Die letzten Ritter von Marienburg - Wilhelm Hauff - E-Book

Die letzten Ritter von Marienburg E-Book

Wilhelm Hauff

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Beschreibung

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Wilhelm Hauff

Die letzten Ritter von Marienburg

Impressum

Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016
ISBN: 978-3-945667-26-2
Für Fragen und Anregungen: [email protected]
RUTHeBooks
Am Kirchplatz 7
D 82340 Feldafing
Tel. +49 (0) 8157 9266 280

Inhalt

Kapitel 1 - Ein Poet
Kapitel 2 - Die Kritiker
Kapitel 3 - Ein prosaisches Herz
Kapitel 4 - Ein Singtee
Kapitel 5 - Die letzten Ritter von Marienburg

Kapitel 1 - Ein Poet

"Guten Morgen, Neffe der Musen", rief mit munterem Ton der junge Rempen einem Bekannten zu, dem er am Markt begegnete. "Ihre Augen leuchten, Ihre Mienen drücken eine gewisse Behaglichkeit aus, und ich wollte wetten, Sie haben heute schon gedichtet."

"Wie man will, bester Stallmeister", entgegnete jener, "in Reimen zwar nicht, aber an meinem neuen Roman habe ich ein paar Kapitel geschrieben."

"Wie, an einem neuen Roman? Das ist göttlich, auf Ehre! aber bitte Sie, warum so geheim mit solchen Dingen, so verschlossen gegen die nächsten Bekannte und Freunde? Sonst ließen Sie doch hin und wieder ein Wörtchen fallen über Anordnung und Charaktere, lasen mir und andern einige Strophen; wie kömmt es denn, daß dies alles nun vorüber ist?"

"War es euch denn wirklich interessant?" fragte der Dichter nicht ohne wohlgefälliges Lächeln. "Ich muß gestehen, mir selbst kommt, wenn ich etwas niedergeschrieben habe, alles so leer, so gemein, so langweilig vor, daß ich mich ennuyierte, wenn ich es nur in den Revisionsbogen wieder durchlas, da dachte ich denn, es könnte euch auch so gehen ..."

"Uns? Gewiß, es machte uns immer Vergnügen!"

"Gut, lassen Sie uns dort bei dem Italiener eintreten und etwas trinken! Dabei will ich Ihnen den Plan meines neuen ..."

"Wie!" rief der Freund des Dichters lachend. "So frühe am Tage schon in die Restauration? Sind wir denn Leute aus einer neumodischen Novelle, daß wir gleich anfangs, des Tages nämlich, in einem Wirtshaus sitzen müssen, als ob es außer der Kirche und der Weinstube kein öffentliches Leben mehr geben könnte!"

"Wie kommen Sie nur auf diese Vergleichung!" entgegnete jener. "Wie oft waren wir morgens bei Primavesi!"

"Es ging mir nur so durch den Kopf", sprach der Stallmeister; "gestehen Sie selbst, seit Tieck mit Marlow und Green im Wirtshaus zusammenkam, glauben sie alle, es könne keinen schicklicheren Ort geben, um eine Novelle anzufangen; erinnern Sie sich nur an die Almanachs des letzten Jahres; doch Sie selbst sind ja solch ein Stück von einem Poeten, und wenn Sie durchaus heute mit dem Italiener anfangen wollen, so mögen Sie Ihren Willen haben."

"Sie werden erwartet, Herr Doktor Zundler", sagte der Italiener, als die beiden Männer in den Keller traten; "der Buchhändler Kaper sitzt schon seit einer Viertelstunde im Eckstübchen und fragte oft nach Ihnen."

Der Stallmeister machte Miene, sich entfernen zu wollen; Doktor Zundler aber faßte hastig seine Hand: "Bleiben Sie immer", rief er, "kommen Sie mit zu dem Buchhändler; er wird wohl von meinem neuen Roman gehört haben und mir Verlag anbieten; da können Sie einmal sehen, wie unsereiner Geschäfte macht; habe ich ja selbst schon oft Ihrem Pferdeeinkaufen beigewohnt."

Der Stallmeister folgte; in einer Ecke sah er einen kleinen, bleichen Mann, der hastig an einem Rippchen zehrte und, so oft er einen Biß getan, Lippen und Finger ableckte; er erinnerte sich, diese Figur hie und da durch die Straßen schleichen gesehen zu haben, und hatte den Mann immer für einen Krämer gehalten; jetzt wurde ihm dieser als Buchhändler Kaper vorgestellt. Zur Verwunderung des Stallmeisters sprach er nicht zuerst den Dichter, sondern ihn selbst an: "Herr Stallmeister", sagte er, "schon lange habe ich mich gesehnt, Ihre werte Bekanntschaft zu machen. Wenn Sie oft an meinem Gewölbe vorbeiritten, ritten, ich darf sagen, wie ein Gott, da sagte ich immer zu meinem Buchhalter, und auf Ehre, es ist wahr, 'Winkelmann', sagte ich (Sie kennen ihn ja, Herr Doktor), 'Winkelmann, es fehlt uns schon lange an einem tüchtigen Pferde- und Bereiterbuch. Der Pferdealmanach erscheint schon lange nicht mehr, und was letzthin der Herr Baptist bei den Kunstreitern geschrieben, ist auch mehr für Dilettanten, obgleich die Vignette schön ist', Sie haben ja den Menschen persönlich gesehen, Herr Doktor; 'nun', sagte ich, 'ein solches Buch zu schreiben, wäre der Herr Stallmeister von Rempen ganz der Mann. Etwa fürs erste achtzehn, zwanzig Bogen, statt der Kupfer nehmen wir Lithographien ...'"

"Bemühen Sie sich nicht", erwiderte der junge Rempen, mit Mühe das Lachen unterdrückend. "Ich bin zum Büchermachen verdorben; es geht mir nicht von der Hand, und überdies, Herr Kaper, bei unserem Metier, gerade bei unserem, muß der Jüngere sich bescheiden. Da kömmt es auf Erfahrung an."

"Und ich dächte, Sie hätten Verlag genug", sagte der Doktor, wie es schien, etwas ärgerlich, von dem Buchhändler nicht gleich beachtet worden zu sein.

"O ja, Herr Doktor, Verlag genug, was man so verlegene Bücher nennt, ich könnte Deutschland in allen Monaten, die ein R haben, mit Krebsen versehen; Sie wissen ja selbst."

"Ich will nicht hoffen", rief der Dichter hoch errötend, "daß Sie damit etwa mein griechisches Epos meinen ..."

"Mit nichten, gewiß nicht, wir haben doch hundert etwa abgesetzt und die Kosten so ziemlich gedeckt, und der Herr Doktor werden mir nicht übelnehmen, wenn ich sage, es war eine frühe Arbeit, eine Jugendarbeit; hat doch auch Schiller nicht gleich mit dem 'Tell' angefangen, sondern zuerst die 'Räuber' geschrieben, und überdies noch die erste Ausgabe bei Schwan und Götz, wo Franz Moor noch in den Turm kömmt, die gar nicht so gut ist als die zweite; aber seit man Ihre vortreffliche Novelle in der 'Amathusia für 27', seit man Ihre Rezensionen und Kritiken und die Sonette vor vier Wochen gelesen hat, läßt sich Großes erwarten."

Der Dichter schien beruhigt. "Ich habe Sie immer für einen Mann von gesundem Urteil gehalten, Herr Kaper", sprach er mit gütigem Lächeln; "haben Sie vielleicht schon von meinem neuen Roman gehört?"

"Ich habe, ich habe", erwiderte der Buchhändler mit schlauer Miene; "und wo, raten Sie, wo ich davon gehört habe? Sie erraten nicht? Warum kommen denn der Herr Doktor so gerne in mein Gewölbe? Etwa wegen meiner Leihbibliothek, auf welche Sie immer zu schimpfen belieben, oder wegen des Vis-à-vis?"

"Wie!" rief der junge Mann und drückte die Hand des Buchhändlers, "hätte etwa Elise ..."

"Elise Wilkow, meinen Sie?" fragte der Stallmeister, etwas näher rückend.

"Ja, meine Herren, Fräulein Wilkow", fuhr Herr Kaper vertraulich flüsternd fort; "doch nicht zu laut, wenn ich bitten darf, denn soeben hat sich der Oberjustizreferendär Palvi dorthin gepflanzt in seine tägliche Ecke ..."

"Welcher ist es?" fragte der Stallmeister, sich umkehrend. "Ich hörte mancherlei von diesem Menschen, sonderbares Gerede von den einen und hohes Lob von andern; der junge Mann, der so düster in sein Glas sieht, ist Palvi?"

"Es ist nicht viel an ihm", bemerkte der Dichter. "Auf der Universität, ich war noch ein Jahr mit ihm in Göttingen, war er so eine Art von Poetaster; einmal las ich ein paar gute Gedanken von ihm, die er zu einem Fest gemacht hatte; hier treibt er ein elendes, wüstes Leben und kömmt selten in gute Gesellschaft."

"Aber gerade wegen Fräulein Wilkow dürfen wir vor ihm nicht zu laut werden", flüsterte der Buchhändler. "Ich weiß, er kam, als er noch auf Schulen war, zuweilen hinüber ins Haus, und wie mir meine Tochter sagte, soll einmal ein Verhältnis zwischen den beiden Leutchen ..."

"Wie ...?" rief der Stallmeister gespannt.

"Possen!" entgegnete der Dichter, indem er auf seinen eleganten Anzug einen Blick herabwarf. "Er sieht aus wie ein Landstreicher; bringen Sie mir Elise auch nicht in Gedanken mit diesem Menschen zusammen. Ich weiß, sie liebt die Poesie; alles Erhabene, Schöne gefällt ihr, und sagen Sie aufrichtig, hat sie von meinem Roman gesprochen?"

"Sie hat, und wie! Sie ist ein belesenes Frauenzimmer, das muß man ihr lassen; keine in der ganzen Stadt ist so delikat in der Auswahl ihrer Lektüre. So kommt es, daß sie immer in einer Art von Verbindung mit mir steht, und wenn ich etwas Neues habe, bringe ich es gleich hinüber; denn ich selbst habe es in meinen alten Tagen gerne, wenn ein so schönes Kind' lieber Herr Kaper' zu mir sagt und gütig und freundlich ist. Es war letzten Sonntag, daß ich ihr den Roman 'Die letzten Ritter von Marienburg' brachte, noch unaufgeschnitten, ich hatte ihn selbst noch nicht gelesen. Sie hatte eine kindliche Freude und sprach recht freundlich und viel. Und wie wir so plaudern, komme ich auch auf Ihre Novelle, welche sie ungemein lobte und Stil und Erfindung pries. Und so sagte sie denn, ob ich auch schon gehört, daß Sie einen neuen Roman schreiben?"

"Ja", fiel der Dichter feurig ein, "und einen Roman schreibe, Kaper, wie Deutschland, Europa noch keinen besitzt!"

"Historisch doch?" fragte der Buchhändler zweifelhaft.

"Historisch, rein geschichtlich; aber dies unter uns!"

"Historisch! Das möchte ich auch raten", sprach der Verleger, eine große Prise nehmend. "Das ist gegenwärtig die Hauptsache. Wenn man es so bedenkt, es ist doch eine sonderbare Sache um den deutschen Buchhandel. Ich war Kommis in Leipzig, als 'Wilhelm Meister' zuerst erschien. 'Werther' und 'Siegwart' waren Mode gewesen, hatten Nachahmung gefunden lange Zeit. Aber mein Prinzipal sagte: 'Er wird sehen, Kaper' (damals sprach man noch per Er mit den Subjekten), 'Er wird sehen, über kurz oder lang geschieht eine Veränderung.' So war's auch; wir gaben anfänglich nicht viel um den 'Wilhelm Meister', es schien uns ein gar konfuses Buch; aber siehe da, man schrieb allenthalben nach diesem Muster, und mancher hat sich ein schönes Stück Geld damit gemacht. Wieder eine Weile, ich hatte meine eigene Handlung etabliert, lag mir oft das Wort meines alten Prinzipals im Sinn: 'Alles im Buchhandel ist nur Mode; wer eine neue angibt, ist Meister'; wie ich mich noch auf etwas Neues besinne und einen Menschen suche, der etwas Tüchtiges schreiben täte, da haben wir's, kömmt Fouqué mit den Helden und Altdeutschen, und alles machte nach. Und jetzt hat der Walter Scott wieder eine neue Mode gemacht. Ich möchte mir die Haare ausraufen, daß ich keine Taschenausgabe machte, und nichts bleibt übrig als etwa deutsche historische Romane; die gehen noch."

"Fürwahr", bemerkte der Stallmeister lächelnd, "so habe ich bisher ohne Brille gelesen, und der deutsche Parnaß ist in ganz andern Händen, als ich dachte. Nicht um das Interesse der Literatur scheint es sich zu handeln, sondern um das Interesse der Verkäufer?"

"Ist alles so ganz genau verknüpft", antwortete Herr Kaper mit großer Ruhe, "hängt alles so fest zusammen, daß es sich um den Namen nicht handelt! Deutsche Literatur! Was ist sie denn anders, als was man alljährlich zweimal in Leipzig kauft und verkauft? Je weniger Krebse, desto besser das Buch, pflegen wir zu sagen im Buchhandel."

"Aber der Ruhm?" fragte der junge Rempen.

"Der Ruhm? Herr, was nützt mich Ruhm ohne Geld? Gebe ich eine Sammlung gelehrter Reisen mit Kupfern heraus, die mich schwer Geld kosten, so hat zwar meine Firma den Ruhm, das Buch verlegt zu haben. Aber wer kauft's, wer nimmt's, wer liest das Ding? Sechs Bibliotheken und ein paar Büchersammler, das ist alles, und wer geprellt ist, bin ich. Nein, Herr von Rempen! Eine vergriffene Auflage von einem Roman, eine Messe von höchstens dreißig Krebsen, das ist Ruhm, der echte, nämlich Ruhm mit Geld."

"Das ist also ungefähr wie Tee mit Rum, es schmeck besser", erwiderte der Stallmeister; "aber ich meinte den schriftstellerischen Ruhm."

"I nun, das ist etwas anderes", antwortete er, "den haben die Herrn neben dem Honorar umsonst. Und den weiß man sich zu machen, sehen Sie ..."

Kapitel 2 - Die Kritiker

Doch die Forschungen des Herrn Kaper wurden hier auf eine unangenehme Weise durch einen Lärm unterbrochen, der im Laden des Italieners entstand. Neugierig sah man nach der Türe, welche durch ein Glasfenster einen Überblick über den unteren Teil des Gewölbes gewährte. Ein ältlicher und zwei jüngere Herren schienen im heftigen Streit begriffen; jeder sprach, jeder focht mit den Händen; der eine stürzte endlich mit hochgeröteten Wangen aus dem Laden, die beiden andern, noch keuchend vom Wortkampf, traten in das Gewölbe, wo die Freunde saßen.

"Herr Rat! Was ist mit Ihnen vorgefallen!" rief Dr. Zundler beim Anblick des älteren Mannes, der, ein gedrucktes Blatt in der Hand zerknitternd, atemlos auf einen Stuhl sank. "Haben Sie denn nicht gelesen, Dr.