Die Juweleninsel - Karl May - E-Book

Die Juweleninsel E-Book

Karl May

4,6

Beschreibung

Zehn Jahre sind seit den Ereignissen aus "Zepter und Hammer" vergangen. Die Angehörigen eines Verschollenen erhalten durch sein Tagebuch Kunde von der Vernichtung eines indischen Fürstenhofs und vom Schatz des Maharadscha, der auf eine einsame Insel gerettet wurde. "Die Juweleninsel" ist die Fortsetzung von "Zepter und Hammer" (Band 45).

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Seitenzahl: 671

Veröffentlichungsjahr: 2011

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 46

DIE

JUWELENINSEL

ROMAN

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Roland Schmid

© 1953 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1546-8

1.Der ,tolle Graf‘

Die Bucht, an der das wegen seines Seebads berühmte Städtchen Fallum liegt, wird zur Rechten von der weit vortretenden, aus schroffen Felsen zusammengesetzten Küste, zur Linken aber von einer Landzunge eingefasst, die in Form eines scharf gebogenen Horns in die See hinausragt und bis an die äußerste Spitze einen dichten Eichen- und Buchenwald trägt. Durch diesen führen nur wenige schmale Pfade, die es den Badegästen ermöglichen, sich aus dem Geräusch des Ortes in die Stille der Natur zurückzuziehen.

Die Landzunge hält die hohen Wogen und der Wald die Winde von der Bucht ab, ein Umstand, der sehr zum regen Besuch Fallums beiträgt und es selbst zaghaften Gemütern gestattet, sich badend oder im Boot den sonst gefürchteten Wellen anzuvertrauen.

Es war an einem schönen Julitag, als drei Damen auf einem der erwähnten Waldwege dahinschlenderten. Sie bildeten eine auffällige Gruppe. Abgesehen von ihren gelben Sommerhüten war die eine in Blau, die andere in Grün und die dritte in Purpurrot gekleidet. Die Blaue, sehr lang und hager gebaut, trug ein dreifarbiges Zyperkätzchen, die Grüne, klein und schmächtig, ein Meerschweinchen, und die Purpurrote, von kurzer, sehr dicker Gestalt, ein Eichhörnchen auf dem Arm, das außerdem mittels eines Halsbandes und einer goldenen Kette an den Nacken seiner Trägerin gefesselt war.

Niemand hätte geahnt, dass diese von der Natur so verschieden begabten Spaziergängerinnen Schwestern seien.

„Ja, meine gute Wanka“, seufzte die Blaue, „unser Bruder Emil ist gegen fremde Damen und sogar gegen seine abscheulichen Hunde rücksichtsvoller als gegen uns. Diese Männer sind und bleiben Barbaren, die man auch mit der größten Nachgiebigkeit nicht anders machen kann!“

„Nie wollen sie begreifen, liebe Freya, dass wir unendlich zarter besaitet sind als sie“, fiel die Grüne ein. „Und darum ist es keinem Mädchen zu verargen, wenn es sich nicht entschließen kann, eine lebenslange Verbindung mit diesem Geschlecht der Vandalen einzugehen.“

„Ja“, flötete die Purpurne mit fetter Stimme, „wir haben den guten Teil erwählt, und der soll nicht von uns genommen werden, obwohl es besonders mir leicht sein würde, eine glänzende Heirat abzuschließen.“

„Besonders dir?“, fragte die Trägerin des Kätzchens schnippisch. „Hörst du, Wanka, dieses ,besonders‘ klingt wie eine Beleidigung gegen uns beide. Schwester Zilla meint, weil sie die jüngste von uns ist, bieten sich ihr eher Heiratsmöglichkeiten als uns. Aber Damen können überhaupt niemals alt werden. Meine vierunddreißig Jahre sind...“

„Entschuldige, Freya“, widersprach die Dicke, „neununddreißig bist du im November gewesen!“

„Neununddreißig? Ah, du scheinst dich mehr um das Alter anderer als um das deinige zu bekümmern.“

„O nein, aber ich kann mir das deinige so leicht merken, weil wir grad zehn Jahre auseinander sind – du bist neununddreißig und ich neunundzwanzig.“

„Meinetwegen. Aber streiten wir uns nicht um solche Nebensachen! Die Hauptsache bei der ehelichen Verbindung bleibt nächst den geistigen Vorzügen doch jedenfalls die körperliche Erscheinung, und in dieser Beziehung müsst ihr gestehen, dass ich euch überrage und im Stande bin, jedem Mann zu gefallen.“

„Es gibt genug Herren, die eine zarte Gestalt mehr schätzen als große Länge“, brüstete sich Wanka.

„Ebenso wie ich in der Lage bin, die Erfahrung zu machen, dass glückliche Wohlbeleibtheit von der Mehrzahl der Herren immer reizend gefunden wird“, fügte Zilla bei. „Das hat mir sogar Leutnant von Wolff gesagt, den ich, wie ihr wisst, zu meinen neuesten Eroberungen zählen darf.“

„Du?“, rief die Lange. „Er hat mir erst vorgestern gestanden, dass er von mir geträumt habe.“

„Und ich“, warf die Kleine ein, „habe vorhin mit ihm eine Partie Sechsundsechzig gespielt, die er verlor, weil ihn, wie er sich entschuldigte, meine entzückende Nähe verwirrte. Er ist sehr liebenswürdig, dieser Herr Leutnant von Wolff!“

„Ja, sehr!“, stimmte die Lange mit einem gewissen Hohn bei. „Nur meine ich, dass – ei, seht doch einmal dieses allerliebste Bildchen!“

„Wo denn?“

„Gleich hier am Wasser. Aber, mein Gott, das ist ja unser Magdalenchen!“

„Wahrhaftig, unser Kindchen!“, stimmten die andern bei und eilten rasch vorwärts.

Der Weg, dem sie folgten, endete an einem schmalen, auf drei Seiten von dichten Büschen umgebenen Einschnitt des Wassers. Dort lag ein Boot angebunden, dessen Segelstange niedergelegt war. Hinten saß ein Knabe in einem grauleinenen Seemannsanzug und einem Südwester, unter dem eine Fülle blonder Locken hervorquoll. Er mochte ungefähr vierzehn Jahre zählen und hatte seine Aufmerksamkeit einem etwa zehnjährigen Mädchen zugewendet, das auf der vorderen Bank Platz genommen hatte und mit Angeln beschäftigt war. Es war ein allerliebstes, reizendes Geschöpf. Aber die Beweglichkeit, mit der es seiner Beschäftigung oblag, diente jedenfalls nicht dazu, einen großen Fang zu machen.

„Also wie heißt du?“, fragte die Kleine.

„Gerd.“

„Gerd, du gefällst mir. Du hast Kraft und Gewandtheit, fast soviel wie mein Papa.“

„Wer ist denn dein Papa?“

„Mein Papa? Das ist der Major Helbig, der jüngst ganz Süderland erobert hat. Da kannst du dir nun wohl denken, dass er sehr stark sein muss.“

„Ja, aber kann er auch ein Boot lenken?“

„Natürlich. Ich habe es zwar noch nicht gesehen, aber er kann alles.“

„Und segeln?“

„Sicherlich! Aber am besten können das meine Tanten!“

„Deine Tanten? Müssen bei euch auch die Tanten segeln lernen?“

„Allerdings, denn der Papa sagt sehr oft, wenn sie spazieren gehen: ,Gott sei Lob und Dank, da segeln sie hin!‘ Sie müssen also das Segeln verstehen. Hast du sie schon einmal betrachtet?“

„Das weiß ich nicht, denn ich kenne sie nicht.“

„Oh, sie sind sehr leicht zu erkennen: Die eine ist lang und trägt eine Katze, die andere ist klein und dünn und trägt ein Meerschweinchen, und die dritte ist dick und trägt ein Eichkätzchen.“

„Ah, das also sind deine Tanten! Die sind ja im ganzen Ort bekannt. Heißen sie auch Helbig wie dein Papa?“

„Freilich, denn sie sind ja seine Schwestern. Außerdem heißen sie noch Freya, Wanka und Zilla. Aber der Kunz sagt stattdessen Schreia, Zanka und Brülla.“

„Wer ist dieser Kunz?“

„Das ist unser Leibdiener, den ich sehr lieb habe und Papa auch. Aber die Tanten zanken sich immer mit ihm und dann wird er wütend und geht auf sie los und – reißt wieder aus.“

„Ah, dann hat er wohl keinen rechten Mut?“

„Mut? Ganz gewiss soviel wie der Papa selbst, aber er darf sich ja doch nicht an den Schwestern seines Herrn vergreifen. Nur darum reißt er aus. Hast du auch einen Papa, drei Tanten und einen Leibdiener?“

„Eine Mutter habe ich und einen Stiefvater, dann vier Schwestern, und der Diener bin ich selber.“

„Du? Warum?“

„Weil ich alles machen muss. Und dennoch bekomme ich sehr viel Schläge und dazu weniger zu essen als die anderen.“

„Schläge? Du?“, fragte das Mädchen halb verwundert und halb verächtlich.

„Ja. Ich muss die Netze legen und Herrschaften rudern, und wenn ich zu wenig gefangen oder zu wenig verdient habe, so erhalte ich Schläge.“

„Du Armer! Wie viel denn?“

„Sie tun weh, aber ich zähle sie nicht“, antwortete er stolz. „Wenn ich nach Hause komme, ist der Vater stets betrunken. Ich könnte mich wehren oder ich könnte auch fortgehen, aber dann würde die Mutter weinen, und das soll sie doch nicht. Eigentlich verdiene ich Schläge, denn ich gebe dem Vater nicht alles, was ich einnehme, sondern ich behalte etwas für die Mutter zurück, sonst müsste sie hungern...“

„Mein Gott, liebe Wanka, hörst du es? Ist das nicht ein Rabenvater?“

Dieser Ruf erscholl hinter den nächsten Sträuchern, wo die drei Schwestern den letzten Teil des kindlichen Gesprächs belauscht hatten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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