Mysteriöse Krankheiten - Carmen von Lindenau - E-Book

Mysteriöse Krankheiten E-Book

Carmen von Lindenau

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Beschreibung

Die neue Praxis Dr. Norden - So war es nicht geplant, doch Dr. Danny Norden betrachtet es als Chance. Äußere Umstände zwingen ihn zu einem Neustart. Und diesen nimmt Danny tatkräftig in Angriff, auch, wenn er mit Abschied, Trennung, Wehmut verbunden ist. Dr. Danny Norden praktiziert jetzt in seiner neuen, modernen, bestens ausgestatteten Praxis. Mit Kompetenz, Feingefühl und Empathie geht er auf seine Patienten zu und schafft ein Klima, das die Genesung fördert: eben Dr. Danny Norden, wie er leibt und lebt, und er wird immer besser! »Bis später, mein Schatz, ich wünsche dir einen wundervollen Tag«, sagte Olivia, als sie sich nach dem Frühstück von Daniel verabschiedete, um zum Yoga zu gehen. »Den wünsche ich dir auch. Passt auf euch auf«, entgegnete er, legte seine Hand auf ihren Babybauch und betrachtete sie mit einem liebevollen Blick. »Nur noch zwei Monate«, raunte er Olivia zu, so als wollte er die Zwillinge noch nicht an ihre Geburt erinnern. Schließlich sollten sie sich noch ein wenig Zeit lassen. »Ehrlich gesagt, so richtig kann ich mir unser zukünftiges Familienleben noch nicht vorstellen«, gab Olivia zu. »Das kann ich auch nicht. Eines ist aber sicher, langweilig wird es nicht werden«, versicherte ihr Daniel und nahm sie noch einmal zärtlich in seine Arme, bevor er ihr die Terrassentür aufhielt. Ich freue mich auf jeden weiteren gemeinsamen Tag mit dir, dachte er, als er Olivia nachschaute, wie sie durch den verschneiten Garten zum Haus von Ottilie hinüberging. Er war froh, dass seine Schwiegermutter sich genauso wie Olivia für Yoga begeisterte und mit ihr gemeinsam an den Kursen in der Yogaschule teilnahm. Auch wenn es Olivia gutging und eine Schwangerschaft keine Krankheit war, war er trotzdem immer unruhig, wenn sie allein unterwegs war. »Alles ist gut, Herr Doktor, Sie müssen sich keine Sorgen machen«, sagte Valentina, die zu ihm ans Fenster kam. »Mein Verstand weiß das, aber das hilft nicht immer«, gestand er der freundlichen älteren Frau, die ihnen an den Wochentagen im Haushalt half.

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Die neue Praxis Dr. Norden – 16 –

Mysteriöse Krankheiten

Lorena kann nicht loslassen

Carmen von Lindenau

»Bis später, mein Schatz, ich wünsche dir einen wundervollen Tag«, sagte Olivia, als sie sich nach dem Frühstück von Daniel verabschiedete, um zum Yoga zu gehen.

»Den wünsche ich dir auch. Passt auf euch auf«, entgegnete er, legte seine Hand auf ihren Babybauch und betrachtete sie mit einem liebevollen Blick. »Nur noch zwei Monate«, raunte er Olivia zu, so als wollte er die Zwillinge noch nicht an ihre Geburt erinnern. Schließlich sollten sie sich noch ein wenig Zeit lassen.

»Ehrlich gesagt, so richtig kann ich mir unser zukünftiges Familienleben noch nicht vorstellen«, gab Olivia zu.

»Das kann ich auch nicht. Eines ist aber sicher, langweilig wird es nicht werden«, versicherte ihr Daniel und nahm sie noch einmal zärtlich in seine Arme, bevor er ihr die Terrassentür aufhielt. Ich freue mich auf jeden weiteren gemeinsamen Tag mit dir, dachte er, als er Olivia nachschaute, wie sie durch den verschneiten Garten zum Haus von Ottilie hinüberging. Er war froh, dass seine Schwiegermutter sich genauso wie Olivia für Yoga begeisterte und mit ihr gemeinsam an den Kursen in der Yogaschule teilnahm. Auch wenn es Olivia gutging und eine Schwangerschaft keine Krankheit war, war er trotzdem immer unruhig, wenn sie allein unterwegs war.

»Alles ist gut, Herr Doktor, Sie müssen sich keine Sorgen machen«, sagte Valentina, die zu ihm ans Fenster kam.

»Mein Verstand weiß das, aber das hilft nicht immer«, gestand er der freundlichen älteren Frau, die ihnen an den Wochentagen im Haushalt half.

»Ja, mei, Herr Doktor, wenn es um die Liebe geht, ist der Verstand halt machtlos«, entgegnete Valentina lächelnd. Sie stand neben Daniel, trug ihre Lesebrille wie einen Haarreif in den kurzen grauen Locken und hatte ihre Hände in die Taschen ihrer rotweiß gestreiften Schürze gesteckt, während sie seinem Blick folgte.

»Meinen Patienten rate ich immer, sich möglichst keine Sorgen zu machen, weil das ihrer Gesundheit schadet.«

»Wie gesagt, wenn es um die Gefühle geht, fällt es schwer, auf die eigenen Ratschläge zu hören.«

»Damit werde ich mich wohl abfinden müssen«, stimmte Daniel ihr mit einem tiefen Seufzer zu.

»Das heißt aber nicht, dass ich denke, Sie sollten keine guten Ratschläge mehr geben. Sie sind für Ihre Patienten schon recht nützlich.«

»Das hoffe ich«, entgegnete er schmunzelnd. »Ich gehe dann auch mal. Es wird Zeit für die Sprechstunde«, sagte Daniel, nachdem er auf das Display seines Handys geschaut hatte.

»Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Herr Doktor.«

»Danke, den wünsche ich Ihnen auch, Valentina«, verabschiedete sich Daniel von ihr.

»Wenn jeder Mann seine Frau so sehr lieben würde, wie er es tut, dann wäre diese Welt ein Paradies«, murmelte Valentina, als Daniel gegangen war und sie das Frühstücksgeschirr in die Geschirrspülmaschine räumte. Oder wie mein Korbinian mich liebt, dachte sie, und in diesem Moment war sie von einer tiefen Zufriedenheit erfüllt.

Sie wusste, dass auch sie zu den Glücklichen gehörte, die von ganzem Herzen geliebt wurden.

*

Das Wartezimmer war wie an jedem Morgen schon gut besetzt. Das konnte Daniel durch die Glaswand sehen, die das Wartezimmer mit seinen gelben Sesseln von der Empfangsdiele trennte. Lydia und Sophia standen in ihren weißen Jeans und türkisfarbenen T-Shirts hinter dem weißen Tresen mit den eingebauten LED-Leuchten, die den Parkettboden in ein sanftes Licht tauchten.

»Gut geschlafen?«, fragte Lydia.

»Ja, schon. Mache ich etwa einen anderen Eindruck?«, fragte er, weil Lydia ihn mit ihren wachen hellbraunen Augen skeptisch betrachtete.

»Ehrlich gesagt, wirkst du ein bisschen abwesend.«

»Das liegt möglicherweise daran, dass ich mir im Moment ständig Sorgen um Olivia mache, obwohl ich weiß, dass sie sehr gut auf sich selbst aufpassen kann«, gestand er seinen beiden Mitarbeiterinnen ein.

»Das liegt an den Hormonen«, sagte Sophia, die sich mit den Ellbogen auf dem Tresen abstützte und Daniel mit ihren großen blauen Augen anschaute. »Du kennst doch sicher diese Studien, die festgestellt haben, dass sich auch der Hormonhaushalt der werdenden Väter während der Schwangerschaft verändert.«

»Ich habe davon gehört. Es waren zwar recht kleine Studien, aber sie haben gezeigt, dass im Gegensatz zu der werdenden Mutter, deren Hormonspiegel steigt, der Hormonspiegel des werdenden Vaters sinkt, wobei der Testosteronwert besonders auffällig war.«

»Das bedeutet, der Aggressionslevel des Mannes fällt. Er wird ruhiger und fürsorglicher, auch er bereitet sich auf das Behüten und Versorgen des Babys vor«, sagte Lydia.

»So erklärt sich die Wissenschaft dieses Phänomen«, stimmte Daniel ihr zu.

»Möglicherweise trifft es nicht auf alle Männer zu, aber auf die, die ohnehin liebevoll und fürsorglich sind, ganz bestimmt. Und du gehörst zu dieser Kategorie, Daniel«, sagte sie und spielte mit den Spitzen des dicken Zopfes, zu dem sie ihr blondes Haar geflochten hatte und der ihr über die Schulter nach vorn fiel.

»Das sehe ich genauso«, pflichtete Lydia ihrer Freundin und Kollegin bei.

»Ich danke euch für diese Einschätzung. Olivia wird sie sicher gefallen.«

»Bitte nicht schon wieder Lorena Zachner«, flüsterte Lydia, als in diesem Moment eine junge Frau die Praxis betrat.

»Das ist mit Sicherheit schon ihr zehnter Besuch allein in diesem Monat«, entgegnete Sophia leise, als die zierliche Frau in dem dunkelblauen Wollmantel sich näherte.

»Ich bin dann gleich soweit«, sagte Daniel und nickte Lorena Zachner freundlich zu, bevor er den Gang zu seinem Sprechzimmer hinunterlief. Auch er hatte keine wirkliche Erklärung für die häufigen Besuche dieser Patientin in seiner Praxis. Ihre diversen Beschwerden hatten sich bisher als harmlos herausgestellt. Möglicherweise neigte sie zur Hypochondrie und befürchtete, an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leiden. Wenn das so weiterging, musste er sie irgendwann darauf ansprechen.

»Guten Morgen, Frau Zachner. Was können wir für Sie tun?«, fragte Lydia, als Lorena zum Tresen kam, die weiße Wollmütze abnahm und sich mit der Hand durch ihr kurzes braunes Haar fuhr.

»Ich möchte zum Herrn Doktor. Mir geht es nicht gut«, antwortete Lorena. »Ich konnte heute nicht einmal zum Yoga gehen, meine Kopfschmerzen sind einfach zu heftig«, fügte sie mit gequälter Miene hinzu und kniff ihre Augen zusammen, so als würde sie sich von dem Licht in der Praxis geblendet fühlen.

»Dann nehmen Sie bitte im Wartezimmer Platz«, bat Lydia, nachdem sie Lorena in die Patientenliste für diesen Vormittag eingetragen hatte.

»Hoffentlich dauert es nicht so lange, mir geht es wirklich sehr schlecht«, betonte Lorena erneut, bevor sie mit hängenden Schultern ins Wartezimmer ging.

»Sie war doch erst vor zwei Wochen zu einem kompletten Check-up im Krankenhaus, der ergeben hat, dass sie vollkommen gesund ist«, raunte Lydia Sophia zu.

»Falls sie wirklich an Migräne leidet, lässt sich das ja nicht einfach so feststellen«, entgegnete Sophia.

»Stimmt, und umgekehrt lässt sich auch nicht beweisen, dass sie keine Kopfschmerzen hat«, sagte Lydia und schaute ins Wartezimmer.

Lorena hatte sich auf den Sessel in der hintersten Ecke des Raumes gesetzt. Er war von der hochgewachsenen Grünpflanze, die dort stand, zum Teil verdeckt. Dieser Sessel war inzwischen Lorenas Stammplatz. Im Gegensatz zu den anderen Patienten, die im Wartezimmer gern Neuigkeiten austauschten, zog sich Lorena stets zurück und hörte über ihr Handy mit Kopfhörern Musik.

»Ihre Schwester haben wir im letzten halben Jahr gerade einmal hier gesehen, und das war, weil sie ihre Tetanusimpfung auffrischen ließ«, stellte Sophia nach einem Blick in Mathilda Zachners Patientenblatt fest. »Ich dachte immer, eineiige Zwillinge hätten die gleichen Gene, auch was ihre Empfänglichkeit für Krankheiten betrifft.«

»Inzwischen zweifelt die Wissenschaft an der Macht der Gene. Es heißt, dass sie nur zu einem geringen Teil unser Leben bestimmen.«

»Im Moment ist das wohl die Richtlinie. In ein paar Jahren, wenn weitere Ergebnisse vorliegen, könnte diese Erkenntnis wieder verworfen oder angepasst werden.«

»Wir entwickeln uns eben weiter, da muss Raum für Irrtümer sein«, stellte Lydia fest.

»Ich würde sagen, solange die Wissenschaft das Ergebnis einer Blutuntersuchung nicht als Kaffeesatzleserei verwirft, werden wir uns auch weiterhin auf die Blutanalysen aus dem Labor stützen«, entgegnete Sophia schmunzelnd und rief Frau Maurer auf, die sich Sorgen um ihren Cholesterinspiegel machte und Daniel gebeten hatte, den Wert zu überprüfen.

»In Ordnung, gehen wir wieder an die Arbeit«, sagte Lydia und griff nach dem Telefon, das vor ihr auf dem Tresen lag und läutete.

»Ihr Cholesterin war doch bisher immer in Ordnung«, sagte Sophia, nachdem Evelyn Maurer, die Besitzerin des Modegeschäftes in der Fußgängerzone, ihr in den Laborraum gefolgt war und auf dem Stuhl mit der breiten Armlehne Platz genommen hatte.

»In den letzten Wochen habe ich es mir ein bissel zu gut schmecken lassen«, entgegnete Evelyn schmunzelnd.

Die rundliche Endfünfzigerin mit dem kurzen blonden Haar und den freundlichen dunklen Augen platzierte ihren Unterarm auf der Stuhllehne, damit Sophia ihr das Band, das das Blut in den Venen kurz stauen sollte, um den Oberarm binden konnte.

»So schnell wirkt sich das nicht aus, Frau Maurer. Und überhaupt, das Cholesterin lässt sich über das Essen nur schwer steuern«, erklärte ihr Sophia.

»Die sogenannten Normwerte wurden auch im Laufe der Jahre immer weiter abgesenkt, das weiß ich.«

»Was dazu geführt hat, dass bei jeder erneuten Senkung des Wertes viele Millionen Menschen auf diesem Planeten praktisch über Nacht zu Kranken erklärt wurden«, sagte Sophia, nachdem sie Evelyn mit einer Spritze das Blut abgenommen hatte, das im Labor untersucht werden sollte.

»Mit den Blutdruckwerten ist es doch auch so. Und überhaupt kann es gar nicht sein, dass ein einziger Wert für alle Menschen passen muss. Wir sind doch alle unterschiedlich.«

»So ist es, Frau Maurer«, gab Sophia Evelyn recht, während sie das Band um ihren Oberarm löste.

»Ich sage ja immer zu allen, die unseren Doktor Norden kennen, dass wir großes Glück haben, dass er sich ausgerechnet hier bei uns niedergelassen hat, weil er diese Unterschiede berücksichtigt. Außerdem kann er so wunderbar zuhören, und das reicht oft schon aus, um sich besser zu fühlen, wenn man die Praxis wieder verlässt. Grüßen Sie ihn von mir.«

»Das mache ich gern, Frau Maurer. Aber sagen Sie, wie war denn Ihr Urlaub?«, zeigte sich Sophia an Evelyns kürzlicher Reise in die Karibik interessiert.

»Ich hatte eine großartige Zeit. Ich denke, dieses Mal habe ich die richtige Wahl getroffen.«

»Das gönne ich Ihnen von ganzem Herzen, Frau Maurer«, sagte Sophia. Frau Maurer hatte nach vielen Jahren der Einsamkeit und Enttäuschungen endlich wieder einen Mann getroffen, der sie aufrichtig liebte.

»Ich bin der beste Beweis dafür, dass wir nie aufgeben sollten, solange auch nur die kleinste Chance besteht, dass wir glücklich werden könnten.«

»So sehe ich das auch, Frau Maurer«, pflichtete Sophia ihr bei und hielt ihr die Tür des Labors auf.

»Ab wann darf ich denn morgen anrufen, um nach dem Ergebnis der Untersuchung zu fragen?«, wollte Evelyn wissen.

»Ab zehn Uhr liegen uns die Ergebnisse vor«, sagte Sophia, bevor sie sich von Frau Maurer verabschiedete. »Sie ist doch noch gar nicht an der Reihe«, wunderte sie sich, als sie zu Lydia an den Empfangstresen zurückging und ihr Lorena auf dem Weg zu Daniels Sprechzimmer begegnete.

»Sie hat mir erklärt, dass sie das Gefühl hätte, dass ihr Kopf gleich platzen würde«, erklärte ihr Lydia, warum sie Lorena den anderen Patienten vorgezogen hatte.

»Alles klar, das klingt nach einem Notfall.«

»Was nicht heißt, dass es einer ist.«

»Nein, das heißt es bei ihr nicht. Hoffen wir, dass Daniel herausfindet, was mit ihr los ist«, sagte Sophia, als sie sah, wie Lorena in Daniels Sprechzimmer ging.

*

»Mir geht es so schlecht, Herr Doktor. Die Kopfschmerzen sind schier unerträglich«, sagte Lorena, nachdem sie auf einem der beiden Stühle vor Daniels Schreibtisch Platz genommen hatte. Sie rieb mit den Händen über ihre Schläfen, während sie den jungen Arzt anschaute.

»Wie lange haben Sie diese Kopfschmerzen denn schon?«, fragte Daniel und schob den Schirm der weißen Lampe, die mit einem Stahlarm an dem weißen Schreibtisch befestigt war, ein wenig zur Seite, um einen freien Blick auf seine Patientin zu haben.

»Sie fingen bereits heute Nacht an. Morgens wurden sie dann unerträglich.«

»Wo genau spüren Sie die Schmerzen?«, fragte Daniel, der mit dem Blutdruckgerät zu ihr ging, sich auf die Schreibtischkante neben sie setzte und ihren Blutdruck überprüfte.

»Am Blutdruck liegt es sicher nicht, den habe ich heute schon fünfmal überprüft. Er war immer normal«, sagte sie.

»Das ist er jetzt auch«, stellte Daniel fest und ließ den Rest der Luft aus dem Messgerät entweichen. »Setzen Sie sich bitte mal auf die Liege, Frau Zachner.«

»Haben Sie eine Idee, woher die Kopfschmerzen kommen könnten?«, fragte Lorena, nachdem sie sich seitlich auf die Untersuchungsliege gesetzt hatte.

»Möglicherweise vom Nacken. Vielleicht brauchen Sie ein anderes Kissen.«

»Sie wissen, dass ich Medizin studiere. Verspannungen kann ich als Ursache für meine Kopfschmerzen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen.«

»Gerade weil Sie Medizin studieren, sollten Sie erst einmal gar nichts ausschließen, aber gut, sehen wir mal weiter«, sagte Daniel. Er konnte Lorenas Aussage nicht einfach unwidersprochen hinnehmen. Er wollte seinen Patienten helfen, dazu gehörte allerdings nicht, ihnen zuzustimmen, wenn er anderer Meinung war.

Er hörte zunächst Lorenas Herz und Lunge mit dem Stethoskop ab, überprüfte danach an verschiedenen Druckpunkten ihre Durchblutung und suchte im Rachen- und Nasenbereich nach einer Entzündung, alles ohne Befund.

»Ich muss unbedingt schnell fit werden, wir schreiben in der nächsten Woche eine Klausur«, sagte Lorena.

»Dann haben Sie vermutlich in den letzten Tagen viel am Computer gesessen und Fachbücher gelesen.«

»Ja, habe ich. Sie denken an einen Bandscheibenvorfall wegen des langen Sitzens?«, fragte sie erschrocken.

»Nein, das eher nicht, ich wollte eigentlich sagen, dass Sie eine Muskelverspannung nicht ausschließen sollten. Aber wissen Sie was, das Beste ist, Sie lassen das von einem Orthopäden klären«, sagte Daniel.

»Dann mache ich das«, erklärte sich Lorena sofort einverstanden und zog ihren Pullover wieder an, den sie für die Untersuchung ausgezogen hatte.

»Ich schreibe Ihnen eine Überweisung.«

»Vielen Dank, Herr Doktor. Ich bin nur froh, dass meine Schwester und ich uns eine Wohnung teilen, so muss ich mir nicht zu viele Sorgen machen, falls sich mein Zustand plötzlich verschlechtert. Sie wird dann schon das Richtige tun.«

»Da bin ich sicher«, stimmte Daniel ihr zu. Auch Mathilda Zachner, Lorenas Zwillingsschwester, studierte Medizin, sie würde sich in einem Notfall zu helfen wissen. Aber eigentlich ging er nicht davon aus, dass es zu einem Notfall kommen würde. Auch wenn Lorena über starke Schmerzen klagte, hatte er nicht den Eindruck, dass sie tatsächlich so sehr litt, wie sie vorgab.

Da er aber nicht wirklich wissen konnte, wie stark ihre Schmerzen letztlich waren, durfte er eine ernsthafte Krankheit nicht ausschließen. Das war der Grund, warum er sie wegen ihrer Magen- und Bauchschmerzen, ihrer Glieder- und Gelenkschmerzen und den Ohren- und Halsschmerzen, über die sie in den letzten Wochen geklagt hatte, zu einem Check-up ins Krankenhaus geschickt hatte. So wie er es erwartet hatte, war nichts dabei herausgekommen.

»Ich brauche noch etwas gegen die Kopfschmerzen«, sagte Lorena, als Daniel ihr die Überweisung zum Orthopäden reichte.

»Sie haben doch sicher die üblichen Schmerzmittel zu Hause.«

»Ich denke, ich brauche dieses Mal etwas stärkeres.«

»Hier, die reichen für einen Tag. Sollten die Kopfschmerzen nicht aufhören oder schlimmer werden, gehen Sie bitte sofort in die Klinik«, riet ihr Daniel, als er ihr drei Tabletten eines starken Schmerzmittels gab.

»Danke, Doktor Norden.«

»Gute Besserung, Frau Zachner, grüßen Sie Ihre Schwester von mir«, sagte Daniel und brachte Lorena zur Tür.