Die Maiskolbenmörder - Guido M. Breuer - E-Book

Die Maiskolbenmörder E-Book

Guido M. Breuer

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Beschreibung

In einem kleinen, verschlafenen Eifeldorf geschehen plötzlich mehrere Morde. Schnell ist eine Verdächtige gefunden: die attraktive Jenny, die mit ihren sexuellen Eskapaden selbst vor dem Pfarrer nicht haltmacht. Und ehe man sichs versieht, sind viele im Dorf auf irgendeine Weise in das Geflecht aus Eifersucht und Erpressung verwickelt: Jennys Ehemann, der Schwiegervater, ein zwielichtiger Detektiv und nicht zuletzt die lesbische Freundin Manuela. Selbst die Frau des Dorfpolizisten hat ihre Finger mit im Spiel! Eine köstliche Parodie auf das vermeintlich friedliche Landleben, in dem sich unerwartete Abgründe auftun.

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Seitenzahl: 315

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Guido M. Breuer

Ein Eifel-Krimi

LangenMüller

www.langen-mueller-verlag.de

© für die Originalausgabe und das eBook: 2014LangenMüller in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagillustration: shutterstock-images

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

Die F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH empfiehlt, für ein optimales Leseerlbnis die Schrift Garamond BQ zu verwenden

ISBN 978-3-7844-8185-2

1

Es gibt Tage, an denen so viel schiefläuft, dass man von dem angehäuften Schlamassel überwältigt wird und glaubt, das ganze Leben sei verquast und überhaupt recht sinnlos. Das kennt jeder von uns. Einem gewissen Hubert Schmitz geschah genau dies an einem wunderschönen, sonnigen Frühlingstag. Einem Tag, an dem die Rapsfelder in erster zartgelber Blüte standen und die Sonne bereits so warm schien, dass alles zu überschäumendem Leben erwachen wollte.

Das Dumme an Hubert Schmitz’ Situation war nun, dass er sich nicht etwa die Verquastheit seines Lebens unter dem Eindruck dieses besonders schlechten Tages nur einbildete, sondern dass sein Dasein sich insgesamt wirklich nicht besonders erfolgreich darstellte. Was jedoch diesen einen speziellen Tag anging, verhielt es sich so, dass etwa fünfhundert Meter von seinem Haus entfernt eine nackte Frau tot im Rapsfeld lag. Dieser Umstand war für sich genommen schon sehr beunruhigend. Aber wenn dies nun bereits alles gewesen wäre, hätte er dem weiteren Verlauf seines Lebens eigentlich doch eher entspannt entgegenblicken können. Zumindest was diese Sache anging. Dummerweise hielt er den Slip der Toten gerade in der Hand.

Nun war er sich nicht einmal sicher, dass das knappe Textil, welches so anregend gerochen hatte und eigentlich immer noch roch, tatsächlich der schönen Nachbarin gehörte. Oder – besser gesagt – gehört hatte, bevor aus der attraktiven jungen Frau ein lebloses Wesen im Raps wurde.

Eigentlich musste es doch nicht zwangsläufig so sein, dass die Frau einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war und der Täter ihr vor, während oder nach der Tat ebenjenes Höschen ausgezogen hatte, welches kurz darauf ein blöder Kerl, der ärgerlicherweise er selber war, finden und, getrieben von einem ganz und gar unseligen Drang, an sich nehmen musste. Es liegt jedoch im Wesen der Wahrscheinlichkeit, dass die Dinge meistens so sind, wie sie wahrscheinlicherweise sind. Daher war es insgesamt doch eher unwahrscheinlich, dass die Tote sich gegen Ende ihrer Lebenszeit im Feld entkleidete, sich in freudiger Erwartung ihres ihr im Grunde völlig unbekannten Nachbarn hinlegte und dann, da dieser Nachbar zu lange auf sich warten ließ, vor Langeweile verstarb.

Hubert Schmitz kam seufzend zu der Erkenntnis, dass er sein Leben grundlegend anders anpacken müsste.

Wie hatte er nur glauben können, dass sie ihn meinte, als sie, ausgelassen und von offensichtlich leidenschaftlich jugendlichem Ungestüm erfüllt, mit einem hellen Lachen die Straße hinunterhüpfte und hinter der ersten Biegung ebenjenes Feldweges, auf dem später ihr Slip – herrje, dachte Hubert Schmitz –, wie konnte er nur annehmen, sie wolle ihn, ausgerechnet ihn, mit dem sie noch nie auch nur ein einziges Wort gewechselt hatte, dazu ermutigen, ihr in den lauen Frühlingsabend hinaus zu folgen und den Duft ihres Körpers mit dem des gelbblühenden Rapses in den Schleimhäuten seiner Heuschnupfentriefnase zu mischen.

Ängstlich und unfähig zu raschen Entschlüssen, wie Hubert Schmitz nun einmal war, hatte er mehr als eine halbe Stunde gebraucht, um sich nach vielem wirren Abwägen von einigen Fürs und einer Menge Widers (letzteren hätte er mehr Gewicht beimessen sollen) dazu durchzuringen, das Verhalten der jungen Nachbarin wie folgt zu interpretieren:

Sie hatte beobachtet, dass er sie, als sie nackt im Garten gelegen hatte und sich unbeobachtet glaubte, eben doch beobachtet hatte. Und sie war frivol und exhibitionistisch genug, sich davon erregen zu lassen, sodass ihr Wunsch nach einem sexuellen Abenteuer mit ihrem voyeuristischen Nachbarn unwiderstehlich wurde. Dies brachte sie dazu, sich ebenjenen winzigen Slip, den er jetzt unschlüssig in der Hand hielt, ein leichtes Kleidchen und ein Paar Sandalen anzuziehen und mit dem bereits erwähnten hellen Mädchenlachen davonzueilen. Und dies auf ebenjenem Weg, wo er die verdammte Unterhose, die sie vorher, als sie noch wesentlich lebendiger war, unter seinen wachsamen Augen übergestreift hatte, dann aufgehoben und ihren Duft – nein, was für eine schreckliche Vorstellung, an dem Höschen einer Toten zu schnüffeln!

Er musste feststellen, dass seine Gedanken sich gegenseitig durch Schnelligkeit und Exaktheit zu übertrumpfen versuchten, sich dabei in Wirklichkeit aber nur überschlugen, ohne zu einem sinnvollen Ziel zu gelangen. Und gerade als er das bemerkte, kam sehr zielgerichtet eine Idee daher, die sich selbstbewusst und geradlinig gab, so als wäre sie die im gegebenen Kontext einzig denkbare Idee. Und tatsächlich glaubte er in diesem Moment, endlich nach all der immerhin wegen der beunruhigenden Situation doch recht großen Aufregung den einzig logischen Schluss aus dem ganzen Schlamassel gezogen zu haben.

Was lag näher, als sich ein Herz zu fassen, diesen verdammten Feldweg ein weiteres Mal hinaufzuschlendern, die vermaledeite Unterhose wie zufällig aus der Hosentasche zu kramen und dann einfach fallen zu lassen, angeblich ohne zu bemerken, dass einige Meter abseits vom Weg eine nackte Frauenleiche lag (warum sollte er sie auch inmitten des Rapsfeldes bemerken, das hatte er ja eben auch nicht getan, als er das Höschen gefunden hatte), und dann gemütlich nach Hause zu spazieren.

Dieser Gedanke gefiel ihm extrem gut, bis er bemerkte, dass dieser mit der eben erst erlangten Einsicht, dass er von nun an alles ganz anders anpacken müsse, irgendwie überhaupt nicht in Einklang zu bringen war. Ganz im Gegenteil, es wuchs in ihm eine Art intuitives Verständnis dafür, dass diese Idee genau zu der Art von Rettungsversuchen gehörte, die sein Leben bis dahin bestimmt hatten und die zu allem Möglichen, nicht aber zur Lösung von Problemen geeignet waren. Dummerweise hatte er jetzt gerade ein Problem, und jeder, der seine Situation hätte betrachten können, wäre gezwungen gewesen, ihm ein besonders schwerwiegendes Problem zu attestieren.

Unvoreingenommen und isoliert für sich betrachtet war der Gedanke, das schuldbehaftete Utensil unbeobachtet zu seiner Besitzerin zurückzubringen und so jede Beteiligung an dem Zustandekommen des unleidlichen Zustands der jungen Frau von vorneherein zwar nicht unmöglich, so wenigstens doch unbeweisbar zu machen, ja eigentlich gar nicht das Dümmste, was man sich als mehr oder weniger Beteiligter einfallen lassen könnte. Wenn er beispielsweise auf dem Nachhauseweg, kurz nachdem er sich entsetzt von dem leblosen Körper ab- und der kopflosen Flucht zugewandt hatte, erst schnell, dann immer langsamer gegangen wäre, um irgendwann übermannt von der Idee, den Slip doch besser am Tatort zu belassen, stehen zu bleiben, dann kehrtzumachen und die Idee in die Tat umzusetzen, ja wenn er das getan hätte, wäre an dieser Idee gar nicht so sehr viel auszusetzen gewesen. Nun aber, nachdem er verwirrt und ängstlich wie ein kleines Kind, das beim Spielen mit Mamas Vibrator den Einschaltknopf abgebrochen hat, nach Hause geflüchtet war, in seinem Wohnzimmer hin und her gerannt und insgesamt recht verzweifelt sein ganzes sinnloses Leben an sich hatte vorüberrauschen lassen, nun konnte er, nachdem mittlerweile weit mehr als eine Stunde verstrichen war, keine besondere Freude mehr an dem Plan entwickeln. Dieses Höschen hatte es ihm angetan. Es neckte, es narrte ihn, betörte ihn mit diesem wunderbaren Duft. War da nicht noch ein kleines krauses Härchen von ihr darin? Er traute sich nicht nachzuschauen. Jetzt war nicht die Zeit für so etwas.

Insgesamt erschien es ihm ohnehin so, als spiele die Zeit schon so lange, wie er in diesem Leben weilte, gegen ihn. Wie oft schon hatte er die richtigen Dinge am richtigen Ort gedacht, gesagt oder getan, nur niemals zur rechten Zeit. Das Timing war es, das in seinem Leben nicht stimmte. Als Schuljunge schon konnte er wunderbare Schusshaltungen beim Fußball einnehmen, nur leider war der Ball dann gerade noch nicht ganz in seiner Reichweite oder aber das boshafte Rund hatte seinen einschussbereiten Fuß vor wenigen Sekundenbruchteilen knapp, aber unwiederbringlich passiert. Oder, etliche Jahre später, sein Chef hatte ihn vor der versammelten Belegschaft zum Trottel gemacht oder vielmehr allen anwesenden Kollegen demonstriert, dass er selbst sich vorher zum Trottel gemacht hatte, so fiel ihm sehr wohl eine treffliche Bemerkung ein, mit der er dem aufgeblasenen Kerl leicht die Luft hätte herauslassen können – wenn er sie nur nicht erst am Abend des darauffolgenden Tages, als er sich lange genug in Selbstmitleid und Hass zerfleischt hatte, formuliert hätte.

Und nun hätte es ja auch ein wunderbares, verstohlenes erotisches Erlebnis sein können, das Höschen der reizenden Nachbarin zu finden, wohl wissend und auch erschnuppernd, dass sie noch kurz vorher daringesteckt hatte, wenn er nicht den schlechthin ungeeignetsten Zeitpunkt dafür gewählt hätte, nämlich unmittelbar nach ihrem offenbar nicht ganz freiwilligen Ableben. Zugegeben, diesmal war neben dem Timing auch der Ort nicht gelungen. Und überhaupt war die ganze Aktion im Großen und Ganzen auch inhaltlich recht unleidlich. Letztlich aber war es doch ein letztes und gewichtiges Indiz dafür, dass die Art, sein Dasein zu fristen, grundsätzlich mit einem systematischen Fehler behaftet war.

Nun, da er in Anbetracht der angespannten Lage, in der er sich zweifelsohne befand, doch relativ (für seine Verhältnisse natürlich) schnell und treffsicher seine Optionen analysiert hatte, nämlich entweder hinzugehen und den Slip der Toten zurückzugeben, alternativ das dumme Ding zu verbrennen oder aber gar nichts oder vielmehr so zu tun, als wisse er von keinem Höschen und keiner Frau dieser Welt auch nur das Allergeringste, ausgerechnet in diesem Moment entschloss sich die Klingel, ihrer angedachten Funktion entsprechend auf eine nervige Art und Weise, die ihr Hausbesitzer ihr schon vor Jahren hatte austreiben wollen, auf die Betätigung des mit ihr auf elektrische Weise verbundenen Schalters an der Haustüre zu reagieren.

Es klingelte also.

Die meisten Menschen verhalten sich, ohne dem äußeren Reiz einen eigenen Willen entgegenzusetzen, einfach mit einem mechanischen Zur-Haustür-Gehen und Öffnen, wenn es klingelt. Dasselbe geschah auch hier. Der Mann, der sich während des Klingelns noch hinter der geschlossenen Türe verborgen und dies zu einigen abschätzenden Blicken auf das Gebäude, vor dem er stand, ausgenutzt hatte, hätte keinen Ausweis zwischen sich und die Person, die ihm bereitwillig und unverzüglich geöffnet hatte, halten müssen, um sich als Kriminalbeamter zu offenbaren. Die teils uniformierten, teils zivil gekleideten Kollegen, die seine Erscheinung im Halbdunkel der einsetzenden Dämmerung ergänzten, wiesen ihn durch ihre Haltung und Mimik als ihren Vorgesetzten und damit als Kriminaler höheren Ranges aus. Zudem öffnete ihm jemand die Tür, der vor gar nicht allzu langer Zeit eine noch warme Leiche ihrem zugegebenermaßen ohnehin besiegelten Schicksal überlassen hatte.

Diese insgesamt recht prägenden Umstände taten ihr Übriges, dass der Ankömmling auch ohne sternbedruckten und streng bebilderten Ausweis als ein Vertreter eben seines Berufsstandes identifiziert wurde.

»Herr Schmitz? Hubert Schmitz?«

»So steht es an meiner Haustür, ja«, antwortete Hubert Schmitz mit einer Kühle, die ihn selbst überraschte und für die er sich eine Zehntelsekunde später auch selbst hätte ohrfeigen können, denn nur ein schuldiger Täter konnte auf das unangemeldete Erscheinen eines Kriminalpolizisten an seiner Haustür so kühl reagieren. Ein Täter – und natürlich er selbst, der immer noch, oder besser gesagt, schon wieder dem systematischen Fehler anhing, zur falschesten aller möglichen Zeiten eine Reaktion anzubringen, auf die, isoliert für sich betrachtet, ein schüchterner Mensch wie er ansonsten durchaus hätte stolz sein können.

So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Besucher einen stirnrunzelnden Blick auf Hubert Schmitz warf. Und es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, diesen Wurf in einem aufreizenden Zeitlupentempo auszuführen, sodass Hubert den Eindruck bekam, dieser Blick würde ihm nicht etwa zugeworfen, sondern eher, dass er ihm entgegenkröche, gemächlich auf seinem Gesicht verweilte, um dann wie eine Nacktschnecke langsam hinabzugleiten, seine Konturen dabei nachzuzeichnen und endlich, nach einer langen, einer sehr langen Wanderung an seiner Gestalt entlang zu Huberts Schuhen zu gelangen, an denen noch der Staub des Feldweges klebte, auf dem der Slip, der jetzt seine Hosentasche ausbeulte, eben noch gelegen hatte.

»Mein Name ist Sven Koller, Kriminalpolizei Aachen«, sagte Huberts Betrachter und schob sich einen Schritt weit in den Eingang hinein.

»Darf ich einen Moment hereinkommen?«, fragte er, nachdem er bereits einen weiteren Schritt getan und die Türe schon hinter sich gelassen hatte.

»Oh«, antwortete Hubert, was so viel heißen sollte wie »Aber selbstverständlich, gerne« oder auch »Oje, er ist ja schon drin«.

Sven Koller trat noch einige Schritte weiter in die Diele des Schmitz’schen Hauses hinein und verstaute dabei seinen Ausweis wieder in der Innentasche seines Jacketts, von dem Hubert mit dem halbwegs geschulten Blick eines Einzelhandelskaufmannes, ehemals tätig in der Abteilung Herrenmode, annahm, es handle sich um Größe 56. Damit bewies er, dass seine Versetzung in die sehr kleine Sport- und Freizeitabteilung des Kaufhauses völlig gerechtfertigt war, denn ansonsten hätte ihm auffallen müssen, dass der breitschultrige Kommissar bei seiner Länge von eins fünfundneunzig und dem Gewicht von 108 Kilo eine ganz andere Konfektionsgröße benötigte.

»Entschuldigen Sie die Störung«, nahm der Kommissar das Gespräch wieder auf. Dabei ließ er jedoch in Mimik und Tonfall keinen Zweifel daran, dass er sich für die Ausübung seines Berufes keineswegs zu entschuldigen gedachte.

»Ist Ihnen in den letzten Stunden hier in Ihrer unmittelbaren Umgebung irgendetwas aufgefallen?«

Klar, dachte Hubert. Ich habe meine Nachbarin unbekleidet und tot im Feld liegen sehen und an ihrem Slip geschnüffelt, der wirklich sehr gut roch.

»Ich glaube nicht, Herr Koller«, antwortete er scheinbar unbeeindruckt von seinen Gedanken.

Sven Koller war, zwar nicht äußerlich ersichtlich, aber innerlich doch überrascht, so selbstverständlich mit seinem Namen angesprochen zu werden.

»Haben Sie sich den ganzen Tag im Haus aufgehalten oder waren Sie auch mal draußen?«, fragte Koller weiter.

Hubert überlegte kurz. Erst wollte er antworten, dass er ja tagsüber arbeiten müsse und von daher nicht immer in seiner Umgebung wachsam umheräugen könne. Doch dann fiel ihm ein, dass es Sonntag war und er sonntags niemals arbeitete. Dann dachte er, dass er vermutlich von irgendjemand gesehen worden sein könnte und er seinen Spaziergang bis auf ein paar delikate Details wahrheitsgetreu wiedergeben sollte. So kam es, dass er dann doch schweigend dastand und etwas länger überlegte, länger als es eigentlich hätte sein sollen. Wenn dem Kommissar dies auffällig erscheinen sollte, so zeigte er dies jedenfalls nicht.

»Oh«, sagte Hubert nun schon zum zweiten Mal. »Ich war eben draußen. Ein kleiner Spaziergang ins Feld.«

Hubert war überzeugt, dass seine Stimme bei dem Wort »Feld« nicht so zitterte wie seine Nerven.

»Wann war denn das so ungefähr, Herr Schmitz?«, fragte Koller weiter.

»Ich schätze vor etwa einer Stunde«, antwortete Hubert und entschied, dass es nun Zeit sei, sich nach dem Grund für die Befragung zu erkundigen. Daher setzte er hinzu: »Warum? Was hätte ich denn beobachten können?«

»Vielleicht den Mord an einem jungen Mann«, versetzte der Kommissar mit ungerührter Miene und neutraler Stimme, so als hätte er von einer aus der Weide ausgebrochenen Kuh gesprochen.

Hubert war so überrascht, dass es überhaupt nicht auffiel, dass er völlig vergessen hatte, sich auf das Überraschtwirken vorzubereiten. Er hatte gar nicht daran gedacht, dass auf seine Frage nach dem Erscheinen des Polizisten dieser ja wohl dann genau von den Umständen sprechen würde, die Hubert sehr wohl kannte oder vielmehr zu kennen glaubte, die nicht zu kennen er aber unbedingt vorgeben musste. Da Sven Koller seine Aussage jedoch so provozierend klar formuliert hatte, wurde Huberts mangelnde Gesprächstaktik nicht offenbar. Nun, zumindest nicht sofort.

»Nein, so etwas habe ich nicht gesehen.« Als Hubert auffiel, wie dämlich sich diese Antwort anhörte, setzte er schnell hinzu: »Um Gottes willen, was sagen Sie da? Wer ist ermordet worden?«

»Ein junger Mann, den wir als einen Anwohner des Nachbarortes identifizieren konnten.« Koller blickte Hubert tief in die Augen, das heißt, er sah streng auf ihn herab.

»Das ist ja schrecklich. Das ist ja schrecklich!«

Wir wollen Hubert Schmitz an dieser Stelle den grauenhaften Stil verzeihen, in dem er seine improvisierte Überraschung vortrug, denn erstens war er, wie wir nun schon fast sicher wissen, allgemein betrachtet nicht der Hellste und zudem war sein Entsetzen durchaus echt, denn er hatte fest damit gerechnet, die Überraschung über den Tod seiner schönen Nachbarin vortäuschen zu müssen.

»Sie gingen spazieren, sagten Sie. Im Feld.«

»Ja, vor etwa einer Stunde.«

»Wo gingen Sie und wie lange?«

Hubert wusste, dass er jetzt aufpassen musste. Das heißt natürlich, er wusste, dass er vor etwas mehr als einer Stunde hätte aufpassen sollen. Jetzt brauchte er sich nur so dumm zu stellen, wie er leider ja auch tatsächlich war.

»Ach, ich bin nur den Weg gleich hinter dem Haus hochgegangen bis zu den Rapsfeldern oben und dann wieder zurück. Kaum ’ne halbe Stunde war ich weg.«

»Meinen Sie den Weg Richtung …« – Sven Koller blickte auf seinen Notizblock – »Pissenrath?«

»Genau diesen Feldweg bin ich gegangen.«

»Und, haben Sie dort irgendetwas gesehen? Irgendjemanden?«

»Nein, überhaupt niemanden. Außer mir war gerade wohl keiner unterwegs.« Hubert kam zu dem Schluss, dass sich das unglaubwürdig anhörte, deshalb fügte er hinzu: »Trotz des schönen Wetters.«

»Haben Sie das notiert?«, fragte Sven Koller.

»Was, wie?«, stotterte Hubert.

»Nicht Sie, Herr Schmitz. Ich meine die Kollegen«, antwortete der Kommissar. Die anderen beiden Polizisten, die bis dahin schweigend in der Tür gestanden hatten, nickten beide.

»Alles notiert, Chef«, sagte einer von ihnen.

»Dann bedanke ich mich vorerst für Ihre Mithilfe, Herr Schmitz. Vermutlich werden wir Ihnen in den nächsten Tagen noch weitere Fragen stellen müssen.«

»Aber ja, gerne«, antwortete Hubert erleichtert. »Ich hoffe, Sie finden den Täter rasch.«

Hubert freute sich, erstens weil die Polizisten ihn jetzt in Ruhe lassen würden, und zweitens weil er zumindest am Schluss des Gespräches eine kleine Wahrheit zum Besten geben konnte. Ihm war zwar nicht unbedingt daran gelegen, dass die Polizei alles, was an diesem Tag geschehen war, herausfinden würde, jedoch der Mörder, von wem auch immer, sollte besser sehr rasch entlarvt werden, bevor die Sache mit der Unterhose – herrje, dachte Hubert einmal mehr.

Sven Koller schob seine massige Gestalt an Hubert vorbei und durch die Tür. Er drehte sich nicht mehr um und ging, die beiden anderen Männer im Schlepptau, zum nächsten Haus. Hubert sah ihnen noch einen Moment zu, dann schloss er die Tür, um augenblicklich zu Boden zu sinken und leise, japsende Laute der Verzweiflung von sich zu geben. Er wusste, dieser Polizist würde unangenehme Dinge herausfinden. Und wenn Hubert sehr viel mehr Glück haben würde, als ihm eigentlich zustand, vielleicht sogar, was mit der schönen Jenny geschehen war. Hubert zog das Höschen aus der Tasche und schnüffelte missmutig daran. Es tröstete ein wenig.

2

Es ist für das Verständnis des Ablaufes der Geschehnisse durchaus hilfreich, die Uhr noch einmal gut zwei Stunden zurückzudrehen und den guten Pfarrer Sistemich beim Joggen zu beobachten. Auf den ersten Blick mag es verwunderlich erscheinen, einen katholischen Geistlichen mit dem Laufsport in Verbindung zu bringen. Bei näherer Betrachtung ist jedoch ein joggender Gemeindeseelsorger ebenso wenig etwas Besonderes wie ein Rad fahrender Architekt oder ein Golf spielender Zahnarzt.

Dr. Ottmar Sistemich bewegte sich jedenfalls flüssig, leichtfüßig und gar nicht mal langsam durch die blühende Landschaft, die sich um seine Gemeinde herum erstreckte. Und natürlich tat er das nicht in Arbeitskleidung, sondern in einem ganz gewöhnlichen Sportdress. Außerdem war Pfarrer Sistemich kein in Ehren ergrauter Veteran des Katholizismus, sondern ein dynamischer, sportlicher Mann Ende dreißig, der seine blonden Haare in einem modischen kurzen Schnitt trug, welcher seine Sportlichkeit noch unterstrich. Seine Erscheinung als Jogger war also insgesamt alles andere als ungewöhnlich. Zwar sagte man ihm Dinge nach, die dann doch wieder äußerst bemerkenswert waren, doch erstens handelte es sich dabei ausschließlich um Gerüchte, und zweitens soll davon später noch die Rede sein.

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