Linda, Allround-Spezialistin - Carmen von Lindenau - E-Book

Linda, Allround-Spezialistin E-Book

Carmen von Lindenau

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Beschreibung

Die neue Praxis Dr. Norden - So war es nicht geplant, doch Dr. Danny Norden betrachtet es als Chance. Äußere Umstände zwingen ihn zu einem Neustart. Und diesen nimmt Danny tatkräftig in Angriff, auch, wenn er mit Abschied, Trennung, Wehmut verbunden ist. Dr. Danny Norden praktiziert jetzt in seiner neuen, modernen, bestens ausgestatteten Praxis. Mit Kompetenz, Feingefühl und Empathie geht er auf seine Patienten zu und schafft ein Klima, das die Genesung fördert: eben Dr. Danny Norden, wie er leibt und lebt, und er wird immer besser! »Stimmt etwas nicht, Valentina?«, fragte Daniel, als er aus dem Schlafzimmer in die große helle Wohnküche kam. Valentina Merzinger, die sich um seinen Haushalt kümmerte, stand mit den Händen in den Taschen ihrer rotweiß gestreiften Küchenschürze am Fenster und schaute mit nachdenklicher Miene in den Garten. »Guten Morgen, Herr Doktor.« Mit einem liebevollen Lächeln drehte sie sich zu ihm um. »Es geht um das Vogelhäuschen«, sagte sie und deutete auf eine der Birken. »Was ist mit dem Vogelhäuschen?«, fragte Daniel und folgte ihrem Blick. Es war Herbst geworden. Die Birken im Garten trugen goldgelbes Laub, Dahlien, Astern und Chrysanthemen blühten in leuchtend bunten Farben. »Wir müssen es höher hinaufhängen«, sagte Valentina. »Warum das? Soweit ich mich erinnere, hängt es doch seit Jahren an demselben Ast.« Daniel sah auf das aus Holz gefertigte Vogelhäuschen, das in einem der oberen Äste der Birke hing, die direkt vor seinem Schlafzimmerfenster stand. Fanny Moosinger, seine mütterliche Freundin und ehemalige Patientin, die ihm dieses Haus vererbt hatte, liebte es, von dem fröhlichen Gezwitscher der Vögel geweckt zu werden und sie im Winter bei der Futtersuche zu beobachten. »Es ist wegen Ortrud«, erklärte ihm Valentina und riss ihn aus seinen Gedanken. »Diese Höhe ist für sie ganz leicht zu erreichen.

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Die neue Praxis Dr. Norden – 11 –

Linda, Allround-Spezialistin

Oder ist es Geltungssucht?

Carmen von Lindenau

»Stimmt etwas nicht, Valentina?«, fragte Daniel, als er aus dem Schlafzimmer in die große helle Wohnküche kam. Valentina Merzinger, die sich um seinen Haushalt kümmerte, stand mit den Händen in den Taschen ihrer rotweiß gestreiften Küchenschürze am Fenster und schaute mit nachdenklicher Miene in den Garten.

»Guten Morgen, Herr Doktor.«Mit einem liebevollen Lächeln drehte sie sich zu ihm um. »Es geht um das Vogelhäuschen«, sagte sie und deutete auf eine der Birken.

»Was ist mit dem Vogelhäuschen?«, fragte Daniel und folgte ihrem Blick. Es war Herbst geworden. Die Birken im Garten trugen goldgelbes Laub, Dahlien, Astern und Chrysanthemen blühten in leuchtend bunten Farben.

»Wir müssen es höher hinaufhängen«, sagte Valentina.

»Warum das? Soweit ich mich erinnere, hängt es doch seit Jahren an demselben Ast.« Daniel sah auf das aus Holz gefertigte Vogelhäuschen, das in einem der oberen Äste der Birke hing, die direkt vor seinem Schlafzimmerfenster stand.

Fanny Moosinger, seine mütterliche Freundin und ehemalige Patientin, die ihm dieses Haus vererbt hatte, liebte es, von dem fröhlichen Gezwitscher der Vögel geweckt zu werden und sie im Winter bei der Futtersuche zu beobachten.

»Es ist wegen Ortrud«, erklärte ihm Valentina und riss ihn aus seinen Gedanken. »Diese Höhe ist für sie ganz leicht zu erreichen. Habe ich recht, Herzl?«, wandte sie sich der rot getigerten Katze zu, die auf dem Fensterbrett lag und in der Morgensonne döste.

»Wir werden den Gärtner darum bitten, das Vogelhäuschen umzuhängen, wenn er nächste Woche zum Schneiden der Hecke kommt.«

»Ja, so machen wir es, Herr Doktor. Wir wollen unsere Ortrud doch nicht in Versuchung führen«, entgegnete Valentina schmunzelnd.

»Nein, auf keinen Fall«, stimmte Daniel ihr zu und kraulte den Kopf der Katze, die diese Geste mit einem lauten Schnurren begleitete.

»Kommt außer Ortrud heute niemand zum Frühstück?«, fragte Valentina und sah hinüber zum Haus der Mais. Das Nachbargrundstück und das des jungen Arztes waren nur durch eine halbhohe Lorbeerhecke voneinander getrennt.

Die beiden Bäumchen, die im letzten Jahr einem Unwetter zum Opfer fielen, waren nie ersetzt worden. Die Lücke, die sie hinterlassen hatten, diente Daniel und den Mais als Tor zum Grundstück des anderen.

»Nein, heute sind wir allein. Ophelia hat gestern bei einer Freundin übernachtet und geht von dort aus in die Schule. Olivia und ihre Mutter nehmen heute an einem Kongress in der Stadt teil und sind sicher schon unterwegs.« Daniel wusste, wie sehr Valentina den morgendlichen Trubel liebte, wenn Olivia und Ophelia, hin und wieder auch Ottilie, zum Frühstück zu ihnen kamen. Seitdem er und Olivia ein Paar waren, trafen sie sich, falls es ihre Zeitpläne erlaubten, zum Frühstück.

»Mei, wenigstens leistet sie mir dann nachher noch ein bissel Gesellschaft«, sagte Valentina, streichelte sanft über Ortruds Rücken und ging dann zur Spüle, um sich die Hände zu waschen, bevor sie sich weiter um Daniels Frühstück kümmerte.

»In den nächsten Tagen werden Sie sich über zu wenig Gesellschaft sicher nicht beklagen müssen«, sagte Daniel, als Valentina ihm kurz darauf die Spiegeleier auf Toast servierte, die sie mit Schnittlauch und Petersilie liebevoll dekoriert hatte.

»Mei, Herr Doktor, ich freu mich auch schon recht darauf, die Cousins und Cousinen mit ihren Kindern und Enkeln mal wieder um mich zu haben«, schwärmte Valentina von dem Familientreffen, zu dem ihr Cousin, der im Allgäu einen Bauernhof mit Fremdenzimmern besaß, eingeladen hatte. »Ich hab zwar schon oft gehört, dass Familientreffen recht stressig verlaufen können, aber bei uns geht es glücklicherweise immer friedlich zu«, sagte sie und setzte sich, wie an jedem Morgen, mit einer Tasse Kaffee zu Daniel an den Tisch.

»Sollte es Ärger geben, werden Sie vermutlich die erste sein, die zwischen den Parteien vermittelt.«

»Ich bin halt harmoniebedürftig«, antwortete Valentina lächelnd.

»Das weiß ich«, sagte Daniel.

»Aber es gibt schon Leute, da kann ich auch nichts ausrichten. Die sind so von sich überzeugt, dass sie auf nichts hören wollen. Erst, wenn niemand mehr etwas mit ihnen zu tun haben will, kommen sie ins Grübeln. In meiner Familie gibt es so jemanden aber nicht«, erklärte Valentina vollkommen überzeugt, so als würde sie diesen Charakterzug auch niemandem gestatten.

»In meiner Familie gibt es diese Egomannen glücklicherweise auch nicht«, sagte Daniel. In meinem Bekanntenkreis allerdings schon, dachte er. Aber über diese Leute musste er sich keine großen Gedanken machen. Er traf sie nur selten oder hatte den Kontakt zu ihnen längst abgebrochen. Er vermisste sie nicht.

*

Im Verlauf der Vormittagssprechstunde musste Daniel glücklicherweise keinem seiner Patienten eine schlimme Diagnose stellen. Die, die an diesem Tag zu ihm kamen, klagten über die üblichen Beschwerden wie Hustenreiz, Schnupfen oder Magenverstimmung. Gusti Meier, die auch gern mal einen Vormittag im Wartezimmer verbrachte, nur um Neuigkeiten mit den Nachbarn auszutauschen, war die letzte Patientin an diesem Vormittag.

»Was kann ich für Sie tun, Frau Meier?«, fragte Daniel die Mittsechzigerin im hellblauen Trachtenkostüm, nachdem sie auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatte.

»Ich bin beim Staubsaugen über das Kabel des Staubsaugers gestolpert. Ich konnt mich gerad noch an einer Kommode abfangen. Aber ich denk, ich hab mir den Zeigefinger und den Daumen ausgerenkt«, teilte sie ihm ihre Vermutung mit und zeigte ihm ihre rechte Hand.

»Nehmen Sie bitte dort Platz«, bat Daniel und deutete auf die Untersuchungsliege neben der Standuhr aus Ahornholz, der einzigen Antiquität in dem ansonsten ganz in Weiß eingerichteten Sprechzimmer. Offensichtlich war Gusti heute nicht nur zum Plaudern zu ihm gekommen.

»Muss ich operiert werden?«, fragte Gusti, als Daniel ihr rechtes Handgelenk umfasste und behutsam über ihren Zeigefinger strich.

»Nein, ich denke, das ist nicht nötig«, sagte er und zog, noch während er sprach, mit einem festen Ruck an ihrem Zeigefinger.

»Au!«, schrie Gusti und sah Daniel erschrocken an.

»Durchhalten, Frau Meier«, bat er sie, hielt ihr Handgelenk weiterhin fest und renkte auch die Knochen ihres Daumes mit einem festen Ruck wieder ein.

Dieses Mal unterdrückte Gusti einen Aufschrei und schüttelte nur ihre Hand, nachdem Daniel sie losließ. »Mei, die Schmerzen sind fort«, stellte sie gleich darauf erleichtert fest.

»Das hoffe ich doch«, antwortete Daniel lächelnd.

»Danke, Herr Doktor«, sagte Gusti noch immer ganz verblüfft über ihre schnelle Heilung. »Muss ich meine Finger jetzt schonen?«, wollte sie wissen.

»Nein, müssen Sie nicht. Sie sollten aber in Zukunft noch besser auf mögliche Stolperfallen im Haushalt achten«, riet er ihr.

»Ich wollt halt ganz schnell sein, und schon passiert so was. Aber meine Schwägerin hat sich für heut Nachmittag überraschend zum Kaffee angemeldet, da musst ich unbedingt noch mal die Wohnung durchwischen. Sie ist so eine ganz penible Madame, sieht sich immerzu um, ob sie irgendwo ein Staubkörnle entdecken kann, um mich dann bei der Verwandtschaft als schlechte Hausfrau hinzustellen«, erzählte ihm Gusti.

»Wäre das nicht das kleinere Übel verglichen mit einem Unfall, der sie ins Krankenhaus bringt?«

»Schon, zumal es meiner Schwägerin vermutlich nur ein abfälliges Lächeln entlockt hätte, wär ich mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus gelandet. So einer perfekten Hausfrau wie ihr passiert so etwas natürlich nicht. Aber wissen Sie was, mir reicht’s heut mit dem Putzen. Soll sie doch gehen, wenn es ihr nicht passt.«

»Gute Einstellung, Frau Meier«, sagte Daniel.

»Ich lern halt dazu, auch noch in meinem Alter«, entgegnete sie amüsiert. »Vielen Dank, Herr Doktor, ich wünsch Ihnen noch einen schönen Tag«, verabschiedete sie sich gleich darauf.

»Den wünsche ich Ihnen auch«, sagte er und begleitete sie zur Tür des Sprechzimmers.

»Einen schönen Gruß an Frau Doktor Mai.«

»Werde ich gern ausrichten«, versicherte er Gusti, die sich ihm noch einmal zuwandte, bevor sie den langen Gang in Richtung Empfangstresen durchquerte.

»Auf Wiedersehen, Frau Meier«, hörte er Lydia und Sophia, seine beiden Mitarbeiterinnen, die hinter dem Tresen standen, gleichzeitig antworten, nachdem Gusti sich auch von ihnen verabschiedet hatte.

»Falls Frau Meier irgendwann einmal nicht mehr alle vierzehn Tage hier auftaucht, dann ist sie wohl wirklich krank«, hatte Lydia neulich gesagt, und Sophia und er hatten ihr uneingeschränkt zugestimmt.

Bevor er in die Mittagspause ging, rief er noch zwei Patienten an, die erst kürzlich aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Dennis, einem jungen Mann, der sich während eines Aufenthaltes in den Bergen ein Bein gebrochen hatte, ging es schon wieder recht gut. Da er viel Sport trieb, fiel ihm auch das Laufen an den Krücken, die er noch für einige Zeit benötigte, nicht sonderlich schwer. Auch der andere Patient, ein älterer Mann, der wegen eines Hüftleidens in der Klinik gewesen war, konnte sich schon wieder recht gut bewegen. Nachdem Daniel die Anrufe erledigt hatte, schaltete er seinen Computer aus und verließ das Sprechzimmer.

Er hatte gerade die Tür hinter sich geschlossen, als er hörte, wie die schwere Eingangstür zur Praxis geöffnet wurde. Sophia und Lydia, die beide türkisfarbene T-Shirts und weiße Jeans, ihre Praxiskleidung, trugen, schauten überrascht auf, da sie nicht mehr mit Patienten gerechnet hatten.

»Fall es kein Notfall ist, bitte ich Sie am Nachmittag wiederzukommen. Die Vormittagssprechstunde ist bereits vorbei«, sagte Lydia dann auch gleich.

»Kein Problem, ich will nicht in die Sprechstunde. Ich bin nur auf der Suche nach meinem Freund Daniel«, antwortete eine Frau, deren Stimme er sofort erkannte.

Auch wenn er Linda, seine ehemalige Studienkollegin, schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, ihre Stimme war ihm sofort wieder vertraut. Linda war einer dieser übertrieben selbstbewussten Menschen, die Daniel nicht besonders vermisst hatte. Er war gespannt, was dieser überraschende Besuch zu bedeuten hatte.

»Hallo, Schatz, wie schön, dich zu sehen!«, rief Linda, als sie beide gleichzeitig am Empfangstresen eintrafen.

»Hallo, Linda«, begrüßte er die große schlanke Frau. Sie hatte dunkles langes Haar, trug einen hellen eleganten Hosenanzug und taxierte ihn mit ihren mandelförmigen grünbraunen Augen.

»Ich war ein wenig in Sorge, dass du möglicherweise nicht dem Bild entsprechen könntest, das ich mir all die Jahre von dir gemacht habe, aber diese Sorge war unbegründet, Daniel. Du gehörst nach wie vor zu den attraktivsten Männern, die mir jemals begegnet sind«, versicherte sie ihm. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, küsste ihn auf die rechte und die linke Wange und umarmte ihn.

»Danke, für das Kompliment, das kann ich nur zurückgeben. Aus dem hübschen jungen Mädchen ist eine schöne Frau geworden«, entgegnete Daniel.

»Vielen Dank, mein Freund, das baut mich ein wenig auf. Aber ich befürchte, ich werde bald über die erste OP nachdenken müssen, um den äußerlichen Verfall aufzuhalten«, erklärte Linda mit einem tiefen Seufzer.

Daniel musste sich das Lachen verkneifen, als er sah, wie Sophia und Lydia die Augen verdrehten. Die beiden standen nebeneinander hinter dem Tresen, hatten die Ellenbogen aufgestützt, ihren Kopf in ihre Hände sinken lassen und beobachteten ihn und Linda.

Er kannte die beiden inzwischen gut genug, um zu ahnen, was sie gerade dachten. Dass eine blendend aussehende junge Frau wie Linda sicher noch keinen Gedanken an eine Schönheitsoperation verschwenden musste.

»Ein paar zarte Fältchen werden das Gesamtbild nicht stören. Davon abgesehen, auch eine Schönheitsoperation ist ein Eingriff mit Risiken«, sagte er.

»Diese Risiken werde ich wohl auf mich nehmen müssen. In der heutigen Welt zählt perfektes Aussehen mehr als Wissen. Ich möchte allerdings in beidem glänzen«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. »Bevor wir gehen, solltest du mich den jungen Damen vorstellen, Daniel. Es könnte sein, dass ich in nächster Zeit häufiger hier vorbeischaue«, sagte sie und wandte sich Sophia und Lydia zu.

»Heißt das, du kommst zurück nach München?«

»Wir können uns beim Mittagessen darüber unterhalten. Du hast doch Zeit für ein Mittagessen mit mir?«

»Ich kann es einrichten«, sagte er. Da er für die Mittagspause keine Hausbesuche geplant hatte und auch nicht mit Olivia verabredet war, sprach nichts dagegen, mit Linda essen zu gehen.

»Wunderbar«, antwortete sie mit einem zufriedenen Lächeln.

»Frau Doktor Linda Betmann, eine ehemalige Studienkollegin von mir, Lydia Seeger«, machte er Linda mit Lydia, einer hübschen jungen Frau mit sportlicher Figur, dunkelblondem kinnlangem Haar und hellbraunen Augen bekannt. »Falls es hier in der Nähe brennt, könntest du Lydia begegnen. Sie gehört zu den Einsatzkräften der örtlichen Feuerwehr.«

»Ersthelfer besitzen meine vollste Bewunderung. Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Frau Seeger«, sagte Linda. »Sind Sie auch bei der Feuerwehr«, wandte sie sich an Sophia, eine zarte junge Frau mit hellblondem langem Haar.

»Nein, so mutig bin ich leider nicht«, antwortete Sophia. »Sophia von Arnsberg«, stellte sie sich Linda selbst vor.

»Ich muss ihr widersprechen, was die Einschätzung ihres Mutes betrifft. Sophia war OP-Schwester, bevor sie sich entschied, zu mir zu kommen. Wir wissen alle, dass das kein Job für zartbesaitete Seelen ist«, sagte Daniel.

»Nein, ist es nicht. Allerdings ist die Arbeit im OP auch unglaublich aufregend und interessant. Was hat Sie dazu bewogen, den OP gegen eine Hausarztpraxis zu tauschen?«, fragte Linda Sophia ganz direkt.

»Meine Mutter ist an MS erkrankt. Ich will für sie da sein. Das ist mit dem Schichtdienst in einer Klinik aber nur schwer planbar.«

»Damit haben Sie allerdings recht«, stimmte Linda Sophia zu. »Also dann, wohin gehen wir? Hast du ein Stammlokal hier in der Gegend?«, fragte sie Daniel.

»In der Fußgängerzone, zehn Minuten von hier entfernt, gibt es einen Italiener mit hervorragender Küche.«

»Klingt gut, aber bevor wir gehen, zeigst du mir noch, wie du wohnst«, bat Linda ihn und hakte sich bei ihm unter. »Wir sehen uns«, verabschiedete sie sich von Lydia und Sophia.

»Bis heute Nachmittag«, sagte Daniel, nickte den beiden noch einmal zu und verschwand mit Linda an seiner Seite in dem Hausgang, der seine Wohnung mit der Praxis verband.

»Ist dir aufgefallen, wie sie ihn angesehen hat?«, wandte sich Lydia mit nachdenklicher Miene Sophia zu.