Die Küchenfee - Stella Conrad - E-Book
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Die Küchenfee E-Book

Stella Conrad

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Beschreibung

Eine heitere Küchen-Komödie mit einem guten Schuss Romantik: »Die Küchenfee« von Stella Conrad jetzt als eBook bei dotbooks. Durch die Luft fliegende Kochtöpfe und ständig drängelnde Kellner – all das macht Spitzenköchin Lilli nichts aus, wenn sie im besten Restaurant der Stadt ihre Köstlichkeiten zaubert. Aber als sie nach zwanzig Jahren Ehe ihren Mann mit der Chefin in flagranti erwischt, kocht sie verständlicherweise über! Ohne Job und plötzlich pleite, muss Lilli noch einmal ganz von vorne anfangen … aber wird sie »Lillis Schlemmereien« zum Erfolg führen können? Unterstützt wird sie dabei von einem Team patenter, aber zum Chaos neigenden Lieblingsmenschen. Und dann wäre da auch noch Mike, der charmante Bio-Bauer, der ihr seit Jahren jeden Donnerstag am Gemüsestand hinterherschmachtet … Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Die Küchenfee«, ein Roman mit viel Herz und Humor von Bestseller-Autorin Stella Conrad. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 472

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Über dieses Buch:

Durch die Luft fliegende Kochtöpfe und ständig drängelnde Kellner – all das macht Spitzenköchin Lilli nichts aus, wenn sie im besten Restaurant der Stadt ihre Köstlichkeiten zaubert. Aber als sie nach zwanzig Jahren Ehe ihren Mann mit der Chefin in flagranti erwischt, kocht sie verständlicherweise über!

Ohne Job und plötzlich pleite, muss Lilli noch einmal ganz von vorne anfangen … aber wird sie »Lillis Schlemmereien« zum Erfolg führen können? Unterstützt wird sie dabei von einem Team patenter, aber zum Chaos neigenden Lieblingsmenschen. Und dann wäre da auch noch Mike, der charmante Bio-Bauer, der ihr seit Jahren jeden Donnerstag am Gemüsestand hinterherschmachtet …

Über die Autorin:

Stella Conrad, 1960 in Recklinghausen geboren, lebt an der Nordseeküste. Nach zehnjähriger Tätigkeit als Köchin (wobei sie backstage sogar Stars wie Tina Turner, Joe Cocker, Depeche Mode, Herbert Grönemeyer und Die Toten Hosen bekochte) arbeitete sie als Veranstalterin, Pressebetreuerin und in einer Schauspielagentur, bevor sie sich dem geschriebenen Wort zuwandte.

Stella Conrad veröffentlichte bei dotbooks bereits »Das Glück der Küchenfee«, »Die Tortenkönigin«, »Die Glücksträumerin«, »Der Feind an meinem Tisch« und »Die Glücksköchin«. Ihre Geschichten finden sich auch in den Sammelbänden »Ein Restaurant zum Verlieben«, »Zimt und Zucker für die Liebe«, »Zitronenküsse« und »Ein Café zum Verlieben«.

***

eBook-Neuausgabe 2019, 2022

Copyright © der Originalausgabe 2008 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Alenka Karabanova / MicroOne

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-95520-5-447

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Stella Conrad

Die Küchenfee

Roman

dotbooks.

Für Rozzo

(den Unvergleichlichen)

den Wächter meines Herzens

Kapitel 1

»Verdammt, verdammt, verdammt!« Lilli Berger fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen, während sie fieberhaft mit einem Quirl in einer kleinen gusseisernen Pfanne rührte. Die orangefarbene Flüssigkeit blubberte laut, und schließlich traf ein dicker Spritzer ihre linke Hand. Sofort bildete sich eine große Brandblase. Keine Zeit, sich darum zu kümmern. Das gehörte, wie Schnitte und Verbrennungen, zum Alltag in einer Restaurantküche. Sehr treffend hatte irgendjemand mal gesagt, Profiköche trügen die Narben an ihren Händen wie Generäle ihre Orden, als sichtbare Beweise siegreich geschlagener Schlachten.

Die Schlacht um die Orangensauce allerdings war keineswegs geschlagen und siegreich erst recht nicht. Die Sauce in der Pfanne war weit davon entfernt, die gewünschte Sämigkeit zu erreichen.

»Mist, warum willst du nicht ...« Ihr Schimpfen ging im Scheppern zu Boden fallender Topfdeckel unter.

»Wo bleibt die Orangensauce für die Entenbrust?« Monsieur Pierres Bariton war die Ungeduld deutlich anzuhören. »Und, verflucht noch mal, wer ist hier zu dumm, einen Topfdeckel festzuhalten?«

In der nächsten Sekunde stand der Chefkoch schon neben Lilli am Herd und starrte ihr aus nächster Nähe missbilligend ins Gesicht. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und wippte ungeduldig vor und zurück. Im Hintergrund versuchte die zu Tode erschrockene Spülhilfe hektisch, sich und die Topfdeckel aus der Gefahrenzone zu bringen.

»Soso, Sie wollen also dem Polizeipräsidenten das Mittagessen versauen? Oder will Madame Berger mich wie üblich bloß quälen? Hm?«

Lilli ließ ihre Sauce nicht eine Sekunde aus den Augen. Das hatte sie schon als Lehrling gelernt: die Wutanfälle des Küchenchefs stoisch über sich ergehen zu lassen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.

»Und, Madame Lilli, ich bestehe darauf, dass Sie endlich eine vernünftige Kopfbedeckung tragen. Ich werde diese Hippie-Tücher in meiner Küche nicht länger dulden.«

Monsieur Pierre schnaufte erbost.

Lilli drehte sich schwungvoll zu ihrem Chefkoch um und strahlte ihn an. »Hier ist die Orangensauce, oh göttlicher Maître, möge sie dem Herrn Polizeipräsidenten zur Stärkung gereichen.«

Aus Richtung der Spüle erklang ein leises Kichern.

Blitzschnell fuhr Monsieur Pierre herum und stürzte sich auf die Spülhilfe. »Was fällt Ihnen ein? Hm? Hm? Was ist denn hier so komisch?«, brüllte er die junge Punkerin an. »Und was sollen überhaupt diese Metallknöpfe in Ihrem Gesicht? Sich derart zu verschandeln! In meiner Küche ...«

Erschrocken riss das Mädchen in einer Abwehrbewegung den Spülschlauch hoch, sodass Monsieur Pierre plötzlich in einer Wasserkaskade stand, die ihm die Kochmütze vom Kopf spülte und damit seine verhassten Geheimratsecken zum Vorschein brachte.

Lilli konnte sich nur mühsam beherrschen. Einer musste schließlich in diesem Chaos die Ruhe bewahren und sich um die zur Nebenrolle degradierte Entenbrust kümmern, denn der aufgebrachte Koch und das junge Mädchen rangen weiter um den Schlauch. Wasser spritzte durch die Küche.

Lilli tranchierte das saftige, perfekt rosa gegarte Fleisch und richtete die Scheiben auf einem Saucenspiegel an. In letzter Sekunde rettete sie das Kartoffelgratin davor, ertränkt zu werden, und legte eine Portion auf den Teller. Ein Fächer aus marinierten Orangenfilets komplettierte das Gericht.

Lilli eilte mit dem Teller durch die Schwingtür zur Durchreiche für den Service und betätigte die Klingel. Sie zog eine pinkfarbene, gerade aufblühende Pfingstrosenknospe aus dem Strauß, der neben der Öffnung stand. Mit einem scharfen, kleinen Messer trennte sie sämtliche grünen Blätter vom Stiel, bis dieser vollkommen glatt aussah.

Vanessa Kamlots Gesicht erschien in dem kleinen Fenster.

»Lilli, endlich«, zischte sie. »Was ist denn da für ein Radau bei euch in der Küche? Man kann euch bis hier draußen hören!«

Lilli kürzte den Stiel der Pfingstrose und legte die Knospe auf den Teller. »Perfekt«, sagte sie.

»Perfekt«, bestätigte Vanessa und schnappte sich den Teller. »Aber ich möchte trotzdem gleich wissen, was bei euch los war.«

Durch das Fenster der Durchreiche sah Lilli, dass der Polizeipräsident die Blüte vom Teller nahm und Vanessa mit einer kleinen Verbeugung überreichte. Diese nahm die Blume huldvoll entgegen und kam dann lächelnd auf Lilli zu. »Der Herr Polizeipräsident schickt sein Kompliment an die Küche. Und seinen Dank, dass ihr ihm etwas zu essen gemacht habt, obwohl wir eigentlich schon Mittagsruhe haben.« Sie schnupperte an der Blüte. »Euer Gezeter hat er ignoriert wie ein echter Gentleman.«

Lilli wollte gerade mit der Schilderung der dramatischen Vorkommnisse beginnen, als Monsieur Pierre durch die Schwingtür gestapft kam. Lilli konnte gerade noch hastig flüstern: »Die Spülhilfe hat keine Schuld, es war reine Notwehr«, als auch schon der wütende Koch neben ihr stand und tief Luft holte, bereit, seiner Empörung freien Lauf zu lassen.

Vanessa hob die manikürte Hand.

Monsieur Pierre klappte den Mund zu.

Lilli bildete sich für den Bruchteil einer Sekunde ein, Dampf aus seinem knallroten Kopf aufsteigen zu sehen.

Mühsam beherrscht presste der Küchenchef hervor: »Ich will Sie sofort sprechen, Madame Kamlot. Mir reicht es endgültig. Ich kann so nicht arbeiten.«

»Monsieur Pierre!«, rief Polizeipräsident Gruber in diesem Moment. »Kompliment an die Küche! Und diese originelle Dekoration, wunderbar.«

Monsieur Pierre fuhr sich durch seine nassen Haare und rang sich ein gequältes Lächeln ab. »Merci, Monsieur Gruber.« Dann drehte er sich zu Lilli um und fauchte: »Welche Dekoration? Wieso originell?« Seine Kiefermuskeln traten vor Anspannung hervor, seine dunklen Augen sprühten Funken. Die sonst immer akkurat sitzende Kochjacke klebte klatschnass an seinem mächtigen Oberkörper, und zu seinen Füßen hatte sich eine kleine Wasserpfütze gebildet.

Wieder rang Lilli um Fassung und kämpfte verzweifelt gegen das aufsteigende Lachen an. Monsieur Pierre agierte wie der Darsteller in einem Slapstick-Stummfilm – maßlos übertrieben, pathetisch und mit raumgreifender Gestik.

Vanessa Kamlots Gesichtsausdruck zeigte allerdings unmissverständlich, dass sie die Situation keineswegs komisch fand. »In mein Büro, Monsieur Pierre. Ich lasse dich dann rufen, Lilli.«

Ohne eine Antwort ihrer Angestellten abzuwarten, verschwand Vanessa in ihrem Büro, gefolgt von dem tropfenden Monsieur Pierre.

Lilli schlenderte zum Tresen, nahm sich ein Glas Mineralwasser und prostete dem Polizeipräsidenten zu.

»Frau Berger, leisten Sie mir und meiner Entenbrust einen Moment Gesellschaft?«, flachste Gruber und tupfte sich mit seiner Serviette die Mundwinkel ab.

Lilli lächelte und ging auf seinen Ton ein. »Ich habe doch gar nichts verbrochen.«

»Ich befürchte, doch. Ich habe Indizien dafür, dass diese hervorragende Orangensauce auf Ihr Konto geht.«

Lilli trat an den Tisch ihres Gastes, ließ theatralisch den Kopf hängen und sagte: »Sie haben mich überführt.«

»Ich würde Sie gern für meine Geburtstagsparty in drei Monaten verhaften und in meiner Küche einsperren. Ich hoffe, Sie kommen freiwillig, und ich brauche keine Handschellen. Ich konnte Ihre Kunst ja auch bei der Silberhochzeit Ihrer Cousine bewundern. Fantastisch. Wie wär's?«

Die Klingel in der Durchreiche ertönte und rief sie in Vanessas Büro. Gerettet.

Polizeipräsident Gruber sah sie erwartungsvoll an.

»Warum nicht?«, sagte Lilli. »Lassen Sie uns doch darüber ein andermal reden, jetzt muss ich leider zurück in meinen Küchenknast. Mein Hofgang ist um. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Appetit.«

Als sie auf Vanessas Büro zuging, hörte sie Monsieur Pierre schon durch die geschlossene Tür toben: »Ich kann so nicht arbeiten! Erst versaut meine werte Kollegin die Sauce, und dann werde ich von diesem Punk an der Spüle tätlich angegriffen. Ich verlange, dass die Küchenhilfe gefeuert wird. Madame Kamlot, es ist Ihre Entscheidung: die oder ich!«

»Wen meinen Sie? Ihre werte Kollegin oder den Punk an der Spüle? Oder vielleicht beide?« Vanessas dunkle Stimme klang wütend und nicht samtig wie gewohnt.

Als Lilli die Tür öffnete, sah sie Monsieur Pierre, jeder Zoll beleidigte Diva, vor Vanessas Schreibtisch stehen, die Arme verschränkt, den Kopf empört in den Nacken geworfen. Vanessa atmete sichtlich auf, als Lilli hereinkam und sich in den einzigen freien Sessel setzte. Ihre gerade noch gerunzelte Stirn glättete sich, als sie sich Lilli zuwandte. »Erzähl doch mal, was war da los mit der Spülhilfe? Wieso hat sie den Maître mit dem Spülschlauch angegriffen?«

Monsieur Pierre schnaufte empört und funkelte Lilli lauernd an. »Na, da bin ich ja mal gespannt auf die Version der gnädigen Madame.«

Vanessa schaltete sich ein: »Bitte, Herr Meisenheimer.«

Monsieur Pierre hielt die Luft an. Lilli wusste, wenn er etwas noch mehr hasste, als seine Geheimratsecken der Öffentlichkeit preiszugeben, dann, mit seinem richtigen Namen angesprochen zu werden. Und Vanessa tat das nur, wenn Monsieur Pierre zu theatralisch wurde und einen kleinen Dämpfer brauchte.

Vanessa nickte Lilli zu.

»Ich habe die Sauce nicht ›versaut‹«, sagte Lilli. »Sie, Monsieur Pierre, waren nur ungeduldig und verärgert wegen der Bestellung, die noch nach Feierabend kam.«

Der Koch schwieg und starrte aus dem Fenster.

»Dann«, gab Lilli zu, »war ich wirklich ein bisschen flapsig zu Monsieur Pierre, und das hat das Mädchen zum Lachen gebracht.« Lilli sah, dass Vanessa mittlerweile alle Mühe hatte, ernst zu bleiben, und fuhr fort: »Na ja, und dann hat sich Monsieur Pierre auf die arme Kleine gestürzt. Die hat vor Schreck die Hände hochgerissen – und in einer davon war eben der Schlauch. Das war alles.«

Vanessa wandte sich ihrem aufgebrachten Koch zu. »Monsieur Pierre, das scheint mir wirklich keine böse Absicht gewesen zu sein. Bitte, können wir nicht eine andere Lösung finden, als das arme Mädchen zu entlassen?« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und fuhr fort: »Sie sitzt bestimmt weinend in der Küche und ist zu Tode erschrocken darüber, was da gerade passiert ist. Möchten Sie nicht großzügig sein und ihr verzeihen?«

Monsieur Pierre zupfte an den Ärmeln seiner Kochjacke und gab sich betont unbeteiligt. »Pah, zu Tode erschrocken! Höchstens darüber, dass von ihrem Geheule jetzt der Metallkrempel in ihrem Gesicht rosten könnte, aber bestimmt nicht, weil ihr irgendetwas leidtut.«

»Monsieur Pierre, bitte, was kann ich tun, um Sie zu besänftigen? Sie wissen, wie wichtig es mir ist, dass Sie sich bei mir respektiert fühlen.«

Der Chefkoch räusperte sich verlegen und bekam einen roten Kopf.

Vanessa klimperte mit den Wimpern und gurrte: »Bitte, Monsieur Pierre, geben Sie dem Mädchen noch eine Chance. Sie würden mir damit einen großen Gefallen tun.«

Peter Anton Meisenheimer drückte sich unter verlegenem Räuspern aus dem Büro und schloss behutsam die Tür hinter sich. Lilli grinste Vanessa breit an. »Wie machst du das bloß?«

»Was denn?«, fragte Vanessa erstaunt.

»Wie ›was denn‹? Männer hypnotisieren. Ich finde das geradezu unheimlich. Kann man bei dir Kurse belegen?«

Vanessa hob die Augenbrauen. »Du willst einen Kurs bei mir belegen? Ist ja interessant. Bist du auf der Suche nach einem neuen Mann?«

Lilli schüttelte den Kopf. »Quatsch, natürlich nicht. Aber ein paar Tricks sind doch bestimmt hilfreich.«

»Hilfreich. Soso. Ich denke, du bist glücklich mit Armin?«

»Bin ich«, sagte Lilli. »Aber nach zwanzig Jahren Ehe ... du weißt schon ...«

Vanessa lächelte. »Weiß ich leider nicht. Oder besser – weiß ich Gott sei Dank nicht. Ich bin nicht grundlos Single, wie du dir denken kannst. Mein Freiraum ist mir sehr wichtig.«

»Und dann flirtest du Monsieur Pierre an? Stell dir nur mal vor, der verliebt sich in dich!«

Vanessa betrachtete konzentriert ihre perfekt manikürten Fingernägel. »Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Lilli. Es geht mir lediglich um ein gutes Betriebsklima. Und ehrlich gesagt – sechs Spülhilfen in drei Monaten ...« Sie riss sich vom Anblick ihrer rot lackierten Nägel los und sah Lilli an. »Und? Wie sieht die Karte für den nächsten Monat aus?«

Als Lilli das Büro verließ, erhob sich der Polizeipräsident gerade von seinem Tisch. »Ah, Frau Berger. Auf ein Wort!«

»Aber gern. War alles zu Ihrer Zufriedenheit?«

Polizeipräsident Gruber nickte. »Das betrachte ich als rein rhetorische Frage, Frau Berger. Ich bin immer zufrieden, wenn ich bei Ihnen speise.« Er zückte seine Brieftasche und entnahm ihr eine Visitenkarte. Nachdem er auf die Rückseite eine Handynummer gekritzelt hatte, hielt er Lilli die Karte entgegen. »Das habe ich vorhin übrigens nicht nur so dahingesagt, Frau Berger. Das mit meinem Geburtstag, meine ich. Bitte überlegen Sie es sich und rufen Sie mich an, gern auch privat.«

»Das ist ein großes Kompliment, Herr Gruber. Ich werde es mir ernsthaft überlegen. Wollen wir so verbleiben?«

Der Polizeipräsident schüttelte Lilli die Hand. »Wunderbar. Und – ich bin ja sowieso mindestens dreimal die Woche hier zum Mittagessen. Dann sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn Sie sich entschieden haben. Aber ich bitte Sie noch einmal: Machen Sie mir, meiner Frau und vor allem meinen Gästen die Freude!«

Nachdem Lilli – gemeinsam mit dem ungewohnt wortkargen Chefkoch – alles für die Spätschicht vorbereitet hatte, band sie sich die Schürze ab. Feierabend, endlich. Lediglich die Spülhilfe erwiderte ihren Abschiedsgruß. Monsieur Pierre drehte ihr demonstrativ den Rücken zu.

Na gut, wenn du es so willst, dachte Lilli, dann spiel doch die beleidigte Leberwurst.

Kapitel 2

Bepackt mit Tüten, Einkaufstaschen und einem Strauß Pfingstrosen stand Lilli eine knappe Stunde später vor ihrer Haustür. Laute Popmusik war bis auf die Straße zu hören. Sie verrenkte sich bei dem Versuch, ihre Jacken- und Hosentaschen nach ihrem Haustürschlüssel abzuklopfen, ohne etwas abzustellen.

Ratsch! Der Henkel einer Einkaufstüte war gerissen. Äpfel, Kohlrabi und Zwiebeln rollten davon und verteilten sich im Vorgarten. Die Blumen, die unter ihrem Arm klemmten, rutschten herunter, und Lilli brach beim Versuch, sie noch zu packen, prompt die Hälfte der Blüten ab.

Immerhin hatte sie jetzt eine Hand frei, um auf die Klingel zu drücken.

Niemand öffnete, aber die Musik verstummte. Schnell klingelte Lilli mehrmals hintereinander.

Die Musik setzte wieder ein, noch lauter als zuvor.

Seufzend stellte Lilli ihre Taschen ab und trat einen Schritt aus dem Türeingang zurück. Vielleicht hatte sie ja Glück, und das Fenster der Gästetoilette stand offen. Fehlanzeige. Zitterte der Efeu an der Hauswand im Takt der Bässe, oder war das Einbildung?

Seufzend ging Lilli ums Haus herum zur Terrasse. Die Rollläden waren herabgelassen – offenbar hatte Svenja in einem Anfall von Fürsorge die Ruhe in der Nachbarschaft im Sinn gehabt. Lilli schlug mit der Faust gegen die hölzernen Läden, aber nichts rührte sich.

»Svenja! Svenja! Mach die Tür auf! Ich bin's, deine Mutter! Verdammt!«, schrie Lilli vergeblich gegen den Lärm an. Keine Reaktion. Lilli gab sich schließlich geschlagen.

Sie ging zurück zur Haustür und erschrak. Obst und Gemüse lagen nicht mehr im Vorgarten verstreut. Und nicht nur das: Ihre Taschen waren ebenfalls verschwunden. Verwirrt sah sie sich um und entdeckte vor dem Garagentor ihre Tochter Kati, die sich gerade auf ihre Vespa schwang und den Motor anließ.

Lilli wedelte mit den Armen und rannte auf Kati zu. »Kati! Kati! Nicht wegfahren! Ich bin ausgesperrt! Und meine Taschen ...«

Kati drehte sich zu ihr um und winkte. »Der Schlüssel steckt, Ma, und die Taschen sind in der Küche. Bis später.« Sie ließ den Motor aufheulen, gab Gas und fuhr knatternd die Straße hinunter.

Auf dem Küchentisch lagen die Einkäufe, direkt neben ihrem vermissten Schlüssel. Erleichtert schaufelte Lilli duftendes Espressopulver in das Sieb ihrer kleinen Espressokanne und stellte sie auf den Herd. Das war immer das Erste, was sie nach der Arbeit zu Hause tat, ein langjähriges, lieb gewonnenes Ritual.

Die Küchentür flog auf, und Svenja kam aufgeregt herein.

»Mama, stell dir vor – gerade war ein Einbrecher oder so am Haus! Der hat voll an die Rollläden gebollert, der wollte rein! Aber wir haben so getan, als wäre niemand da.«

Lilli zog ihre plappernde Tochter an sich und versuchte, ernst zu bleiben. »Das habt ihr ganz richtig gemacht, Svenja. Nie die Tür aufmachen, wenn ein Fremder davorsteht. Allerdings kannst du bei deiner Mutter schon mal eine Ausnahme machen.«

Lilli zupfte an Svenjas derangiertem, verschwitztem Haarband. »Macht mal Schluss für heute, meine kleine Pink, Musik aus. In einer Stunde gibt's Essen, und ich könnte Hilfe gebrauchen.«

Svenja zog eine Schnute. »Kochen?«, maulte sie gedehnt. »Och, wieso denn ich? Ist denn Kati nicht da? Kann die nicht helfen? Ich find kochen so langweilig. Und außerdem sind wir noch nicht mit Üben fertig. Och, Mama, bitte!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, entzog sich Svenja Lillis Umarmung und rannte zurück zum Wohnzimmer.

Lilli wusste nicht, ob sie wütend werden oder die Frechheit ihrer selbstbewussten Dreizehnjährigen bewundern sollte. In letzter Zeit überschritt Svenja allerdings immer häufiger die Grenze zwischen kindlich-charmantem Trotz und purer Unverschämtheit. Sie wollte ihrer Tochter gerade folgen, als die Haustür aufging. Armin, unter dem Arm eine lange Papprolle, kam mit gerunzelter Stirn herein. Er zog sich die Baseballkappe der New York Yankees vom Kopf, auf die er so stolz war, und warf sie ohne hinzusehen über einen der Garderobenhaken. Sein Leinensakko ließ er einfach auf den Boden fallen.

Lillis Herz machte einen kleinen Freudensprung, als sie ihren Ehemann sah. Allerdings wirkte er, wie so häufig in letzter Zeit, sehr abgespannt. Er arbeitete viel und kam oft erst spät abends nach Hause.

Sie ging auf Armin zu, um ihn zu umarmen. Lilli fühlte einen kleinen Stich der Enttäuschung, als er, ohne sie zu beachten, die Papprolle abstellte, direkt aufs Wohnzimmer zuging und die Tür öffnete.

Theoretisch hätte sein Auftauchen bei der lauten Musik minutenlang unbemerkt bleiben können, aber die Choreographie befand sich gerade an einem Punkt, an dem die Mädchen komplizierte Drehungen vollführen mussten, und so blickte das Tanz-Quartett in dem Moment zur Tür, als Armin das Wohnzimmer betrat.

Svenja lief sofort auf ihren Vater zu. »Papa! Du musst dir unbedingt anschauen, was wir heute geübt haben!« Sie hopste aufgeregt vor ihm herum.

Lilli stand im Türrahmen und beobachtete die beiden. Svenja war eine echte Vater-Tochter, seine kleine Prinzessin. Es war typisch, dass sie nur ihm die aufregenden neuen Tanzschritte vorführen wollte und nicht ihrer Mutter.

Armin nahm Svenja kurz in den Arm. »Nein, heute nicht, meine Süße. Ich bin todmüde. Aber ich nehme gern ein Autogramm von den Künstlerinnen.« Verschwörerisch zwinkernd zog er einen Filzschreiber aus der Hemdtasche. »Hier, die Damen, direkt aufs Hemd, wie es sich für echte Stars gehört. Aber vorher bitte die Musik aus. Mir fliegt gleich das Trommelfell raus.«

Die Mädchen lachten und plapperten durcheinander. Svenja schaltete gehorsam die Stereoanlage aus. »Aufs Hemd, Papa? Was sagt Mama denn dazu?«

»Ach, mit der rede ich schon. Und außerdem, schau mal«, er zeigte seinen rechten Ärmel, der am Ellenbogen eingerissen war, »da hat meine Lieblingsbaustelle auch schon ein Autogramm hinterlassen.«

Die vier Mädchen schrieben kichernd ihre Namen auf Armins Hemdbrust.

»Wiedersehen, Frau Berger, Wiedersehen, Herr Berger«, verabschiedeten sich Svenjas Freundinnen wenig später höflich und drängelten sich an den beiden vorbei in den Hausflur.

»Armin, sind wir wirklich schon so alt?«, fragte Lilli. »Mir kommt es vor, als hätte ich erst letzte Woche zu Hause in meinem Mädchenzimmer die Hits von Donna Summer oder Sister Sledge in die Haarbürste gesungen, und jetzt stehe ich hier und runzle missbilligend die Stirn.«

Armin lachte und nahm Lilli in die Arme. »Das war in der Tat erst vor einer Woche, meine Liebste. Du hast im Schlafzimmer vor dem Spiegel posiert und irgendein Stück von Blondie in deine Bürste gegrölt. Und dazu getanzt. Ziemlich sexy sogar.«

»Was? Das hast du ...?«

Armin grinste. »Du hast gedacht, ich wäre noch unter der Dusche, aber ich habe dich heimlich beobachtet. Und das, was ich da gesehen habe, hat mir sehr gut gefallen.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie.

Svenja runzelte die Stirn, als sie die zärtliche Umarmung ihrer Eltern sah. »Bäh, ihr seid ja peinlich!«

Lilli wand sich aus Armins Armen. »Alles klar. Wenn dir das so peinlich ist – in der Küche wartet ein Kilo völlig unpeinlicher Kartoffeln darauf, geschält zu werden.«

Svenja rannte wie ein geölter Blitz die Treppe hoch zu ihrem Zimmer. »Keine Zeit«, rief sie über die Schulter, »ich muss Schularbeiten ...« Die Zimmertür knallte zu.

Lilli ließ sie ziehen. Lieber allein kochen als mit einer bockigen, schlecht gelaunten Tochter, die aus Protest wie in Zeitlupe durch die Küche schleichen würde, wie sie es immer tat, wenn sie keine Lust hatte.

Lilli untersuchte den Riss in Armins Ärmel. »Schade um das schöne Hemd. Ich wusste gar nicht, dass ein Architekt so gefährlich lebt.«

Armin entzog ihr den Arm. »Ach, das ist heute auf der Baustelle passiert, ein rostiger Nagel oder so.« Armin verstummte, drückte ihr abwesend einen Kuss auf die Stirn und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Sein Telefon klingelte.

Lilli ging ins Schlafzimmer und tauschte ihre Jeans gegen eine weite, bequeme Hose aus Nickistoff. Sie trug noch immer die gleiche Kleidergröße wie vor zwanzig Jahren, trotz ihrer Arbeit als Köchin. Sie musterte sich kritisch im Spiegel: ein gleichmäßig geschnittenes Gesicht, blaugrüne Augen, eine schmale und – wie Lilli fand – etwas zu lange Nase, ein schön geschwungener Mund. Ihre mittelblonden, schulterlangen Haare, die sie fast immer als Zopf trug, hatten schon länger keinen Friseur mehr gesehen. Sie trat näher an den Spiegel. Um die Augen hatten sich die ersten feinen Fältchen eingegraben. Normal bei einer Frau von zweiundvierzig Jahren.

Sie griff nach ihrer Haarbürste, hielt sie wie ein Mikrofon vor den Mund, stellte sich in Positur und deklamierte: »Sehr verehrte Damen und Herren. Nie hätte ich damit gerechnet, den Küchennobelpreis für die beste Kartoffelsuppe der Welt entgegennehmen zu dürfen. Und noch dazu aus der Hand des großen Ferrán Adria, den ich zutiefst verehre und der mir immer eine große Inspiration war und ist. Ich danke meiner Familie, meinem Ehemann ...«

Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür und Armin steckte seinen Kopf herein. »Du, Lilli, ich muss noch mal kurz weg. Wartet nicht mit dem Essen auf mich. Könnte sein, dass ich es nicht rechtzeitig schaffe.«

Lilli drehte sich zu ihm herum. »Wo musst du denn jetzt noch ...« Aber sie hörte schon die Haustür hinter ihm ins Schloss fallen.

Lilli nahm einige zarte Karotten, eine Stange Lauch, eine prachtvolle Gemüsezwiebel und ein paar Kartoffeln und räumte den Rest der Einkäufe weg. Vom Biometzger auf dem Markt hatte sie Mettwürste und ein paar Scheiben Kassler mitgenommen – das rief nach einem deftigen Kartoffeleintopf.

Zu den sanften Rhythmen ihrer Lieblings-Reggae-CD erledigte sich die Arbeit wie von selbst. Lilli schwang die Hüften und summte mit, während sie die Kartoffeln schälte und in Würfel schnitt. Die Karotten dufteten leicht nach der Erde, in der sie gestern noch gesteckt hatten. Lilli biss ein Stück ab, es schmeckte süß und zart. Vorsichtig wusch sie das kleine Bündel unter fließendem Wasser und schnitt die Karotten in feine Scheiben. Mit dem Lauch verfuhr sie ebenso. Tack tack tack tack tack – das große scharfe Messer zerteilte die Lauchstange so blitzschnell in gleichmäßige Ringe, als hätte es ein Eigenleben. »Erst wenn es sich anhört wie eine Maschinengewehrsalve, seid ihr schnell genug!«, hatte ihr Ausbilder immer gesagt. Zum Schluss hackte sie die Gemüsezwiebel ebenso kunstvoll in kleine Würfelchen.

In einem großen Suppentopf schwitzte sie das zerteilte Gemüse in Öl an, bis die Zwiebelwürfel glasig waren, und goss zwei Liter Gemüsebrühe dazu. Es zischte laut, und eine weiße Dampfwolke stieg auf. Bevor Lilli den Deckel auf den Topf setzte, gab sie noch Salz und Pfeffer und zu guter Letzt die gewaschenen Kartoffelwürfel hinein. Während die Mischung vor sich hin brodelte und sich die Küche mit einem köstlichem Aroma füllte, deckte Lilli den Tisch. Kati musste auch jeden Moment auftauchen, sie war zum Abendessen stets zu Hause.

Gerade arrangierte sie die zerzausten, kümmerlichen Reste ihres Pfingstrosenstraußes, als sie schon das vertraute Knattern des Motorrollers hörte. Lilli gab schwungvoll einen Schuss Sahne in den Topf. Mit einem kleinen Löffel probierte sie die Mischung, runzelte die Stirn und holte dann aus dem Kühlschrank ein kleines, irdenes Töpfchen mit Senf. Ein haselnussgroßes Häufchen davon versank in der Suppe und löste sich sofort auf. Lilli schnupperte an dem Dampf, der jetzt eine Spur schärfer duftete als zuvor. Was fehlte noch? Frische Kräuter. Rasch hackte Lilli ein Bündel Schnittlauch zu feinen Röllchen. Die würde sie später auf die gefüllten Teller streuen.

Kati, die eben in die Küche kam, sog genießerisch den Duft der Suppe ein. »Das macht Appetit! Kartoffelsuppe?« Sie schnappte sich eins der Mettwürstchen, die Lilli gerade zusammen mit den Kasslerscheiben in den Topf geben wollte.

»Auch dir einen guten Tag«, begrüßte Lilli ihre Tochter. »Finger weg. Vor dem Essen wird nicht genascht.«

»Wie soll man denn bei diesen Prachtstücken widerstehen?«, fragte Kati und gab Lilli die Wurst zurück.

»Sag doch bitte Svenja Bescheid. Das Essen ist fertig.«

Zehn Minuten später saßen sie zu dritt am Tisch und schnatterten durcheinander. Und selbst Svenja, die zwar ungern kochte und sich dafür aber umso lieber Lillis Essen schmecken ließ, rief, wie sie es schon als kleines Mädchen immer getan hatte: »Leckerleckerlecker!« Sie kam um den Tisch gelaufen, um Lilli einen fettigen Schmatzer auf die Wange zu drücken.

Sie hatten ihre Teller bereits geleert, als Armin endlich wieder auftauchte und sich zu ihnen in die Küche gesellte.

»Hm, hier duftet es ja köstlich. Habt ihr mir was übrig gelassen?«

»Natürlich!«, rief Kati und sprang auf, um ihm eine Portion Suppe zu holen.

»Das sieht wunderbar aus«, sagte Armin und nahm seiner Tochter den Teller ab. Er setzte sich an den Tisch und gab Lilli einen Kuss. »Was liegt morgen an? Können wir unser Wochenende genießen und ausschlafen, oder hast du was geplant?«

»Morgen treffe ich mich mit Gina zum Frühstück, wir wollen unseren Triumph vom letzten Wochenende noch einmal feiern.«

»Renates Silberhochzeit?«

Lilli nickte.

»Dann kann ich ja ins Büro fahren. Ich habe da noch was auf meinem Schreibtisch liegen.« Armin wirkte erleichtert.

Kati sagte: »Ich komme mit zu Tante Gina, ja? Tobi und ich waren schließlich auch dabei.«

Lilli bemerkte, dass Svenja bei Katis Worten theatralisch die Augen verdrehte und sich dann ihrem Vater zuwandte, um ihm ein Stück Mettwurst abzuschwatzen.

»Na klar, Kati, ich hätte dich sowieso gefragt. Ohne euch hätten wir das niemals geschafft.«

»Uuuuh, Kati und ihr Verliebter ... knutsch, knutsch«, säuselte Svenja.

»Was weißt du denn schon, du kindisches Minimonster.«

»Ich bin immerhin schon dreizehn!«, schrie Svenja empört.

Armin sah vom Teller hoch, der gefüllte Löffel verharrte in Höhe seines Mundes. »Verliebt? Wer ist verliebt? Habe ich irgendetwas verpasst, Kati?«

»Quatsch, Papa. Tobi ist mein bester Freund, sonst nichts. Svenja liest zu viel Bravo.«

»Na klar, der starrt dich nur immer so an, weil er deine Pickel zählt«, stänkerte Svenja weiter.

Kati drehte sich zu ihrer kleinen Schwester um und hielt ihr den Mund zu. Svenja zappelte und quiekte unter Katis unbarmherzigen Griff.

»Kati, wenn du schlau bist, bringst du deine Schwester erst um, wenn ihr mit Spülen fertig seid«, sagte Lilli.

Armin stand auf und tupfte sich mit seiner Serviette umständlich den Mund ab. »Ich muss dann mal eben telefonieren, wegen morgen. Wir sind doch fertig hier?«

Als er eilig die Küche verließ, sah sie ihm hinterher. An welchem Projekt arbeitete er eigentlich gerade? Oder hatte er es ihr erzählt, und sie konnte sich nicht daran erinnern? Und seit wann konnte er es kaum erwarten, auch samstags ins Büro zu gehen?

Sie wusste es nicht.

Kapitel 3

Als Lilli und Kati am nächsten Morgen bei Gina klingelten, öffnete Tobias ihnen die Tür. »Morgen, Tante Lilli!«, rief er fröhlich, dann murmelte er leise: »Hallo Kati. Schön, dich zu sehen.«

Kati boxte ihren Freund vor die Schulter. »He, warum so schüchtern?«

Lilli hatte Tobis veränderten Tonfall bei Katis Begrüßung sehr wohl registriert. Der Junge war verliebt. Aber ihre Tochter schien das nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Tobi war verstummt und deutete nur auf die offene Terrassentür.

»Ist deine Mutter im Garten?«, fragte Lilli knapp, um den armen Kerl möglichst schnell zu erlösen.

Tobi nickte und schaute Kati, die sofort auf die Terrasse gegangen war, geradezu waidwund hinterher.

»Ich mache dann mal Kaffee, Tante Lilli. Kann ich dir irgendetwas abnehmen? Die Tasche vielleicht?«

Er seufzte schwer und schlurfte, ohne ihre Antwort abzuwarten, mit hängenden Schultern zurück in die Küche.

Lilli ging durch Ginas Wohnzimmer und den gemütlichen Wintergarten, in dem bereits der Frühstückstisch gedeckt war, hinaus auf die Terrasse.

Gina stand mitten in einem trotz der frühen Jahreszeit üppig und bunt sprießenden Blumenbeet und schnitt Blumen. Sie arrangierte langstielige Tulpen in Zartrosa, Violett und kräftigem Pink zu einem farbenfrohen Strauß. Dann zog sie eine kleine Gartenschere aus ihrer hinteren Hosentasche und gab sie mit ein paar Worten an Kati, die daraufhin von einem blühenden Mandelbäumchen einige Zweige abkniff. Gina schnitt mit ihrem Messerchen noch eine Handvoll kleinblütiger, gelber Narzissen.

Lilli blieb auf der Terrasse stehen und beobachtete die beiden. Ihre beste Freundin Gina war eine der nettesten und attraktivsten Frauen, die sie kannte. Sie hatte nicht nur das Temperament, sondern auch die schwarzen Locken ihrer italienischen Mutter geerbt und strahlte eine Lebensfreude aus, die jeden bezauberte.

»Morgen, Gina«, rief Lilli, »pflückst du die für den Tisch? Lass sie doch im Beet stehen – das sieht so schön aus. Ich freue mich immer, wenn nach dem Winter die ersten Blumen blühen.«

Gina lachte und hielt den Strauß in die Höhe. »Ciao bella! Du weißt doch, ein gedeckter Tisch ohne frische Blumen hat einfach keinen Stil. Nichts kann gut schmecken, wenn das Auge nicht erfreut wird. Und außerdem ist der Strauß für euch, den sollt ihr später mitnehmen.«

Gina nahm Kati die rosa blühenden Zweige ab, kam in den Wintergarten und arrangierte die Blumen in der bereitstehenden Vase. Zwischen den in allen Farbtönen zwischen Zartrosa und Violett leuchtenden Tulpen und Mandelblüten wirkten die Narzissen wie Sprenkel von Sonnenlicht auf einer Blumenwiese.

Gina umarmte Lilli herzlich zur Begrüßung. »Na, bellissima, alles klar?«

Lilli nickte und ließ sich in einen Stuhl fallen. »Wochenende – ich bin heilfroh. Der Monsieur hat gestern einen Auftritt hingelegt, dass die Wände gewackelt haben.«

»Mal wieder einen Anfall gehabt?«

»Und ob – ich sage nur drei Dinge: eine Spülhilfe, ein außer Kontrolle geratener Wasserschlauch und die hunderttausendste Rücktrittsandrohung des Küchengottes. Den Rest kannst du dir denken, Gina.«

»Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Madonna, was für ein Spaß! Ich beneide dich richtig um diesen Kerl. Das ist doch wie Kino.«

Lilli winkte ab. »Ja, aber wenn du mit dem Monsieur tagtäglich in der Küche stehst, ist es alles andere als lustig, das kannst du mir glauben. Irgendwann sperre ich ihn über Nacht ins Kühlhaus, damit er mal ein bisschen runterkommt. Der hat nicht nur kochen gelernt bei Bocuse, sondern auch gleich die Allüren des Meisters übernommen.«

Gina zwinkerte Kati, die sich gerade ein Croissant fingerdick mit Butter bestrich, verschwörerisch zu, bevor sie sich wieder Lilli zuwandte. »Komm, sei mal ehrlich! Du findest ihn doch auch ein bisschen attraktiv. Der Mann hat wenigstens Temperament. Ohne den Monsieur würdest du dich in der Küche zu Tode langweilen.«

Lilli zuckte mit den Schultern.

»Oder – lass mich raten – du willst dich lieber den ganzen Tag mit der mondänen Vanessa Kamlot über ihre neueste French Manicure unterhalten, habe ich recht?«

Lilli lachte. »Wahrscheinlich. Aber irgendwann werde ich zurückbrüllen, das schwöre ich dir.«

Sie sprang auf, zog den altmodischen Kaffeewärmer von der noch altmodischeren Kaffeekanne aus Porzellan und stülpte ihn sich auf den Kopf. Dann legte sie dramatisch die Hand auf die Brust und deklamierte mit übertrieben französischem Akzent: »... das ist 'ier alles unerträglisch! Isch bin von Inkompetenz umziengelt! Abär wenn Sie, Madame Berschär – das bin übrigens ich – das 'ier alles bessär können und vor allem bessär wissen, dann übernehmen Sie doch meine Postän! Das 'ier 'abbe isch nisch nötisch!«

Lilli riss sich theatralisch den Kaffeewärmer vom Kopf und schleuderte ihn mit großer Geste auf den Boden.

Gina und Kati lagen sich kreischend in den Armen.

»Ma! Bitte hör auf!«, japste Kati. »Ich kriege keine Luft mehr!«

»Glaubt mir, irgendwann werde ich ihm die Mütze – natürlich mit Blüten dekoriert! – auf einer silbernen Platte servieren oder als Chef-Mitra im Reisrand auf die Tageskarte setzen.«

»Was für ein Traummann«, sagte Gina verträumt, »so unterhaltsam und temperamentvoll – und gut kochen kann er auch noch. Perfekt.«

Lilli nickte. »Tja, Gina, wenn man es so betrachtet ... eigentlich schade, dass ich schon verheiratet bin. Aber lasst uns über etwas Schönes reden. Renate hat mich vorgestern noch einmal angerufen, weil sie immer wieder auf die Feier angesprochen wird.«

»Wer war eigentlich der ältere Mann, mit dem du so lange geredet hast?«, fragte Gina.

»Das war Dr. Baumann, der Inhaber der Kanzlei«, sagte Lilli. »Du, er hat mich – uns – übrigens sofort engagieren wollen. In einem Monat will er ein wichtiges Geschäftsessen geben. Und in drei Monaten will der Polizeipräsident seinen Geburtstag von mir bekochen lassen.«

»Ist doch super!«, rief Kati aufgeregt. »Und? Was hast du gesagt?«

»Du hast hoffentlich nicht abgelehnt?«, fragte Gina gleichzeitig.

»Natürlich habe ich abgelehnt. Ich mache das schließlich nicht professionell, sondern nur im Familienkreis.«

Gina schüttelte den Kopf, Kati tippte sich an die Stirn.

»Schön blöd, Ma. Mach das doch! Warum denn nicht? Das ist doch nichts anderes, als wenn du für die Familie kochst – außer, dass du dann endlich mal Geld dafür kriegen würdest.«

»Genau«, stimmte Gina zu. »Du kochst allemal gut genug, um selbst was auf die Beine stellen zu können. Und warum denn nicht Aufträge annehmen? Wir sind doch sowieso ein prima Gespann.«

»Und Tobi und ich könnten helfen!«, rief Kati und sprang auf. »Ich gehe sofort hoch und frag ihn.«

Sie hüpfte aufgeregt ins Haus.

»Na, da wäre ich aber jetzt mächtig überrascht, wenn Tobi das ablehnen würde«, murmelte Lilli in Ginas Richtung, als ihre Tochter außer Hörweite war.

»Um ehrlich zu sein«, raunte Gina zurück, »ich bin sicher, er würde sich auch als Elfe kostümieren, um ihr damit eine Freude zu machen. Irgendwie unheimlich. Und Kati?«

»Kati? Hast du doch gesehen. Die pure Ignoranz. Sie merkt es ja noch nicht einmal. Allerdings gibt es auch keinen anderen, für den sie sich interessiert; das dürfte ihn immerhin leidlich trösten.« Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Lilli: »Im Ernst, Gina – ich trau mir die Selbstständigkeit nicht zu. Kunden werben, Angebote machen, die Konkurrenz ... wirklich nicht.«

»Find ich schade, Lilli. Ich bin sicher, wir könnten damit Erfolg haben. Du kochst, ich dekoriere und bemühe mich, dein Essen nicht zu ruinieren, wenn ich dir zur Hand gehe.«

Lilli lachte. »Wer weiß, vielleicht irgendwann einmal. Man kann ja nie wissen. Ich fühle mich dafür einfach nicht sicher genug. Was, wenn wir einen Auftrag nicht schaffen? Was, wenn die Auftraggeber nicht zufrieden sind? Wenn beim Polizeipräsidenten das Soufflé zusammenfällt, weiß es am nächsten Morgen die ganze Stadt. Was, wenn eine von uns krank wird? Was, wenn ...«

»Wenn wir es nicht ausprobieren, werden wir es auch nie herausfinden. Hoffentlich bereust du es nicht irgendwann, dass du dich jetzt nicht traust.«

»Kann ich mir nicht vorstellen. Außerdem – der Zeitaufwand wäre mir zu groß. Nein, ich bin zufrieden mit der Arbeit im Camelot. So einen Job finde ich nie wieder. Hast du eine Ahnung, wie die Arbeitszeiten in Restaurantküchen normalerweise sind? Nur tagsüber arbeiten, so wie jetzt? Das gibt es nirgends! Nein, ich wüsste wirklich keinen Grund, mich zu verändern.«

Kapitel 4

Obwohl Lilli und Gina schon öfter Familienfeiern ausgerichtet hatten, war das große Büffet für Renates Silberhochzeit für Lilli eine logistische Herausforderung gewesen. Die Vorbereitungen und Einkäufe hatten sich über Tage hingezogen. Mit Monsieur Pierres geknurrter Zustimmung durfte sie Platten, Vorlegebestecke, Schüsseln und weitere benötigte Gerätschaften aus der Küche des Camelot ausleihen. In Lillis Keller und Garage stapelten sich Waren und Geräte, und in zwei riesigen angemieteten Kühlschränken konnte sie die frischen Lebensmittel fachgerecht lagern.

Zu Lillis großer Freude hatte Renate ihr bei der Gestaltung des Büffets völlig freie Hand gelassen. Deshalb war sie schließlich Köchin geworden – weil sie ihre Kreativität ausleben wollte, weil sie die Sinnlichkeit der Düfte liebte, die subtile Balance unterschiedlicher Aromen in einem perfekt komponierten Menü.

Schon als Kind hatte Lilli ihre Mutter verrückt gemacht mit ihrer Angewohnheit, alles ausgiebig zu beschnuppern, bevor sie es in den Mund steckte. »Das ist nicht schlecht, jetzt iss endlich«, hatte ihre Mutter immer gesagt, wenn Lilli mit geschlossenen Augen den Duft inhalierte, der von ihrem gefüllten Teller aufstieg. Besonders gern mochte sie es, wenn es einmal im Monat Leber gab, frisch vom Schlachter, in Mehl gewälzt und scharf gebraten, bedeckt mit süßlich-würzigen, in Butter gerösteten Zwiebelringen, mit Apfelkompott, für das sie die kleinen, saftigen Äpfel selbst im Garten gesammelt hatte, und buttrigen Stampfkartoffeln, mit diesem kaum wahrnehmbaren, zarten Hauch von Muskatnuss, die sie selbst über die Kartoffeln reiben durfte. Es hatte ihr nicht gereicht, ihrer Mutter beim Kochen zuzusehen, nein, sie wollte mitmachen. Es faszinierte sie, wie aus Milch, Mehl, Zucker und Eiern leckere Pfannkuchen entstanden, mit Apfelringen oder selbstgepflückten Blaubeeren. Selbst vor Fisch und Meeresfrüchten hatte sie sich – anders als viele Kinder – nicht geekelt, im Gegenteil.

Im Urlaub an der Nordsee bat sie ihre Eltern, frischen Fisch und Krabben direkt vom Kutter zu kaufen, wenn diese, schwer beladen mit ihrem Tagesfang, im Hafen einliefen. Sie liebte frische Babyschollen, kaum größer als eine Hand, die man noch selbst säubern und ausnehmen musste. Es machte ihr nichts aus, beim Essen auf Gräten zu achten, denn das gab ihr die Gelegenheit, sich noch intensiver mit dem Inhalt ihres Tellers zu beschäftigen. Sie bestürmte die Vermieterin ihrer Ferienwohnung, die mit Krabbenpulen ihr Geld verdiente, ihr beizubringen, wie man das würzige Fleisch der kleinen Tierchen aus ihrem Panzer befreite. Lilli protestierte lautstark, wenn ihre Mutter das Krabbenfleisch mit Mayonnaise anmachen wollte, und bestand darauf, die Krabben pur auf einer Scheibe Schwarzbrot mit Butter zu essen; allenfalls duldete sie, wie es an der Küste üblich war, ein Spiegelei dazu.

Sie hatte das Glück, dass in ihrer Kindheit täglich selbst geerntetes Obst und Gemüse auf den Tisch kam. Sie wohnten zusammen mit den Eltern ihrer Mutter in einem Haus, und ihr Großvater verbrachte täglich Stunden im Garten und auf dem kleinen Acker. Im Garten zog er Äpfel, Birnen, Süß- und Sauerkirschen, Stachelbeeren, Brombeeren, Himbeeren, rote und schwarze Johannisbeeren und frische Kräuter; auf dem Acker wuchsen Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Lauch, grüner Salat, Blumenkohl, Rhabarber und Erdbeeren. So wusste sie schon als kleines Kind, dass ein kleiner Wurm eine Birne nicht ungenießbar machte und dass ein Apfel nicht nur dann schmeckte, wenn er prall und rund und glänzend war. Sie lernte, wie deftig eine Kartoffel schmecken konnte und wie groß der Unterschied zwischen einer wässrigen, importierten Treibhaustomate und der würzig-aromatischen Frucht war, die sie selbst geerntet hatte. Sie war fasziniert von dem Gegensatz der süß duftenden Zitronenschale und ihrem sauren Inneren, das ihren gesamten Mund zusammenzog und ihren Speichel zum Fließen brachte. Wenn es zum Nachtisch einen frischen Obstsalat gab, bestand Lilli immer darauf, dass ihre Mutter keinen Zucker darüber streute, denn das verwandelte den individuellen Geschmack der Früchte in süßliche Beliebigkeit. Manchmal durfte sie auch ihrer Großmutter in der Küche assistieren, deren Reibekuchen mit frischem Apfelmus sie abgöttisch liebte, genau wie den bitteren, würzigen Endiviensalat und die feine, leicht säuerliche Stielmussuppe ihrer Oma.

Es hatte Lilli gefreut, dass auch Kati schon als Kind immer beim Kochen helfen wollte. Sie stand dann auf einer kleinen Fußbank am Tisch, rührte mit Feuereifer einen Kuchenteig oder schmeckte konzentriert und mit geschlossenen Augen eine Salatsauce ab, durfte auf dem Markt Gemüse aussuchen oder mit ihren kleinen Händen die Masse für Frikadellen durchmischen.

Bei den Vorbereitungen für Renates Feier war Kati Lilli eine unverzichtbare Hilfe. Gemeinsam bereiteten sie zahlreiche Gerichte des Büffets schon zwei Tage im Voraus zu. Zuerst stellten die beiden drei Sorten Schokoladenmousse her. Sie schmolzen weiße, bittere und Vollmilchschokolade, schlugen Eiweiß und Sahne steif und verrührten Zucker und Eigelb zu einer schaumigen Masse, die sie dann mit der zähen, flüssigen Schokolade vermengten, bevor sie vorsichtig mit einem Schneebesen die Sahne und den Eischnee unterhoben. Die noch flüssige Mousse füllten sie in je fünfundzwanzig hohe Glaskelche und stellten sie in den Kühlschrank.

»Was sollen wir als Nächstes machen?«, fragte Kati, während sie den hohen Turm aus Schüsseln und Töpfen gemeinsam abspülten.

»Heute nichts mehr«, antwortete Lilli. »Morgen machen wir den Kartoffelsalat mit Vinaigrette, der darf ruhig einen Tag durchziehen. Außerdem stehen die Lachstorte, der Heringssalat, die Minifrikadellen und der Pilzbaumkuchen auf dem Programm. Vielleicht auch schon die Frischkäsebällchen, mal sehen, wie weit wir kommen.«

Kati war skeptisch. »Ob das alles zu schaffen ist? Ich kann dir erst ab mittags helfen, vergiss das nicht.«

»Kann sein, dass es ein langer Tag wird. Aber Vanessa hat mir freigegeben, ich kann also ab ganz früh morgens daran arbeiten.«

»Mach den Pilzbaumkuchen nicht ohne mich, hörst du? Ich will das unbedingt lernen«, bat Kati. Sie polierte die großen Metallschüsseln blitzblank und stapelte sie sorgfältig auf den Küchentisch.

»Der Pilzbaumkuchen ist ganz einfach«, sagte Lilli. »Du machst zuerst einen Stapel ganz dünner, runder Pfannkuchen, dann brätst du Pilze und Zwiebelwürfelchen in Butter. Würzen kannst du ganz nach Geschmack, eventuell werde ich einen Schuss Madeira dazugeben. Wenn die Pilze abgekühlt sind, werden sie püriert. Diese Masse streichst du auf die Pfannkuchen und schichtest sie übereinander – immer abwechselnd Pfannkuchen und Pilzpüree. Das ist schon alles.«

»Das ist ja wirklich ganz einfach«, rief Kati erstaunt. »Und wie groß wird der?«

»Ganz wie du magst. Ein Pilzbaumkuchen kann zehn Zentimeter Durchmesser haben oder so groß sein wie eine normale Torte. Du kannst ihn warm oder kalt servieren, am besten in Tortenstücke geschnitten. Übrigens wäre es mir lieber, wenn du mir bei der Lachstorte und den Frikadellen assistieren könntest.«

Der richtige Endspurt begann am frühen Morgen des Veranstaltungstages. Während Gina und Tobi bereits in der Kanzlei waren und die Dekoration aufbauten, arbeiteten Kati und Lilli fieberhaft in der heimischen Küche. Sie höhlten große Fleischtomaten aus und füllten sie mit gemischtem Salat. Außerdem schnitten sie Dutzende Baguettes, die ein Bäcker geliefert hatte, in Scheiben, die Kati dann mit Salatblättern und gebeiztem Lachs, geräucherten Forellen oder einem Stück Matjes belegte. In einem großen Topf brodelte eine deftige Kartoffelsuppe, während Lilli eine kalte Tomatensuppe machte, die, dekoriert mit einer feinen Selleriestange und im Glas serviert, wie eine Bloody Mary aussehen würde. Langsam wurde es eng in den Kühlschränken. Dort stapelten sich Platten mit Tomate und Mozzarella, Käsevariationen und gefüllten Tomaten, Schüsseln mit Käsebällchen aus unterschiedlich gewürztem Frischkäse, gewälzt in Schnittlauchröllchen oder Paprikapulver, und würzigen Gorgonzolabällchen mit einer Kruste aus Schwarzbrotkrümeln. Im Backofen schmorten Hähnchenschenkel mit Zitrone und Thymian, während Kati den Teig für süße und pikante Muffins zubereitete. Die finale Dekoration würde in der Kanzlei stattfinden, und ein heißer Grillschinken sollte kurz vor Beginn der Feier von einem Metzger angeliefert werden.

Um siebzehn Uhr kam Tobi, um die erste Fuhre schon einmal mitzunehmen. Gina hatte sich von ihrem Arbeitgeber einen Lieferwagen leihen können, der den logistischen Aufwand für den Transport auf ein Minimum reduzierte.

Als Lilli schließlich in der Kanzlei ankam, blieb sie überwältigt in der Tür stehen.

Gina hatte das große Sitzungszimmer der Anwaltskanzlei, in der Renate Partnerin war, mithilfe von Zimmertannen, Farnen, Moos, künstlichem Rasen und Kunststofftieren in eine romantische Waldlichtung verwandelt. Die Tannen verdeckten Fenster und Wände, weicher Kunstrasen bedeckte den Boden. Hier und da bildeten Gruppen von Farnen auf Flecken von Moos kleine Inseln, zusätzlich dekoriert mit Waldpilzen und lebensecht wirkenden Kaninchen, Igeln oder Rehen. Dutzende Lichterketten mit winzigen weißen Reispapierlampions ließen die Zimmerdecke wie einen nächtlichen Sternenhimmel aussehen. Bei ihren Planungsgesprächen hatte Gina zwar versucht, ihr Konzept für den Raum genau zu erklären, aber Lillis Fantasie hatte nicht ausgereicht, um sich das Ergebnis vorzustellen.

Gina hatte die siebzig Quadratmeter perfekt genutzt. Im Raum verteilt standen Tische, an denen rustikale Gartenbänke und Lehnstühle auf die Gäste warteten. Neben jeden Tisch war eine schmiedeeiserne Laterne plaziert, deren sanftes Licht auf die kunstvollen Miniaturlandschaften in der Mitte der moosgrünen Tischdecken fiel. Tagelang hatte Gina an den filigranen Arrangements gesteckt und darauf geachtet, dass sich alle voneinander unterschieden. Die wunderschönen Bonsailandschaften bestanden aus natürlichen Materialien und Tobis alten Beständen an Figuren und Fachwerkhäuschen aus der Zeit, als seine Modelleisenbahn sein größtes Hobby gewesen war.

Die Tische für das Büffet waren großzügig bemessen und mit maigrünen Tüchern bedeckt. Mit Ginas Hilfe arrangierten Lilli und Kati die Gläser, Platten und die Schüsselchen, die Kartoffel- oder Heringssalat enthielten. Ein besonderer Blickfang waren ohne Zweifel die Lachstorten, dekoriert mit fein gehacktem Dill und Rosenblüten, die Lilli aus dünnen Streifen Tomatenschale geformt hatte, was sie auf den ersten Blick wie Erdbeersahnetorte aussehen ließ. Dazu gab es Meerrettich-Sahneschaum, was den Eindruck einer Nachspeise noch verstärkte. Für die Stücke des Pilzbaumkuchens hatte Gina Dessertteller vorbereitet, die mit Moos und Farn dekoriert waren. Sie hatte aus dem Büffet eine Miniaturlandschaft aus Hügeln, Tälern und Ebenen gemacht und mithilfe von Bonsaibäumchen sogar winzige Wälder gestaltet.

Wie Renate hatten auch die Gäste der Feier auf Lillis und Ginas Inszenierung zuerst mit fassungslosem Staunen, dann mit Begeisterung reagiert. Während des gesamten Abends wurden sie mit begeisterten Kommentaren überhäuft und um Rezepte gebeten.

Und Lilli musste zugeben, dass es ihr gut getan hatte, die Komplimente für ihre Arbeit direkt von den gut gelaunten Gästen zu bekommen und nicht, wie im Camelot, nur über Umwege – wenn überhaupt.

Kapitel 5

Am Sonntagmorgen erwachte Lilli früh. Armin lag noch in tiefem Schlaf und laut schnarchend neben ihr. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, küsste sie ihn zärtlich auf die Stirn. Sie schlüpfte leise aus dem Bett, nahm ihren Morgenmantel vom Haken an der Tür und schlich sich in die Küche. Aus den Zimmern der Mädchen im ersten Stock drang noch kein Laut.

Lilli schloss die Küchentür hinter sich und griff nach der Kanne, die sie mit Wasser und Espressopulver befüllte und auf den Herd stellte. Im Radio suchte sie den Klassiksender. Zu den Klängen der Frühlingspartitur aus Vivaldis »Vier Jahreszeiten« tanzte sie zum Regal, stellte sich auf die Zehenspitzen und fuhr mit dem Finger über die Rücken ihrer zahlreichen Kochbücher. Bei dem Buch des spanischen Ausnahmekochs Ferrán Adria stoppte sie und zog den schweren Schuber aus dem Regal.

Hinter ihr gurgelte die Espressokanne Lilli legte den Wälzer auf den Tisch und füllte den Kaffee in ihren Lieblingsbecher, eine unförmige, von Svenja im Kindergarten getöpferte Tasse in schreiendem Pink.

Lilli setzte sich an den Küchentisch. Immer noch war das Haus still. Entspannt summend, blätterte sie durch das dicke Buch und verweilte bei dem einen oder anderen Rezept, um es genauer zu studieren: Mandelsorbet in Knoblauchöl, Apfelkaviar, Gurkenschaum, Spaghetti aus Muschelessenz, Algenkrokant ... spektakulär und mutig, aber samt und sonders völlig untauglich für die normale Restaurantküche.

Lilli nahm einen Schluck aus der Tasse. Ihre Gedanken wanderten zu Armin und der letzten Nacht. Sie lächelte versonnen. Was ihre Töchter wohl denken würden, wenn sie wüssten, dass ihre uralten Eltern noch derart leidenschaftlichen Sex miteinander hatten! Sie stand auf, ging zum Küchenfenster und wärmte sich ihre Hände an der Tasse, während sie in den Vorgarten sah. Unter dem Rhododendron lagen noch zwei Äpfel, die Kati vorgestern übersehen hatte. Lilli lächelte wieder, als sie an ihre beiden so unterschiedlichen Töchter dachte. Svenja startete gerade mit Volldampf in die Pubertät und balancierte auf dem verwirrend schmalen Grat zwischen dem Mädchen, das noch mit Puppen spielte, und der Frau, die ihre eigenen Entscheidungen treffen wollte. Sie war kapriziös, launisch und trotz allem liebenswert. Svenja hätte Lillis im Vorgarten verteilten Einkauf nur unter Zwang aufgehoben. Kati, vier Jahre älter, besuchte bereits die Oberstufe des Gymnasiums und war immer umsichtig und hilfsbereit. Im Gegensatz zu ihrer Schwester hatte sie schon als kleines Kind freiwillig ihrer Mutter geholfen, egal ob im Haushalt, im Garten oder – besonders gern – in der Küche.

Lilli schreckte auf, als sich die Küchentür öffnete, ein sehr verschlafener Armin barfuß in die Küche geschlurft kam und sich ein wenig desorientiert umsah. »Wieso bist du denn schon auf?«, murmelte er undeutlich, während er ziellos durch die Küche irrte.

Lilli lächelte. Wie ein fünfjähriger Junge sah Armin aus mit seiner schief geknöpften Pyjamajacke und den vom Schlaf zerzausten Haaren. »Leg dich wieder hin, Armin. Du bist ja eh noch gar nicht richtig wach.«

Armin blickte sie verwirrt an. Er hob hilflos die Hände und setzte mehrmals zum Sprechen an, bevor er mühsam herausbrachte: »Machst'n da?«

»Nichts. Ich genieße die Ruhe und freue mich des Lebens. Geh wieder ins Bett und schlaf noch ein bisschen. Es ist noch nicht mal acht Uhr.«

Wie ein Roboter, der einen Befehl erhalten hatte, drehte Armin sich ruckartig um und marschierte wieder ins Schlafzimmer.

Lilli wandte sich erneut ihrer Lektüre zu. Hin und wieder machte sie sich Notizen auf einem Block, den sie aus der Schublade des Tisches gezogen hatte. Trotz ihrer langjährigen Erfahrung als Köchin liebte sie Kochbücher. Sie konnte stundenlang in ihnen herumblättern, um Anregungen zu finden.

Algenkrokant ... Irgendwann musste sie mal in dieses Restaurant von Ferrán Adria in Barcelona gehen. Dreißig Gänge, und einer verrückter als der andere. Sie fand es immer wieder schade, dass Monsieur Pierre nicht ein bisschen experimentierfreudiger war. Ihre Theorie war ja, dass alle Lehrlinge von Bocuse unter lebenslanger Hypnose standen, damit sie niemals auch nur einen Millimeter vom eingeschlagenen Pfad abwichen. Wenn sie ihrem Kollegen mit den Rezepten dieses irren spanischen Alchimisten käme ...

Lilli erinnerte sich an ein Gespräch, das sie vor einigen Tagen mit Monsieur Pierre gehabt hatte. Alles hatte mit ihrer – wie sie dachte, harmlosen – Frage angefangen, was er von Jamie Oliver und seinem Engagement für eine verbesserte Schulspeisung in England hielt.

»Was? Jamie Oliver?«, hatte er geschrien. »Dieser lispelnde, ungewaschene Prolet? Eine Schande für die Zunft ist der! Wenn ich den schon sehe! Stellt sich ins Fernsehen, macht Fish and Chips mit ein bisschen Tralala, und tut dann so, als wäre das große Kunst. Das ist Pommesbudenniveau!« Erbost hatte er auf die Kräuter auf seinem Schneidebrett eingehackt.

»Ja, aber sein Engagement ist doch wunderbar. Und dass er arbeitslose Jugendliche von der Straße geholt hat, um mit ihnen ein Restaurant zu betreiben – also, ich finde das bewundernswert«, hatte Lilli gewagt, zu widersprechen.

Monsieur Pierre hatte sein Messer auf den Tisch geknallt und die Hände in die Hüften gestemmt. »Ach ja? Dann arbeiten Sie doch für Jamie Oliver, wenn Sie den so toll finden! Dem geht's doch nur um seine Popularität! Ein echter Koch arbeitet in seiner Küche und macht seinen Job. Der drängt sich nicht in die Öffentlichkeit. Überhaupt ... wenn ich diese ganzen Kochshows im Fernsehen sehe! Unrasierte, flegelhafte Bengel in zerknitterten T-Shirts – eine Schande!«

Monsieur Pierre war immer lauter geworden, während Lilli vor ihrem geistigen Auge jedes einzelne Ausrufezeichen in seiner Tirade wie einen Pfeil auf sich zufliegen sah. Fast war sie versucht gewesen, hinter ihrem Arbeitstisch in Deckung zu gehen. Aber Monsieur Pierre war noch lange nicht fertig.

»Gehobene Küche gehört nicht ins Fernsehen! Haute Cuisine muss ein Geheimnis bleiben!«, hatte sich der aufgebrachte Koch weiter echauffiert. »Jeder schnoddrige Möchtegernkoch, der einen Kochlöffel halten kann, meint doch, dass er was zu sagen hätte. Da könnte ich ...«

Der Rest seines leidenschaftlichen Monologs war im lauten Klappern der Töpfe untergegangen, zwischen denen er wütend nach seinem kleinen, verbeulten Lieblingssaucentopf suchte.

Insgeheim vermutete Lilli, dass ihr Kollege auf all diese Fernsehköche mit ihren eigenen Sendungen, ihren Fans und ihrer Popularität neidisch war. Wahrscheinlich saß er regelmäßig vor dem Fernseher, wenn eines seiner Hassobjekte dort aus dem Nähkästchen plauderte und Laien in die hohe Kunst der gehobenen Küche einweihte.

Sie hatte sich schnell wieder auf ihr Steinpilzrisotto konzentriert und sich vorgenommen, dieses Thema nicht noch einmal anzusprechen.

Im Obergeschoss klappten Türen. Es war mittlerweile kurz nach zehn Uhr. Lilli hörte Musik und die laute Stimme von Svenja, die gegen eine Tür hämmerte.

»Doofe Kuh! Immer gehst du zuerst ins Badezimmer! Du glaubst wohl, nur weil du die Ältere bist, muss alles nach dir gehen.«

Lilli seufzte und stellte das kostbare Kochbuch zurück ins Regal. Ihre Ruhestunde war vorbei.

Sie ging ins Schlafzimmer und fand Armins Bett leer vor. Im angrenzenden Bad lief das Wasser.

Kurz war sie versucht, Armin unter der Dusche zu überraschen und ihrer leidenschaftlichen Nacht noch eine spontane Fortsetzung folgen zu lassen, als sie wieder Türenknallen und Stimmen aus dem ersten Stock hörte. Zu spät. Sie zog sich rasch bequeme Kleidung an und ging zurück in die Küche, um mit den Vorbereitungen für das Frühstück zu beginnen.

Lilli hackte gerade frische Kräuter für das Rührei, als Kati mit feuchten Haaren hereinkam. Offenbar hatte sie den Kampf ums Bad gewonnen.

Ihre Tochter drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Morgen, Ma! Schon lange auf?«

»Morgen. Seit halb acht. Gut geschlafen? Kommt Svenja auch gleich runter?«

»Ja zu beiden Fragen«, antwortete Kati, während sie begann, den Tisch zu decken. Sie holte vier Teller aus dem Schrank und hielt dann inne. »Kommt Oma auch?«

»Ich schätze, ja. Letzte Woche war sie nicht da, also haben wir heute beste Chancen, denkst du nicht?«

Käthes sonntägliche Besuche gehörten ganz sicher nicht zu ihren Lieblingsprogrammpunkten am Wochenende, aber wegen Armin und der Kinder, die ihre Großmutter innig liebten, hielt sie sich mit ihrer Meinung über ihre Schwiegermutter zurück.

Kati nahm einen fünften Teller und entsprechendes Besteck aus dem Schrank. Dann setzte sie einen Kessel auf den Herd, um für den von ihrer Großmutter bevorzugten Ingwertee Wasser zu kochen.

Schritte kamen die Treppe heruntergepoltert, und Svenja marschierte in die Küche. Ihre Augen waren mit Lidschatten in allen Regenbogenfarben umrahmt, und in ihren ungeschickt getuschten Wimpern hingen dicke schwarze Klumpen. Durch großzügig aufgetragenes Rouge glühten ihre Wangen, als hätte sie gerade einige Ohrfeigen bekommen. Offensichtlich hatte sie die Schminktipps aus einem ihrer Teenie-Magazine gründlich missverstanden.

Ehe Lilli etwas sagen konnte, prustete Kati schon los: »Was soll das denn sein? Weißt du eigentlich, wie bekloppt du aussiehst?«

Svenja schoss sofort zurück. »Was weißt du denn, du ... du ... du ... blöde Langweilerin! Du hast doch gar keine Ahnung. Du kannst doch gar nicht mitreden.«

Bevor der Austausch gegenseitiger Beleidigungen fortgesetzt werden konnte, mischte sich Lilli ein.

»Wirklich, Svenja, das ist ein bisschen zu extrem für den Frühstückstisch. Außerdem kommt Oma wahrscheinlich gleich, und die kriegt einen Herzinfarkt, wenn sie dich so sieht. Geh bitte hoch und wasch dir das Gesicht, ja?«

Svenja schossen die Tränen in die Augen. »Ihr seid so gemein. Das ist nicht fair. Immer hackt ihr auf mir rum. Nur, weil ihr euch nicht schminkt, muss ich genauso langweilig rumlaufen wie ihr.«

Bei dem Versuch, sich die Tränen abzuwischen, verschmierte sie die Wimperntusche mit dem Handrücken quer über ihr Gesicht. Lilli sah einen frühen Alice Cooper mit blonden Locken und Glitzerhaarreif vor sich stehen, der wütend mit den Füßen aufstampfte und dann aus der Küche floh, um schließlich türenknallend im Bad zu verschwinden.

»Was ist denn das für ein Geschrei am Sonntagmorgen?« Armin erschien in der Küchentür. Er gab Lilli und Kati einen Kuss auf die Wange und fragte: »Was hat unsere kleine Diva denn?«

»Stylingprobleme«, erwiderte Kati trocken, während sie ihrem Vater einen Kaffee eingoss. »Setz dich schon mal hin. Rührei?«