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»Demokratie darf kein Luxus sein. Sie muss Grundlage von allem sein – in unseren Schulen und in unserer Gesellschaft. Dafür werde ich kämpfen wie eine Löwin.« Die Psychologin Marina Weisband ist davon überzeugt, dass Demokratie gelernt werden muss. Sie nur zu wollen, reicht definitiv nicht aus. Mit Demokratieförderung kann gar nicht früh genug begonnen werden, deshalb geht Marina Weisband in Schulen und arbeitet in verschiedenen Projekten mit Kindern und Jugendlichen. Denn unsere Schulen sind derzeit nicht gut aufgestellt. Viel zu selten bieten sie Gestaltungsspielraum. Statt selbständig zu werden, geraten Jugendliche in einen Zustand erlernter Hilflosigkeit – den sie auch als Erwachsene nicht mehr loswerden. Das wiederum ist ein ideales Einfallstor für Extremismus und Populismus. Marina Weisband weiß auch aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung zu erfahren. Demokratie will immer wieder neu erkämpft und gelebt werden, sie ist kein Naturzustand. Nur wenn wir das begreifen, können wir Jugendliche befähigen, als mündige Bürgerinnen und Bürger unsere Gesellschaft zu gestalten.
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Seitenzahl: 74
Marina Weisband
Wilder denken, wirksam handeln
Unverkäufliche Leseprobe zu
ISBN 978-3-10-397592-5, ca. 22,00 Euro (Hardcover)
ISBN 978-3-10-491932-4, ca. 19,99 Euro (E-Book)
Voraussichtlicher Erscheinungstermin: 24. April 2024
»Demokratie muss man nicht nur wollen – man muss sie auch können.« Davon ist Marina Weisband überzeugt und deshalb geht sie in Schulen und arbeitet in verschiedenen Projekten mit Kindern und Jugendlichen. Denn unsere Schulen sind derzeit nicht gut aufgestellt. Viel zu selten bieten sie Gestaltungsspielraum. Statt selbständig zu werden, geraten Jugendliche in einen Zustand erlernter Hilflosigkeit – den sie auch als Erwachsene nicht mehr loswerden. Es ist das ideale Einfallstor für Extremismus und Populismus.
Die Psychologin und Bildungspolitikerin Marina Weisband weiß auch aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung zu erfahren. Demokratie will immer wieder neu erkämpft und gelebt werden, sie ist kein Naturzustand. Nur wenn wir das begreifen, können wir Jugendliche befähigen, als mündige Bürgerinnen und Bürger unsere Gesellschaft zu gestalten.
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Marina Weisband, geboren 1987 in der Ukraine, ist Diplom-Psychologin. Von einer unpolitischen Schülerin ist sie zu einer politisch engagierten Studentin geworden. Sie weiß daher, wie wichtig es ist, jungen Menschen politische Partizipation nahezubringen und zu ermöglichen. Sie war politische Geschäftsführerin der Piratenpartei und engagiert sich mittlerweile bei den Grünen in den Bereichen Digitalisierung und Bildung. Seit 2014 leitet sie hauptberuflich das Schülerbeteiligungsprojekt aula. Sie lebt mit ihrer Familie in Münster.
[Widmung]
Inhaltsverzeichnis
Die Lust an der Demokratie
Erlernte Hilflosigkeit
Handeln lernen, Handeln ermöglichen
Demokratie in die Schule bringen
Die Onlineplattform
Der Vertrag
Die didaktische Begleitung
Der Prozess
Die Moderatoren
Bedenken, die ausgeräumt werden können
Ich bin gemeint
Neugierig sein
Kreativ sein
Aktiv werden
Position beziehen
Vertrauen haben
Unterschiede erkennen
Für Amalia, der die Welt geöffnet sein soll
Die Lust an der Demokratie
Erlernte Hilflosigkeit
Handeln lernen, Handeln ermöglichen
Demokratie in die Schule bringen
Die Onlineplattform
Der Vertrag
Die didaktische Begleitung
Der Prozess
Die Moderatoren
Bedenken, die ausgeräumt werden können
Ich bin gemeint
Neugierig sein
Kreativ sein
Aktiv werden
Position beziehen
Vertrauen haben
Unterschiede erkennen
Keine Angst vor Komplexität
Komplexität schätzen lernen
Regeln beachten
Verhandeln wollen
Kompromisse schließen
Langfristig denken
Entscheidungen treffen
Weiter wachsen und die Welt verändern
Handeln
Durchhalten können
Ein Motiv haben
Unterstützung suchen
Sich als wirksam erleben
Eine Idee fürs Leben
Den Stein ins Rollen bringen
Ein Ziel, aber kein Ende
Plädoyer für mehr Volkshochkneipen
Die Stimme erheben
Die Demokratie bin ich
Danksagung
Demokratie muss man nicht nur wollen, man muss sie auch können. In den letzten Jahren sieht es so aus, als ob demokratisches Handeln nicht mehr so selbstverständlich wäre, wie wir dachten. Die Wahlbeteiligung sinkt, bei Landtagswahlen bis auf knapp über 50 Prozent, in der Altersgruppe von 18 bis 20 Jahren sogar auf rund 40 Prozent (NRW 2022). 20 oder gar 30 Prozent der Wahlberechtigten können sich vorstellen, für die AfD zu stimmen. Die Partei stellt Landräte und Bürgermeister, womöglich in nicht allzu ferner Zukunft sogar Minister. Die Demokratie zerbröselt vom rechten Rand her. Wie konnte das passieren? Häufig hört man die Vermutung, dass es sich um »Protestwähler« handelt, um sozial »Abgehängte«, um Menschen in prekären Verhältnissen. Das mag auf viele zutreffen, aber mit Sicherheit nicht auf alle. Drei Viertel der AfD-Wählerschaft sind Angestellte, Beamte und Selbstständige, mittlere Bildungsabschlüsse überwiegen.[1] Und dass so viele Menschen gar nicht wählen, lässt sich ebenso wenig mit einem geringen Einkommen hinreichend erklären. Ich bin Psychologin und schaue nicht in erster Linie aus einer soziologischen Perspektive auf das menschliche Verhalten. Mich interessieren vor allem die psychisch motivierten Gründe für ein bestimmtes Tun, ihre Genese und die Möglichkeiten, sie zu verändern.
Was meines Erachtens einen Nichtwähler und einen Protestwähler verbindet, ist eine tief empfundene Ohnmacht. Es ist das Gefühl, in einem System zu leben, das mit einem selbst wenig zu tun hat und in dem man mit seinen Wünschen nicht durchdringt. Es ist das Gefühl, keinen Einfluss auf das Geschehen zu haben und nichts ausrichten zu können, mit den »normalen Parteien« sowieso nicht. Schon die Idee, sich zu beteiligen, erscheint absurd – »bringt doch eh nix«. Wenn Menschen mit dieser Einstellung leben, haben autoritäre Kräfte leichtes Spiel. Sie erzählen eine verlockende Geschichte: »Die Welt wird immer schlechter und unüberschaubarer. Und wer ist schuld? Die da oben! Du bist ein armes Opfer ihrer Machenschaften. Aber wenn du den guten Onkel wählst, einen wie mich, dann wird er es denen da oben zeigen. Ich mache die Welt wieder, wie sie früher war – nämlich normal.« Wer an der Komplexität der Welt zu scheitern droht, erkennt in fundamentalen, einfachen Antworten überzeugende Lösungen und sieht darin seine Chance.
Wenn wir uns die Entwicklungen der letzten Jahre anschauen – übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern –, hat dieses Ohnmachtsgefühl erheblich an Brisanz gewonnen. Es kann einerseits zu Resignation, andererseits zu Zorn führen. Manche Menschen ziehen sich ins Private zurück, andere bringen ihren Ärger in provokativen Aktionen zum Ausdruck oder gründen eine Partei, deren Programm schon im Namen steckt, wie etwa die »Bürger in Wut« in Bremen. Ich möchte nicht missverstanden werden. Keineswegs negiere ich, dass es differenzierte soziale und politische Faktoren gibt, die die Krise der Demokratie(n) mitverursachen. Ebenso wenig will ich das Verhalten von Jungen und Alten, Städtern und Landbewohnern, Männern und Frauen, Rheinländern und Sachsen usw. über einen Kamm scheren. Es gibt unendlich viele individuelle Gründe dafür, etwas zu tun bzw. zu unterlassen. Was aber für alle gilt und von manchen Analysten manchmal vergessen wird: Demokratie ist für jeden, auch für Motivierte, ein mühsames Geschäft. Diese Staatsform ist die anstrengendste, die man sich überhaupt vorstellen kann. Ihre Abstimmungsprozesse sind langsam und kompliziert, die Ergebnisse erscheinen oft unbefriedigend, der Aufwand ist immens, die zu lösenden Aufgaben werden immer komplexer, immer weniger durchschaubar.
Viele Menschen fühlen sich angesichts dieser Schwierigkeiten überfordert, sie haben keine Lust oder trauen sich nicht zu, die Mühen der demokratischen Beteiligung auf sich zu nehmen. Erst recht, wenn sie ihre Interessen nicht vertreten sehen und glauben, sowieso nichts ändern zu können, sondern nur als Alibi zu dienen. Doch woher soll die Lust an der Demokratie auch kommen? Wie soll man Demokratie können? Sie nur zu wollen reicht definitiv nicht aus. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Demokraten von selbst heranwachsen, gleichsam aus der Luft fallen und ab ihrem 16. oder 18. Lebensjahr, wenn sie das erste Mal wahlberechtigt sind, automatisch das tun, was man bei guten Demokraten eben voraussetzt. Sie tun es nicht, jedenfalls nicht alle. Aber warum erwarten wir das überhaupt? Was wären die Voraussetzungen dafür?
Wir machen uns oft nicht klar, dass nur die wenigsten von uns, egal ob jugendlich oder erwachsen, Demokratie »gewöhnt« sind. Denn wo bewegen wir uns im Alltag? Nur äußerst selten in wirklich demokratischen Strukturen. Schule oder Unternehmen sind in der Regel autoritäre Einrichtungen. Zum einen ist das Ziel vorgegeben: gute Noten zu erreichen oder erfolgreiche Produkte zu schaffen. Zum anderen sind die Hierarchien klar: »oben« der Lehrer oder Chef, »unten« der Schüler oder Angestellte. Wir sind natürlich keine totalitäre Gesellschaft und die unteren Etagen müssen weder Gewalt noch Gefängnis befürchten, wenn sie sich gegen die Autoritäten wenden. Aber sie haben Nachteile zu erwarten, und ganz generell wird belohnt, wer sich anpasst und das System nicht infrage stellt. Es ist ein bisschen überspitzt formuliert, das weiß ich. Schließlich sehen wir fast überall Mitbestimmungsorgane, Interessenvertretungen, Kummerkästen, Mitarbeiterumfragen und alle möglichen anderen Einrichtungen, über die es möglich ist, sich zu äußern. Dennoch ist das Maß an Einflussnahme für die meisten, die sich nicht direkt in Parteien oder anderen Vereinigungen engagieren können, sehr begrenzt. Und die jeweilige Autorität sieht auch nicht vor, das zu ändern. Der Effekt ist klar: Wer von der monatlichen Überweisung abhängt oder vom guten Schnitt auf dem Abschlusszeugnis, überlegt sich zweimal, ob er Reformbedarf anmeldet. Abgesehen davon, dass Engagement auch eine Frage der mentalen Kräfte ist, die zur Verfügung stehen.
[1]
Bundeszentrale für politische Bildung: Wahlergebnisse und Wählerschaft der AfD, Stand 2. 12. 2022, abgerufen am 20. 7. 2023, https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/afd/273131/wahlergebnisse-undwaehlerschaft-der-afd/#node-content-title-1
Die Schule beginnt um 8 Uhr, 45 Minuten Mathematik, 45 Minuten Deutsch. Wer zwischendurch zur Toilette will, muss um Erlaubnis fragen. Hunger hat man in der großen Pause zu haben, dann sind nämlich 20 Minuten zum Essen vorgesehen. Das System Schule sagt jedem Schüler, was er wann machen soll oder darf, wann er essen soll, wann er das Klassenzimmer wechselt, welchen Stoff er bis zu welchem Zeitpunkt gelernt haben muss, wie er dessen Beherrschung nachweist und so weiter und so fort. An den guten Schulen läuft das in freundlicher Atmosphäre ab, es gibt außerdem Extra-Angebote wie Orchester, Sport- oder Theater-AG