Geht es auch ohne Medikamente? - Carmen von Lindenau - E-Book

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Carmen von Lindenau

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Beschreibung

Die neue Praxis Dr. Norden - So war es nicht geplant, doch Dr. Danny Norden betrachtet es als Chance. Äußere Umstände zwingen ihn zu einem Neustart. Und diesen nimmt Danny tatkräftig in Angriff, auch, wenn er mit Abschied, Trennung, Wehmut verbunden ist. Dr. Danny Norden praktiziert jetzt in seiner neuen, modernen, bestens ausgestatteten Praxis. Mit Kompetenz, Feingefühl und Empathie geht er auf seine Patienten zu und schafft ein Klima, das die Genesung fördert: eben Dr. Danny Norden, wie er leibt und lebt, und er wird immer besser! »Du siehst aus, als hättest du ein aufregend schönes Wochenende gehabt«, stellte Sophia mit einem süffisanten Schmunzeln fest. Sie und Lydia gönnten sich noch eine Tasse Kaffee, nachdem sie die Praxis für die Sprechstunde vorbereitet hatten. Die Zimmer waren gelüftet, der Computer war hochgefahren, Desinfektionsspray und Papiertücher standen in den Behandlungszimmern bereit, und die Liste, in die sie die Patienten nach ihrem Eintreffen in der Praxis eintrugen, lag am Empfangstresen. »Thomas wurde am Samstag zum Kommandanten der Rüstgruppe befördert. Das haben wir abends mit den Kollegen auf der Feuerwache gefeiert«, erzählte Lydia. »Rüstgruppe, das sind die, die gerufen werden, wenn zum Beispiel nach einem Unfall jemand aus seinem Auto befreit werden muss, richtig?« »So ist es, das sind die mit dem schweren Gerät, die die Opfer bergen. Am Sonntag hatte ich übrigens noch ein besonderes Erlebnis.« »Was war los?« »Thomas und ich waren zum Rudern auf dem Ammersee und mitten auf dem See…« »Was war mitten auf dem See?«, hakte Sophia gespannt nach, als Lydia innehielt und sich nachdenklich durch ihr kinnlanges Haar fuhr. »Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm zusammenzuziehen?« »Was hast du geantwortet?« »Dass ich es mir vorstellen könnte.« »Meinen Glückwunsch, das wurde auch Zeit«, sagte Sophia und klopfte ihrer Kollegin liebevoll auf die Schulter. »Wir ziehen nur zusammen, er hat mir keinen Heiratsantrag gemacht«

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Die neue Praxis Dr. Norden – 3 –

Geht es auch ohne Medikamente?

… und diese Diagnose nehmen wir nicht hin!

Carmen von Lindenau

»Du siehst aus, als hättest du ein aufregend schönes Wochenende gehabt«, stellte Sophia mit einem süffisanten Schmunzeln fest.

Sie und Lydia gönnten sich noch eine Tasse Kaffee, nachdem sie die Praxis für die Sprechstunde vorbereitet hatten. Die Zimmer waren gelüftet, der Computer war hochgefahren, Desinfektionsspray und Papiertücher standen in den Behandlungszimmern bereit, und die Liste, in die sie die Patienten nach ihrem Eintreffen in der Praxis eintrugen, lag am Empfangstresen.

»Thomas wurde am Samstag zum Kommandanten der Rüstgruppe befördert. Das haben wir abends mit den Kollegen auf der Feuerwache gefeiert«, erzählte Lydia.

»Rüstgruppe, das sind die, die gerufen werden, wenn zum Beispiel nach einem Unfall jemand aus seinem Auto befreit werden muss, richtig?«

»So ist es, das sind die mit dem schweren Gerät, die die Opfer bergen. Am Sonntag hatte ich übrigens noch ein besonderes Erlebnis.«

»Was war los?«

»Thomas und ich waren zum Rudern auf dem Ammersee und mitten auf dem See…«

»Was war mitten auf dem See?«, hakte Sophia gespannt nach, als Lydia innehielt und sich nachdenklich durch ihr kinnlanges Haar fuhr.

»Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihm zusammenzuziehen?«

»Was hast du geantwortet?«

»Dass ich es mir vorstellen könnte.«

»Meinen Glückwunsch, das wurde auch Zeit«, sagte Sophia und klopfte ihrer Kollegin liebevoll auf die Schulter.

»Wir ziehen nur zusammen, er hat mir keinen Heiratsantrag gemacht«, entgegnete Lydia.

»Noch nicht, aber das wird vermutlich der nächste Schritt in eurer Beziehung sein. Ihr seid schon über zwei Jahre zusammen.«

»Ich möchte auch noch länger mit ihm zusammen sein, deshalb bin ich gar nicht wild darauf, dass er mir einen Antrag macht. Wir wissen doch, wie schnell es bei einigen Paaren mit der Liebe vorbei ist, sobald sie verheiratet sind.

»Unser Boss kommt, Themawechsel«, flüsterte Sophia, als sie hörte, dass die Tür, die die Praxis mit der Wohnung im anderen Teil des Hauses verband, geöffnet wurde. Sie schaute in den Gang mit dem modernen Empfangstresen, dessen eingebaute LED-Lichter den Boden beleuchteten, um Danny zu begrüßen. »Guten Morgen, Herr Doktor!«, rief sie, als er die Verbindungstür hinter sich schloss.

»Guten Morgen, Sophia«, antwortete er freundlich.

»Sie sind heute aber mächtig früh dran, Herr Doktor«, stellte Lydia fest und sah den jungen Arzt in der hellen Jeans und dem weißen Poloshirt überrascht an, der zu ihnen in die Küche kam.

»Ich will noch ein paar Telefonate führen, bevor es hier bei uns losgeht.« Danny schaute auf den Wartebereich mit seinen gelben Polsterstühlen und den hochgewachsenen Grünpflanzen, der nur durch eine Glaswand vom Empfangsbereich getrennt war. In ein paar Minuten würden sich dort die ersten Patienten versammeln und darauf warten, dass er mit der Sprechstunde begann.

»Wie geht es Ihrer Mutter, Sophia?«, wollte er wissen.

»Es geht ihr gut. Es war ihr eine große Beruhigung, dass die Untersuchung in der Klinik bestätigt hat, dass die MS noch keinen größeren Schaden angerichtet hat und ihre Nervenbahnen noch funktionieren.«

»Mit ein wenig Glück wird das auch so bleiben.«

»Das hoffe ich, Herr Doktor. Meine Mutter und ich sind Ihnen wirklich dankbar, dass Sie diese Untersuchung ermöglicht haben.«

»Ihrer Mutter stand diese Untersuchung zu. Sie war wichtig, auch für ihr seelisches Wohlbefinden.«

»Ja, ich weiß«, seufzte Sophia erleichtert.

»Noch fünf Minuten.« Lydia deutete auf die Bahnhofsuhr, die über der Tür der Küche angebracht war.

»Ich gehe telefonieren«, sagte Danny und ließ die beiden allein.

»Wir sollten ihm mehr zutrauen«, raunte Lydia Sophia zu, nachdem Danny gegangen war.

»Du meinst, wir müssen in seiner Gegenwart das Thema Beziehungen nicht vermeiden?«

»Nein, müssen wir nicht. Er ist jung, und er verfügt über eine starke Persönlichkeit. Die Vergangenheit kann ihm auf Dauer nichts anhaben, das würde er niemals zulassen.«

»Falls aber doch, könnte ihm seine Nachbarin helfen.«

»Du denkst, er braucht psychologischen Beistand?«, wunderte sich Lydia.

»Nein, nur jemanden zum Reden.«

»Olivia Mai ist äußerst attraktiv, ob Reden das erste ist, was ihm in den Sinn kommt, wenn er an sie denkt.«

»An was sollte er denn sonst denken?«, fragte Sophia und hielt sich die Hand vor den Mund, um das Kichern zu verbergen, das sie nicht verhindern konnte.

»Frau Baronin belieben heute wieder einmal zu scherzen«, entgegnete Lydia lachend und spielte dabei auf Sophias adlige Herkunft an. »Wer lässt die Patienten herein?«

»Du kennst doch die alte Lebensweisheit, es ist immer der, der fragt«, antwortete Sophia und drängte Lydia sanft aus der Küche hinaus in den Gang.

Ein paar Minuten später saßen die ersten Patienten im Wartezimmer, andere, die nur ein Rezept abholen wollten, standen vor dem Tresen. Danny hatte mittlerweile zwei seiner Anrufe erledigt. Er wusste nun, dass seine Diagnosen, die eine, die das Nierenleiden einer Patientin betraf, und die andere, der vermutete Sehnenriss eines jungen Mannes, der beim Sport umgeknickt war, zutrafen. Die beiden Fachärzte würden die Behandlungen erst einmal übernehmen.

Sein letzter Anruf an diesem Morgen galt Oliver Pernau, einem ehemaligen Studienkollegen und gutem Freund, der inzwischen eine Kurklinik im Allgäu leitete. Er wollte wissen, wie es Frau Emsberg ging, die seit zwei Wochen in seiner Klinik war. Frau Emsberg hatte sich zuerst hartnäckig gegen eine Kur gewehrt, die Danny ihr wegen ihres Rheumaleidens empfohlen hatte. Sie war zwar schon über siebzig, ging aber noch jeden Vormittag in den Friseursalon, den sie vor über vierzig Jahren eröffnet hatte.

Auch wenn sie sich auf ihre Angestellten verlassen konnte, wurde sie unruhig, sobald sie nicht selbst nach dem Rechten sehen konnte. Schließlich war es Danny mit der Unterstützung ihrer Nichte, die den Salon bereits leitete, gelungen, sie zu einer Kur zu überreden. Er hoffte, dass Frau Emsberg diese Auszeit auch wirklich zur Erholung nutzte und nicht in eine Depression verfiel, weil sie sich abgeschoben fühlte.

»Du musst dir um Frau Emsberg keine Sorgen machen. Es gefällt ihr bei uns«, versicherte ihm Oliver, nachdem Danny mit ihm über den Grund seines Anrufes gesprochen hatte. »Sie hat jemanden kennengelernt«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu.

»Du sprichst von einem Kurschatten?«

»So ist es.«

»Die Kurklinik als Kontaktbörse, das funktioniert wohl noch immer bestens«, entgegnete Danny lächelnd.

»Auf jeden Fall, und es ist immer zum Besten unserer Patienten. Jeder Wissenschaftler, der daran zweifelt, dass positive Gefühle unsere Gesundheit beeinflussen, sollte ein paar Wochen in einer Kurklinik arbeiten.«

»Bedauerlicherweise sind die Krankenkassen kaum noch bereit, Kuren zu bezahlen.«

»Und das, obwohl ausgepowerte Burn-out gefährdete Menschen jeden Tag die Arztpraxen bevölkern.«

»Wolltest du nicht in die Politik gehen und irgendwann Gesundheitsminister werden?«, erinnerte Danny Oliver an seine Träume aus ihrer gemeinsamen Studentenzeit.

»Ich habe dieses Ziel nicht aus den Augen verloren. Im letzten Jahr wurde ich in den Stadtrat gewählt.«

»Ein guter Anfang, hoffentlich vergisst du auf deinem Weg nach oben nicht, was dir im Moment noch wichtig erscheint.«

»Ich werde mich nicht beeinflussen lassen.«

»Das sagen alle, bis ihnen klar wird, dass sie Kompromisse eingehen müssen, um an Macht zu gewinnen.«

»Sollte mir das passieren, komm zu mir und sage es mir.«

»Das werde ich tun.«

»Genau das erwarte ich von einem Freund. Apropos Freund, hast du gehört, dass Karsten wieder aus den USA zurück ist und eine HNO-Praxis am Stachus übernommen hat?«

»Nein, das wusste ich noch nicht. Ich war in den letzten Monaten mit meinem eigenen Umzug beschäftigt.«

»Ja, das warst du wohl, und du hattest auch nicht wirklich Lust auf Gesellschaft, das weiß ich. Es wird Zeit, dass du wieder Spaß in deinem Leben zulässt. Wenn ich das nächste Mal nach München komme, sollten wir uns mit Karsten treffen.«

»Sag einfach Bescheid, ich nehme mir dann die Zeit.«

»Dann hören wir bald voneinander«, verabschiedete sich Oliver.

Nachdem Danny das Gespräch beendet hatte, rief Lydia ihn über die Haussprechanlage an. Es ging um die Rezepte, die sie inzwischen für die Patienten ausgestellt hatte, die an einer chronischen Krankheit litten und nicht jedes Mal zu ihm mussten, wenn sie neue Medikamente brauchten. Sie wollte wissen, ob er sie in seinem Zimmer unterschreiben wollte oder bei ihr am Tresen. Er beschloss, ihr den Weg abzunehmen.

»Heute ist es ein ordentlicher Stapel«, sagte sie, als er zu ihr kam und sie ihm ein Rezept nach dem anderen reichte.

»Ich glaube es nicht«, flüsterte Sophia, die aus dem Laborzimmer kam. Sie hatte einer Patientin Blut abgenommen, die an einer Schilddrüsenunterfunktion litt und ihre Werte überprüfen lassen wollte. Sophia fühlte ihr Herz schneller schlagen, als sie die junge Frau in dem eleganten weißen Leinenkleid ansah, die gerade die Praxis betreten hatte. Sie war ebenso schlank wie sie, hatte das gleiche hellblonde Haar und sah ihr auffällig ähnlich.

»Was ist mit dir?«, fragte Lydia, die hinter dem Tresen hervorgekommen war, als sie Sophias erstarrten Blick bemerkte.

»Das ist Charlotte, meine Cousine«, antwortete Sophia leise. »Ich habe sie seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Ich habe keine Ahnung, was sie von mir will.«

»Du wirst es gleich herausfinden«, raunte Lydia ihr zu, als Charlotte geradewegs auf Sophia zusteuerte.

»Hallo, Sophia, du bist sicher überrascht, mich zu sehen«, sagte Charlotte und umarmte Sophia auf eine vertraute Weise, so als hätten sie sich nie aus den Augen verloren.

»Ich dachte nicht, dass ich dich überhaupt noch mal sehen würde«, antwortete Sophia und trat einen Schritt von Charlotte zurück.

»Ich habe dich nicht vergessen, Sophia, wirklich nicht«, versicherte Charlotte ihrer Cousine.

»Sich einfach nicht mehr zu melden, ist eine merkwürdige Art, das zu zeigen.« Charlotte war vor sechs Jahren nach Rom gegangen, um dort Geschichte zu studieren. In der Universität hatte sie Massimo kennengelernt, der aus einer italienischen Adelsfamilie stammte, und sie hatte ihn geheiratet. Nach der Hochzeit wurde ihr Kontakt immer weniger, und irgendwann hörten sie gar nichts mehr voneinander.

»Es tut mir ehrlich leid, Sophia, die Zeit ist so schnell vergangen. Es gab so viel Neues in meinem Leben«, bemühte sich Charlotte um eine Erklärung.

»Warum bist du hier?«, fragte Sophia.

»Das ist eine längere Geschichte.«

»Ich muss hier arbeiten, Charlotte, ich habe keine Zeit für eine Unterhaltung«, antwortete Sophia leise, weil nicht nur Danny und Lydia zu ihnen herüberschauten, auch die Patienten, die am Tresen auf ihre Rezepte warteten, beobachteten sie.

»Wie wäre es, wenn wir uns zum Mittagessen treffen? Bitte, sag ja«, bat Charlotte, als Sophia zögerte.

»Also gut, treffen wir uns um eins beim Italiener in der Fußgängerzone. Am Ende der Straße vor dem Neubaugebiet rechts abbiegen, dann kommst du direkt hin.«

»Danke, Sophia«, sagte Charlotte erleichtert und nickte ihrer Cousine noch einmal zu, bevor sie die Praxis wieder verließ.

»Alles in Ordnung?«, fragte Danny, als Sophia zum Tresen ging, um auf ihrer Patientenliste nachzuschauen, wer als nächstes zur Blutentnahme an der Reihe war.

»Ja, alles gut«, versicherte ihm Sophia und wich seinem Blick aus.

»Sie wissen, dass Sie zu mir kommen können, wenn Sie Hilfe brauchen«, sagte Danny und streichelte Sophia über die Schulter, bevor er zurück in sein Sprechzimmer ging.

»Was ist los?«, fragte Lydia, nachdem Danny gegangen war.

»Keine Ahnung, sie will sich mit mir zum Mittagessen treffen.«

»Gehst du hin?«

»Ja, ich denke schon. Meine Mutter ist ohnehin nicht da. Sie geht mit einer Kollegin aus der Musikschule essen.«

»Einen wunderschönen Guten Morgen«, sagte die Frau, die gutgelaunt die Praxis betrat und sofort Lydias und Sophias Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

Lydia schätzte sie auf Mitte vierzig. Sie war groß und schlank, hatte hellblondes kurzes Haar und trug ein Kleid in Regenbogenfarben, rote Pumps und einen grasgrünen Blazer. Sie blieb vor dem Empfangstresen stehen und sah Lydia und Sophia mit einem strahlenden Lächeln an. »Karina Kronau«, stellte sie sich vor. »Dürfte ich bitte kurz mit Doktor Norden sprechen?«, fragte sie.

»Kommen Sie als Patientin?«, wollte Lydia wissen.

»Nein, heute nicht, vielleicht irgendwann einmal. Heute möchte ich nur kurz mit ihm sprechen«, wiederholte Karina ihr Anliegen.

»Um was geht es denn?«, fragte Lydia erneut.

»Sagte ich das gar nicht? Ich bin aber auch ein Schäfchen, ich sollte mich schon richtig vorstellen. Bitte, meine Karte«, sagte sie und legte eine Visitenkarte in Regenbogenfarben auf den Tresen, die sie als Reporterin für eine Frauenzeitschrift auswies. »Ich möchte Ihren Chef gern interviewen. Unsere Leserinnen lieben diese Geschichten über wahre Helden. Und Doktor Norden hat sich wahrhaft heldenhaft verhalten, als seine Praxis neulich von diesem psychisch kranken Menschen besetzt wurde«, klärte sie Lydia und Sophia über den Grund ihres Besuches auf.

»Unsere Sprechstunde fängt gleich an. Es ist nicht gerade ein guter Zeitpunkt für ein Interview«, wandte Lydia ein.

»Das ist mir klar. Ich bin auch nur hier, weil ich ihn fragen wollte, ob er einem Interview zustimmt. Ich mache so etwas gern persönlich. Zu Hause wollte ich ihn aber nicht einfach so überfallen. Geben Sie mir drei Minuten, dann bin ich auch schon wieder weg. Einverstanden?«, fragte Karina mit einem charmanten Lächeln und sah zuerst Lydia und danach Sophia an.

»Warten Sie einen Moment, ich frage Doktor Norden, ob das für ihn in Ordnung ist«, sagte Lydia. Sie wollte das lieber im Sprechzimmer klären, statt am Telefon vorn am Tresen, wo jeder zuhören konnte, der zufällig dort stand.

»Die Praxis hat ein schönes Ambiente. Ich habe mich gleich beim Hereinkommen wohlgefühlt«, stellte Karina fest, während sie sich in alle Richtungen umschaute.

»Das haben uns schon viele Patienten gesagt«, stimmte Sophia ihrer Einschätzung zu.

»Ich nehme an, Sie arbeiten gern hier.«

»Ja, auf jeden Fall, ich hätte es nicht besser treffen können.«

»Eine Baroness als Arzthelferin ist nicht gerade alltäglich.«

»Sie sind aber nicht wegen mir hier, hoffe ich.« Sophia war klar, dass Karina als Reporterin dieser Frauenzeitschrift auch die von Arnsberg kannte.

»Nein, keine Sorge. Ich bin zwar ebenso wild auf interessante Geschichten wie meine Kolleginnen und Kollegen, aber ich habe einen Ehrenkodex. Ich schreibe nicht über Menschen, die nicht in die Öffentlichkeit wollen.«

»Ich danke Ihnen.«

»Nicht dafür, Schätzchen«, antwortete Karina mitfühlend, so als wüsste sie, wie unangenehm es für Sophia war, an die Familie ihres Vaters erinnert zu werden.

»Alles klar, Sie bekommen Ihre drei Minuten«, sagte Lydia, die wieder zu ihnen an den Tresen kam.

»Wunderbar, vielen Dank«, bedankte sich Karina und tippelte auf ihren hohen Schuhen in Richtung Sprechzimmer.

»Was hast du vor?«, fragte Sophia, als Lydia Karinas Visitenkarte in die Hand nahm und die Nummer des Verlags wählte, die auf der Karte stand.

»Ich habe Doktor Norden versprochen, mich zu vergewissern, ob sie auch wirklich für dieses Blatt schreibt. Man kann ja nie wissen«, sagte Lydia, die als Tochter einer Polizistin schon in frühester Kindheit gelernt hatte, eine gesunde Skepsis gegenüber fremden Menschen zu bewahren.

*

»Guten Morgen, Doktor Norden, danke, dass Sie mir ein paar Minuten Ihrer Zeit opfern«, sagte Karina, nachdem Danny sie auf ihr Anklopfen hin hereingebeten hatte.

»Bitte, nehmen Sie Platz.« Danny deutete auf die beiden Stühle, die vor seinem Schreibtisch standen.