Die Psychopathen unter uns - Joe Navarro - E-Book

Die Psychopathen unter uns E-Book

Joe Navarro

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Beschreibung

Psychopathen? Die großen Massenmörder der Gegenwart fallen einem ein, die Amokläufer, die Gemeingefährlichen. Doch es sind nicht nur jene aus den Schlagzeilen, die unser Leben bedrohen. Es sind die Nachbarn, die aus fadenscheinigen Gründen einen Streit vom Gartenzaun brechen, die falschen Freunde, die unsere Energie und Kraft rauben, die Mobber im Büro. Die unsichtbaren Wunden, die sie uns zufügen, sind die wahre Gefahr. Es sind psychische, finanzielle oder emotionale Verletzungen und die sind oft verheerend. Die Psychopathen sind unter uns und wir können uns nicht darauf verlassen, dass Polizei oder Politik uns vor ihnen schützen. Wir selbst müssen uns und die Menschen, die wir lieben, gegen diese Raubtiere in Menschenform verteidigen! Das bislang geheime Wissen der FBI-Profiler und Agenten hilft uns dabei. In seinem neuesten Buch liefert Joe Navarro Schlüsselstrategien zur Prävention und zum Schutz im Alltag. Denn Psychopathen gibt es überall.

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Seitenzahl: 307

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://d-nb.deabrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

6. Auflage 2023

© 2014 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

©2014 by Joe Navarro

Die us-amerikanische Originalausgabe erschien 2014 bei Rodale unter dem Titel »Dangerous Personalities«.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Martin Bauer

Redaktion: Nicole Luzar

Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München, unter Verwendung von iStock Bildmaterial

Satz: Georg Stadler, München

ISBN Print 978-3-86882-493-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-631-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-632-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.m-vg.de

Inhalt
Warnung!
Danksagungen
Einleitung
Wieso ich dieses Buch geschrieben habe und wie es zu benutzen ist
Gefährliche Persönlichkeiten – sie sind da draußen
Wieso vier gefährliche Persönlichkeitstypen?
Mein Ziel
Die Checklisten für gefährliche Persönlichkeiten
Wichtige Warnung
Ein letzter Gedanke, bevor es losgeht
Erstes Kapitel
»Alles dreht sich um mich.«
Die narzisstische Persönlichkeit
Grundzüge der narzisstischen Persönlichkeit
Egozentrisch
Überschätzt sich, unterschätzt andere
Arroganz und Anspruchshaltung statt Mitgefühl
Schwindelt, verletzt Regeln, übertritt Grenzen
Kontrollbedürfnis
Worte, die den Narzissten beschreiben
Ihr Effekt auf Sie
Die narzisstische Persönlichkeit in Beziehungen
Begegnungen mit der narzisstischen ­Persönlichkeit
Checkliste: Hinweise auf narzisstische Persönlichkeiten
Sofortmaßnahmen
Zweites Kapitel
»Bitte anschnallen.«
Die emotional instabile Persönlichkeit
Das Verhalten der instabilen Persönlichkeit
Extrem empfindlich
Bedürftig und anspruchsvoll, kennt keine Grenzen
Manipulativ
Irrationales Alles-oder-nichts-Denken
Ungestüm, impulsiv, auf der Suche nach Thrills
Worte, die die emotional instabile Persönlichkeit beschreiben
Ihr Effekt auf Sie
Die emotional instabile Persönlichkeit in ­Beziehungen
Begegnungen mit der instabilen Persönlichkeit
Checkliste: Hinweise auf instabile Persönlichkeiten
Sofortmaßnahmen
Drittes Kapitel
»Trau niemandem, dann kann niemand dir wehtun.«
Die paranoide Persönlichkeit
Grundzüge der paranoiden Persönlichkeit
Extrem misstrauisch, angsterfüllt, geheimnis­krämerisch
Voreingenommen, diskussionsfreudig, zu Hass ­neigend
Sammelt Verletzungen, hegt Groll
Worte, die den Paranoiden beschreiben
Ihr Effekt auf Sie
Die paranoide Persönlichkeit in Beziehungen
Begegnungen mit der paranoiden Persönlichkeit
Checkliste: Hinweise auf paranoide Persönlichkeiten
Sofortmaßnahmen
Viertes Kapitel
»Meines ist Meines – und Deines ist auch Meines.«
Die dissoziale Persönlichkeit
Grundzüge der dissozialen Persönlichkeit
Mitleids-, reu- und gewissenlos
Kalt, kaltschnäuzig, kalkulierend, kontrollierend
Unreflektiert, mit schlechter Impulskontrolle
Worte, die das Raubtier beschreiben
Ihr Effekt auf Sie
Das Raubtier in Beziehungen
Begegnungen mit dem Raubtier
Checkliste: Hinweise auf dissoziale Persönlichkeiten
Sofortmaßnahmen
Fünftes Kapitel
Eine ist schlimm, zwei sind ­schrecklich, drei sind tödlich.
Kombinierte Persönlichkeitsstörungen
Gar nicht so selten: Kombinierte Persönlichkeitsstörungen
Berühmte Fälle von Menschen mit kombinierten Persönlichkeitsstörungen
»Wir sind von Feinden umzingelt, aber ich kenne die Lösung« – paranoid und narzisstisch
»Beachte mich, während ich mache, was mir passt« – Narzisst und Raubtier
Die Kombination von drei oder vier Persönlichkeitsstörungen
Das Komplettpaket: Alle vier Persönlichkeits­störungen zusammen
Wenn gefährliche Persönlichkeiten sich ­zusammentun
Alles zusammenfügen
Sechstes Kapitel
Selbsthilfe gegen gefährliche ­Persönlichkeiten
Das Allerwichtigste zuerst: Die Realität
Tipps für den Alltag
Sammeln Sie Informationen
Schauen Sie nicht nur, sehen Sie
Vertrauen Sie Ihrem Gefühl: Wie fühle ich mich in ­Gegenwart dieser Person?
Erkennen Sie den Unterschied zwischen Nettigkeit und Gutartigkeit
Kontrollieren Sie Raum und Abstand
Kontrollieren Sie die Geschwindigkeit – bremsen Sie
Durchtrennen Sie die emotionalen Fäden
Überschlagen Sie, wie oft/wie viel
Zeit und Ort entscheiden
Machen Sie sich uninteressant für gefährliche Persönlichkeiten
Überprüfen Sie sie
Warten Sie nicht zu lang
Der Umgang mit gefährlichen Persönlichkeiten
Mit wem habe ich es zu tun?
Komplexe Situationen
Schreiben Sie mit
Schmieden Sie Allianzen
Wehren Sie sich dagegen, isoliert zu werden
Legen Sie Grenzen fest
Lassen Sie sich nicht manipulieren
Verschaffen Sie Kindern Zufluchtsmöglichkeiten und positive Erfahrungen
Handeln Sie bei Gefahr im Verzug!
Handeln Sie
Denken Sie nach
Alarmieren Sie Ihre Verbündeten
Beschaffen Sie sich die Hilfe von Profis
Konfrontieren Sie ihn nicht allein
Planen Sie Ihren Abgang
Besorgen Sie Geld für die Flucht
Sprechen Sie über finanzielle Dinge
Rufen Sie sich in Erinnerung, dass Sie nicht allein sind
Schaffen und halten Sie Distanz
Was kommt danach?
Nachbemerkung:
Wenn Sie glauben, Sie könnten eine gefährliche ­Persönlichkeit sein
Hilfsstellen
Kinder/Kindesmisshandlung
Häusliche Gewalt
Lebenskrise, Selbstmordgefährdung
Psychiatrische Notfälle
Hilfe für Verbrechensopfer
Bibliografie

Warnung!

Dieses Buch soll den Leser in seinem Urteil darüber bestärken, was er gesehen und erlebt hat. Es kann und soll keine Hilfestellung für klinische Diagnosen sein und darf niemals den Facharzt ersetzen.

In allen Fällen, die nicht durch die Medien gegangen sind, habe ich zum Schutz der Privatsphäre der Beteiligten alle Namen und ggf. verräterische Details geändert.

Das Manuskript dieses Buches wurde vom FBI vor Veröffentlichung geprüft. Die geäußerten Ansichten und Gedanken sind allerdings alleine die des Autors.

Den Opfern gewidmet

»Es gibt zwei Typen Mensch auf dieser Welt: diejenigen, die geben, und die, die nehmen.«

Danksagungen

Jedes Mal, wenn man eine intellektuelle Reise unternimmt, ist man so vielen Menschen zu Dank verpflichtet. Vielen Dank all jenen, die in persönlichen Gesprächen mit mir teilten, was sie wussten – ihnen gilt meine tiefste Zuneigung.

Der verstorbene Dr. Phil Quinn war mir mehr als ein Jahrzehnt lang Mentor; er holte mich ans Criminology Department der Universität Tampa, wo ich die Psychopathen unter uns näher untersuchte. Seine Perspektive als Menschenfreund, Priester, Psychologe und Kriminologe war einzigartig und hat meine Auffassungen zu diesem komplexen Thema stark geprägt.

Dr. Michel St. Yves von der Sûreté du Québec ist Autorenkollege und ein langjähriger Freund. Zusammen haben wir etliche Projekte in den USA und in Kanada gestemmt, wo er ein Gigant auf seinem Gebiet ist. Seine Anmerkungen zu diesem Buch waren mir – wieder einmal – eine Riesenhilfe.

Dr. Leonard Territo verdient meine Bewunderung ebenso wie meinen Dank. Während er selbst sein 25. Buch fertigstellte, nahm er sich die Zeit, mein Manuskript Zeile für Zeile mit mir durchzugehen. Seine gewaltige Erfahrung im Umgang mit gefährlichen Persönlichkeiten (darunter Ted Bundy) war mir eine große Hilfe.

Dieses Buch wäre nicht möglich gewesen ohne meinen Agenten Steve Ross von der Abrams Artists Agency. Steve ist einfach ein Macher – und gehört zu den interessantesten Gesprächspartnern überhaupt.

Ich möchte Alex Postman, Jennifer Levesque und all den anderen von Rodale Books danken, denen die körperliche und seelische Unversehrtheit anderer Menschen am Herzen liegt und die sofort erkannten, dass dieses Buch Leben retten kann. Unserem Lektor Michael Zimmerman möchte ich dafür danken, dass er dieses Projekt sicher gelandet hat. Du hast alles zusammengefügt. Toll gemacht!

Janice Hillary hat frühe Versionen des Manuskripts gründlich und wiederholt durchgearbeitet. Ich möchte ihr für ihre Unterstützung und Anleitung danken. Wenn wir nur alle Lehrer hätten wie sie – Lehrer, denen ihre Studenten am Herz liegen, selbst die älteren wie ich.

Toni Sciarra Poynter schulde ich wieder Dank dafür, meine Worte und Gedanken geformt zu haben. Du hast mich mit Fragen gelöchert, umwälzende Ideen und Konzepte mit mir ausgetauscht und warst einzigartig penibel. Was für eine Gabe zu schreiben du hast! Vielen Dank, meine Freundin!

Ich muss auch meiner Familie hier und in Europa für ihre Geduld danken. Ich war viel abwesend, während ich mit diesem Manuskript kämpfte, das drei Mal länger war als das Endprodukt. Dank meiner Frau Thryth, die ich zutiefst respektiere! Danke, dass du bist, wie du bist! Danke für wertvolle Ratschläge, liebende Unterstützung und deine Geduld, während ich mehr als ein Jahr lang mit diesem Buch rang. Du bist ein Segen und musstest mich oft genug vor Ablenkungen schützen.

Zu guter Letzt möchte ich meinen Eltern danken, die mir die Ehre erweisen, mich ihren Sohn zu nennen, und die mir ein liebendes Elternhaus geboten haben, ganz ohne gefährliche Persönlichkeiten.

Joe Navarro, M.A., Special Agent des FBI im Ruhestand

Tampa, Florida November 2013

*****

Wie Joe möchte auch ich Steve Ross von der Abrams Artists Agency danken, unserem Lektor Michael Zimmerman und all den Leuten von ­Ro­dale Books, die an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt haben.

Danke auch Dona Munker. Du bist die eisernste, liebevollste, fürsorglichste Freundin und Autorenkollegin, die man sich wünschen kann.

Liebe und Dank auch meinem Mann Donald. Dafür, dass du immer auf meiner Seite stehst und dafür, dass ich mit dir über die schlimmen Dinge ebenso reden kann wie über die wunderbaren.

Danke an Joe Navarro für unsere Zusammenarbeit, für deine Interviews und unsere Gespräche über gefährliche Persönlichkeiten – ein seltsames Gebiet, auf dem du dich bestens auskennst. Danke für deine unermüdliche Arbeit an allen Aspekten dieses Buches, für deinen Einsatz, deinen Humor und für deine unersättliche Freude am Lernen und am Arbeiten. Wenn du mir mailst, »ich bin dran«, weiß ich, du bist wirklich dran.

Abschließend möchte ich, auch auf die Gefahr hin, unseriös zu klingen, unserer Katze Lucy danken, die während der Arbeit meist in Griffweite zusammengerollt auf ihrer Decke lag. Sie war mir Trost, wenn es zu schmerzlich wurde, über diese Persönlichkeiten zu schreiben.

Toni Sciarra Poynter

New York

Einleitung

Wieso ich dieses Buch geschrieben habe und wie es zu benutzen ist

Am 27. Juni 1975 verschwand Sue Curtis von einem ansonsten sehr sicheren Universitätscampus. Sie war 15 Jahre alt und besuchte einen Jugendtag an der Brigham Young University in Provo (Utah), wo ich gerade als Polizist angefangen hatte.

Ich leitete die ersten Ermittlungen über ihr Verschwinden. Wir befragten Freunde und Verwandte und erfuhren, dass sie zu ihrem Zimmer zurückwollte, um ihre neue Zahnspange zu säubern. Doch bei der Untersuchung ihres Zimmers stellte ich fest, dass ihre Zahnbürste trocken war. Sie hatte es nie dorthin zurückgeschafft.

Teilweise konnten wir rekonstruieren, was sie gemacht hatte – so war etwa ihr Gutschein fürs Mittagessen eingelöst worden –, aber vieles blieb unklar. (In jenen Zeiten hingen auf einem Campus noch nicht überall Kameras herum, auch Handys gab es nicht, um miteinander in Kontakt zu bleiben.)

Ich sprach mit ihrer Familie. Ihr unendlicher Schmerz und ihre grenzenlose Verzweiflung sind mir noch deutlich in Erinnerung.

Sue tauchte nie wieder auf, und irgendwann verliefen alle Spuren im Sande. Aber das Rätsel ihres Verschwindens beschäftigte mich weiter, denn ich hatte an jenem Abend Dienst auf dem Campus gehabt und fühlte mich irgendwie mit verantwortlich. Ich behielt also eine Kopie der Fallakte mit einem großen Bild von ihr, und noch Jahre später suchte ich in Menschenmengen nach Gesichtern, die ihrem auch nur entfernt ähnelten. Ich behielt die Akte auch als Erinnerung an mein Versagen, diese unschuldige Seele zu schützen.

Jahre vergingen, und ich stieg zum FBI-Agenten auf. Dann bekam ich eines Tages einen Anruf von einem Ermittler in Salt Lake City. »Das wird Sie wahrscheinlich interessieren«, kündigte er an. »Sue Curtis haben wir zwar nicht gefunden. Aber wir wissen, wer sie entführt hat.« Er erzählte, damals sei ein gut aussehender junger Mann in einem Volkswagen auf dem Campus herumgefahren, auf der Suche nach einem Opfer. Dieser Mann hatte jetzt gestanden, Sue Curtis entführt und getötet zu haben. Sein Name lautete Theodore Bundy, Spitzname »Ted«. Bundy gestand die Ermordung von insgesamt 35 jungen Frauen in vier Bundesstaaten.

Noch heute schmerzt mich die Erinnerung an dieses mandeläugige Mädchen, dessen Foto ich Tag für Tag angesehen, deren Tagebuch ich gelesen, deren Kleidung ich nach Hinweisen darauf, wo sie gewesen sein könnte, beschnüffelt, deren Schuhe ich auf Feuchtigkeit und Erde untersucht hatte, in dem verzweifelten Bemühen, ihren Aufenthaltsort herauszufinden. Sehr gut möglich, dass ich ihren Mörder an jenem Abend auf dem Campus herumfahren sah. Normalerweise hätte ich genau hingesehen, weil das Auto keinen Aufkleber der Uni hatte, aber an jenem Tag fuhren zahllose Gästeautos auf dem Unigelände herum. Keinerlei illegale Aktivitäten wurden beobachtet oder angezeigt. Der Tag glich allen anderen, mit einer Ausnahme: Eine gefährliche Persönlichkeit war auf dem Campus, ein Raubtier und Serienmörder, der später noch sehr oft tötete.

Der Campus von Brigham Young gehört zu den sichersten im ganzen Land, und doch hatte jemand einen Menschen von dort entführt und umgebracht. Wie konnte so etwas passieren, und wer tat so etwas? Ein schauriger Gedanke, welch verheerendes Leid ein einziger Mensch anderen zufügen kann, und zwar nicht nur seinen Opfern, sondern auch denen, die die Opfer geliebt haben! Ich war ein 22-jähriger Streifenpolizist, als mir wirklich klar wurde, dass es auf diesem Planeten gefährliche Persönlichkeiten gibt und wir alle deswegen niemals völlig in Sicherheit sind. Mich schaudert es bei dem Gedanken daran, was Sue Curtis, gerade einmal 15 Jahre alt, an jenem Abend allein mit einem Raubtier durchleiden musste, bevor sie starb.

Dieser Vorfall hat letztlich dazu geführt, dass ich Profiler wurde, davon bin ich überzeugt. Erst arbeitete ich für das FBI in Tampa, dann wurde ich in die National Security Division befördert, Abteilung Verhaltensanalyse. Es wurde zu meiner privaten wie beruflichen Besessenheit, kriminelles und anormales Verhalten zu verstehen. Sue Curtis war verschwunden, während ich Streife lief. Ich hatte den ersten Untersuchungsbericht formuliert. Nach diesem tragischen Ereignis begann ich, Material zu sammeln, und zwar bei denjenigen, die sich mit gefährlichen Persönlichkeiten am besten auskannten: bei den Kriminellen selbst und bei ihren Opfern.

Im Verlauf von vier Jahrzehnten lernte ich, dass es bestimmte hochgefährliche Persönlichkeiten gibt. Wieder und wieder brechen sie das Gesetz, quälen Menschen, stürzen sie ins Unglück, rauben ihnen Geld oder Leben. Von diesen gefährlichen Persönlichkeiten, die so viel Leid verursachen, handelt dieses Buch. Auch Sie sollen erfahren, was ich über Kriminelle, anormales Verhalten und gefährliche Persönlichkeiten gelernt habe. Es könnte Ihr Leben retten.

Gefährliche Persönlichkeiten – sie sind da draußen

Wir alle kennen die schlimmen Schlagzeilen: Ein einzelner Mensch betritt ein Bürogebäude, eine Schule, eine Ferienanlage o. Ä., eröffnet ohne erkennbaren Anlass das Feuer und tötet oder verletzt Scharen unschuldiger Opfer. Nach all diesen Tragödien, wenn das Chaos vorüber ist und die Opfer begraben oder versorgt (und wie auch ihre Angehörigen fürs Leben gezeichnet) sind, kommt immer wieder die Frage auf: »Wer tut so etwas, und wie hätte das hier verhindert werden können?«

Tragödien wie an der Columbine Highschool, wie in Oslo und in Winnenden beherrschen die Schlagzeilen und beschäftigen uns monatelang. Leider passieren solche Massaker viel zu oft – allein in Amerika durchschnittlich 18 bis 20 Mal pro Jahr.1 Sie geschehen in solch schrecklicher Regelmäßigkeit – eineinhalb Mal im Monat! –, dass wir wie gelähmt zusehen. Ungläubig fragen wir, wie viele Menschen diesmal getötet wurden. 8, 16, 26 oder gar 77 (wie in Oslo durch Anders Behring Breivik, einen narzisstischen Rassisten)?

Diese Tragödien erschüttern uns so, dass sie unsere Wahrnehmung darüber verzerren, welche Täter die meisten Menschen umbringen. Denn die traurige Wahrheit lautet: Auf jeden Massenmörder kommen Hunderte Menschen, die ein Kind, eine Freundin, einen Ehepartner umbringen – Ereignisse, die es in den großen Zeitungen Amerikas gerade mal auf Seite sechs schaffen. Der Großteil der Gewalt findet unterhalb des Radars der Öffentlichkeit statt und schafft es nie in die landesweiten Nachrichten. Und ist doch genau die Gewalt, die uns am ehesten trifft.

Die Psychopathen in unserer Mitte begehen ihre Taten hinter verschlossenen Türen; zu Hause, in Kirchen, in Büros. Oft suchen sie sich arglose, nichts ahnende Opfer – und meistens schöpft niemand Verdacht, bis es zu spät ist. In die Schlagzeilen kommen Täter nur in dem seltenen Fall, dass sie auch erwischt werden. Sie sind für einen Großteil der fast 15.000 Morde, 4,8 Millionen Fälle häuslicher Gewalt, 2,2 Millionen Einbrüche, 354.000 Raubüberfälle und gut 230.000 sexuellen Gewalttaten verantwortlich, die jährlich in den Vereinigten Staaten begangen werden. Viele dieser Taten werden niemals angezeigt oder bestraft. Andere Täter stehlen wie Bernie Madoff alten Menschen und Freunden Geld – in Madoffs Fall über Jahre hinweg und Tausenden Opfern. Oft bleiben sie jahrzehntelang unbehelligt und zerstören ein Leben nach dem anderen, wie der notorische Kinderschänder Jerry Sandusky.

Erinnern Sie sich einmal an jene Episoden in Ihrem Leben, als jemand Ihnen etwas gestohlen oder Sie schmerzlich übervorteilt hat. Vielleicht wurde bei Ihnen zu Hause eingebrochen oder Ihr Auto geknackt. Vielleicht sind Sie auch mit jemandem ausgegangen, der sich als üble Type herausstellte, vielleicht wurden Sie in der Schule oder im Büro gemobbt. Vielleicht wurden Sie tätlich angegriffen, ausgeraubt oder sexuell missbraucht. Vielleicht haben Sie die Tat nie zur Anzeige gebracht, vielleicht wurde nie ein Täter gefunden. Um uns herum geht viel Illegales vor, das nie angezeigt wird, und selbst in den angezeigten Fällen muss der Täter nur selten ins Gefängnis. Seit 60 Jahren wissen Kriminologen, dass weniger als ein Prozent aller Verbrecher je für ihre Taten ins Gefängnis kommen.

Für uns bedeutet das, dass die meisten derjenigen Menschen, die uns schaden können – jene gefährlichen Persönlichkeiten –, nie Ärger mit der Polizei bekommen, nie gefasst werden und jahrelang weitermachen, bevor jemand sie stoppt. Und wir reden hier nur von körperlicher Gewalt. Andere Täter richten emotionalen, seelischen oder finanziellen Schaden an. Auch diese Menschen sind gefährliche Persönlichkeiten, denn auch sie stellen für uns eine Bedrohung dar.

Wieso vier gefährliche Persönlichkeitstypen?

Während meiner Arbeit als Profiler beim FBI fiel mir ein Muster darin auf, welche Typen uns hauptsächlich beschäftigten: sogenannte Intensivtäter – Menschen, die ständig anderen Menschen Schaden zufügten, Gesetze übertraten, gewaltige Risiken eingingen, Menschen ausnutzten oder misshandelten und ganz allgemein Leid und Schmerz verbreiteten – nicht ein Mal, nicht zwei Mal, sondern wieder und wieder.

Im Lauf meiner Arbeit erfuhr ich, dass manche Menschen einfach gemein sind, verlogen und manipulativ, und genüsslich andere ausnutzen. Respekt vor ihren Mitmenschen oder dem Gesetz kennen sie nicht. Sie sind emotional aufreibend, oft grausam, herzlos und ausbeuterisch. Und sie machen ganz ungeniert immer weiter.

In meiner Karriere jagte, verhaftete und verhörte ich Vergewaltiger, Mörder, Kidnapper, Bankräuber, Betrüger, Pädophile und Terroristen. Dabei erfuhr ich am eigenen Leib, wie gerissen solche Typen sein können. Von außen betrachtet wirken sie ganz normal. Oft sind sie intelligent, interessant, charmant und attraktiv. Aber sie sind immer gefährlich.

Im Jahr 1995 traf ich Kelly Therese Warren zum ersten Mal. Sie war 30 Jahre alt und lebte mit Mann und Kind in Georgia. Sie hatte in Deutschland als Sekretärin beim US-Militär gedient und war ehrenhaft entlassen worden.

Kelly lächelte viel, umarmte mich bei jeder Begrüßung herzlich und bot mir immer süßen Eistee an. Über den Sommer hinweg sah ich sie mehr als ein Dutzend Mal. Sie erzählte mir vom Leben in der Army, in Deutschland, und wie es war, arm und im amerikanischen Süden aufgewachsen zu sein. Sie war lustig, fröhlich und immer bereit, meine Fragen zu beantworten. Über ein Jahr lang half sie mir und meinen FBI-Kollegen bei der Suche nach einem Agenten, der für die Sowjetunion spioniert hatte. Sie fütterte uns mit etlichen Informationen, denen wir eifrig nachgingen. Ein Jahr lang glaubten wir ihr aufs Wort.

Aber irgendetwas stimmte nicht. Nichts von dem, was Kelly erzählte, ließ sich erhärten. Es dauerte eine Weile, das herauszufinden, weil die Spuren alle nach Europa führten. Doch irgendwann konnten wir sie mit den Tatsachen konfrontieren. Jetzt stellte sich heraus, dass sie nicht nur gelogen hatte, sondern dass sie selbst es gewesen war, die ihr Land verraten hatte. Sie hatte dem Ostblock die streng geheimen Strategiepapiere verkauft, die sie getippt hatte.

Kelly mit ihrem süßen Lächeln und ihrem süßen Tee sollte uns als Warnung dienen, dass gefährliche Persönlichkeiten charmant, lustig und interessant sein können, aber sie denken sich auch nichts dabei, eine ganze Nation – oder in ihrem Fall eine ganze Reihe von Ländern – in Gefahr zu bringen. Inzwischen wurde Kelly wegen Spionage zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Typen wie sie haben einen üblen Charakter, es fehlt ihnen schlicht an Moral. Man darf ihren Worten nicht trauen, sich nie auf sie verlassen und nie darauf vertrauen, dass sie einem nichts antun. Aufgrund ihrer Charaktermängel verwüsten sie das Leben derjenigen, die ihnen begegnen, wie ein Wirbelsturm.

Im Lauf der Jahre identifizierte ich vier Persönlichkeitstypen, die für den Großteil des Leids verantwortlich sind, das wir erleben. Sie stehlen unser Geld, rauben uns den letzten Nerv, schlagen oder töten uns. Von diesen Typen handelt dieses Buch:

• der narzisstischen Persönlichkeit,• der emotional instabilen Persönlichkeit,• der paranoiden Persönlichkeit,• der dissozialen Persönlichkeit.

Mein Ziel

Dieses Buch soll Ihnen vermitteln, was ich über Menschen weiß, die auf Ihren Schaden aus sind. Wir sind von gefährlichen Persönlichkeiten umgeben. Vielleicht gehört Ihr Nachbar, Freund, Chef, Date, Partner, Onkel oder Vater dazu. Auch Lehrer, Finanzverwalter, Ärzte, Polizisten – alle sogenannten Stützen der Gesellschaft – können Psychopathen sein. Deswegen müssen wir besonders aufpassen.

Das Böse hat viele Gesichter, und nur selten schwenkt es eine Fahne oder bläst in eine Trillerpfeife, um uns zu warnen: »Aufgepasst, ich komme!« Aus meiner Erfahrung als FBI-Agent weiß ich, dass Täter unglaublich geschickt darin sein können, sich Vertrauen zu erschleichen und dann auszunutzen. Dennis Rader, der als BTK-Killer bekannt wurde, lebte über 30 Jahre lang völlig unbehelligt in Park City. Dort war er Präsident der örtlichen Kirche, Hundefänger und öffentlicher Ordnungshüter. Gleichzeitig war er ein Serienmörder (mindestens zehn Opfer), der seine Opfer fesselte, folterte und tötete (auf englisch bind, torture, kill, daher BTK). Drei Jahrzehnte lang mordete er – ohne dass seine Frau, seine Kinder, die Stadtoberen oder seine Kirchenvorgesetzten es ahnten. David Russell Williams, ein dekorierter Oberst der kanadischen Luftwaffe, hielt ebenfalls vor seiner Frau und seinen Offizierskameraden geheim, dass er ein Serienvergewaltiger und -mörder war. Und denken Sie nur an die Horden katholischer Priester, die jahrzehntelang unter dem Schutz ihres Amtes Kinder missbrauchen.

Solche Fälle bringen uns ins Grübeln, wem wir denn überhaupt noch trauen dürfen. Wie können wir Gefahren erkennen und vermeiden? Am Ende bleiben uns nur unser angeborener Instinkt für Gefahren und unsere Beobachtungsgabe. In diesem Buch verrate ich Ihnen, auf welche Warnzeichen Sie achten müssen.

Wie leicht trügt der äußere Schein! Betrachten Sie nur den Fall von Ariel Castro, der drei Frauen entführte und mehr als ein Jahrzehnt lang (!!) in seinem Haus gefangen hielt, wo er sie misshandelte und vergewaltigte. All seine Nachbarn priesen ihn als »tollen Kerl«, der immer freundlich grüßte.

Hätten Nachbarn, Verwandte oder Freunde doch nur genauer hingesehen! Leider ist soziale Blindheit die Regel, nicht die Ausnahme. Das liegt zum einen daran, dass die Gesellschaft es gar nicht schätzt, wenn Menschen im Leben anderer herumschnüffeln, und man daher seinen Nachbarn, Freund, Kollegen im Zweifelsfall in Ruhe lässt. Es liegt aber auch daran, dass die meisten Menschen schlicht nicht wissen, worauf sie achten müssten.

Ich will nicht, dass Sie Opfer werden. Ich will nicht, dass Sie durchmachen, was ich so oft gesehen habe und was so viele schon durchgemacht haben. Ich will, dass Sie ein glückliches, erfülltes Leben führen. Aber ich weiß, dass da draußen gefährliche Typen nur darauf warten, Sie zu quälen und Ihnen etwas wegzunehmen. Wenn Sie daran zweifeln, schauen Sie nur in die Zeitung.

Hinterher fragt sich jedes Opfer: »Wie konnte mir das passieren? Wieso habe ich die Vorzeichen nicht erkannt?« Dabei ist uns allen schon Ähnliches passiert, auch mir.

Hinterher ist man immer klüger, aber mittendrin sieht die Sache anders aus. Das muss allerdings nicht so sein – wenn wir wissen, auf welche Signale wir achten müssen. Wir Ermittler wissen, dass es fast immer Persönlichkeitsmerkmale oder Verhaltensauffälligkeiten gibt, die den Eingeweihten warnen: Vorsicht, hier stimmt etwas nicht, pass auf, bring dich in Sicherheit. Diese Signale wurden von Opfern oft nicht erkannt oder gezielt ignoriert.

Genau dort setzt dieses Buch an. Ich will Ihren Blick dafür schärfen, wann jemand plant, Sie zu übervorteilen oder zu verletzen. Für die eigene Sicherheit ist jeder selbst verantwortlich. Das können wir an niemanden delegieren. Tun wir es doch, geht es wahrscheinlich schief. Die Polizei ist überlastet, die psychiatrischen Kliniken sind überfüllt, die Gerichte lassen zu viele Verdächtige laufen, außerdem werden die meisten Täter ohnehin nie gefasst. Wir müssen also selbst für unsere Sicherheit sorgen.

Wie schön wäre es, wenn wir diese Typen mit einem einzigen Klick aus unserem Leben entfernen könnten wie nervige Pop-up-Werbung im Internet. Aber das geht nicht. Also müssen wir aufpassen. Ich möchte mein Wissen mit Ihnen teilen, weil niemand ständig einen Experten bei sich hat, den er fragen könnte: »Was meinst du, ist der hier gefährlich?« »Ist der hier ein netter Mensch?« »Darf ich ihr mein Kind anvertrauen?« »Darf ich bei ihm investieren?« »Sollte ich sie zu meiner Zimmergenossin machen?« »Hat dieser Manager das Zeug dazu, mein Unternehmen zu ruinieren?« »Kann ich ihn über Nacht mit nach Hause nehmen?« Diese Entscheidungen können nur Sie selbst treffen, auch wenn Sie bisher gar nicht das Wissen dafür haben, andere Menschen richtig einzuschätzen. Wenn wir nur eine dieser Fragen heute falsch beantworten, liest man das Ergebnis vielleicht schon morgen auf der Titelseite der Zeitungen.

Ich will Ihnen beibringen, wie man in anderen Menschen Charaktermängel erkennt und so die Wahrscheinlichkeit reduziert, emotionalen, seelischen, finanziellen oder körperlichen Schaden zu erleiden. Benjamin Franklin brachte das schön auf den Punkt: »Eine Investition in Wissen bringt die höchsten Zinsen.« Und in diesem Fall kann sie sogar Ihr Leben retten.

Die Checklisten für gefährliche Persönlichkeiten

In meiner Arbeitswelt konnten wir uns nicht den Luxus leisten, Verdächtige ausführlich zu begutachten. Die Entscheidungen, wen man überprüfen, durchleuchten, beobachten, befragen, verhören, mit Vorwürfen konfrontieren oder verhaften sollte, mussten spontan getroffen werden. Auch während Verhandlungen mit einem Entführer konnten wir schlecht sagen: »Warten Sie bitte eine Sekunde, wir erkundigen uns schnell bei einem Experten, welcher Persönlichkeitstyp Sie sind, damit wir wissen, wie Sie vermutlich reagieren.« So läuft das nicht. Das Leben läuft im Eiltempo, und Entscheidungen müssen schnell getroffen werden.

Wenn es Spitz auf Knopf stand, zählte unser Allgemeinwissen über menschliches Verhalten – aber eben auch unser stetig wachsendes spezifisches Wissen darüber, wie die vier gefährlichen Persönlichkeitstypen sich verhalten. Im Lauf der Zeit entwickelte ich nach Gesprächen mit Tätern, aber auch mit Experten und Opfern Checklisten, anhand derer wir uns sehr rasch ein Urteil über Menschen bilden konnten. Diese Checklisten habe ich über Jahre benutzt und verfeinert; sie haben sich im Alltag der Strafverfolgung gut bewährt.

In diesem Buch verrate ich Ihnen, was vorher nur ausgesuchte FBI-Profiler wussten.

In den folgenden Kapiteln werde ich die typischen Erkennungsmerkmale der vier Persönlichkeitstypen vorstellen: wie sie sich verhalten, wie wir uns beim Umgang mit ihnen fühlen, wo und wie wir ihnen begegnen. Zur Veranschaulichung schildere ich Beispiele aus dem Alltagsleben, aus meinen Fällen und aus den Medien. Jedes Kapitel schließt mit einer Checkliste zum Erkennen des jeweiligen Persönlichkeitstyps. In allgemeinverständlicher Sprache beschreibe ich, auf welche Warnsignale zu achten ist. Anhand des Punktesystems der Checklisten können Sie selbst einordnen, ob jemand ein »milder«, »mittlerer« oder »ernster« Fall einer bestimmten Persönlichkeitsstörung ist, also nervig, schädlich oder gar gefährlich.

Die Checklisten zeigen Ihnen:

• die am häufigsten beobachtbaren Charaktermerkmale und Verhaltensweisen, die zur Vorsicht mahnen.• die Merkmale, Verhaltensweisen und Begebenheiten, die normal wirken, tatsächlich aber von Gefahr zeugen.• was Sie in Zukunft von dieser Person erwarten können.• welche Bedrohung diese Person für Sie und Ihr gesamtes Umfeld darstellt.

Die Checklisten sind ganz spezifisch und sehr detailliert – viel detaillierter als diejenigen, anhand deren Psychiater Persönlichkeitsstörungen diagnostizieren.

Ich vermeide es – anders als andere Autoren zu diesem Thema – bewusst, konkrete Wahrscheinlichkeiten zu beziffern. Wenn ich schriebe, diese oder jene Persönlichkeitsstörung trete bei vier Prozent der Bevölkerung auf, würde das den Leser meiner Ansicht nach nur ablenken. Mir geht es nicht um Statistiken, sondern um Menschen! Ich sehe die Gefahr, dass jemand sich sagt: »Ach, die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mensch nicht gestört ist, liegt bei 96 Prozent, also brauche ich mir keine Sorgen zu machen.« Genau diesen Trugschluss versuche ich zu verhindern. Es reicht bereits eine einzige Begegnung mit einer gefährlichen Persönlichkeit – unterwegs, im Büro, im Auto, zu Hause, im Schlafzimmer –, und Ihr ganzes Leben kann den Bach runtergehen. Deswegen konzentrieren wir uns auf Verhaltensweisen, nicht auf Wahrscheinlichkeiten, und ordnen dieses Verhalten anhand unserer Checklisten ein.

Mir ist natürlich auch bewusst, dass bestimmte Störungen vornehmlich bei Frauen bzw. Männern auftreten.2 So werden dissoziale Störungen öfter bei Männern diagnostiziert, während Borderline-Störungen (die oft mit emotionaler Instabilität verbunden sind) vermehrt bei Frauen auftreten. Trotzdem wäre es ein Fehler, bestimmte Störungen mit bestimmten Geschlechtern zu assoziieren. Lassen Sie uns ganz unvoreingenommen von Statistiken einfach die Tatsachen betrachten. Schauen wir uns an, wie Menschen sich verhalten. Daran zeigt sich, mit welcher Art Mensch wir es zu tun haben.

Wichtige Warnung

Vergessen Sie beim Lesen dieses Buches nie, dass ich kein Psychiater oder Psychologe bin und das Buch keine Diagnoseanleitung darstellt. Mein Fachgebiet ist Beobachtung und Interpretation menschlichen Verhaltens. Dieses Buch beschreibt, wie man gefährliche Persönlichkeiten anhand ihres Verhaltens erkennt. Es soll Ihnen helfen, sich und Ihr Umfeld zu schützen.

Es gibt einen Haufen hervorragender Bücher über Geisteskrankheiten, Psychopathologie und Persönlichkeitsstörungen, in denen mögliche Gründe und Behandlungsansätze erläutert werden. Besorgen Sie sich ein Fachbuch, wenn diese Aspekte für Sie zählen. Mein Buch ist strikt aus der Perspektive eines Ex-FBI-Agenten geschrieben, der häufig mit diesen Typen zu tun hatte. Mir geht es nicht um Gründe für die Störungen oder um Behandlungsmethoden – damit sollen sich die entsprechenden Fachleute beschäftigen.

Im Literaturverzeichnis finden Sie eine breite Palette von Büchern, die von Ärzten, Kriminologen, Ermittlern, Forensikern, aber auch von Opfern geschrieben wurden.

Viele Titel gehen der Frage nach, warum diese Typen so sind, wie sie sind. Darauf kommt es mir nicht an, aus einem einfachen Grund: Die Antwort auf diese Frage ist Ihnen schlicht egal, wenn jemand Sie ständig erniedrigt, Ihr Bankkonto plündert, Ihr Kind missbraucht hat oder Sie mit einem Gürtel würgt. Für Sie zählt nur, wie Sie da wieder rauskommen.

Während meiner jahrzehntelangen Ermittlertätigkeit galt: Je besser wir die Persönlichkeit eines Täters verstanden, desto besser standen unsere Chancen, ihn zu erwischen und weitere Straftaten zu verhindern. Bei Geiselnahmen beispielsweise verhandelt man ganz unterschiedlich, je nachdem, ob man es mit paranoiden, dissozialen, narzisstischen oder emotional instabilen Persönlichkeiten zu tun hat. Auch eventuelle Maßnahmen zur Rettung der Geiseln hängen sehr stark vom Persönlichkeitstyp des Täters ab. Vom Tätertyp hängt also ab, wie die Sache enden wird. Deswegen heißt es in der Verhaltensanalyse: »Die beste Vorhersage für zukünftiges Verhalten bekommt man aus dem früheren Verhalten.« Oder, um einen legendären Denker über die menschliche Natur zu zitieren:

»Wir sind, was wir wiederholt tun.« Aristoteles

Wenn Sie also nach dem Warum suchen, sind Sie hier falsch. Wenn Sie aber wissen wollen, wie gefährliche Persönlichkeiten denken und handeln, wenn Sie sich, Ihre Familie oder Ihr Geschäft beschützen wollen, dann stellt dieses Buch einen guten Anfang dar.

Ein letzter Gedanke, bevor es losgeht

Von meiner Ausbildung und persönlichen Philosophie her strebe ich danach, alle Menschen mit Anstand und Respekt zu behandeln. Gleichzeitig finde ich, dass niemand eine soziale Verpflichtung hat, sich zum Opfer machen zu lassen. Lassen Sie mich das wiederholen: Niemand hat eine soziale Verpflichtung, sich zum Opfer machen zu lassen. Deswegen habe ich dieses Buch geschrieben. Mir ist nur eines wichtig: Ihr Wohlergehen. Mir sind Sie wichtig, Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Großeltern. Möge niemand von ihnen zum Opfer werden.

Ich habe nicht die Absicht, Sie zu erschrecken. Nein, ich will Sie stärken. Ich will Sie für diese Persönlichkeitstypen sensibel machen, sodass Sie sie erkennen, bevor sie Ihnen Schaden zufügen können, bzw. sich von ihnen losmachen können, wenn sie Ihnen bereits schaden. Ich will Ihnen dabei helfen, ein »Radar« für Verhaltensweisen zu entwickeln, die warnen: Vorsicht, pass bei diesem Menschen auf, langsam, vertrau ihm nicht!

Je besser das jedem Einzelnen gelingt, desto sicherer wird unsere Gesellschaft. Vielleicht können wir so die nächsten Tragödien verhindern, wie sie von extrem gefährlichen Typen angerichtet wurden.

Wenn dieses Buch Ihnen dabei hilft, einen Psychopathen zu identifizieren und sich vor ihm zu schützen, dann habe ich mein Ziel erreicht.

Anmerkungen:

1Time, 6. August 2012, S. 28 f.

2American Psychiatric Association, 2013

Erstes Kapitel

»Alles dreht sich um mich.«

Die narzisstische Persönlichkeit

Von all den Schubladen, in die wir unsere Mitmenschen ständig gedankenlos stecken, ist diejenige mit der Aufschrift »Narzisst« vielleicht die vollgestopfteste. Als »narzisstisch« oder »selbstverliebt« gelten uns schon Leute, die Hotels nach sich selbst benennen oder ständig im Rampenlicht stehen müssen.

Ja, viele Menschen genießen es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber daran ist nichts Schlimmes. Erst wenn die Sucht nach Aufmerksamkeit krankhaft wird, wenn ein Mensch rücksichtslos anderen schadet, um sich selbst zu profilieren, dann wird es gefährlich. Und erst dann haben wir es mit einer narzisstischen Persönlichkeit zu tun.

Narzissten interessieren sich ausschließlich für sich selbst, für ihre eigenen Bedürfnisse und ihre eigenen Wünsche. Während Sie und ich uns über Aufmerksamkeit freuen, giert die narzisstische Persönlichkeit danach; sie manipuliert Menschen und Situationen, bis sie sie bekommt. Sie und ich, wir strengen uns vielleicht an, um Erfolg zu haben, doch die narzisstische Persönlichkeit geht dafür über Leichen: Um aufzusteigen, lügt, betrügt und intrigiert sie skrupellos – welche Schäden sie dabei anrichtet, ist ihr völlig egal.

Diese Typen finden sich in jeder Gesellschaftsschicht, auch ganz oben, wo sie, wie die Geschichte gezeigt hat, Kriege angezettelt und ganze Völker ausgerottet haben. Aber vielleicht sitzt ja auch einer im Büro neben Ihnen, auf dem Barhocker, in der Umkleidekabine, am heimischen Esstisch, im Klassenzimmer, in der Kirchenbank.

Aschenputtel, das Märchen mit der grausamen Stiefmutter und den zwei völlig von sich selbst besessenen Halbschwestern, versinnbildlicht die ausbeuterische Natur des Narzissmus. Es geht dabei um Menschen, die ihre Selbstsucht auf Kosten anderer ausleben. Die berühmteste Version der Geschichte ist der Disney-Zeichentrickfilm Cinderella, doch historisch sind mehr als 300 Varianten des Märchens belegt.1 Offenbar hielten es viele Kulturen für notwendig, uns vor diesen Typen zu warnen, und mit gutem Grund.

Ebenso wie Aschenputtels Stiefmutter und ihre Töchter finden sich narzisstische Persönlichkeiten nahezu perfekt, und jeder, der keine ebenso hohe Meinung von ihnen hat, ist ein Niemand, den man verunglimpfen oder misshandeln darf. Während allerdings Disneys Cinderella glücklich endet, retten uns im wahren Leben keine gute Fee und kein Prinz vor diesen Tyrannen. Das müssen wir schon selbst erledigen.

Grundzüge der narzisstischen Persönlichkeit

Narzissmus darf nicht mit Selbstbewusstsein verwechselt werden. Selbst-bewusstsein ist etwas Bewundernswertes – man ist sich seiner Stärken, aber auch seiner Schwächen bewusst. Das »Selbstbewusstsein« des Narzissten ist in Wirklichkeit Arroganz – eine Charaktereigenschaft, die zu Größenideen und zu rücksichtslosem Streben nach Erfüllung der eigenen Bedürfnisse führt, oft auf Kosten anderer.

Gelegentlich bringen große Ideen eine Gesellschaft voran. Nehmen Sie nur die Fortschritte, die durch die Erfindung der Elektrizität und durch die Landung auf dem Mond erzielt wurden. Auch Walt Disney hatte grandiose Ideen von einem »magischen« Ort, an dem sich Kinder und Erwachsene amüsieren sollten. So entstanden Disneyland, Disney World und Eurodisney.

Doch die Visionen der narzisstischen Persönlichkeit sehen ganz anders aus. Sie zielen nicht darauf ab, das Leben anderer Menschen besser oder schöner zu machen – sie sollen das Leben des Narzissten schöner machen. Betrachten Sie Jim Jones, der in Guyana sein Jonestown gründete, um sich dort als gottähnliches Wesen verehren zu lassen. Am Eingangstor mussten seine Anhänger ihre Lebensersparnisse und ihren freien Willen abgeben. Außerdem mussten sie später auch bereit sein, mit Zyanid versetztes Kool-Aid zu trinken und sich so gemeinsam mit mehr als 900 weiteren Anhängern umzubringen.2

Sie sehen schon den Unterschied zwischen einer gesunden und einer gefährlichen Vision: Hinter der einen steckt der Gedanke, andere Menschen glücklich zu machen, hinter der anderen der Plan, sich selbst glücklich zu machen. Notfalls auch auf Kosten anderer – deswegen ist der Narzisst so gefährlich.

Egozentrisch

Als Kinder halten wir uns alle eine Zeit lang für den Nabel der Welt und glauben, ein ganz natürliches Recht darauf zu haben, dass all unsere Bedürfnisse erfüllt werden. Die narzisstische Persönlichkeit entwickelt sich im Grunde nie über dieses Stadium hinaus. Um ihr kindliches Bedürfnis danach zu stillen, ständig umsorgt und beachtet zu werden, schreckt die narzisstische Persönlichkeit vor nichts zurück, nicht einmal vor lächerlichen oder unsäglichen Aktionen.

Sie kommt zu spät zu Besprechungen, Partys, Familienfeiern; sie hält den Betrieb auf und zwingt andere, auf sie zu warten oder umzuplanen. Dann legen sie einen dramatischen Auftritt hin, damit jeder sie beachtet. Sie teilen gern jedermann mit, dass sie die klügste Person im Raum sind. Viele von ihnen sind schamlose Namedropper; ständig erwähnen sie die Namen von Persönlichkeiten, die sie kennen, mit denen sie beim Mittagessen waren usw. So wollen sie Ihnen das Gefühl vermitteln, sie verkehrten mit wichtigen Leuten.

Für die narzisstische Persönlichkeit ist es entscheidend, jederzeit gut dazustehen. Diese Menschen bewundern sich selbst gern im Spiegel. Sie achten sehr auf ihre äußere Erscheinung (was sich in Fitness-Fixierung und einem übertriebenen Hang zu Schönheitsoperationen äußern kann) und nutzen ihr Erscheinungsbild, um andere zu beeindrucken; auf Partys sind sie glücklich, wenn sich die gesamte Aufmerksamkeit auf sie richtet und sie den anderen Gästen unter die Nase reiben können, dass sie das Beste, Größte und Teuerste von allem haben.

Narzisstische Persönlichkeiten tun gern so, als hätten sie enorm viel geleistet. Selbst wenn das nicht im Geringsten stimmt, stellen sie sich doch gerne als brillante Investoren, Künstler, Musiker, Denker, Anführer oder Sänger hin. An Misserfolgen sind immer nur die anderen schuld. Von einer narzisstischen Persönlichkeit werden Sie niemals hören, dass sie einen Fehler gemacht hat, etwas nicht kann oder gar unbeliebt ist. Nein, die Welt hat sich gegen sie verschworen: das System, die Gesellschaft, ihr Chef, ihr Professor, die Wählerschaft. Wir erkennen einfach nicht, wie grandios dieser Mensch ist.

Behandelt die Umwelt narzisstische Persönlichkeiten nicht als die VIPs, als die sie sich selbst sehen, reagieren sie mit kindlichem Trotz: Sie schmollen, quengeln, wüten und werden gelegentlich sogar gewalttätig. Sie machen andere Menschen nieder, schieben ihnen die Schuld an allem zu, sind äußerst nachtragend und rachsüchtig – das ist ihre Natur.

Überschätzt sich, unterschätzt andere