4,99 €
Als der 13-jährige Finn nach Nebelrode zieht, rechnet er mit nichts als Langeweile in dieser verschlafenen Kleinstadt. Doch schnell merkt er: Hier ist nichts, wie es scheint. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden Maja, Leonie und Noah entdeckt er auf einem verlassenen Rummelplatz ein seltsames Spiegelkabinett. Was als einfache Erkundungstour beginnt, wird plötzlich zu einem Abenteuer zwischen den Welten, als der geheimnisvolle Spiegel sie in eine verwirrende Parallelwelt zieht. Die vier Freunde müssen zusammenhalten und die Rätsel der mysteriösen Brückenpfade lösen, wenn sie den Weg nach Hause finden wollen – denn überall könnte ein Pfad in eine andere Welt lauern.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 85
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Legende der Brückenpfade
Band 1
Das Geheimnis von Nebelrode
Martina Meister
Dies ist eine frei erfundene Geschichte. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen oder Orten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
© 2025
likeletters Verlag
Inh. Martina Meister
Legesweg 10
63762 Großostheim
www.likeletters.de
Alle Rechte vorbehalten.
Autorin: Martina Meister Bildquelle: Chat GPT
ISBN: 9783689490331
Teilweise kam für dieses Buch künstliche Intelligenz zum Einsatz.
Kapitel 1: Neu in Nebelrode
Kapitel 2: Die Vier vom Waldweg
Kapitel 3: Das Tagebuch
Kapitel 4: Der verlassene Rummelplatz
Kapitel 5: Auf der anderen Seite
Kapitel 6: Die umgekehrte Zeit
Kapitel 7: Der Beobachter
Kapitel 8: Die verlorene Tante
Kapitel 9: Der Tanz des Karussells
Kapitel 10: Neue Brückenhüter
Epilog: Schatten und Licht
Im Klassenzimmer der 7b war es so still, dass Finn das Knarren der alten Holzdielen unter seinen Füßen überdeutlich hörte. Zweiundzwanzig Augenpaare folgten ihm, als er neben Frau Berger stand, die ihn mit einer ausladenden Handbewegung der Klasse präsentierte.
«Das ist Finn Schneider. Er ist neu in Nebelrode und wird ab heute Teil unserer Klasse sein. Ich erwarte von euch allen, dass ihr ihm helft, sich bei uns einzuleben.»
Frau Berger, eine schmale Frau mit dickem schwarzen Haarknoten und Brille, lächelte ihm aufmunternd zu. Sie hatte freundliche Augen, aber das half Finn in diesem Moment nur wenig.
«Möchtest du uns vielleicht etwas über dich erzählen?», fragte sie.
Finn schüttelte den Kopf. Sein Mund war plötzlich so trocken wie Sandpapier.
«In Ordnung. Du kannst dich auf den freien Platz dort am Fenster setzen», sagte sie verständnisvoll und deutete auf einen leeren Tisch in der vorletzten Reihe.
Als er durch den Gang zwischen den Tischen lief, fühlte sich Finn wie auf einem Präsentierteller. Sein Rucksack streifte versehentlich das Heft eines Mädchens mit feuerroten Haaren, das in der Nähe seines Platzes saß. Sie schaute kurz auf, lächelte flüchtig, und wandte sich dann wieder ihrem Notizbuch zu, in dem sie etwas zeichnete, was definitiv nichts mit Mathematik zu tun hatte.
Finn ließ sich auf seinen Stuhl sinken und zog sein Mathebuch hervor. Als er nach seinem Heft griff, spürte er, wie ihm ein kleiner, gefalteter Zettel zugeschoben wurde. Er kam von einem Jungen mit strubbeligen blonden Haaren, der schräg vor ihm saß.
«Willkommen im Nebeldorf – wo nichts passiert!», stand darauf in krakeliger Handschrift. Der Junge drehte sich um und grinste Finn an. «Ich bin Stefan.»
«Finn», murmelte er, obwohl das nach der Vorstellung ziemlich überflüssig war.
«Herr Schneider und Herr Köhler», unterbrach Frau Berger scharf. «Ihr könnt euch in der Pause unterhalten. Jetzt konzentrieren wir uns auf Bruchrechnung.»
Finn klappte hastig sein Buch auf. Bruchrechnung – immerhin etwas, womit er sich auskannte. In seiner alten Schule in Hamburg waren sie mit dem Stoff schon weiter gewesen.
Als Frau Berger begann, eine Aufgabe an die Tafel zu schreiben, schaute Finn zum Fenster hinaus. Durch die regenverschmierten Scheiben konnte er die Hügel sehen, die Nebelrode umgaben. Dunkle Tannenwälder bedeckten die Hänge, und darüber hingen tiefe Wolken, die die Gipfel verhüllten. Es hatte seit ihrer Ankunft vor drei Tagen ununterbrochen geregnet, was seine düstere Stimmung nicht gerade verbesserte.
Vor einem Monat hatte sein Vater beim Abendessen verkündet, dass er das Angebot als leitender Arzt im Krankenhaus von Nebelrode angenommen hatte. Eine ‚wunderbare Chance‘ nannte er es. Für Finn bedeutete es, mitten im Schuljahr umzuziehen, alle seine Freunde zurückzulassen und in diesem verschlafenen Nest neu anzufangen.
«Wer kann mir sagen, wie wir diese Aufgabe lösen?», fragte Frau Berger.
Niemand meldete sich. Finn kannte die Antwort, aber er zögerte. Als Neuer wollte er nicht gleich als Streber gelten. Andererseits…
«Finn?», Frau Berger hatte seinen nachdenklichen Blick bemerkt. «Möchtest du es versuchen?»
Widerwillig hob er die Hand. «Man muss den Hauptnenner finden. Also 24.»
«Richtig», sagte Frau Berger mit einem Lächeln. «Und dann?»
Die nächsten dreißig Minuten vergingen mit Brüchen, und Finn entspannte sich ein wenig. Zahlen waren wenigstens überall gleich, egal ob in Hamburg oder hier in diesem Kaff.
Die Pausenglocke schrillte, und ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Klasse. Finn packte langsam seine Sachen zusammen, unsicher, wohin er gehen sollte. In seiner alten Schule hatte er immer mit Felix und Mika auf der Treppe gesessen, wo sie über Comics oder das neueste Computerspiel diskutierten. Hier kannte er niemanden.
«Du kommst aus Hamburg, oder?», fragte Stefan, der auf ihn gewartet hatte.
Finn nickte.
«Cool. Wie ist es da? Ich war noch nie in einer Großstadt.»
«Laut. Voll. Nicht so…» Finn machte eine vage Handbewegung in Richtung Fenster, durch das man die menschenleeren Straßen von Nebelrode sehen konnte.
«Verstehe», sagte Stefan lachend. «Hier kennt jeder jeden. Mein Vater sagt immer, in Nebelrode kann man nicht mal niesen, ohne dass drei Straßen weiter jemand ‚Gesundheit‘ sagt.»
Finn musste lächeln. Stefan schien okay zu sein.
«Kommst du mit in die Cafeteria? Die Käsebrötchen sind gut, der Rest ist eher…» Er verzog das Gesicht.
Zusammen gingen sie über den Flur, der mit Schülerarbeiten und vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos der Stadt dekoriert war. Auf einem Foto sah Finn einen alten Rummelplatz mit einem Riesenrad.
«Gibt’s den noch?», fragte er und zeigte auf das Bild.
Stefan schüttelte den Kopf. «Nein, schon ewig geschlossen. Mein Opa hat erzählt, dass dort Ende der 50er Jahre irgendwas Seltsames passiert ist. Ein paar Kinder sind verschwunden oder so. Aber niemand redet gern darüber.»
Bevor Finn nachfragen konnte, wurden sie von lautem Gelächter unterbrochen. Eine Gruppe älterer Jungs stand im Halbkreis um jemanden herum, den Finn nicht sehen konnte.
«Oh nein, nicht schon wieder», murmelte Stefan.
«Was ist da los?», fragte Finn.
«Das sind Typen aus der Neunten. Die ärgern immer die Kleinen. Oder die, die sie für seltsam halten.»
Jetzt konnte Finn sehen, wen sie umzingelt hatten. Es war das Mädchen mit den feuerroten Haaren aus seiner Klasse. Sie hielt ein Heft an ihre Brust gedrückt, während ein großer Junge mit Baseballkappe davor stand.
«Komm schon, Maja, zeig uns deine komischen Zeichnungen!», sagte er und griff nach dem Heft.
«Lass es, Leon», sagte das Mädchen – Maja – mit ruhiger Stimme, obwohl Finn die Anspannung in ihrem Gesicht sehen konnte.
«Warum? Hast du wieder Monster gemalt?» Leon lachte. «Oder sind es diesmal Aliens? Wann landen sie, um dich abzuholen, du Freak?»
Die anderen Jungen lachten. Finn spürte, wie Wut in ihm aufstieg. In seiner alten Schule hatte er gelernt, sich aus solchen Situationen herauszuhalten. Aber etwas an der Art, wie das Mädchen dort stand – allein, aber mit erhobenem Kopf – ließ ihn vortreten.
«Hey», sagte er lauter als beabsichtigt. «Lass sie in Ruhe.»
Die Gruppe drehte sich zu ihm um. Leon, der mindestens einen Kopf größer war als Finn, runzelte die Stirn.
«Wer bist du denn?»
«Der Neue», antwortete einer der anderen. «Aus der 7b.»
«Siebte Klasse, hm?» Leon grinste herablassend. «Dann solltest du vielleicht wissen, dass wir hier unter uns sind.»
Finn spürte, wie seine Handflächen feucht wurden. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Er konnte sich nicht an seinem ersten Tag schon Ärger einhandeln.
«Ich wollte nur sagen…» begann er, nicht sicher, wie er den Satz beenden sollte.
In diesem Moment ertönte eine neue Stimme hinter den älteren Jungen.
«Beruhige dich, Leon. Er ist neu hier. Woher soll er wissen, dass du der selbsternannte König des Schulhofs bist?»
Ein schlanker Junge mit dunklen, lockigen Haaren und einer altmodischen Kamera um den Hals trat neben Maja. Er sprach mit einer solchen Gelassenheit, dass Leon überrascht zu sein schien.
«Fischer», knurrte Leon. «Immer noch mit deiner Steinzeit-Kamera unterwegs?»
«Immer noch mit deinem Steinzeit-Gehirn unterwegs?», entgegnete der Junge mit der Kamera, aber so leise, dass nur Finn, Maja und Stefan es hören konnten.
«Das reicht für heute», sagte eine Frau, die plötzlich hinter ihnen stand. Es war Frau Wagner, die Kunstlehrerin, die Finn heute Morgen kurz gesehen hatte. «Leon, du und deine Freunde geht bitte in euren Pausenbereich.»
Die Jungen zogen murmelnd ab, nicht ohne Leon noch einen bösen Blick auf Maja und den Jungen mit der Kamera werfen zu lassen.
«Alles in Ordnung, Maja?», fragte Frau Wagner.
Das rothaarige Mädchen nickte. «Danke, Mama.»
Die Lehrerin war ihre Mutter? Finn war überrascht.
«Danke, Noah», fügte Frau Wagner hinzu und tätschelte dem Jungen mit der Kamera die Schulter. Dann ging sie den Flur hinunter.
«Danke für die Hilfe», sagte Maja und schaute zu Finn. Aus der Nähe sah er, dass ihre Augen nicht braun waren, wie er zuerst gedacht hatte, sondern von einem ungewöhnlichen Bernsteinton. «Das war mutig, besonders für jemanden, der neu ist.»
Finn zuckte mit den Schultern, plötzlich verlegen. «Ich mag keine Typen, die andere herumschubsen, nur weil sie können.»
«Ich bin Noah», sagte der Junge mit der Kamera und streckte Finn die Hand entgegen. «Und das ist Maja. Sie zeichnet die besten Comics in ganz Nebelrode.»
«Finn», antwortete er und schüttelte Noahs Hand. «Sind Comics der Grund, warum sie dich ärgern?», fragte er Maja.
Sie nickte.
«Das und die Tatsache, dass ich mit Leonie befreundet bin.» Sie deutete zum Ende des Flurs, wo ein Mädchen mit langen, blonden Zöpfen stand und ihr Mathebuch studierte. «Leons Schwester.»
«Die beiden verstehen sich nicht so gut», erklärte Noah mit einem schiefen Lächeln.
Die Pausenglocke läutete, und die Schüler strömten zurück in die Klassenzimmer. Stefan, der die ganze Zeit schweigend neben Finn gestanden hatte, zupfte an seinem Ärmel.
«Wir sollten uns beeilen», sagte er. «Wir haben jetzt Geschichte bei Herrn Fischer.»
«Fischer? Wie Noah?», fragte Finn.
Noah lachte. «Mein Opa. Sei nett zu ihm, er vergisst manchmal Namen oder Daten, aber er kennt mehr über die Geschichte von Nebelrode als jeder andere.»
Als sie sich auf den Weg zum Klassenzimmer machten, drehte Maja sich noch einmal zu Finn um.
«Hast du nach der Schule schon was vor?», fragte sie.
Finn schüttelte den Kopf.
«Wir treffen uns immer am alten Baum am Waldrand. Wenn du willst, kannst du mitkommen.» Sie lächelte. Es war das erste richtige Lächeln, das er heute gesehen hatte, und es erhellte ihr ganzes Gesicht.
Und zum ersten Mal, seit er in Nebelrode angekommen war, dachte Finn, dass es hier vielleicht doch nicht so langweilig werden würde, wie er befürchtet hatte.