Die Saggenbande sucht die verschwundene Frau - Michael Hohlbrugger - E-Book

Die Saggenbande sucht die verschwundene Frau E-Book

Michael Hohlbrugger

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Beschreibung

Im "Saggen", dem villenreichen Stadtteil von Innsbruck, verschwindet eine junge Frau spurlos. Der Fall ist in aller Munde. Der 12-jährige Samuel erfährt zufällig von diesem Fall, den er unbedingt aufklären möchte. Mit seinem Freund Enrico begibt er sich zum Schauplatz des Verbrechens. Unterwegs begegnen sie Samuels Mitschülerin Gitti, die sich den beiden anschließt. Wo aber sollen sie mit ihrer Spurensuche beginnen? Einen Hinweis haben sie nicht. Erste Tipps und Tricks holen sie sich von Gittis Großvater, der früher Journalist bei Gericht war und noch über bedeutende Kontakte verfügt. Unter raffiniert eingefädelter Ausnutzung dieser Kontakte, einigen Zufällen, Finesse, Geschick und Beharrlichkeit tragen sie von da an Teil für Teil eines komplizierten Puzzels krimineller Energie zusammen, die für die drei Freunde trotzdem noch so manche Überraschung bereithält.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Danksagung

Die Saggenbande und alle Personen, die in diesem Buch vorkommen, sind frei erfunden. Doch auf die Idee dafür brachte mich mein Freund Domi. Gemeinsam mit zwei weiteren Freunden (Flo und Veit) gründete er in den 80er Jahren den JDC (Jugenddetektivclub). Dominik hörte damals davon, dass eine Frau im „Saggen“ verschwunden sei. Die drei Freunde wollten sich auf die Suche nach dieser Frau machen. Somit war die Idee für dieses Buch geboren. Dann hat ein Fingertipp zum nächsten geführt, bis das Manuskript fertig vor mir lag. Danke an Eva, die diese Geschichte dann als Erste verfeinert hat. Dieses Buch wäre auch nicht ohne Sarah Milena entstanden. Vom ersten Moment an hat sie es mit Akribie gegengelesen und bei der einen oder anderen „Fine Green“ und dem einen oder anderen Gläschen Anregungen erteilt, kritisiert und ihre Meinung kundgetan.

Auch bei meiner Testleserin Katharina möchte ich mich bedanken. Ich hatte voll die Gaudi über dein Feedback. Und bei Markus möchte ich mich fürs Gegenlesen und sein Angebot, die Saggenbande auf die Bühne zu bringen, ganz herzlich bedanken. Euch allen ein herzliches DANKESCHÖN! Und auch jenen, die ich hier vergessen habe.

Für Sina

Meine Tochter, auf die ich so stolz bin. Ich bin so dankbar, dass sie mich als Vater ausgesucht hat.

Inhaltsverzeichnis

Apothekenbesuch mit Folgen

Die Gruppe formiert sich

Irgendwo

Der Schulterschluss

Eine Bekanntschaft

Das ersehnte Gespräch

Premierenbefragung

Irgendwo

Ein weiterer Schritt

Der Vertrag

Die zweite Begegnung

Ein Ausflug ins Einkaufszentrum

Der Samstagvormittag bei den Kids

Mit Mut und List zum Erfolg

Die Verfolgungsjagd

Der Zugriff und die Suche nach Beweismitteln

Irgendwo

Eine unerwartete Wendung

Auf dem Polizeirevier

Das Ende ähnelt dem Anfang

Apothekenbesuch mit Folgen

Samuel trat von einem Fuß auf den anderen. Die Rotphase der Fußgängerampel schien ewig zu dauern. Dabei wollte er doch unbedingt in die Apotheke kommen, bevor die Apothekerin diese zu Mittag zusperrte. Das neue Apothekenmagazin war gestern erschienen und in der Schule hatten drei Mitschüler von dem neuen Tigerposter erzählt, das in der Mitte des Heftes zu sehen war. Außerdem erhoffte sich Samuel, einen Traubenzucker geschenkt zu bekommen.

Die Ampel hatte noch immer nicht auf Grün geschaltet. Als die Kirchenglocken durch ihr Läuten die Mittagsstunde ankündigten, erschien endlich das grüne Fußgängermännchen auf der Ampel. Samuel sprintete los. Er befürchtete, dass die Tür genau vor seiner Nase zugesperrt werden würde. Aber das war zum Glück nicht der Fall. Er drückte die Eingangstür zur Apotheke auf und trat ein. Seine Hektik war unbegründet, denn keine der drei anwesenden Damen nahm von ihm Notiz. Die Apothekerin und ihre beiden Kundinnen waren ganz vertieft in ihr Gespräch. Das Glöckchen über dem Eingang, das bei Samuels Eintreten kurz ertönt war, hatte die Damen weder unterbrochen noch abgelenkt.

Samuel ging in die hintere Ecke des Verkaufsraums zu den Zeitschriften. Durch einen Spiegel, der in der Ecke montiert war, konnte er die drei Damen genau im Blick behalten. Eine der beiden Kundinnen kannte Samuel genau. Es war die Frau Schiebel, die bei ihm im Haus im zweiten Stock wohnte.

Die ältere Dame kleidete sich manchmal seltsam, war aber immer freundlich zu ihm. Heute trug sie einen violetten Hut mit einer grünen Feder. Die Farbe des Hutes und die rötliche Haarfarbe vertrugen sich nicht. Im Spiegel sah es so aus, als sei Frau Schiebel doppelt so alt. Auch der türkisene Blazer passte gar nicht dazu.

Die Apothekerin war über den Tresen gebeugt. Sie hatte ihren Kopf auf die linke Hand gestützt und sagte laut: „Nein, ich glaube es nicht! Hier bei uns, mitten in unserem schönen Stadtviertel! Und bei uns gleich um die Ecke! Dass so etwas überhaupt möglich ist!“ Die unbekannte dritte Frau ging einen Schritt zurück. Erst jetzt erkannte Samuel, dass die Apothekerin über eine Zeitung gebeugt war. „Ja, was es nicht alles gibt! Schrecklich, wirklich schrecklich! Jetzt werde ich vermutlich noch schlechter schlafen.“

Frau Schiebel schüttelte den Kopf und entgegnete: „Adelheid, bitte! Lass dich doch nicht verrückt machen! Der Artikel schließt nur die Möglichkeit ein. Es ist doch noch gar nichts bewiesen!“

Die Frau heißt also Adelheid, dachte Samuel und überlegte, was denn so schrecklich sein könnte.

Adelheid zog scharf die Luft ein. „Liebe Grete! Ich fasse es nicht!“ Damit war Frau Schiebel angesprochen, das wusste Samuel vom Türschild her. Grete Schiebel stand dort nämlich. Und wie es der Zufall so wollte, hieß ihr Mann Hans. Auf dem goldenen Türschild im zweiten Stock stand „Hans und Grete Schiebel“. Früher hatte Samuel gedacht, bei ihm im Haus würden die Hauptfiguren aus dem Märchen „Hänsel und Gretel“ wohnen. „Du glaubst tatsächlich, man müsse sich nicht fürchten?“ Diese Worte von Adelheid katapultierten Samuel zurück ins Hier und Jetzt. Ihre Frage unterstrich die Dame mit wilden Gesten in der Luft. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie unbeirrt fort: „Wie gesagt, ich hoffe du irrst dich nicht, aber ich befürchte, meine Liebe, du bist auf dem Holzweg!“

Bei Samuel fing irgendetwas an, in der Nase zu jucken.

„Noch einmal“, sagte Grete Schiebel mit einer Stimme, in die sie besonders viel Geduld zu legen versuchte. Wie eine Lehrerin, die zum fünften Mal der Klasse etwas erklären musste oder wollte. Das Jucken in Samuels Nase wurde immer schlimmer. „Dieser Artikel berichtet nur über einen Sachverhalt.“ Samuel versuchte, sich an der Nase zu kratzen, aber das Jucken wurde nicht weniger. „Darüber, dass etwas ...“ Samuel merkte nun, was kommen würde, wusste aber nicht, wie er dieses Unglück abwenden sollte. „... passiert sein könnte“, vernahm er noch, dann musste er laut niesen. Schlagartig war es still geworden in der Apotheke. Als er die Augen wieder öffnete, schauten ihn alle drei Damen erschrocken an. Erst jetzt schienen sie Samuel bemerkt zu haben.

„Kann ich dir helfen, junger Mann?“, erkundigte sich die Apothekerin. Sie hatte sich aufgerichtet. Samuel war ein wenig die Röte ins Gesicht gestiegen.

„Ja, ähm, ich wollte eigentlich nur schnell das Heft hier holen. Kann ich es mitnehmen?“

„Ja, sicher! Sonst noch was?“

Samuels Blick fiel auf die Plastikbox mit dem Traubenzucker. Allerdings traute er sich in dieser Situation nicht mehr, danach zu fragen.

„Nein, nein, danke!“, murmelte er.

„Ach! Samuel, du bist das“, sagte plötzlich Frau Schiebel erstaunt, der Samuels Blick nicht entgangen war.

„Oh, verdammt! Schon so spät?“ Die Apothekerin sah auf ihre Uhr. „Es ist schon zehn nach zwölf. Eigentlich hätte ich den Laden vor zehn Minuten zusperren müssen. So, meine Damen, kommen Sie doch bitte ein anderes Mal wieder, oder brauchen Sie noch etwas?“

„Ja, könnte ich noch einen Traubenzucker aus der Box nehmen?“, wollte Grete Schiebel wissen. Samuel sah seine Chance auch einen Traubenzucker zu bekommen, zögerte aber zu lange und ließ so die Gelegenheit verstreichen.

„Sicher.“ Die Apothekerin nickte.

Frau Schiebel nahm sich einen gelb verpackten. Die Damen und Samuel verließen das Geschäft.

„Ich rufe dich später an, Grete“, sagte Adelheid und ging weg. Samuel und Grete Schiebel machten sich auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung. Frau Schiebel lächelte. Sie reichte Samuel den Traubenzucker. Er strahlte. „Super, danke!“

„Hast dich wohl nicht zu fragen getraut?“

Samuel schüttelte den Kopf und stopfte sich den Traubenzucker in den Mund. Nachdem sie ein paar Meter schweigend zurückgelegt hatten, wollte Samuel wissen, worüber sich die Damen in der Apotheke so angeregt unterhalten hatten.

„Ach, dafür bist du noch ein bisschen zu jung! Es war eine Erwachsenengeschichte, die in der Zeitung stand. Dafür brauchst du dich noch nicht zu interessieren!“

Mit diesen paar Sätzen hatte sie die Neugier von Samuel gesteigert. Vorsichtig bohrte er nach: „Sie können mir doch alles erzählen, Frau Schiebel! Worum ging es denn in dem Artikel?“ Grete Schiebel schmunzelte.

„Samuel, wirklich. Ich würde es dir erzählen, aber es ist ja noch gar nicht sicher, dass es überhaupt passiert ist.“

„Was soll denn passiert sein?“

„Samuel, du Schlingel. Also gut. Ein Mädchen ist verschwunden. Vielleicht. Die Polizei ist sich nicht sicher. Und verschwunden ist sie scheinbar bei uns im Saggen.“

„In unserem Stadtteil? Wo denn da genau?“

„Samuel, jetzt ist aber genug“, wiegelte Grete Schiebel ab. „Erzähl mir lieber, was ihr heute in der Schule gemacht habt!“

Beim Gespräch über Lesen und Mathematik legten sie den restlichen Weg nach Hause zurück. Frau Schiebel schloss die Haustür auf. Im ersten Stock verabschiedeten sich die beiden und Samuel klingelte an der Wohnungstür seiner Familie. Nachdem seine Mutter geöffnete hatte, warf Samuel die Schultasche in die Ecke und zog sich hastig die Jacke aus.

„Mama! Wo haben wir die Tageszeitung?“

„Auf dem Lesetisch im Wohnzimmer, wie immer. Warum fragst du?“

„Nur so.“

„Wasch dir die Hände und komm essen!“ Widerwillig tat Samuel wie ihm geheißen. Gierig löffelte er das Kartoffelpüree und die Portion Blaukraut auf seinem Teller in sich hinein, was natürlich seiner Mutter überhaupt nicht gefiel.

„Samuel, setz dich gerade hin und iss langsam! So wie du in dich hinein schaufelst, möchte man meinen, du hast seit Wochen nichts mehr zu essen bekommen“, kam es von ihr im Minutentakt. Doch dies führte nur zu kleinen Unterbrechungen, ehe es im gleichen Tempo weiterging. Samuels Jagdinstinkt war nun geweckt. Da konnte seine Mutter ihn noch so oft ermahnen, das Essen war nur eine ungewollte, vielleicht notwendige Zwischenstation.

Kaum war der Teller von Samuel leer, ließ er den Löffel fallen, sprang auf und sagte: „Mama, danke für das Essen, ich bin in meinem Zimmer.“

„Nicht so schnell, junger Mann! Zuerst räumst du deinen Teller in den Geschirrspüler, dann zeigst du mir noch, welche Hausübungen du machen musst.“

Jeglicher Protest half nichts. Samuel musste sich fügen und tat wie ihm geheißen. Zehn Minuten später war er endlich in seinem Zimmer. Alleine! Samuel hatte sich die Zeitung aus dem Wohnzimmer geholt, lag nun auf seinem Bett und blätterte sie durch. Den Sportteil ignorierte er, da würde die Nachricht nicht stehen. Samuel blätterte die Zeitung durch. Es dauerte, bis er die Kurzmeldungen im Innsbrucker Lokalteil fand. Eifrig begann er zu lesen: „Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe! Seit zwei Tagen wird eine junge Frau (Name der Redaktion bekannt) vermisst. Zuletzt wurde die gesuchte Person bei der Bushaltestelle Bundesbahndirektionen der Linie R in der Bienerstraße gesehen. Dies war vor zwei Tagen gegen 20:00 Uhr. Laut Angaben eines Kollegen trug sie zu diesem Zeitpunkt einen schwarzen Rock, der bis zu den Knöcheln reichte, außerdem eine rote Bluse und einen dunkelblauen Blazer. Dazu flache schwarze Schuhe mit einer applizierten silbernen Blume. Die Dame ist etwa 175 Zentimeter groß, von schlanker Figur und hat blonde Haare und blaue Augen. Sie ist 25 Jahre alt. Die Innsbrucker Polizei geht nach eigenen Angaben vorerst nicht von einem Verbrechen aus, kann das allerdings zu diesem Zeitpunkt auch nicht ausschließen. Hat irgendwer die junge Frau gesehen oder kennt jemand den Aufenthaltsort dieser Person? Jeder Hinweis ist wichtig und hilft uns, die Person wiederzufinden! Für sachdienliche Hinweise wenden Sie sich bitte an folgende Nummer: 0512/345/0.“

Samuel las den Text ein zweites und ein drittes Mal. Die Bienerstraße war nicht weit entfernt von seinem Zuhause und lag zudem auf seinem Schulweg.

„Warum liegst du auf dem Boden und ... was machst du bitte mit der Zeitung?“, fragte seine Mutter, die plötzlich im Zimmer stand.

„Ich, ähm“, stammelte Samuel bereits zum zweiten Mal an diesem Tag. „Ich wollte eigentlich nur auch einmal in der Zeitung lesen, so wie du und Papa“, fiel ihm Gott sei Dank noch ein.

„Die Zeitung ist aber nichts für Jungs in deinem Alter!“ Mit diesen Worten faltete die Mutter die Zeitung zusammen und nahm sie an sich. „Und jetzt mach deine Hausübung, wenn du heute noch zum Fußballtraining gehen willst!“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer.

Samuel setzte sich an den Schreibtisch und begann den Mathematikzettel zu bearbeiten. Doch seine Gedanken waren bereits ganz woanders. Eine junge Frau war verschwunden, und zwar im Innsbrucker Stadtteil „Saggen“, wenige hundert Meter von seinem Zuhause entfernt. Ihm wurde ganz heiß. Dieses Mädchen, nein, diese Frau könnte für Samuel die Erfüllung eines lang gehegten Traums sein.

Er blickte auf die Uhr. Zehn Minuten nach eins. Eine Stunde und zwanzig Minuten, dann würde sein Freund Enrico kommen. Dann, ja dann wird der Startschuss für das Unternehmen „Verschwundene finden“ fallen.

Die Gruppe formiert sich

Die Uhr zeigte 14:40 Uhr, als es an der Tür klingelte. Samuel hatte die Hausübung gemacht und ungeduldig auf seinen Freund gewartet.

Die letzten fünfzig Minuten waren ihm vorgekommen, als hätten sie drei Wochen gedauert, trotz Ablenkung mit Gameboy und Apothekermagazin. Es war fast wie am Heiligen Abend, wenn die Kinder auf die Erlösung durch das Läuten des Glöckchens warten, welches den Besuch des Christkindes ankündigt, ehe sie ins Zimmer mit dem beleuchteten Baum gehen dürfen. In diesem Fall hatte das Läuten der Türklingel Samuel erlöst. Der schrille Ton kündigte die Ankunft von Enrico an. Samuel flitzte zur Tür und riss sie auf. Enrico hatte heute ein schwarz-grün kariertes Hemd an, dazu eine Jeans und weiße Sportschuhe. An seiner Schulter baumelte die Sporttasche, da später noch das Fußballtraining auf dem Programm stand.

„He, Kumpel!“ Enrico grinste aus seinem runden Gesicht, welches von seinem Markenzeichen, einer schwarzen Lockenmähne, umrandet wurde. Enrico war einen Kopf größer als Samuel. Nach dem Begrüßungsritual zog dieser seinen Freund in sein Zimmer.

„Ich muss dir etwas zeigen.“ Enrico hatte gerade noch Zeit, Samuels Mutter zuzuwinken, ehe sich die Zimmertür schloss.

„Was ist denn los, Sam?“ Das Verhalten seines Freundes erschien Enrico doch ein wenig eigenartig.

„Warte hier!“ Samuel lief aus seinem Zimmer und kam wenige Sekunden später mit der Zeitung in der Hand zurück. Er blätterte sie durch und zeigte Enrico den Artikel. Enrico las, dann blickte er seinen Freund lange an.

„Ich weiß genau, was du möchtest. Du träumst doch schon lange davon, einmal Detektiv sein zu können. Und jetzt siehst du deine Chance gekommen, stimmt´s?“

Er grinste. „Sicher, das ist unsere Chance! Stell dir vor, wir finden sie! Bist du dabei?“, platzte Samuel heraus.

Ohne zu überlegen, meinte Enrico: „Ja, sicher!“ Er unterstrich dies noch mit heftigem Nicken. „Aber warum bist du so sicher, dass wir – ausgerechnet wir – sie finden werden?“

Samuel zögerte. „Ich weiß es natürlich nicht, aber wir finden sie sicher nicht, wenn wir von vornherein einfach aufgeben! ‚Nutze den Tag, kappe diem oder Krapfe deim‘, wie meine Großmutter immer zu sagen pflegt.“

„Du bist ein alter Streber, Sam“, kommentierte Enrico, ehe er sich den Artikel noch einmal durchlas. Danach folgerte er, dass es im Saggen schon heftig zugehe und sie nicht viele Anhaltspunkte für ihre Suche hätten. „An der Bushaltestelle in der Bienerstraße sollten wir anfangen. Du willst wahrscheinlich gleich hingehen, stimmt´s? Wie spät ist es überhaupt? Schaffen wir das noch vor dem Training?“ Ein kurzer Kontrollblick auf die Uhr genügte. Keine Minute später machten sie sich auf den Weg.

Samuel und Enrico liefen in die Bienerstraße. Der Duft von Herausgebackenem, möglicherweise eines Wiener Schnitzels, begrüßte die Freunde, als sie zur Bushaltestelle am Gehsteig gelangten.

Ein Mann mit langen schwarzen Haaren und einer Lederjacke wippte vor und zurück. Er zog an einer Zigarette. Überhaupt fiel den Knaben auf, wie viele Stummel hier lagen.

„Das ist so grauslich!“, entfuhr es Samuel. Daneben stand eine kleine alte Dame, deren Gesicht ein einziges Faltenmeer war. Ihre linke Hand umklammerte einen Trolley. „Was wollen wir machen, Enrico? Wie sollen wir es angehen?“

„Wir fragen die zwei Leute, andere sind ja nicht da. Oder möchtest du die Tschiggfilter befragen? Wir können sie auch aufsammeln und unter dem Mikroskop genau untersuchen. Vielleicht finden wir noch die Fingerabdrücke von der jungen Frau.“

„Aber da müssten wir ja einen Vergleich haben. Ich weiß nicht, ob das wirklich funktionieren würde. Glaubst du, die liegen schon so lange da?“ Samuel betrachtete unsicher den Asphalt.

„Das war ein Scherz, Sam. Was ist los mit dir? Denkst du wirklich, ich rühre einen von den grausigen Glimmstängeln an?“ Samuel versuchte, seinen Ekel mit einer abfälligen Handbewegung wegzuwischen.

„Depp!“, zischte er.

„Also, los! Gehen wir es an“, meinte Enrico grinsend. Samuel war in diesem Moment froh über die Größe seines Freundes, denn so konnte er sich ein wenig im Hintergrund halten und bei Bedarf hinter Enrico verschwinden. „Ich fange mit dem Mann an. Entschuldigung, mein Herr. Mich würde interessieren, ob Sie öfter mit diesem Bus fahren. Und von dieser Haltestelle aus.“

Träge wendete der Mann mit den langen Haaren den Kopf und sah Enrico an. Samuel duckte sich schon jetzt ein wenig mehr hinter Enrico. Provokativ zog er an seiner Zigarette und blies den Rauch in Enricos Richtung. Dieser schloss kurz die Augen und atmete einmal tief durch.

„Das ist keine Antwort, sehr verehrter Herr. Ich frage Sie noch einmal so hööööööööflich, wie ich nur kann. Fahren Sie öfter mit dem Bus? Und dann immer von dieser Haltestelle aus?“ Das Gesicht des Mannes mit der Lederjacke lief rot an.

„Was geht das dich an, Bürschchen? Hä?!“, zischte er.

Nun fiel die Reaktion der beiden Freunde unterschiedlich aus. Während Samuel sofort zwei Schritte nach hinten machte und sich eher zur Flucht wappnete, bäumte sich Enrico auf. Er sah dem Mann in die Augen und erwiderte seinen Blick mit stoischer Gelassenheit.

„Punkt eins“, meinte Enrico. „Es ist eine neutrale Frage gewesen, da mein Freund und ich mithelfen wollen, ein mögliches Verbrechen aufzuklären. Woran Sie ja scheinbar nicht interessiert sind.“

„Was ist los, Bürschchen? Welches Verbrechen?“, fuhr der Mann dazwischen.