Die Vergiftung - Carmen von Lindenau - E-Book

Die Vergiftung E-Book

Carmen von Lindenau

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Beschreibung

Die neue Praxis Dr. Norden - So war es nicht geplant, doch Dr. Danny Norden betrachtet es als Chance. Äußere Umstände zwingen ihn zu einem Neustart. Und diesen nimmt Danny tatkräftig in Angriff, auch, wenn er mit Abschied, Trennung, Wehmut verbunden ist. Dr. Danny Norden praktiziert jetzt in seiner neuen, modernen, bestens ausgestatteten Praxis. Mit Kompetenz, Feingefühl und Empathie geht er auf seine Patienten zu und schafft ein Klima, das die Genesung fördert: eben Dr. Danny Norden, wie er leibt und lebt, und er wird immer besser! Hannes hatte sich seit Tagen auf den Abend vorbereitet, der sein Leben verändern sollte. Er wollte Ottilie bitten, seine Frau zu werden. Noch wusste er nicht, wie sie auf seinen Antrag reagieren würde. Sie lebten zwar inzwischen schon einige Monate zusammen, aber über eine Heirat hatten sie bisher noch nie gesprochen. Wie auch immer, er wollte diesen Schritt wagen, weil er sich nichts sehnlicher wünschte, als Ottilie seine Frau nennen zu dürfen. Statt eines Restaurantbesuches wollte er zu Hause für eine romantische Atmosphäre sorgen, für Ottilie kochen und ihr nach dem Essen den Antrag machen. Ottilie hatte an diesem Tag die Nachmittagssprechstunde in der Praxis in ihrem Haus übernommen, in der Olivia und sie ihre Patienten und Patientinnen betreuten. Er hatte ein weißes Tischtuch auf den Tisch im Esszimmer gelegt, das nur durch eine halbhohe Mauer von der Küche getrennt war. Auf dem grünen Sofa, das gegenüber dem offenen Kamin stand, lag Ortrud, die rotgetigerte Katze, die Ottilies Haus und das von Daniel und Olivia als ihr Zuhause betrachtete. »Was denkst du, Ortrud, wird sie meinen Antrag annehmen?«, fragte Hannes, als Ortrud ihren Kopf hob und in seine Richtung schaute. »Danke, das war wohl ein Ja«, sagte er, als Ortrud miaute und sich genüsslich rekelte. Er hatte bereits die Vorspeisenteller mit den gegrillten Auberginen, den mit Frischkäse gefüllten Tomaten, den eingelegten Champignons und den Oliven im Kräutermantel abgedeckt in den Kühlschrank gestellt und wollte gerade den Auflauf mit den Zucchini und dem Schafskäse zubereiten, den es als Hauptgang geben sollte, als sein Handy läutete. »Hallo, Lore«, begrüßte er seine Cousine, deren Name auf dem Display seines Telefons aufleuchtete. »Hallo, Hannes, wie geht es dir? Alles in Ordnung bei dir und Ottilie?«, fragte Lore. »Danke, uns geht es gut, und euch?«

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Die neue Praxis Dr. Norden – 30 –

Die Vergiftung

Ein schwieriger Fall für Daniel Norden

Carmen von Lindenau

Hannes hatte sich seit Tagen auf den Abend vorbereitet, der sein Leben verändern sollte. Er wollte Ottilie bitten, seine Frau zu werden. Noch wusste er nicht, wie sie auf seinen Antrag reagieren würde. Sie lebten zwar inzwischen schon einige Monate zusammen, aber über eine Heirat hatten sie bisher noch nie gesprochen. Wie auch immer, er wollte diesen Schritt wagen, weil er sich nichts sehnlicher wünschte, als Ottilie seine Frau nennen zu dürfen.

Statt eines Restaurantbesuches wollte er zu Hause für eine romantische Atmosphäre sorgen, für Ottilie kochen und ihr nach dem Essen den Antrag machen. Ottilie hatte an diesem Tag die Nachmittagssprechstunde in der Praxis in ihrem Haus übernommen, in der Olivia und sie ihre Patienten und Patientinnen betreuten.

Er hatte ein weißes Tischtuch auf den Tisch im Esszimmer gelegt, das nur durch eine halbhohe Mauer von der Küche getrennt war. Auf dem grünen Sofa, das gegenüber dem offenen Kamin stand, lag Ortrud, die rotgetigerte Katze, die Ottilies Haus und das von Daniel und Olivia als ihr Zuhause betrachtete.

»Was denkst du, Ortrud, wird sie meinen Antrag annehmen?«, fragte Hannes, als Ortrud ihren Kopf hob und in seine Richtung schaute. »Danke, das war wohl ein Ja«, sagte er, als Ortrud miaute und sich genüsslich rekelte.

Er hatte bereits die Vorspeisenteller mit den gegrillten Auberginen, den mit Frischkäse gefüllten Tomaten, den eingelegten Champignons und den Oliven im Kräutermantel abgedeckt in den Kühlschrank gestellt und wollte gerade den Auflauf mit den Zucchini und dem Schafskäse zubereiten, den es als Hauptgang geben sollte, als sein Handy läutete.

»Hallo, Lore«, begrüßte er seine Cousine, deren Name auf dem Display seines Telefons aufleuchtete.

»Hallo, Hannes, wie geht es dir? Alles in Ordnung bei dir und Ottilie?«, fragte Lore.

»Danke, uns geht es gut, und euch?« Hannes hatte Lore und ihren Mann Armin seit etwa zwei Monaten nicht gesehen, obwohl sie nur eine Viertelstunde mit dem Auto von ihm entfernt wohnten. Er hatte Lore ein paar Mal angerufen, hatte aber immer den Eindruck gehabt, dass sie an einem Treffen nicht interessiert war. Er hatte sich schon gefragt, ob er oder Ottilie irgendetwas getan oder gesagt hatten, was die beiden verletzt haben könnte.

»Möglicherweise haben sie Probleme miteinander, die sie erst selbst klären müssen, bevor sie mit anderen darüber sprechen, falls sie es überhaupt tun wollen. Geben wir ihnen einfach die Zeit, die sie brauchen. Sie werden sich schon wieder melden, wenn sie soweit sind«, hatte Ottilie gesagt. Wie es aussah, hatte sie damit wohl recht, zumal Lore erst einmal einen Augenblick schwieg, bevor sie weitersprach.

»Armin und mir geht es nicht gut«, sagte sie schließlich mit leiser Stimme.

»Warum? Was ist passiert?«, fragte Hannes besorgt nach.

»Wie wäre es, wenn ihr heute zum Abendessen zu uns kommen würdet?«, schlug Lore vor, ohne weiter auf seine Frage einzugehen.

»Heute?«, wiederholte Hannes nachdenklich.

»Nein, schon in Ordnung, wenn es euch heute nicht passt. Wir können das auch verschieben. Ich melde mich dann mal wieder«, sagte Lore.

»Nein, warte, lege noch nicht auf«, bat Hannes seine Cousine, als er die Enttäuschung in ihrer Stimme wahrnahm. »Wir kommen gern zu euch. Wann sollen wir da sein?«, wollte er wissen.

»Um sieben. Oder ist das zu früh für euch?«

»Wir sind um sieben bei euch.«

»Ich freue mich, bis dann«, sagte Lore und beendete das Gespräch.

Hannes hatte zwar keine Ahnung, was mit Lore los war, aber er war sicher, dass es um etwas Ernstes ging, das hatte ihm ihre Stimme verraten. Auch wenn das bedeutete, dass er den romantischen Abend mit Ottilie erst einmal verschieben musste, wollte er Lore nicht das Gefühl geben, dass er sie mit ihrem Kummer nicht ernst nahm.

Als Ottilie eine Stunde später aus der Praxis kam und eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank nahm, bewunderte sie die Teller mit den Antipasti, die sie dort entdeckte. »Du kochst heute für uns?«, fragte sie, während sie Hannes mit einem erwartungsvollen Lächeln anschaute.

»Das hatte ich ursprünglich vor, aber wir wurden kurzfristig zum Abendessen eingeladen. Ich wollte die Einladung ungern absagen.«

»Wer hat uns eingeladen?«

»Lore.«

»Wie geht es ihr?«

»Ich befürchte, nicht so gut. Sie und Armin haben wohl tatsächlich Probleme.«

»Was ist mit ihnen?«

»Das weiß ich noch nicht. Sie wollte wohl am Telefon nicht so gern darüber sprechen. Ich hoffe, es ist in Ordnung für dich, dass ich zugesagt habe.«

»Aber ja, gehen wir hin und hören uns an, was bei ihnen los ist. Vielleicht können wir helfen.«

»Danke, mein Schatz, dann werde ich an einem anderen Tag für dich kochen.«

»Sehr gern«, sagte Ottilie und küsste den attraktiven Mann mit dem silbergrauen Haar und den stahlblauen Augen zärtlich auf den Mund.

»Ich bin unendlich dankbar, dass wir beide uns begegnet sind«, versicherte Hannes ihr, nahm sie in seine Arme und streichelte ihr behutsam über das hellrote Haar, das in einem wundervollen Kontrast zu ihren hellen blauen Augen stand.

*

Lore und ihr Mann Armin waren beide Mitte fünfzig. Lore arbeitete von zu Hause aus für ein Energieunternehmen, scannte Verträge ein und bearbeitete Kundenanfragen. Armin war Sozialarbeiter beim Jugendamt. Hannes und Lore waren zusammen aufgewachsen. Ihre Mütter waren Schwestern gewesen, und ihre Familien wohnten lange gemeinsam in einem Haus. Er kannte seine Cousine wirklich gut, und er war erschrocken, als sie ihm und Ottilie an diesem Abend die Tür des Reihenhauses in der Vorstadtsiedlung öffnete.

»Schön, dass ihr hier seid, kommt rein«, bat Lore ihre Gäste und begrüßte zuerst Ottilie und danach Hannes mit einer herzlichen Umarmung.

Lore war eine schlanke, attraktive Frau mit kurzen hellen Haaren und dunklen Augen. Sie trug eine weiße Leinenhose und eine blaue Bluse, die ihr blasses Gesicht noch blasser erscheinen ließ. Auch die dunklen Augenringe waren Hannes bisher nicht an ihr aufgefallen. Lore sah mitgenommen aus, und Hannes befürchtete, dass sie ihm mitteilen wollte, dass sie krank sei. Aber er ließ sich seine Befürchtung nicht anmerken, er würde es ihr überlassen, wann sie ihm davon erzählen wollte.

Das Wohnzimmer, in das Lore Hannes und Ottilie führte, war mit Möbeln aus Kiefernholz und einer gemütlichen Sofaecke aus hellem Leder eingerichtet. Die roten Samtvorhänge waren beiseite geschoben. Sie konnten den Garten sehen, der von einer Lichterkette, die in einem Apfelbaum befestigt war, beleuchtet wurde. Der runde Esstisch in der Mitte des Raumes war für vier Personen gedeckt. Rote Stoffservietten lagen auf den rechteckigen Porzellantellern, in den Weingläsern spiegelte sich das Licht der Kerzen, die in einem dreiarmigen Ständer auf dem Tisch standen.

»Nehmt Platz, Armin wird gleich da sein«, sagte Lore. »Darf ich euch ein Glas Rotwein anbieten?«, fragte sie, nachdem die beiden sich gesetzt hatten.

»Habt ihr euch wieder Wein aus der Provence schicken lassen?«, fragte Hannes lächelnd.

»Ein bisschen Luxus muss sein«, antwortete Lore schmunzelnd.

»Ich nehme gern ein Glas«, sagte Hannes.

»Für mich bitte nur ein halbes Glas. Wir sind mit dem Auto hier, ich werde uns heute nach Hause fahren«, sagte Ottilie, die ein hellblaues Kleid mit langen Ärmeln trug.

»Armin und ich sprechen auch immer vorher ab, wer fährt, wenn wir irgendwo eingeladen sind. Seit einigen Wochen müssen wir aber leider jede Einladung ablehnen«, seufzte Lore.

»Warum denn, was ist los bei euch?«, fragte Hannes und sah seine Cousine an.

»Gleich, ich hole erst einmal den Wein. Armin, kümmerst du dich um unsere Gäste«, wandte sie sich an den auffällig schlanken Mann, dem der weiße Strickpullover, den er zu seiner Jeans trug, um einiges zu groß war.

»Aber ja, das mache ich. Hallo, ihr beiden, schön, euch mal wiederzusehen«, wandte er sich Ottilie und Hannes zu, während Lore in die Küche gegenüber des Wohnzimmers huschte.

»Wie geht es dir, Armin?«, fragte Hannes, nachdem der Mann seiner Cousine ihn und Ottilie begrüßt hatte und sich zu ihnen an den Tisch setzte. Auch Armin sah nicht wirklich gesund aus. Er hatte ganz offensichtlich einige Kilos abgenommen. Seine Wangen waren eingefallen, und auch er hatte dunkle Augenringe.

»Mir geht es inzwischen wieder gut«, sagte Armin.

»Was heißt inzwischen?«, fragte Hannes und schob die Ärmel seines schwarzen Pullis ein Stück hoch, da die Heizung in dem Zimmer für diese Jahreszeit viel zu hochgedreht war.

»Ich war einige Wochen krankgeschrieben, aber jetzt geht es wieder«, antwortete Armin.

»So ganz bist du noch nicht auf dem Damm«, widersprach ihm Lore, die mit einer Flasche Rotwein zurück ins Wohnzimmer kam.

»Ich denke doch«, entgegnete Armin, während Lore die Weingläser füllte.

»Stoßen wir doch erst einmal auf einen schönen Abend an«, bat Lore und hob ihr Glas.

»Auf einen schönen Abend«, sagte Hannes, und dann stießen sie miteinander an.

»Was gibt es denn zu essen?«, wollte Armin von Lore wissen.

»Gefüllte Teigtaschen, das weißt du doch, mein Schatz«, antwortete Lore und streichelte Armin behutsam über den Arm.

»Sicher, das weiß ich«, murmelte er.

Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, dachte Hannes, als Armin zur Terrassentür schaute und sich sein Blick im Garten zu verlieren schien. Ottilie ging gerade ganz offensichtlich das Gleiche durch den Kopf, wie er an ihren Augen sehen konnte, als er sich ihr kurz zuwandte.

»Wieso bist du denn krankgeschrieben?«, wollte Ottilie auch gleich von Armin wissen.

»Burn-out«, antwortete er.

»Das ist in deinem Beruf nicht ungewöhnlich. Die Arbeit mit Jugendlichen, die sich in einer schwierigen Lage befinden, ist äußerst anstrengend«, sagte Ottilie. Sie hatte schon häufig mit Menschen aus ähnlichen Berufen zu tun gehabt, und sie wusste, wie belastend ihr Alltag war.

»Ich bin wieder fit. Am Montag geht es wieder los. Entschuldigt mich kurz, ich muss nachsehen, wie viele Termine inzwischen dazu gekommen sind«, erklärte Armin.

»Schon gut, das kannst du auch später noch machen. Wir essen doch jetzt«, sagte Lore und legte ihre Hand auf Armins Schulter, als er aufstehen wollte.

»Ja, in Ordnung, essen wir erst«, stimmte er ihr zu.

»Ich hole dann mal die Teigtaschen.«

»Warte, ich helfe dir«, sagte Ottilie und folgte Lore in die Küche.

»Was ist mit Armin wirklich los?«, fragte Ottilie, als sie mit Lore in der kleinen Küche mit den u-förmig angeordneten Küchenmöbeln aus dunklem Holz stand.

»Ich wage es kaum auszusprechen, weil es so furchtbar klingt, aber er hat wohl Alzheimer«, sagte Lore und kämpfte mit den Tränen.

»Wer hat die Diagnose gestellt?«, fragte Ottilie.

»Unser Hausarzt.«

»Vielleicht hat er sich geirrt«, entgegnete Ottilie und nahm Lore tröstend in die Arme.

»Glaubst du das wirklich? Du hast ihn doch gerade erlebt, und heute hat er noch einen seiner besseren Tage.«

»Wann hast du die ersten Symptome bemerkt?«

»Vor zwei Monaten. Ich habe dann darauf gedrungen, dass er sich von unserem Arzt untersuchen lässt. Die Diagnose war recht eindeutig. Wir waren auch bei einem Neurologen. Er hat die Diagnose bestätigt.«

»Wissen Sie auf dem Jugendamt schon Bescheid?«

»Nein, ich habe es bisher nicht fertiggebracht, seinen Kollegen von der Diagnose zu erzählen. Es klingt einfach zu furchtbar. Die Vorstellung, dass der Mensch, den ich über alles liebe, allmählich verschwindet, ist für mich noch unfassbar schwer.«

»Es tut mir sehr leid«, sagte Ottilie und strich Lore mitfühlend über den Rücken.

»Eine Heilung für diese Krankheit gibt es ja leider nicht«, seufzte Lore.

»Nein, das nicht, aber die Symptome lassen sich mit Medikamenten eine Weile in Schach halten.«

»Ich will mich aber noch nicht mit der Diagnose abfinden.«

»Das verstehe ich. Hat Armin denn begriffen, was mit ihm los ist?«

»Er hat die Diagnose gehört, aber er lehnt sie ab. Er behauptet nach wie vor, dass er nur an einem Burn-out leidet.«

»Manchmal frage ich mich, ob es vielleicht sogar von Vorteil für den Patienten ist, wenn er seine Demenz negiert. Es muss einfach grausam und beängstigend sein, zu wissen, dass man den Verstand verliert.«

»Ja, das ist es ganz sicher.«

»Schatz, was gibt es denn zu essen?!«, hörten sie Armin in diesem Moment rufen.

»Wir sind gleich wieder bei euch!«, antwortete Lore und öffnete die Tür des Backofens. Sie nahm die Keramikform mit den Teigtaschen heraus, die mit Spinat und Krabben gefüllt waren, und richtete sie, dekoriert mit den bereits geschnittenen frischen Kräutern, auf einer weißen Servierplatte an. Danach nahm sie die Schüssel mit dem vorbereiteten Salat aus dem Kühlschrank, machte ihn mit Essig, Öl und Gewürzen an und gab Ottilie die Schüssel. »Gehen wir«, sagte sie, nachdem sie die Platte mit den Teigtaschen vom Tisch genommen hatte. »Sprich ihn bitte nicht auf das an, was ich dir gerade gesagt habe«, bat Lore Ottilie.

»Versprochen, ich sage nichts«, versicherte ihr Ottilie.

»Hannes hat mir erzählt, dass ihr inzwischen zusammen wohnt. Eure Beziehung kommt wohl voran«, stellte Armin schmunzelnd fest, als Ottilie und Lore sich wieder zu ihm und Hannes an den Tisch setzten.

»Ja, so ist es«, stimmte Ottilie ihm zu und tauschte einen kurzen Blick mit Hannes, der sicher schon ahnte, dass Armin nicht nur an einem Burn-out litt. Schließlich wohnten sie und Hannes schon eine ganze Weile in einem Haus, das war keine Neuigkeit für Armin.

»Es ist schön, dass wir mal wieder Gäste haben«, sagte Armin, nachdem sich jeder zwei Teigtaschen und eine Portion Salat genommen hatte.

»Ja, das ist wirklich schön«, gab Lore ihm recht.

»Sie schmecken wie die deiner Mutter«, stellte Hannes fest, nachdem er von den Teigtaschen probiert hatte.

»Es ist das Rezept meiner Mutter. Ich dachte, ich überrasche dich mit einer Kindheitserinnerung«, entgegnete Lore lächelnd. »Du erinnerst dich doch auch an die Teigtaschen meiner Mutter, du hast sie immer so gern gegessen«, wandte sie sich Armin zu.

»Habe ich das?«, fragte Armin, dessen Miene verriet, dass er von Lores Aussage nicht überzeugt war.

»Ja, mein Schatz, so war es«, entgegnete sie und bemühte sich, ihre Tränen hinunterzuschlucken. Der Zustand ihres Mannes bereitete ihr ganz offensichtlich großen Kummer. »Wie geht es den Enkelkindern, Ottilie? Sprechen sie schon?«, lenkte sie das Gespräch auf ein anderes Thema.

»Noch nicht viel, nur ein paar Worte.«

»Ich nehme an, ihr erstes Wort war »Mama«.«

»Nein, sie haben es ihrer großen Schwester gewidmet. Ihr erstes Wort war Ophi.«

»Wer ist Ophi?«, fragte Armin.