich mit Sascha suchend um. Aus dem wohlduftenden, heckenartigen Rosenbusch, welche beinahe an der gesamten Promenade wuchsen, mit den rosa und lila Blüten hinter ihnen, hörte man ein energisches „Hallo“. Zeitgleich entdeckten Sascha und der Mann das Handy. Zeitgleich bückten sich beide danach. Ungefähr in der Hälfte der Strecke in Richtung Handy schlugen beide mit den Köpfen zusammen. Jackpot! Der Mann ließ sich auf den Po fallen, Sascha auf die Knie. Da sie nun schon über dem Handy kauerte und sich den Kopf schmerzhaft rieb, zischte Sascha ein „Ich melde mich später bei dir“ in ihr gefundenes Telefon, ergriff es mit der freien Hand und beendete das Gespräch und wollte sich gerade das Handy in die Gesäßtasche ihrer Jeansshorts schieben, als durch diese Bewegung der Rucksack mit einem plötzlichen Schwung nach unten rutschte und Sascha einen Genickschlag verpasste. „AHHH FUCK MANNNNN“. Sascha hätte nun gerne auf etwas oder auf jemanden eingeschlagen, um den Schmerz zu lindern. Der Mann, von dem sie den Namen nicht wusste, eilte ihr zu Hilfe und half ihr erneut auf die Beine und nahm ihr dann den Rucksack ab, führte sie zur Schwimmschule und setzte Sascha dort kurzer Hand auf einen der Stühle. Die anderen Schüler hatten sich schon wieder umgezogen und hielten Smalltalk miteinander. Als beide dazu stießen, wurde es kurz still. Der ein oder andere Grinste und schüttelte kurz den Kopf. Dann kümmerten sich alle wieder um sich selber. Chance Nummer zwei, mit einer Peinlichkeit im Netz zu landen. Und wieder hoffe Sascha, dass das soeben Geschehene nicht gefilmt wurde. „Gehts wieder?“ Sascha blickte nun gerade aus. Gegenüber hatte sich der Fremde ebenfalls in einen Stuhl gesetzt. Auf seiner Stirn war ein großer roter Fleck zu sehen. Aber nur wenn der Wind seine blonden, wilden Locken zur Seite schob. Er hatte ein kleines Muttermal auf der rechten Wange. Auf der linken Seite eine feine Narbe, die nur Nuancen heller war als der Rest seines Gesichts. Er war groß, bestimmt an die 1,90 Meter. Sascha lächelte ein schiefes Lächeln und nickte dem Fremden zu.

Entschuldigung geht durch den Magen