Die Nordsee gibt die Toten frei - Angelika Friedemann - E-Book

Die Nordsee gibt die Toten frei E-Book

Angelika Friedemann

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Beschreibung

Eine Tote wird in Hörnum angespült. Es handelt sich um die 13-jährige Schülerin Nina Novak. Sie ist laut der Mutter ausgerissen. Vermisst gemeldet wurde sie nicht, da der Teenager stets sehr eigenwillig und frech war. Doktor Torge Bækstrøm, Erster Hauptkommissar und Leiter der Kripo Sylt ahnt nicht, was für ein weitgefächerter Fall, auf seine Kollegen und ihn zukommt. Nur rasch finden sie heraus, dass in der Familie Novak vieles nicht stimmte. Da ist von häuslicher Gewalt die Rede; dass Nina als Prostituierte arbeitete, deswegen in der Schule gemobbt wurde. Rasch stellte sich jedoch heraus, dass das nur ein Teil der Wahrheit ist. Ninas leiblicher Vater berichtet da anderes, als er nach Sylt kommt, um den Sohn dort wegzuholen. Das Bild, welches sich allmählich von Ninas Leben aufzeichnet, ist erschreckend, grausam, abartig und abscheulich. Je tiefer sie graben, umso schlimmer zeichnet sich die Realität ab. Als dann noch Ninas beste Freundin verschwindet, tut sich ein weiterer Graben der Bosheit und unvorstellbaren Erbarmungslosigkeit auf. Nun arbeitet man auf Hochtouren und der Sumpf wird immer tiefer. Selbst die Ermittler geraten zeitweise an ihre emotionalen Grenzen. Trauer und Entsetzen sind auf der Insel inzwischen an der Tagesordnung. So etwas passiert doch nicht auf der Insel der Reichen und Schönen. Der Roman entführt den Leser auf die schöne Nordsee-Insel Sylt; mit den hohen Sanddünen; dem teilweise stürmischen Blanken Hans; dem Himmel, der solar und rein ist, die Sterne und sogar Polarlichter strahlen lassen; dem ewig wogenden, rauschenden Meer; dem Salzgeschmack auf den Lippen und wo der Friesennerz, die Gummistiefel und ein leckeres Fischbrötchen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Autorin:

Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein.

Albert Einstein

Ich versuche, die Aufmerksamkeit der Leser zu fesseln, sie zu unterhalten und zu erfreuen, möglicherweise zu erregen oder tief zu bewegen.

Angelika Friedemann

Die Nordsee gibt die Toten frei

SYLT - Krimi

Impressum

Copyright: © 2025. Alle Rechte am Werk liegen bei Kevin Friedemann, Osterlükken 10, 24955 Harrislee.

Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder anderes Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mithilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung untersagt. Alle Übersetzungsrechte vorbehalten.

Autorin: Angelika Friedemann, [email protected]

Picture - Quelle: piqs.de

Vor drei Dingen soll der edle Mensch sich hüten: Solange er noch jung ist und seine Kräfte noch nicht gefestigt sind, hüte er sich vor der Liebeslust. Wenn er in voller Mannesblüte steht und seine Kräfte ausgereift sind, hüte er sich vor der Streitsucht. Ist er alt geworden und verlassen ihn seine Kräfte, so hüte er sich vor Habsucht.

Konfuzius

^^^^^^^^

Alessia Lambert sah zum Fenster hinaus. Sie waren mit dem Autozug nach Sylt unterwegs. Die Sonne verschwand gerade hinter einer kleinen Wolke. Die ersten Möwen hörte man trotz der gleichbleibenden Rollgeräusche. Sie drehten laut schreiend eine Runde über den Zug, flogen dann Richtung Westen davon. An einigen Sträuchern und den wenigen Bäumen erkannte sie, dass nur ein mäßiger Wind wehte.

Die Landschaft änderte ständig sein Gesicht. Nun kamen die saftigen grünen Wiesen in ihr Blickfeld. Darauf große Kuh- oder Schafherden.

Sie griff, ohne hinzugucken, nach einem Colafläschchen aus der Tüte und steckte es in den Mund. Sie öffnete ein wenig das Fenster und gleich erklang das Rumpeln des Zuges lauter.

Der Zug fuhr gerade an einer großen Weide mit Pferden vorbei. Die Tiere ließen sich von dem Zuggeräusch nicht stören.

Luca und Leon, ihre 10-jährigen Zwillinge starrten dito auf vorbeigleitende Landschaft, warteten auf das Wasser.

„Mama, wie lange dauert das noch?“

Sie schmunzelte, da sie die Ungeduld von Leon kannte. Bei ihm konnte es nie schnell genug gehen.

„Gleich kommt die Nordsee. Schaut mal zum Himmel. Die Wölkchen haben heute richtig schöne Formen.“

„Da ist ein Krokodil“, wusste Luca. Er war der Kreativere von den beiden.

„Ja, aber das Wasser ist schöner. Wir wollen nun richtig weit schwimmen lernen.“

Alessia lachte. „Sicher! Ihr werdet spüren, wie kalt das Wasser noch ist. Das Verschieben wir bis zu den Sommerferien. Ihr wisst, ich bin zum Arbeiten hier. Wir wollen in wenigen Monaten umziehen, ergo muss bis dahin einiges fertig sein. Besonders auch eure Zimmer. Geht die Schule im August los, muss alles neu eingerichtet sein. Für mein Büro gilt Gleiches. Ich möchte und muss Geld verdienen.“

Sie schaute hinaus. „Jetzt einmal zur anderen Seite gucken.“

„Wow! Cool! Endlich das Wasser.“

Nun war einen Moment Ruhe und sie dachte erneut, tue ich eigentlich das Richtige? Meine schöne Wohnung, die Freunde, ein schönes, geordnetes Leben wollte sie gegen eine ungewisse Zukunft mit viel Arbeit eintauschen. Nein! Sie musste es auch der verstorbenen Großeltern zu liebe machen. Das war ihr Haus gewesen und ihr hatten sie das alles hinterlassen. Sie konnte da nicht einfach sagen - ich will das nicht, verscherbele alles. Auch sie hatte eine Verpflichtung und die würde sie erfüllen, auch für ihre zwei Kinder.

Ja, Sie würde es schaffen, egal wie viel Arbeit es zu bewältigen gab. Mit achtzehn schaffte sie es auch, ihr eigenes Leben aufzubauen, zu studieren, zu arbeiten und eine Wohnung einzurichten. Dieses Mal würde sie genauso zielstrebig vorgehen. In einem Jahr war sie fertig, hoffte sie. Was bedeutete ein Jahr in einem langen Leben, um das zu erhalten, was andere Menschen ihr und ihren Kindern schenkte? Sie und ihre Zwillinge würden auf Sylt ein gutes Leben führen. Nicht umsonst galt die Insel allgemein, als Hotspot der Reichen und Schönen. Dazu gehörten auch sie spätestens in einem Jahr.

Sie dachte an Rainer, ihren verstorbenen Mann. Er half ihr in den letzten Jahren seines Lebens bei vielem. Alles völlig uneigennützig, obwohl ihn da schon starke Schmerzen plagten. Es war ein langsamer Tod gewesen. Ja, er verschaffte ihr den Reichtum zu mehr, viel mehr. So war es auch nach dem Tod der Mutter gewesen. Das Haus und Grundstück auf Sylt gehörte nun ihr.

„Mama, das Wasser ist heute aber ruhig.“

„Hier in der Bucht sind selten hohe Wellen. Dann muss der Wind Richtung Land wehen und sehr stark pusten. Dann stehen auch mal die Gleise unter Wasser.“

„Mama, war der Hindenburgdamm schon mal überflutet?“

„Ja, im Februar 1962 gab es die Sturmflut in Südtondern. Die Dänen sagen Tønder. Die spülte Löcher in den Hindenburgdamm. Das Wasser stieg damals um 3,60 Meter, glaube ich. Gesperrt wird der Damm allerdings auch, wenn der blanke Hans zu doll weht. Da wird aber generell der Fährverkehr von Rømø nach Sylt, sowie alle Fährverbindungen zu den Inseln eingestellt. Was wisst ihr vom Hindenburgdamm?“

Luca legte sofort los. „Der Hindenburgdamm ist ein reiner Eisenbahndamm, der Sylt mit dem Festland verbindet. Der Damm wurde am 1. Juni 1926 …“

„War 27“, sein Bruder Leon nun.

„Genau, war 27, nach einer Bauzeit von vier Jahren eröffnet. Er gehört zu der Marschbahn von Elmshorn nach Westerland. Der wurde mit nur einem Gleis und erst 72 zweigleisig gebaut. Da kamen immer mehr Urlauber nach Sylt und so konnten sie mehr Kasse machen.“

Alessia musste schmunzeln, schüttelt dabei aber leicht den Kopf.

„Der Damm ist insgesamt 11,3 km lang; davon liegen 8 Kilometer im Wattenmeer. Da wurden irgendwelchen Koogs per Landgewinnung eingedeicht. Na ja, eben Festland.“

„Gut gemacht! Im Zusammenhang mit den befürchteten Strömungsänderungen durch den Dammbau wurden im Festlandbereich nördlich und südlich des Dammes je etwa 600 Meter Landgewinnung mit neuen, höheren Deichen errichtet. Der Wiedingharder neue Koog und der Dreieckskoog entstanden.

Der Damm unterbricht den Gezeitenstrom, der früher zwischen dem Festland und Sylt floss. Sie vermuten, dass die dadurch verursachte Änderung der Strömungsverhältnisse mitverantwortlich für den Landverlust an der Hörnum-Odde ist.“

„Glaubst du das?“

„Opa sagte immer: Wenn der Mensch zu sehr in die Natur hineinpfuscht, dann kommt nix Gutes dabei rum. Ich denke auch, da könnte etwas Wahres dran sein.

Der Damm liegt in der besonders geschützten Zone I des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, die nicht betreten oder befahren werden darf. Wattwanderungen sind in diesem Teil des Wattenmeeres darüber hinaus auch deswegen nicht erlaubt, da die Tidenströme dort sehr stark sind. Das Wattenmeer gehört übrigens zum Weltnaturerbe. Guckt mal nach rechts. Da spiegelt sich der Himmel im Watt.“

Sie sahen hinaus. Es sah wirklich wunderschön aus, fand sie. Ihre Jungs weniger.

„Mama, ab wann wurden nu die Autos verladen?“

„1932. Die Fahrzeuginsassen durften aber erst seit 1950 in den Fahrzeugen bleiben. 1951 gab es dann die speziellen Autotransporter. Anfangs fuhren die Autozüge viermal täglich. Im Folgejahr fuhren Autozüge sechsmal pro Tag. Opa und Oma haben die dreimal verpasst, mussten dann in Niebüll übernachten“, schmunzelte sie. „1961 gab es dann die doppelstöckigen Autotransportwagen. Seit einigen Jahren verkehren die Züge als Sylt-Shuttle; 2016 auch als RDC Autozug Sylt. Der Sylt-Shuttle wird dieses Jahr eingestellt.

Die Fahrzeit von Niebüll bis Westerland beträgt ungefähr 35 Minuten. Zu Fuß und mit Rad werden auf dem Damm immer wieder Menschen gestoppt, die so nach Sylt wollen. Das ist natürlich verboten und dazu auch gefährlich.

Da ihr so viel wisst, dürft ihr aussuchen, wo wir essen gehen.“

Die beiden sahen sich an.

„Bei dem Italiener, bei dem wir mal mit Papa, Oma und Opa waren.“

„Gut!“

Angekommen nahmen sie die Fahrräder ab, räumten den SUV aus, füllten den Kühlschrank mit den Lebensmitteln, die sie mitnahmen und fuhren dann Essen.

Zurück räumte jeder seine Habseligkeiten in das jeweilige Zimmer. Im Anschluss schaute sich Alessia unten genau um. Mit Block und Stift machte sie eine Art Inventur in der Küche.

Alles war alt, abgenutzt. Sie beschloss, eine neue Küche war am sinnvollsten, als nach und nach etwas zu erneuern. Gläser und Geschirr würde sie alles behalten, aber der Rest musste komplett entsorgt werden. Selbst die Kaffeemaschine stammte aus einem anderen Jahrhundert. Nur die Kühl-Gefrierkombination würde sie in die Abstellkammer stellen. Für den Sommer immer sehr sinnvoll, wusste sie.

Sie nahm die genauen Maße.

Leon kam herunter, sah ihr zu. „Soll ich dein Büro genau ausmessen?“

Sie reichte ihm den Zollstock. „Mach das. Da muss eine Firma Parkett neu verlegen. Das will ich alles neu mit Raufaser tapezieren und dann streichen. Also auch die Höhe messen. Im Anschluss darfst du ausrechnen, wie viele Rollen wir benötigen. Block liegt auf dem Esstisch.“

„Cool!“

Sie nahm sich die Gästetoilette vor. Da waren Becken, Waschbecken und die Armaturen bereits erneut worden. Der Spiegelschrank war dito in Ordnung. Darin fand sie noch die Reste ihrer Apotheke. Sie lächelte, warf alles in die entsprechenden Tüten. Es musste nur gestrichen werden. Kreuz!

„Mama, kann ich Sport gucken?“

„Ja, da ich generell noch zu tun habe. Such mir mal bitte nebenbei heraus, wo wir am günstigsten TV-Anschluss für fünf Fernseher mit den entsprechenden Programmen bekommen.“

„Mach ich gleich.“

„Findest du etwas, schreibe die Adresse genau auf. Der Block liegt auf dem Esstisch. Danke!“

Auf ihren Block notierte sie zu den anderen Stichpunkten Fernsehen, neue Visitenkarten. Die Briefbögen änderte sie bereits.

Der nächste Raum, der zu der ehemaligen Scheune führte, würde sie als Abstellkammer nutzen.

Das konnte Leon dito ausmessen. Also nur streichen, machte sie das Kreuz hinter den Raum.

Nun das Esszimmer. Der Kachelofen würde stehen bleiben, da sie den sehr schön fand. Der Rest war Müll. Hier musste das Parkett abgeschliffen werden, wenn alles raus war. Im Wohnzimmer sah es nicht anders aus.

Leon kam herein. „Fertig. Hast du noch was, Mama?“

„Unsere neue Abstellkammer auch Länge, Breite, Höhe und wie viel Rollen.“

„Fast fertig“, drehte er sich um und verschwand.

„Mama, kann ich Opas Schreibtisch und den Kleiderschrank behalten? Ich finde die Sachen cool.“

„Den Schreibtisch wollte ich eigentlich haben. Schrank ja. Den Rest überlege ich.“

„Können wir oben nicht zwei Duschen haben?“

„Ist im Plan. Das große Bad bekommt Dusche und Badewanne. Morgen um 10.00 Uhr kommt ein Mann von der Sanitärfirma. Ihr könnt dabei sein. Ich möchte da gleich Fußbodenheizung, wie auch in der Küche vorher verlegt haben. Die Fliesen suche ich im großen Bad; ihr in dem anderen aus.“

„Wir nehmen was Blaues.“

„Aussuchen!“

So ging es bis zum späten Abend weiter. Der erste Überblick war erledigt, dachte sie beim Duschen. Sie fiel danach müde ins Bett.

^^^^^^^^

Sie kaufte Karfreitag beim Bäcker, Brötchen, nahm gleich ein paar Stückchen Kuchen und ein Brot mit.

Ihre Jungs waren gleich nach dem Frühstück verschwunden, wollten sich ein wenig in Keitum umsehen. Sie war froh, da sie so mehr Ruhe hatte, die Liste abarbeiten konnte. Besonders die neue Küche und die Bäder mussten fertig sein, wenn sie umzogen. Heute erreichte sie generell niemanden, daher mussten die Terminvereinbarungen alle bis Dienstag warten.

„Na, Keitum erkundet?“, fragte sie mittags, als die Zwillinge einstürmten.

„Haben zwei Jungs kennengelernt. Mads und Mathies. Der ist aber schon 14; Mads geht im Sommer mit uns in die gleiche Klasse in Westerland. Den Bruder sahen wir nur kurz, da der noch zu einem Freund wollte. Mads scheint nett zu sein. Er wohnt auch in Keitum, nicht weit von uns entfernt. Zu Opa sagte er, Opa Finn. Er kannte ihn gut. Ich glaube, das sind auch so alter Sylter.“

„Heißt dieser Mads Bækstrøm mit Nachnamen?“

„Keine Ahnung. Warum willst du das wissen? Ist doch egal.“

„Ich habe mir etwas überlegt. Am Freitag und Samstag stellen wir alles, was noch gut erhalten ist, draußen hin. Jeder, der was davon möchte, kann das mitnehmen. Wir sind den Krempel los und müssen nicht so viel für den Abtransport bezahlen. Die Armen hier freuen sich. Also eure beiden Zimmer ausmisten. Erst mal alles in die Scheune. Den Schreibtisch und der Schrank bleiben dann für dich stehen, Luca.“

„Cool! Danke, Mama.“

„So, gleich gibt es Essen. Ich möchte auch in der Küche und in meinem Büro Fußbodenheizung haben, falls nicht zu teuer. Nur ich kann erst am Dienstag die Termine vereinbaren.“

„Cool! Hast du mal keine kalten Füße“, lästerte Leon. „Kriegen wir nun Solar oder ´ne Wärmepumpe.“

„Weiß ich noch nicht. Das kommt auf die Kosten an.“

„Mama, können wir morgen Anfangen mit streichen? Erst räumen wir alles Überflüssige raus“., erkundigte sich Leon.

„Könnt ihr. Die Farbeimer stehen in der Scheune. Oben muss ja nicht tapeziert werden, Aber alles wird ordentlich abgedeckt und ihr zieht die ollen Klamotten an. Ich will morgen die Scheune ausmisten, damit da auch angefangen werden kann. Wenn das Wetter hält, nehme ich mir nachmittags den Garten vor.“

„Wir können dann nächste Woche mal die Garagen streichen.“

„Fein, meine großen Helfer“, lächelte sie. „Tisch decken!“

„Du Mama, wusstest du, dass im Nordwesten der Gemeinde Keitum, die nördlichste Weinplantage Deutschlands liegt?“

„Ja! Ihr habt Opa vor vier Jahren doch Sölvin, also Sylt-Wein geschenkt. Er ist mit euch hingewandert, hat euch das alles gezeigt.“

„Ja, stimmt. Luca, da haben wir Trauben essen dürfen, die so lecker waren. Kannst du dich erinnern?“

„Genau, das war im Sommer, wo wir dann eingeschult würden.“

„Dass auf Sylt überhaupt Wein angebaut wird, ist ja irgendwie ein Wunder. Es gibt so viel, ich hörte, wohl zwei Winzer. Angeblich haben sie dort mal Schafe weiden lassen, damit die alles wegfressen, was da nicht hingehört. Nur den Schafen schmeckten wohl auch die Trauben.“

Die Zwillinge lachten laut und auch sie musste schmunzeln.

„Der wächst da ganz gut, da der in irgendeiner tieferen Stelle steht. Ringsum sind wohl drei Erhöhungen. Wir radeln da mal irgendwann hin.“

^^^^^^^^

Da am Ostersonntag herrliches Wetter war, radelten sie nach dem Frühstück los.

Lämmer, die gerade geboren waren, lagen auf der Wiese. Andere versuchten bereits ein wenig herumzulaufen.

„Du Mama, jetzt weiß ich, warum du nie Lammfleisch kaufst. So etwas Süßes darf man nicht töten.“

„Leon, die Schäfer leben aber davon, auch wenn ich es falsch finde. Das ist aber mit allen Tierkindern so. Deswegen kaufe ich nur das Fleisch von Hochlandrindern. Die Tiere leben mindestens 5/6 Jahre.“

Im Stillen dachte sie, normales Rindfleisch war was für die Armen und diese Discounter. Sie kaufte nie in solchen Läden für Proleten.

„10 Millionen Zugvögel kommen im Laufe eines Jahres ins Wattenmeer, habe ich mal gelesen. Diese friedliche Natur schenkt uns Ruhe, Beschaulichkeit, Schönheit. Deswegen muss man sie erhalten.“

„Du, die Warften hier in der Nordsee vermitteln das auch, finde ich. Da sind nur ein paar Menschen und ein bisschen Vieh. Echt cool!“

„So einfach ist das Leben auf einer Hallig gewiss nicht. Sie haben keinen Deich, der die Wassermassen abhält. Und die Naturgewalten gibt es fast jährlich. Du bist dann dort von der Außenwelt völlig ausgeschlossen. Du musst vorher alles so arrangieren, dass du und dein Vieh dann nicht zu Schaden kommen. Gewiss nicht immer einfach. Du sitzt in deinem Haus, hoffst, dass das Wasser nicht zu hochsteigt; der Wind nicht zu stark pustet, damit nichts kaputt geht oder voll Wasser läuft.“

^^^^^^^^

Sie spazierten nach dem Frühstück am Ostermorgen, jeder bepackt mit einem Rucksack los. Sie wollten heute die Spitze im Norden von Sylt umrunden. Das war der Naturschutzpark Ellenbogen in List. Der Leuchtturm, der dort stand, war der nördlichste von Deutschland.

Einen Tag mal richtig die Ferien genießen, nahmen ihre Söhne erfreut wahr. Sie hatten bisher nicht viel von dem Urlaub gehabt.

Eine Weile spazierten sie jetzt am Wasserrand entlang, als sie dem nördlichsten Leuchtturm von Deutschland näherkamen.

„Der Leuchtturm war früher eine Navigationshilfe für die Schiffe.“

„Heute haben sie alle Geräte“, wusste Leon.

„Seit wann gibt es den?“

„Das Leuchtfeuer gibt es, glaube ich, seit 1857, Luca. Gebaut wurde der Turm noch von den Dänen. Damals war Sylt nur per Schiff erreichbar. Daher war es wichtig, den Schiffen eine Hilfe für die Navigation zu geben. Der Seeweg war teilweise gefährlich, da es immer wieder Sandbänke hier gibt.“

„Ebbe und Flut sind da auch wichtig.“

„Und wie. Bei Ebbe fahren Schiffe noch fixer auf als bei Flut. Das Leuchtfeuer sorgte eben dann für eine etwas sichere Fahrt. Die Fischer und Schiffer wussten genau, wann sie auslaufen konnten, wann die Tiden waren.“

„Logo ist ja wichtig. Neulich haste ja gelesen, wie blöd die Leute sind. Sie latschen los, obwohl auflaufendes Wasser ist. Dann müssen solche Dösbaddel gerettet werden. Sollte man denen in Rechnung stellen.“

Alessia schüttelte schmunzelnd den Kopf, über die Ausdrucksweise von Leon.

„Wenn wir hier wohnen, machen wir mal eine Wattwanderung.“

„Cool! Können wir durch die Matsche laufen? Soll gesund sein und macht schön“, grinste Leon seine Mutter an.

„Du spinnst, Mama ist die Schönste“, Luca schubste entrüstet seinen Bruder. „Guck dir mal alle anderen Frauen an. Keine ist so schön wie Mama. Sagt jeder.“

„Genug jetzt. Streitet euch nicht über so einen Quatsch. Es sieht sowieso jeder, wie schön ich bin.“

Die Jungs rannten vorneweg, während sie langsamer folgte. Ja, ich bin schön. Nur was hilft mir das, wenn ich nie den Richtigen kennenlerne. Immer noch nicht hatte sie den Mann kennengelernt, obwohl seine Jungs schon einige Male bei ihr waren.

^^^^^^^^

Die erste Woche verlief relativ relaxt. Das Wochenende war ein voller Erfolg gewesen. Die Leute nahmen mehr mit, als sie jemals erwartet hätte. Sogar einige sperrige Kommoden gingen weg. Einer fragte sogar noch, ob sie auch alte Schränke und Nachtische dazu hätte. Sie bejahte. Mit seinem Sohn schleppte er das am Samstagnachmittag sogar alles runter. Für die Jungs ließ er dann noch einen Hunderter da.

Luca lästerte gleich „Der hält dich für arm, gibt dir ein Almosen. Derweil verschenkst du doch die Sachen. Die sind komisch!“

„Nimm lieber dein Fahrrad da weg, sonst sackt das auch noch jemand ein.“

Sofort rannte er dahin, schleppte das ins Haus. Sein neues Mountainbike, was er zu Weihnachten von ihr bekam, war sein ganzer Stolz.

Geschirr, Dekoartikel, andere Küchenutensilien, kleinere Möbelstücke, Spiegel, alles ging weg, wie warme Semmel.

Als am Montag der Container kam, ging die schwere Arbeit für sie richtig los. Obwohl ihre Jungs halfen, blieb das meiste doch an ihr hängen. Mehr als einmal musste sie Teile auseinanderklopfen, weil sie die schweren Sachen nicht in den Container geworfen bekam. Nur langsam leerten sich das Wohnhaus und die Scheune. Einzig die zwei Garagen waren leer und von ihren Söhnen bereits gestrichen.

Alle Handwerker fingen erst an, wenn sie weg waren. Bis dahin mussten die Räume unten leer sein. Oben blieben nur die drei alten Betten, der Schrank und der Schreibtisch stehen; unten der alte Esstisch und vier Stühle. Die würde sie noch am Sonntagmorgen, bevor sie losfuhren, in den Container werfen. Dann kamen auch noch die zwei restlichen Schränke in der Küche weg. Sie kochte bereits jetzt schon auf einem kleinen 2-Platten-Herd, den ihr ihre Freundin lieh. Alles war sehr spartanisch. Der Fernseher und die alte Couch kamen dito an dem Sonntagmorgen weg. Gardinen und so weiter würde sie bereits vorher alles abnehmen und entsorgen. Ihre Jungs wollten schon beginnen, überall die alten Tapeten abzureißen. Die Wände im Untergeschoss war alle mit Blümchen-, Ornamenten- und Mustertapete verziert.

Die Scheune war voll mit altem Gerümpel. Die Teile waren schwer, unhandlich, aber es musste alles raus, da bereits nächste Woche die Bauarbeiten dort anfingen. Sie hatte sich letztendlich für eine Wärmepumpe mit Photovoltaik entschieden. Das war zwar etwas teurer, aber damit hatten sie viele Jahre Ruhe. Sie bauten schließlich weit vorausschauend. Außerdem bekam sie bei einem Verkauf mehr Geld für die Bude.

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Samstag spazierte sie auf dem Grundstück herum, schaute sich alles an. Auf dem Block notierte sie, was sie noch alles an Kleinigkeiten benötigte.

Mittags unternahmen sie einen Spaziergang.

„Keitum besitzt ein Kliff. Hier gab es früher der wichtigste Hafen von Sylt.“

„Hier? Da ist doch nur Matsche.“

„Luca, der wurde mit den Jahren immer kleiner, durch die fortschreitende Verschlickung. Irgendwann war da wohl nichts mehr zu retten. Das weiße Packhaus war früher der Ort, wo der Chef des Hafens alles abfertigte.

Im Juni 2019 wurde das Kunstobjekt Tisch am Kliff am Sylt Museum am Grünen Kliff dauerhaft aufgestellt.

In dem Museum sieht man, warum Keitum so reich wurde. Das gucken wir uns alles Mal genauer an, wenn wir hier wohnen.“

Sie spazierte ja nur hier herum, weil sie hoffte, so auf ihren Traummann zu treffen. Auch heute vergebens.

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Der Sonntag war wieder ein Ruhetag. Da es heute regnete, blieben sie zu Hause, spielten Trivial Pursuit.

Mittags fuhren sie Essen, da sie keine Lust hatte, zu kochen. Das war doch alles sehr umständlich hier.

Danach durchfuhren sie mehrfach den Ort.

„Kairem wie der Ort friesisch genannt wird, gilt als einer der schönsten Orte auf Sylt. Ihr seht ja, wie toll Grün es hier ist. Dazu die vielen tollen, teuren Häuser. Hier wohnten früher die reichen Kapitäne. Erst später wurde Westerland wichtiger. Nur das war nie so toll wie Keitum. Hier allein war der Wohlstand der Insel.

Das Megalithgrab Harhoog so um 2.500 v. Chr. gebaut. Es besteht aus einer Grabkammer mit einer rechteckigen Einfassung. Das nennt man Langbett. Es liegt am Rande des Watts. Die Steinkammer des Riesenbettes musste 1954 verlegt werden, weil das Gelände für die Erweiterung des Sylter Flughafens gebraucht wurde. Gucken wir uns mal an, wenn es nicht gerade regnet.

„Mama, guck mal, der Bäcker hat aus.“

Sie lachte. „Gut, gehe ich Kuchen kaufen.“

Mit einem großen Kuchenpaket kam sie zurück und sie fuhren weiter.

Erst als Leon sagte, dass da Mads wohnte, bremste sie, setzte ein Stück zurück und sah sich das große, alte Friesenhaus an, musterte das Grundstück. Alles sehr ordentlich. Ein Auto hingegen stand da nirgends.

Nun ging es nach Hause. Unterwegs fragte sie sich, wo die waren.

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„Mama, wie viele Ortsteile hat eigentlich Sylt?“

„Westerland, Keitum, Archsum, Munkmarsch, Rantum, Tinnum, Morsum. Ich glaube, das sind alle. Ihr habt doch Wikipedia. Also nachlesen! Ich habe zu tun, wie immer. Ich fahre einkaufen und so. Ihr räumt im Schuppen alles ordentlich zusammen, dann wir dort ausgefegt und sauber zurückgelassen.“

Sie kaufte zwei Bücher, die von 111 Orten auf Sylt die Geschichten erzählten. Da konnten sie vieles nachlesen. Alles über die Insel wusste sie gewiss nicht. Ihre Mutter sprach nie darüber; von den Großeltern erfuhr sie auch nur wenig. Momentan fehlte ihr auch die Zeit, sich über das alles schlauzumachen.

Als sie einen Kalender mit Motorcross-Maschinen entdeckte, konnte sie einfach nicht daran vorbeigehen. Leon würde ausrasten, wenn er den sah. Ein Poster war auch dabei, erklärte die Verkäuferin ihr noch. Für Luca entschied sie sich für einen Sportkalender.

Nun aber Farbe für innen, dazu Holzbretter für die Terrasse und eine Tinktur um das Holz zu streichen. Danach noch ein paar Lebensmittel kaufen. In einem Modeladen nahm sie das Kleid mit, das ihr vor zwei Tagen ins Auge gestochen war. Zusätzlich ein Kostüm, das einfach Tod chic aussah.

Als sie den Jungs die Geschenke gab, jubelten diese. Sie sei die beste Mamma der Welt.

„Ich weiß und dazu noch die Schönste.“

Eine Antwort bekam sie nicht, was sie böse zu ihren Söhnen blicken ließ.

^^^^^^^^

Heute war es herrlich warm und nach dem Mittagessen beschloss sie - Schluss für heute. Ihr taten alle Knochen von der ungewohnten Arbeit weh. Aber wenn sie die Fortschritte sah, war sie doch zufrieden.

„Packt Badesachen und jeder ein Handtuch ein. Es geht zum Langzeitschwimmunterricht.“

Beide Jungs umarmten sie, stellten fest, sie sei die coolste Mama der Welt und rannten hoch. Alessia packte Getränke, ein paar Kekse, Creme und die Frisby-Scheibe ein; legte eine Wolldecke dazu.

Rasch ging auch sie hoch, zog den Bikini an, nahm ein Handtuch mit runter, da hörte sie schon die Jungs runtertrampeln.

Auf ging es zum Ellenbogen.

Das Wasser war saukalt, stellte Leon fest.

Sie lachte. „Und nun?“

„Du hattest recht. Spielen wir lieber Frisby.“

„Tut das, aber seid nicht immer so laut.“

Am späten Nachmittag gingen sie essen. Man musste sich auch mal etwas gönnen.

^^^^^^^^

Vormittags mussten die Zwillinge den Garten vom Unkraut befreien, während sie innen alles plante.

Nachdem Essen wollten sie heute zum Kairem Klef.

„Das Kliff erstreckt sich über ungefähr 3 Kilometer vom südöstlichen Rand des Ortskerns bis zur nördlich gelegenen Kirche.“

„Wie hoch ist das?“

Da sie das nicht wusste, ließ sie die Jungs schätzen.

„Leon, du hast gewonnen“, stellte sie dann fest.

„Warum heißt das nun Grünes Kliff? Das ist doch gar nicht grün.“

„Leon und auf was stehst du?“

„Oh Mann, wegen Gras. Die spinnen doch“, lachten nun alle.

Den Wanderweg bis nach Kampen liefen sie dann doch nicht, weil Alessia noch viel arbeiten musste,

^^^^^^^^

Die drei Wochen verflogen viel zu schnell. Am Sonntag fuhren sie zurück, da die Schule begann und auch sie Termine wahrnehmen musste.

Samstag musste sie ihr Schlafzimmer und die zwei Gästezimmer räumen und davor grauste ihr. Das schwere Zeug alles die Treppe herunterwuchten würde Schwerstarbeit bedeuten. Nein, verdrängte sie den Gedanken daran.

Sie trank einen Schluck Wein, während sie die Zeitung las.

Mädchen-Leiche in Hörnum angespült, lautete die Überschrift. Das auf Sylt? Sie war etwas schockiert, als sie den Artikel las. Sie dachte, Morde passierten mehr in Ballungsgebieten, Großstädten, aber nicht auf einer beschaulichen Nordsee-Insel.

~~~~Freitag~~~~

Alessia gönnte sich heute einen freien Nachmittag. Den ganzen Vormittag wuchtete sie Möbelteile von oben zu dem Container. Jeder Knochen tat ihr weh und zudem hatte sie zig blaue Flecken. Sie fühlte sich so leer, ausgepowert. Ihre Jungs waren bei einem Freund. Sie war mit der Fähre nach Rømø gefahren. Das Wetter war zwar weniger schön, aber das störte sie nicht. Sie war am Strand fast allein, da der leise Nieselregen alle Spaziergänger abschreckte. Ihr war das nur Recht. Übermorgen ging es zurück und der Umzug allmählich begann, dazu musste sie die vielen Sachen kaufen, die noch fehlten. Eine ellenlange Liste war daraus geworden. Ruhe gab es vorerst wenig, da sie auch reichlich ihre normale Arbeit erwartete.

Der Mann saß bewegungslos im Sand, starrte auf die tosenden Wellen, die mit weißen Schaumkronen weit auf den Sand gespült wurden. Es war, als wenn er weder den Nieselregen noch den starken, böigen Wind spüren würde. Seine dunkelbraunen Haare waren nass, genau wie sein Shirt, da er seine Jacke offen trug.

Die Wellen wurden höher, da der Wind mehr auffrischte. Sie rollten tosend weit auf den breiten Strand. Möwen flogen laut schreiend über den Menschen hinweg, als wenn sie schauen wollten, ob er sich bewegte. Aber nichts geschah. So flogen sie zum Wasserrand und suchten nach Leckerbissen, bevor sie sich erneut erhoben, ihre Bahn drehten. Strandläufer flitzen schnell durch den nassen Sand; pickten hier und da etwas auf.

Der Regen wurde stärker; der böige Wind nahm zu. Sie knipste trotz allem einige Bilder. Das war eines ihrer Hobbys.

Alessia überlegte kurz, ob sie zu dem Mann gehen sollte, falls er Beschwerden hatte. Die Frau, die ihn seit einer Weile beobachtete, drehte sich weg und lief seitlich durch die Dünen. Von ihr nahm keiner der beiden Notiz.

Vielleicht gehören sie zusammen, hatten nur Streit. Sie zog die Kapuze fester zu und eilte nun den Aufgang hoch, auf der anderen Seite auf den Brettern zu ihrem Wagen. Sie zog die Jacke aus, legte diese in den Kofferraum und stieg ein. Irgendwie fühlte sie sich wesentlich besser. Nun erst sah sie oben auf den Dünen die Frau, die im Sand rutschend, Richtung Parkplatz kam. Sie fuhr los, gewahrte dabei die zwei Autos, die einsam auf dem Parkplatz standen.

Die Frau drehte sich weg. Der Fremde durchkreuzte gerade ihren Plan, das Leben zu beenden. Sie wischte die Tränen, die sich mit dem Regen vermischten aus dem Gesicht. Ihr war schlecht, da sie zu viel Tabletten mit zu viel Alkohol schluckte. Auf dem Weg zu ihrem Wagen musste sie sich übergeben. Die Stelle verdeckte sie danach mit Sand, schwankte weiter zu ihrem Fahrzeug. Das abfahrende Auto nahm sie nicht einmal wahr.

Torge Bækstrøm schaute auf seine Uhr und erhob sich, klopfte den Sand von seiner Jeans und schritt langsam zu seinem SUV. Als er über die Sandkuppe lief, sah er unten noch die Frau im Auto sitzen. Als sie ihn sah, startete sie den Wagen und fuhr davon. Automatisch nahm er das Kennzeichen wahr. Sie kam auch aus NF, dachte er. Dann war sie vergessen. An seinem Auto angekommen, zog er die Jacke aus, warf sie auf den Rücksitz und stieg ein. Er griff nach hinten, wo immer ein Handtuch lag, und wischte sich über das Gesicht, danach rubbelte er seine Haare trocken, schob die leicht mit den Fingern zurecht.

Wiebke, seine verstorbene Frau, würde jetzt lachend sagen, ich habe dir gesagt, du brauchst einen Kamm im Auto.

Nein! Nein! Nein!

Er warf das Handtuch achtlos nach hinten und fuhr los. Gemächlich rollte er zum Fähranleger, da noch Zeit war. Er zeigte seine Fahrkarte und konnte durchfahren. Dabei grüßte er freundlich den dänischen Zollbeamten, der draußen auf die Rückkehrer wartete. Um diese Jahreszeit waren nur wenige Urlauber unterwegs, daher war es auch am Fähranleger relativ leer. Das war für heute die letzte Fähre, die nach Sylt fuhr, und da warteten nur wenig Autos, dazu ein Lieferwagen. Er schaute zu, wie die Fähre vorn hochging, bevor sie anlegte. Oben sah er Kapitän Frode Dalquist stehen.

Kaum auf der Fähre sprang er die Treppen hoch, klopfte an, fragte, ob er eintreten dürfe.

Herzlich wurde er von dem Kapitän begrüßt. „Hej! Ich habe dich bereits gesehen“, lachte der ältere Seebär. Genauso sah er aus, wie er einmal feststellte. Weißer Rauschebart, weiße Haare, Falten im Gesicht, ständig gebräunte Haut, selbst jetzt.

„Kaffee bringen sie gleich. Setz dich. Einar, übernimm du das Ruder. Danke!“

„Frode, ich benötige von euch die Kameraaufnahmen vom 25. bis 28. März, wenn möglich plus einen Tag davor und danach. Wir fanden vor drei Tagen eine tote Deern am Hörnumer Strand. Sie war um die 11 bis 14 Jahre alt, lange aschblonde Haare, höchstens 1,40 Meter, zierlicher Körperbau, ein wenig Babyspeck. Eben wie ein Kind, wirklich noch Kind. Sie war nackt. Obduktion läuft noch. Es gibt weder bei uns, dem Festland noch in Dänemark eine Vermisstenanzeige.“

Der Kaffee und Gebäck wurden für die drei Männer gebracht und sie unterbrachen das Gespräch.

„Torge, hast du ein Foto?“, erkundigte sich Einar.

„Ja, allerdings weniger schön, da sie tagelang im Wasser lag.“

„Zeig es mir trotzdem. Die Deern ist im Alter von meinen beiden. Vielleicht sah ich sie mal in der Schule.“

Er holte sein Handy aus der Tasche und zeigte beiden Männer die drei Fotos.

„Einar, erzählten deine Lütten, dass eine fehlte?“

„Nein! Das machen sie nie, außer es ist etwas. So kenne ich sie nicht. Denkst du, sie ist gesprungen?“

„Momentan kann alles sein. Nur, wer springt nackt? Außerdem müsstet ihr dann ihre Kleidung gefunden haben. Mich interessiert mehr, ob sie mit der Fähre rauf oder runter fuhr; ob sie allein war.“

„Der 25. könnte eng werden, da eventuell bereits gelöscht.“

„Frode, wir wissen noch nicht genau, wann sie starb, da sie um die drei Wochen im Wasser lag. Ergebnisse vermutlich erst am Montag.“

„Schick morgen früh einen Kollegen so gegen 8.00 Uhr her, dann bekommst du, was wir noch haben. Ich frage mal die anderen, ob sie so eine junge Deern sahen. Den Frauen kannst du das Foto nicht zeigen“, grinste der Kapitän.

Torge schmunzelte, bedankte sich und legte einen Geldschein in das Sammelschiff, bevor er sich verabschiedete. Er ging hinunter und raus. Die frische Luft tat ihm gut, da ihm die Tote doch erhebliche Sorgen bereitete, außerdem regnete es nicht mehr.

Hinten sah er die Frau vom Strand stehen. Sie blickte in die Wellen. Er schlenderte zu ihr, räusperte sich bereits entfernter, damit sie nicht erschreckte.

Sie drehte sich um, wischte rasch über das Gesicht.

„Was kann so schlimm sein, dass man sein Leben wegwerfen will?“, sagte er leise, blickte sie dabei nicht an. Er schaute auf das schäumende Wasser.

„Woher wissen Sie ...?“ Rasch brach sie ab.

„Man sah es Ihnen vorhin an, was Sie planten. Denken Sie noch einmal genauer nach. Wenn ein Leben einmal beendet wurde, gibt es kein zurück. Sie tun damit anderen Menschen, der Familie, Freunden, Bekannten weh, weil die Sie vermissen.“

„Wissen Sie, wie es ist, wenn die eigene Tochter abhaut, ohne Bescheid zu sagen? Wochenlang fragte ich mich, was ich falsch gemacht habe.“

Torge wurde irgendwie kalt und instinktiv wusste er, die Tote war identifiziert.

„Haben Sie die Polizei eingeschaltet, sie als vermisst gemeldet? Wie alt ist sie?“

„Die Polizei kann mir auch nicht helfen. Die sagen höchstens, ich habe sie verkehrt erzogen. Mit 13 Jahren hatte sie nun Mal ihren eigenen Kopf, hörte nicht mehr auf mich, weil sie alles besser wusste.“

Er musste schmunzeln, gleichzeitig überlegte er, warum die Frau ständig in der Vergangenheitsform ihr sprach. „Das kenne ich. Ab und zu muss man sie eben Fehler machen lassen. Allerdings müssen sie das im Anschluss auch allein ausbügeln. Weglaufen in dem Alter gehört allerdings nicht dazu, Frau ….“

„Novak, Hannah Novak. Sie haben Kinder?“

„Zwei Söhne, die fast im gleichen Alter wie ihre Tochter sind. Ich bin Torge Bækstrøm. Hat Ihre Tochter lange blonde Haare?“

„Ja! Kannten Sie Nina?“

„Nein, ich kenne sie nicht. Ich bin Hauptkommissar und da sind Fragen an der Tagesordnung“, versuchte er zu lächeln. „Wann ist sie denn verschwunden?“

„Am 27. März; der Mittwoch vor Ostern. Wir hatten mal wieder Streit, weil sie ungefragt meine Tasche und meine Schuhe nahm. Sie war wütend, schrie mich an, sie würde ja nie Pumps kriegen. Dann knallte sie die Tür zu und war weg. An dem Abend kam sie nicht mehr nach Hause. Ich sah sie nie wieder“, weinte sie nun.

„Wissen Sie nicht, zu wem sie gegangen sein könnte? Abends kommt sie ja nicht von der Insel weg.“

„Ich habe all ihre Freundinnen gefragt, aber keine wusste etwas. Sie nahm noch nicht einmal Geld mit. Na ja, so war sie eben. So gehe ich zu meinem Wagen, da wir bald da sind. Tschüss!“

„Tschüss!“

Torge guckte noch einen Moment auf das Meer, bevor er zu seinem Wagen schlenderte. Er wollte erst sicher sein, bevor er die Frau damit konfrontierte. Trotzdem seltsam! Warum sprach sie dauernd von ihr, als wenn sie tot wäre? Als Elternteil redet man sich doch in solchen Situationen ein, sie kommt bald kleinlaut nach Hause. Als seine Frau starb, sprach er nach wochenlang von ihr, als wenn sie noch leben würde. Es war ihm nicht einmal aufgefallen, bis Jon ihn einmal darauf hinwies. Warum meldete man ein 13-jähriges Mädchen nicht als vermisst? Sie war minderjährig, konnte wohl kaum allein leben. Wo würde sie wohnen? Warum nahm sie dann nichts mit? Alles passte nicht zusammen. Keine Eltern ließen ein Kind in dem Alter einfach auf der Straße wohnen, unternahmen nichts.

Neben seinem Fahrzeug parkte ein dunkelblauer Volvo-Hybrid. Ihm gefiel der Wagen. Der schien neu zu sein, so wie der glänzte. Eine Frau im Anorak mit der Kapuze auf, kam näher und man sah, wie sie ihn von fern öffnete. Er trat beiseite. Sie grüßte mit warmer, melodischer Stimme, ging nach hinten und zog da die Jacke aus. Was nun zum Vorschein kam, fand er interessant. Zuerst sah er nur dunkelbraune, lange, glänzende, leicht wellige Haare. Dann kamen ihre Augen zum Vorschein. Blau! Wie ein klarer Bergsee. Der Mund mit schönen vollen Lippen und strahlend weißen Zähnen. Ein Gesicht attraktiv. Sie kam um den Wagen herum, holte hinten eine Tasche heraus. So konnte er sie betrachten. Auch die Figur schien zu stimmen. Die Rundungen perfekt. Sie wirkte so natürlich und doch irgendwie sinnlich, dazu mädchenhaft schüchtern.

Sie stieg ein, lächelte noch mal zu ihm hinüber, dann wurde sie bereits hinaus gewunken. Er folgte hinterher, grüßte. Diese Frau wollte er gern wiedersehen. Sie entsprach genau seinem Beuteschema, wenn er abends mal wegging, weil er gewisse Bedürfnisse verspürte. Sie fuhr Richtung Keitum, bemerkte er, während er weiter nach Westerland ins Büro musste.

Keitum, da kannte er fast jeden, da er dort seit 15 Jahren lebte. Er hatte weder den Wagen noch diese Frau je gesehen. Sie war zu Besuch, da sie ein Hamburger Kennzeichen hatte.

Als er das Polizeigebäude betrat, war er wieder in der Realität.

„Moin! Wir haben eventuell den Namen der Toten. Bernd überprüfe eine Hannah Novak.“

„Die Nachbarin meiner Eltern. Verkäuferin, Glucke, geschieden, eine Tochter so ungefähr 12, 13, ein Sohn 11. Du denkst, die Tote ist Nina?“

„Ja! Der Vater?“

„Der hat sich vor einigen Jahren aus dem Staub gemacht, ihr allerdings das Haus geschenkt. So viel ich hörte, hat er sich danach nie wieder bei ihnen gemeldet. Mehr weiß ich nicht, da wir uns nun nie über Nachbarn unterhalten“, Bernd Hinrichs mit seiner leidenschaftslosen Stimme.

„Bernd, heute darfst du das. Besuche deine Eltern und hör dich mal um. “

„Warum hat sie Nina nicht als vermisst gemeldet?“, nun klang er bereits mürrisch.

„Sie vertraut uns nicht, da wir doch nichts tun, weiß sie. Diese Frau ist selbstmordgefährdet, hat sie selbst zugegeben, dass sie sich heute umbringen wollte, nur ich saß da und störte. Sie denkt, ihre Tochter ist wegen eines Streites weggelaufen, ohne Geld, ohne alles. Aber warten wir ab, was die Obduktion ergibt. Bernd, probiere mal, was du über das Kennzeichen HH-FG-7745 herausfindest.“

„Ein Tatverdächtiger?“

„Nein, reine Neugier!“

„Was war in Tondern?“, fragte Enno Keller. Der Oberkommissar war das Gegenteil von Bernd. Er war stets freundlich, hilfsbereit, aufgeschlossen, teilweise sehr direkt in seiner Art und sehr engagiert. Ihm wurde nie etwas zu viel. So voller Elan klang auch seine etwas raue Stimme, so bewegte er sich.

„Nichts! Die Vermissten passen nicht auf unsere Tote. Daneben haben sie belegt, dass die Strömung die Tote nicht bei Hörnum angespült hätte. Das rechnete ihr Wetterinstitut aus. Das ist nur in bestimmten Zeiten mit einer gewissen Konstellation möglich. Sie müsste südwestlich getrieben sein. Eher käme eine westliche Strömung infrage. Sie brachten wie wir ein Schiff ins Spiel. In der Kommune Tønder gibt es keinen Pädophilen noch einen Vergewaltiger et cetera.

Enno, du fährst morgen früh so gegen 8.00 Uhr zur Fähre und holst die Aufnahmen bei Kapitän Dalquist ab. Danke! Machen wir Feierabend, bevor meine Bande das Haus in eine Disco verwandelt.“

Auf dem Heimweg schaute er immer wieder, ob er irgendwo den Volvo sah. Vergebens!

Er fuhr noch schnell einkaufen, dann nach Hause. Dort erwartete ihn ein bereits ein gedeckter Tisch und es roch herrlich nach Essen. Er schaute seine Söhne an, die grinsten.

„Was ist passiert?“

„Wir haben gekocht und die Wette gewonnen.“

„Fein! Mit wem habt ihr gewettet?“

„Opa! Er ist der Meinung, wir können nicht kochen, weil du das immer allein machen musst.“

„Aha! Ich gehe mich waschen, dann essen wir. Es riecht auf jeden Fall sehr gut. Wenn es auch so schmeckt - Hochachtung.“

„Schmeckt so“, äußerten sie voller Überzeugung.

Es schmeckte wirklich exzellent. Nun erfuhr er, dass ihnen Oma telefonisch half. Er musterte seine Jungs. Seit dem Tod der Mutter schienen sie sich auf wundersame Weise wesentlich besser zu verstehen. Früher hätten sie so etwas nie gemeinsam gemacht.

„Trotzdem meine Hochachtung, da euch das hervorragend gelungen ist. Um was habt ihr gewettet?“

„Opas Scheune umsonst oder gegen einen kleinen Obolus ausräumen, hat er vorgeschlagen. War echt cool. Nun muss er etwas zahlen. Ich brauche Geld für meinen Führerschein.“

„Ich will für die Crossmaschine sparen.“

„Sehr lobenswert. Was macht die Schule?“

„Steht noch“, Mads, sein Jüngster grinsend.

„Momentan nervt alles. Jeden zweiten Tag Arbeiten schreiben. Es heißt ständig, Abitur, Abitur, Abitur“, beschwerte sich der 14-jährige Mathias. „Mensch, das dauert bis dahin noch Jahre.“

„Du wirst es überleben. Ohne Abitur kannst du dein Studium vergessen. Mads, kennst du eine Nina Novak?“

„Warum willst du das denn wissen? Die ist eine Klasse über mir. Blöde Ziege. Trägt die Nase immer hoch und läuft immer mit so Designer-Klamotten herum.“

„Mensch, die kriegt doch jeder rum“, wusste Mathies. „Die hat Fotos bei Facebook, da gruselt es jeden. Angemalt wie eine Nutte und auch so gekleidet. Irgendwie spinnt die Tussi. Warum fragst du?“

„Erfahrt ihr noch. Danke! Mads, suche mir bitte die Seite von ihr heraus.“

„Die Tussi war seit Wochen nicht mehr in der Schule. Vadding, du fragst doch nicht nur so. Also was hat die Tussi ausgefressen?“

„Mathies, ihr erfahrt es früh genug.“

„Willst du was von der?“. Mads grinsend.

„Sicher! Ich gebe mich mit einem Kind ab. Überlege mal ein wenig, was du sagst, Junior. Schluss jetzt. Suche mir die Seite, während ich den Spüli einräume. Benötigt ihr noch etwas für die Schule? Nicht wieder am Montagabend die Einkaufstour.“

„Nö, waren am Dienstag mit Luca und Leon in Westerland alles kaufen.“

„Sehr schön! Wie viel Geld bekommt ihr? Luca und Leon? Nie gehört!“

„Sie sind die Urenkel von Opa Finn. Sie ziehen demnächst in das Haus von ihm, da die Mutter, seine Enkelin ist und alles erbte. Sie ist da schwer am Ackern. Das Haus bis auf ein paar Stücke ist schon fast leer. Einen Teil konnten sich Sylter umsonst davon abholen. Den Rest haben wir in den Container geworfen. War echt cool, so alles zerdeppern. Danach war sie mit uns bei McDonalds. 50 Euro habe ich dafür gekriegt. Die ganzen Klamotten hat sie zur Altkleidersammlung gegeben. Jetzt müssen sie ja zurück, wegen der Schule. In der Zwischenzeit bauen sie die Bäder neu und bauen die Scheune um. Da kommt ihr Büro rein oder so.“

Torge hörte gar nicht mehr zu. War sie die Unbekannte? Er sah sie vor sich.

Als sein Sohn ihm die Facebook-Seite zeigte, war er wieder in der Realität.

.„Morgen muss ich am Vormittag für ein paar Stunden ins Büro. So gegen 12.00 Uhr bin ich zurück. Überlegt euch, was wir unternehmen wollen. Für euch ist Fahrräder putzen angesagt und danach Garage ausfegen. Schleppt nicht immer allen Dreck da hinein.“

„Wir gehen hoch, Papa. Godnat!“

„Gute Nacht! Danke für das tolle Essen. Hab euch lieb.“

„Ich auch“, antworteten sie im Chor. Mads kam angelaufen, gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Er schmunzelte vor sich hin.

So nun die Arbeit. Ja, es war die Tote. Obwohl der Leichnam scheußlich aussah, war er da sicher. Es war vor allem das Tattoo direkt über dem Bauchnabel, was ihn so sicher machte. Das mit 13! Die Mutter erlaubte ihr anscheinend viel, kaufte ihr alles, was sie wollte.

Das üblich geistlose Gelabber. Ich bin so gut, so toll, so reich, meine Eltern kaufen mir alles. So sah die Mutter nicht aus, dachte er dabei,

Die Fotos zeigten einen Teenager, der auf Vamp machte. Viel zu viel Make-up; dazu falsche Wimpern, falsche Fingernägel, knallrote Lippen. Angezogen war sie jedes Mal wie eine von Sankt Pauli. Zu kurz, zu viel noch nicht vorhandenen Busen zeigte sie, sogar einige Nacktfotos waren dabei. Ihre Posen waren nicht antörnend, sondern lächerlich für ein Kind. Er schüttelte den Kopf. Es gab nur wenig Fotos von ihr, auf denen sie völlig normal aussah. Das trug sie wirklich Designer-Klamotten, war ungeschminkt. Ein sehr hübsches Mädchen.

Er ließ die Fotos auf sich wirken. Irgendetwas stimmte da nicht. Sicher! Diese Sankt-Pauli-Fotos konnte sie niemals allein mit dem Handy geknipst haben. Das erledigte wer anderes. Es war aber besonders ihr Gesichtsausdruck, welcher ihm auffiel. Auf den normalen Fotos strahlten ihre Augen, sah sie teilweise sogar fröhlich aus. Auf den Sankt-Pauli-Bildern wirkte das Lächeln gekünstelt. Die Augen blickten leblos, auf manchen traurig oder ängstlich. Diese Pose, die sie da einnahm unecht, gestellt von jemand, der nichts davon konnte, kannte. Mit diesen Bildern stimmte etwas nicht.

Er las, was man so schrieb. Natürlich jede Menge Männer, die was von ihr wollten. Von der Schule waren auch ein paar Jungs dabei, wie er las. Bei einigen hatte sie geantwortet, sie gebe sich doch nicht mit armen Schluckern ab. Andere Männer, die mit einem Luxusschlitten prahlten, wurden dagegen schmeichelhaft behandelt. Mit zwei schien sie sich bereits getroffen zu haben, wie er las, als er zurückging.

Da kamen ja mindestens 30 bis 40 Männer infrage, dachte er nach einer Stunde, als er fertig war. Waren die Teenager wirklich so naiv oder beschränkt, dass die alles glaubten, was man da von sich gab? Trafen sie sich wirklich mit jedem, der ihnen da etwas Passendes erzählte? Kam es nur noch auf Aussehen, Geld und Größe drauf an? Früher hätte kein Mädchen oder besser junge Frau gefragt, hast du einen großen? Bekloppt!

Morgen musste er mal seine Söhne fragen, ob sie auch bei so einem Schwachsinn mitmachten. Er verkniff sich auch heute, bei ihrem jeweiligen Profil Auskunft zu erhalten. Manchmal war es schon schwierig, zumal bei seinem Job, zwei Teenager mit Flausen im Kopf vernünftig, wenn auch nicht zu streng, großzuziehen. Heute lauerten überall Gefahren, die sie noch nicht überblicken konnten. Siegte dann die Neugier, kam oftmals nichts Gutes dabei heraus. Das war hier auf der Insel nicht anders, wie auf dem Festland. Ferner kamen dazu noch die Gefahren durch die sozialen Medien; durch die Handykommunikation. Er seufzte. Die Mutter war viel zu früh gestorben.

~~~~Samstag~~~~

Er lag wach im Bett, lauschte den Zwitschern der Vögel in der alten Linde. Er öffnete nackt das Fenster und gleich strömten die aromatischen frischen Gerüche eines Frühlingstages herein. Die Blätter des Baumes säuselten leise bei dem leichten Wind. Er ging duschen, da der Alltag begann.

Der Obduktionsbericht lag auf seinem Schreibtisch. Nachdem er Kaffee gekocht hatte, nahm er sich den vor.

Ihre allgemeinen Angaben, wie Maße, Gewicht et cetera ließ er vorerst weg.

Todeszeitpunkt: Tod trat vermutlich zwischen Dienstag, dem 26., und Donnerstag, dem 28. März, ein. Sie war bereits tot, als man sie ins Wasser warf.

Todesursache: mehrere Platzwunden am Kopf. Ein Riss in der Schädeldecke. Mindestens 17 Messerstiche überwiegend im Genitalienbereich und in den Bauch. Die 7 Messerstiche in Hände und Arme zeugten von Abwehrbewegungen. Im Rachenraum stellte man Risse und Abschürfungen fest. Man konnte aber nicht mehr den Zeitpunkt bestimmen. Zwei Zähne wurden ihr ausgeschlagen. Die fand man in ihrem Magen.

Andere Merkmale nicht mehr feststellbar. Ob sie vergewaltigt wurde, dito nicht mehr feststellbar. Feststellbar allerdings, dass sie schon Sex hatte. Fischfraß feststellbar an ….

Nun zählte der Pathologe auf, welche Wunden älterer Natur Ninas Körper aufwies.

Mindestens 6 Frakturen waren an Armen und den Beinen feststellbar. Sie waren teilweise nicht richtig zusammengewachsen, da vermutlich nie behandelt.

Dazu 37 tiefe Messerschnitte in den Oberschenkeln, dem Busen und dem Po erkennbar. 29 tiefe Wunden. Nicht erkennbar, womit zugefügt. Auf dem Rücken, den Oberschenkeln hinten und dem Po zahlreiche tiefe Striemen, vermutlich Peitschenhiebe. Auf dem Busen, den Genitalien und dem Bauch 34 Zigarettenwunden. Weitere tiefe Wunden an der Innenseite der Oberschenkel. Sie reichten bis auf den Knochen. Auf der beigefügten Zeichnung war das alles gekennzeichnet.

Das waren keine Menschen, sondern Bestien.

Nun las er alles genauer. Es wurde Untergewicht bei ihr festgestellt.

Erschreckend und schockierend legte er den Bericht bei Seite. Was war da vorgefallen? Der Täter musste rasend vor Wut oder Hass gewesen sein. Dazu verfügte er über ein hohes Maß an krimineller Energie. Wie kann man auf einen Teenager, auch wenn sie vielleicht kess war, so oft einstechen? Wollte er Sex und sie nicht? Vermutlich hatte der Täter sich selbst dabei verletzt, da das Messer durch ihr Blut rutschig war. Darauf musste man achten, auch ob jemand Kratzer oder dergleichen hatte. Sie benötigten den Tatort!

Nur was war davor im Haus Novak vorgefallen? Dieses Kind musste über einen langen Zeitraum unmenschlich misshandelt worden sein. Von der Mutter? Von Männern, mit denen sie wegging? Nur so etwas sah doch eine Mutter, oder?

Enno kam zurück, reichte ihm die Kassette.

„Danke! Enno, hier sind Männernamen von Facebook. Wir wollen die richtigen Namen und Adressen haben. Die Typen wollten ober haben sich alle mit dem Opfer getroffen. Sie hat einen auf reichen Vamp gemacht. Jungs, die weniger begütert waren, hat sie frech heruntergeputzt, da sie sich nicht mit so was abgebe. Das sind die roten Namen. Da sind auch einige Schülerinnen dabei, die sie schwer beleidigten, ihr drohten. Solcher Dreck müsse für immer beseitigt werden. Die müssen du und Silvia am Montag befragen; dazu Schüler und Lehrer fragen, ob ihnen in den Tagen zuvor etwas aufgefallen ist. Aber zuerst am Montag Facebook. Tschüss und schönes Wochenende. Grüß deine Familie.“

„Mach du auch nicht mehr solange.“

„Bis Mittag, dann bin ich weg. Ich fahre jetzt mit Silvia zu Frau Novak.“

Enno ging und Bernd kam herein, reichte ihm einen Zettel.

Der Volvo gehört einer Alessia Lambert. Sie war 30 Jahre alt und Witwe. Ihr Mann Rainer starb vor zwei Jahren. Da war er 47. Sie hatte 10-jährige Zwillinge. Von Beruf war sie selbstständige Steuerberaterin. Wohnhaft in Hamburg, was logisch war. Also eine Urlauberin, dachte er enttäuscht, steckte die Seiten ein.

„Was ist mit der Frau? Was hat sie ausgefressen?“

„Nichts! Interessierte mich nur.“

„Endlich wirst du wieder ein normaler Mann, der sich für Frauen interessiert. Sagte ich dir immer, du kannst nicht ewig trauern. Sie sieht wie ein Modell aus, einfach klasse.“

„Ich habe sie zwei Minuten gesehen. Was hast du über Frau Novak erfahren?“

„Nichts, da meine Eltern am Wochenende weg sind. Montag.“

„Gut! Beantrage von Ninas Handy die Verbindungsnachweise, wo sie wann war. Den 27. und 28. März müssen wir genau durchleuchten. Wo sie mit wem wann war, und so weiter. Befrage dazu die Nachbarn. Ich fahre mit Silvia zu Frau Novak. Dir wünsche ich ein schönes Wochenende. Grüß Bettina.“

„Sie will auch was von dir“, grinste sein Kollege.

Torge lachte. „Bettina?“

„Dösbaddel! Silvia.“

„Ich nicht von ihr, da nicht mein Typ. Zu blond, zu dick, zu laut. Nie mit einer Kollegin.“ Ich will was von der Unbekannten, dachte er weiter.

„Moin, Frau Novak. Meine Kollegin Silvia Stahl. Wir müssen mit Ihnen sprechen.“

„Sie haben meine Nina gefunden?“

„Gehen wir hinein“, schob er sie in den Flur zurück.

Als sie im Wohnzimmer auf dem Sessel saß, teilte er ihr mit, dass die Tote, die in Hörnum angespült wurde, Nina ist.

Sie brach weder zusammen, noch in Tränen aus, zündete sich nur eine Zigarette an. Sie schien generell viel zu rauchen, da hier aller verräuchert war und der Ascher überquoll. Zwei Sorten Zigaretten, registrierte er automatisch.

„Ich würde mir gern Ninas Zimmer ansehen.“

„Oben erste Tür.“

„Berichten Sie bitte meiner Kollegin, was am 26. Und 27. März geschah, wann Sie Nina zuletzt sahen.“

Er sprang die Stufen hoch. Die müssten abgeschliffen werden. Das Haus wirkte nicht nur von außen heruntergekommen. Für die Gegend - unpassend. Er öffnete die Tür und sofort schlug ihm der Gestank von Zigarettenrauch entgegen. Auch hier, ein voller Ascher. Bei einer 13-Jährigen?

Er schaute in die anderen Räume, da die Türen alle offen standen. Alles unordentlich, irgendwie schmutzig. Da waren keine Betten gemacht; Wäsche lag auf dem Fußboden. Volle Ascher im Bad und in dem Schlafzimmer. Im Bad nichts von Nina. In einem Regal stand ein Schlafmittel, lagen daneben Aspirin, Magentabletten. In einer Schublade lagen Pflaster, Verbandszeug, eine Schachtel Zigaretten, Feuerzeuge, ein paar Münzen, drei Schachteln Kondome. Dazwischen Lippenstift, Nagellack, Creme, Zahnpasta, neben Haarbürsten, einem Kamm. Er suchte, fand aber nirgends Zahnbürsten. All das fotografierte er mit seinem Handy. So auch einige Fotos von allen anderen Räumen.

In dem anderen Kinderzimmer sah es noch am ordentlichsten aus, dachte er, bevor er Ninas Zimmer betrat. Das gehörte vermutlich dem Sohn.

Er zog Handschuhe an. Da war nichts. Keine Fotos, keine Bilder an den Wänden; kein Kuscheltier im Bett, keine Dekoartikel, Blumen, kein Tagebuch, keine Adressen, Namen oder dergleichen. Nur ein verdreckter, voller Ascher. Das Zimmer wirkte irgendwie steril. Wenn er da an die Räume seiner Jungs dachte, sah es hier aus, als wenn man frisch aufgeräumt und geputzt hätte. Im Kleiderschrank waren nur wenige Kleidungsstücke. Die lagen allerdings ordentlich gestapelt in zwei Fächer. Das war alles? Eine alte Kommode war fast leer. Die Möbel hatten auch schon bessere Zeiten gesehen, dachte er, während er in den Nachtisch schaute. Leere. Auch unter der Matratze - nichts. Nirgends war der Schmuck, den sie auf den Fotos trug, auch diese Kleidung fehlte. Es gab keine Haarspangen, Bürste, nirgends etwas, was man für den täglichen Bedarf benötigte. Wo war der ganze Schnickschnack, den man auf den Fotos sah?

Er nahm den Laptop von der Toten mit, da der wenigstens noch dastand.

Auf der Treppe hörte er Hannah Novak gerade sagen: „Nina war immer schon ein rebellisches Kind. Sie verstand sich aber mit allen. Sie wollte positive Energie in die Welt bringen, sagte sie immer.“

Wie passte das zusammen, fragte er sich.

„Kennen Sie die Facebook-Seite Ihrer Tochter?“

„Diese Seiten bei Facebook und Instagram waren ihr ganzer Stolz. Sie erzählte mir immer, wie viele neue Follower oder wie die heißen, dazugekommen sind. Sie hatte bereits über 15.000. Das hat sie sehr gefreut. Sie war ja auch ständig mit dem Handy zugange.“

„Sie haben die Seiten also nie gesehen?“

„Nein, warum sollte ich? Was Kinder da schreiben, ist ja nun nicht so interessant.“

Er ließ sich deren Handynummer geben.

„Frau Novak, wo sind die fehlenden Sachen von Nina?“

Sichtbar nervös fragte sie nun aggressiv: „Was meinen Sie?“

„Sie wissen es! Also? Ich lasse sonst sofort die Spurensicherung kommen, die hier alles auf den Kopf stellen.“

Sie stand auf und holte aus einem Schrank eine Tragetasche und gab ihm die. „Das ist alles.“

„Danke, wir nehmen das mit. Warum räumten Sie das Zimmer auf, wollten deren Sachen entsorgen, wenn sie doch damit rechneten, sie kommt zurück?“

„Es sollte eben ordentlich dort aussehen.“

„Deswegen werfe ich doch nichts von jemand weg? Nicht einmal ihre Schulbücher sind noch da. So jetzt, was trug Nina an dem Tag.“

„Eine Hose, Shirt und die Jacke.“

„Geht es etwas genauer?“, erkundigte er sich nun bereits genervt. „Keine Handtasche, kein Handy, kein Geld?

Meine Kollegin will es genau wissen. Farbe, kurz, lang und so weiter. Wir benötigen ferner ein ziemlich neues Foto Ihrer Tochter. Was Sie an den Tagen machten, notiert meine Kollegin dito. Vom 26, 27, 28 März. Genau mit Uhrzeit. Danke!“

Er ging hinaus, legte die Sachen in sein Auto, holte große Säcke aus dem Kofferraum und suchte nach den Mülltonnen. Die Biotonne war völlig leer und sauber. Er machte Fotos. Nun die Papiertonne, in der nur wenig Papier lag. Erst Foto, dann kippte er den Inhalt in einen Sack. Restmüll fast voll. Erneut knipsen, bevor er das dito umschüttete. Aus der gelben Tonne nahm er nur die zwei Säcke mit, nachdem er auch das fotografierte. Alles kam in den Kofferraum, dann schaute er sich draußen um. Das kleine Grundstück sah irgendwie verwahrlost aus. Da war nichts angepflanzt; es gab nicht einmal Rasen. Alles wucherte irgendwie. Gerade fingen die Butterblumen an zu wachsen. Davon gab es hier viele. Es lagen Blätter bergeweise herum. Die waren besonders reichlich unter irgendwelchen Sträuchern und neben Maulwurfshügeln. Er schaute zu den Nachbarn. Überall sah es da ordentlich aus. Selbst solch kleine Gärten konnte man mit ein wenig Zeit hübsch gestalten, dachte er dabei.

Eine Frau kam gerade vom Einkaufen, sah ihn und grüßte.

Er ging zu ihr, stellte sich vor und fragte, wann sie Nina das letzte Mal sah. Sie wusste es nicht mehr, aber jetzt, wo er fragte, fiel ihr ein, dass es seit Wochen gar kein Geschrei mehr hier gab. Man hatte sich bereits daran gewöhnt. Sie berichtete, dass Hannah vor einigen Wochen ihren Job mal wieder verlor, daher den ganzen Tag daheim war. Kamen die Lütten aus der Schule, ging es drüben rund. Die Frau war einfach überfordert, dabei waren Nina und Jan eigentlich zwei höfliche, nette, hilfsbereite Kinder. Alle in der Straße mochten sie.

Er bedankte sich, reichte ihr seine Visitenkarte, falls ihr noch etwas einfiel, könne sie ihn anrufen.

Da hörte er mal etwas anderes über die Lütte.

Er fuhr Silvia heim, die ihm berichtete, was Frau Novak aussagte. Nichts Neues für ihn, da dasselbe, was sie ihm auf dem Schiff erzählte. Es gab immer nur Ärger mit dem frechen, vorlauten Ding. Dass man die tot fand, war da irgendwie verständlich, so die Mutter.

Als er zurückkam, fand er auf seinem Schreibtisch eine Hamburger Adresse mit zwei Telefon-Nummern und den Namen einer Internet-Seite. Er steckte das ein, da er darüber genauer nachdenken wollte. Er wusste, dass er sich das garantiert ansehen würde.

Nun machte er Feierabend, verschloss sein Büro. Da seine Jungs wie öfter samstags bei den Großeltern waren, machte er einen Umweg und fuhr am Pietersen-Haus vorbei. Abrupt trat er auf die Bremse, als er seine schöne Unbekannte sah, die gerade sich mühte, ein größeres Möbelstück in einen Container zu werfen. Sein Herz machte einen Sprung.

Er stieg aus, eilte zu ihr und nahm das Schrankteil, warf es hinein.

„Moin! So sieht man sich wieder. Ich bin Torge und wohne mit meinen Söhnen hier um die Ecke. Mads kennen Sie schon, glaube ich.“

„Moin und danke. Das alte Zeug ist so schwer. Ich bin Alessia Lambert. Und ja, Mads lernte ich kennen und ein wenig auch Mathies.“

„Haben Sie noch mehr zu entsorgen, da helfe ich fix.“

„Danke, aber ich wurstel mich da schon durch“, reagierte sie reservierter, was ihn ein wenig erstaunte.

„Machen wir fix gemeinsam. Nachbarschaftshilfe.“

Sie zögerte lächelnd. „Danke! Ich muss noch die letzten Möbel rauswerfen, da am Montag die Handwerker kommen und wir da schon wieder in Hamburg sein müssen.“

Die Küche war fix erledigt. Schwieriger war die Couch. Die passte nicht einmal durch die Tür. Also über die Terrasse raus, ums Haus herum zu dem Container. Sie bemühte sich zu tragen, aber er sagte Nein.

„Meine Jungs kommen gleich nach Hause. Sie helfen. Lassen wir sie erst mal so stehen.“

Nun räumten sie den Rest raus, stellten den Fernseher daneben.

„So fast fertig. Die Betten und Kleinigkeit mache ich morgen früh, bevor wir fahren.“

„Ich habe eine bessere Idee. Wir beenden das heute und sie drei schlafen bei uns. Wir haben zwei Gästezimmer. Die Jungs können eine Nacht in einem Zimmer schlafen. Die Betten, wenn sie alt sind, werden auch einiges wiegen. Hier können Sie morgen früh nicht mal einen Kaffee kochen, nirgends sitzen. Gut, abgemacht“, lächelte er sein schönstes Lächeln.

Alessia wirkte unschlüssig, unsicher, sagte dann ja, aber nur, wenn sie alle zum Essen einladen dürfte.

Nun sagte er ja. Das war mehr, als er erwartet hatte. Ich würde fast zu allem ja sagen, um sie kennenzulernen, dachte er weiter. Irgendwie kam er sich gerade wie ein Junge mit 18 vor.

Er rief Mads an, beorderte sie zum Pietersen-Haus, da sah er alle vier Jungs in die Einfahrt fahren. Er schaltete das Handy aus und wartete.

„Moin! Ich bin Torge, der Vater der beiden. Es gibt Arbeit und ihr dürft kurz helfen.“

Er gab jedem die Hand, dann beorderte er Mathies und Mads ins Wohnzimmer.

„Kaputt machen und die Teile in den Container, Mathies. Mads, du und die Zwillinge räumen oben den Kleinkram runter. Sind wir fertig, geht es essen.“

„Cool! Opa hatte heute schlechte Laune, weil Oma ihn mit dem Kochen beschissen hat.“

„Mads, bitte!“

„Na ja, Papa, irgendwie hat er ja recht. Ich sagte ihm, ich mach´s für die Hälfte. Ist doch fair, oder?“

„Sehr fair! Hat Oma nicht so drüber nachgedacht. Ich gebe euch die andere Hälfte, weil das Essen wirklich sehr gut war.“

Alessia kam herein und nun wurde alles rasch leergeräumt. Dann packten sie die Reisetaschen, verstauten alles in dem SUV.

Torge fuhr schon vor, da er duschen und sich rasch umziehen wollte.

Heute schien sein Glückstag zu sein, dachte er, während das warme Wasser über seinen Körper prasselte.

Erst nach einer halben Stunde erschienen seine Söhne.

„Die anderen kommen gleich nach. Sie wollen nur noch alle duschen. Wir auch. Mensch, der Scheiß war schwer.“

„Mads, bitte!“

Torge kochte Kaffee, während er wartete.

Sie kamen kurze Zeit darauf. Alle waren umgezogen. Sie sah in einem Kleid mit Pumps wirklich nett aus. Jetzt trug sie die Haare wieder offen. Alles wirkte so feminin, genau wie ihr Parfüm, welche er leicht roch, als er ihr in die Jacke half.

Sie fuhren alle mit seinem Wagen, da bei ihr Taschen und andere Sachen lagen. Sie wählten einen Griechen.

Die Jungs redeten ständig, überspielten so, die Schüchternheit von Alessia.

Als der Wein serviert war, tranken sie und sagten nun auch du, da das andere blöd klang, wie Mads wusste.

Alessia taute langsam auf.

Das Essen zog sich lange hin und es war bereits nach 22.00 Uhr, als sie zurückfuhren. Er zeigte den Jungs und Alessia die Zimmer, sagte dann gute Nacht, da auch sie schlafen gehen wollte. Das bedauerte er, da er noch gern ein wenig mit ihr allein geplaudert hätte.

~~~~Sonntag~~~~

Sie frühstückten alle zusammen, da Torge Brötchen und Kuchen holte. Es war eine gelöste Stimmung. Auch Alessia ging heute mehr aus sich heraus, scherzte mit ihnen, erzählte Anekdoten aus ihrem Leben.