Die Schatzkammer - Edgar Wallace - E-Book

Die Schatzkammer E-Book

Edgar Wallace

0,0

Beschreibung

Die Schatzkammer Edgar Wallace - John Gray Reeder, Detektiv der Staatsanwaltschaft, ermittelt in einem seltsamen Fall: der Mord an dem Polizisten Buckingham, verschwundene Goldbarren, eine hübsche Erbin und wie passt der Kleinkriminelle Larry O'Ryan in diese Geschichte?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 80

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Edgar Wallace
Die Schatzkammer

PUBLISHER NOTES:

✓ BESUCHEN SIE UNSERE WEBSITE:

LyFreedom.com

Die Schatzkammer

Kriminal-Roman

Ungekürzte Ausgabe

Originaltitel:The Treasure House.

1

Diese Geschichte beginnt eigentlich mit einem Mann, der wenig Vertrauen in die Stabilität des Aktienmarktes setzte und es deshalb vorzog, seine Schätze in bar anzuhäufen. Mr. Lane Leonard war zwar kein Geizhals im engeren Sinn dieses Wortes, aber er hielt viel von der Realität des Reichtums, und praktisch ist nichts so real wie Gold. Und Gold hortete er in erstaunlichen Mengen. Aber es hätte ihn nicht befriedigt, das Gold in Kisten eingraben zu lassen; sein Gold mußte sichtbar und erreichbar sein – vor allem sichtbar. Deswegen häufte er seinen Reichtum in großen Behältern aus verstärktem Glas, die ihrerseits wieder in Stahldrahtkörbe eingelassen waren, denn Gold ist sehr schwer.

An der New Yorker Börse behauptete man, daß Lane Leonard ein Glückspilz sei, aber dieser Meinung konnte er sich nicht anschließen. Er war nicht Mitglied dieses illustren Kreises, sondern hatte ursprünglich begonnen, an der schwarzen Börse zu spekulieren und sich ein sehr bescheidenes Vermögen zu erwerben, das weniger durch sein eigenes Können als vielmehr durch einen glücklichen Zufall über Nacht rapide angewachsen war. Um ein Haar hätte dieses Ereignis seinen Bankrott bedeuten können. Drei Teilhaber, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, verloren bei einer Baisse die Nerven und ließen ihn im Stich. Bevor er sich noch entscheiden konnte, ob er ihrem Beispiel folgen und alles abstoßen sollte, wurde von anderer, ihm unbekannter Seite die Baisse gestoppt. Der sensationelle Kursanstieg machte Mr. Lane Leonard zu einem reichen Mann. Er war zwar noch kein Millionär, aber es dauerte nicht mehr lange, bis ein weiterer Glückstreffer ihn auch diese Stufe erklimmen ließ. Hätte er Sinn für Humor besessen, dann wäre ihm klargeworden, wieviel Dank er Ereignissen schuldete, die von ihm nicht zu beeinflussen waren; da ihm dieser Charakterzug aber abging, führte er seinen Erfolg vor allem auf seinen eigenen Scharfsinn zurück. Es gab viele Leute, die die Illusion, daß er Verstand und Weitblick eines großen Finanziers besaß, nährten. Sein Schwager, Digby Olbude, erwies sich als einer seiner wortreichsten und vehementesten Schmeichler.

Lane Leonard stammte aus England, und er hatte auch eine Engländerin geheiratet, die New York haßte und sich nach Hamstead, einer netten Kleinstadt, zurücksehnte. Sie sah das Ziel ihrer Sehnsucht jedoch nie wieder, denn sie starb drei Jahre, nachdem ihr Mann seine Reichtümer und ein heimliches Begehren nach der amerikanischen Staatsbürgerschaft erworben hatte.

Zu dieser Zeit war John Lane Leonard bereits eine Autorität in allen Finanzangelegenheiten. Er schrieb Artikel für eine Londoner Wirtschaftszeitung, die nie veröffentlicht wurden, weil sie sich grundlegend von den Ansichten all derer unterschieden, die auch nur minimale Kenntnisse vom Wirtschaftsleben besaßen. Was immer Digby auch von ihnen halten mochte, er pries sie in den höchsten Tönen. Er trank damals sehr viel und spekulierte. Wenn er verlor, was häufig vorkam, bezahlte John Lane Leonard.

Sie trennten sich schließlich wegen einer Kleinigkeit von hunderttausend Dollar, und obwohl der Millionär auch diese Summe hatte aufbringen müssen, hätte er seinem Schwager am liebsten verziehen, weil er nie vergaß, daß Digby ihn bewunderte und ihm auch bei der Abfassung einer Broschüre über das Problem der Doppelwährung Hilfestellung geleistet hatte. Diese Broschüre wurde von den Experten der Wallstreet so lächerlich gemacht, daß Mr. Lane Leonard den Staub New Yorks von den Füßen schüttelte, sein Vermögen auf die Bank von England überwies, nach Kent zurückkehrte, Sevenways Castle kaufte und sich daranmachte, seine Theorien in die Praxis umzusetzen.

Er lernte eine hübsche Witwe mit Kind kennen und heiratete sie. Nach wenigen Jahren starb auch seine zweite Frau. Er änderte den Namen ihrer kleinen Tochter urkundlich von Pamela Dolby auf Pamely Lane Leonard und setzte sie als seine Erbin ein. Es war unbedingt nötig, daß eine Erbin vorhanden war, obwohl er einen männlichen Erben lieber gesehen hätte.

Zu dieser Zeit hatte er einen Fahrer namens Lidgett, einen jungen, vom Lande stammenden Mann mit scharf geschnittenem Gesicht, dessen Haupteigenschaften Intelligenz, Schlauheit und Gewissenlosigkeit waren. Aber davon wußte Mr. Lane Leonard natürlich nichts. Lidgett brachte ihm eine Verehrung entgegen, die ihn sehr erfreute. Es fehlte eigentlich nur noch, daß sich Lidgett jedesmal vor seinem Herrn zu Boden geworfen hätte. Er wurde erster Chauffeur und vertrauter Diener. Mr. Lane Leonard pflegte ihm Vorträge über den Goldstandard zu halten, während er sich anzog, und Lidgett schüttelte stets in hilfloser Bewunderung den Kopf.

»Was Sie für einen Kopf haben, Mr. Leonard! Ich versteh' gar nicht, wie man das alles behalten kann! Ich glaube, ich müßte den Verstand verlieren!«

Plumpe Schmeicheleien, aber nicht ohne Wirkung. Mr. Lane Leonard eröffnete Lidgett seinen großen Plan bezüglich der Schaffung einer Goldreserve. Lidgett brauchte drei Wochen, bis ihm klarwurde, daß sein Arbeitgeber über reales Geld sprach – über runde, goldene Münzen, die einen hohen Wert besaßen. Von diesem Augenblick an war er sehr aufmerksam.

Mr. Leonard ging fleißig zur Kirche, meistens abends. Wenn sie sich in London aufhielten, mußte Lidgett im Wagen vor der St.-Georgs-Kirche am Hannover-Square warten, wobei er seinen Arbeitgeber, der ihn vom Vergnügen abhielt, wild verfluchte. In Soho gab es einen Spielklub, der Mr. Lidgett als zweites Heim diente. Sobald Mr. Leonard sich in sein Zimmer zurückgezogen hatte, verlor Lidgett keine Zeit, zu dem mit grünem Filz bezogenen Kartentisch zu eilen.

Sein Arbeitgeber war ein nachlässiger Mann, dem der Verlust von Fünfpfundnoten nicht weiter auffiel, und Lidgett hatte Glück am Spieltisch, mehr Glück als der würdige, ältere Herr, der nur in Dutch Harrys Spielklub zu kommen schien, um sein Geld zu verlieren.

Einmal borgte er sich zwanzig Pfund von Lidgett, und es fiel ihm einigermaßen schwer, den Betrag zurückzuzahlen. Joe Lidgett lernte ihn sehr gut kennen, ja, er konnte ihn sogar recht gut leiden. »Sie sollten das Spielen aufgeben, Mister. Dafür haben Sie nicht den Kopf.«

»Schon möglich, schon möglich«, erwiderte der andere kalt.

In den frühen Morgenstunden gingen der kleine Chauffeur und sein etwas aristokratischer Freund gelegentlich in ein Speiselokal, um einen Imbiß einzunehmen, bevor jeder seine eigenen Wege einschlug. Der unglückliche Verlierer zu seinem Frühzug, der ihn in die Provinz zurückbrachte, Mr. Lidgett zu seinen Pflichten als Diener und Chauffeur.

*

Im Verlaufe der vertraulichen Unterredungen mit seinem Diener kam Mr. Leonard auch auf seinen Schwager zu sprechen.

»Er ist einer der wenigen, die meine Theorien wirklich verstehen, Lidgett«, erklärte er. »Unglücklicherweise haben wir uns wegen einer Kleinigkeit verkracht, und ich habe seit vielen Jahren nichts mehr von ihm gehört. Ein kluger Finanzmann, Lidgett, wirklich sehr klug! In letzter Zeit fühle ich mich immer wieder versucht, mit ihm in Verbindung zu treten; er ist der einzige, dem ich meine Wünsche anvertrauen kann, wenn es stimmt, was dieser alberne Arzt behauptet.«

›Dieser alberne Arzt‹ war ein berühmter Spezialist, der etwas sehr Ernstes erklärt hatte, oder vielmehr, es wäre ernst gewesen, wenn sich Mr. Leonard als gewöhnlichen Sterblichen betrachtet hätte.

Von seiner Stieftochter sah er sehr wenig. Sie war in einem Internat, kam nur in den Ferien nach Hause und lauschte Mr. Leonards Vorträgen über den Goldwert ohne Verständnis. Sie beobachtete den Bau der ersten Schatzkammer, besichtigte die Stahltüren und war der Meinung, daß das Gewölbe ein wenig unheimlich wirkte. Nebenbei hörte sie, daß das alles um ihretwillen geschehe, aber das konnte sie nie richtig glauben.

Eines Tages erlitt Mr. Leonard einen Anfall, der eine einstündige Bewußtlosigkeit hervorrief. Als er sich erholt hatte, schickte er nach Lidgett.

»Lidgett, ich möchte, daß Sie sich mit Mr. Digby Olbude in Verbindung setzen«, erklärte er. »Seine Anschrift werden Sie vermutlich im Telefonbuch finden können.«

Er verkündete im einzelnen, was er von Mr. Olbude wollte, und Lidgett hörte interessiert zu. Digby Olbude sollte die Arbeit seines Schwagers fortführen und für eine Reihe von Jahren die Kontrolle über ein unermeßliches Vermögen ausüben.

Lidgett begab sich auf seine Erkundungstour, wobei er sich fragte, auf welche Weise er von der kommenden Veränderung profitieren konnte.

Digby Olbude war nicht schwer zu finden, obwohl er zweimal den Namen gewechselt hatte.

Der schlaue, kleine Chauffeur kehrte nachdenklich nach Sevenways zurück. Hier fand er einen Brief, der ihm von London aus nachgeschickt worden war, einen pathetischen, flehenden, wirren Brief in perfektem Englisch von dem älteren Herrn aus dem Spielklub.

Joe Lidgett hatte einen Einfall. Wenige Tage später fühlte sich sein Arbeitgeber etwas besser, so daß er ihn empfangen konnte. Lidgett berichtete über seine Suche nach Digby Olbude.

»Ich hätte ihn gern gesehen«, sagte Leonard mit schwacher Stimme. »Ich fürchte, mir geht es nicht allzu gut, Lidgett wo sind Sie?«

»Ich bin hier, Sir«, erwiderte Lidgett.

»Ich sehe nicht mehr recht gut.«

*

Der Mann, den Mr. Lidgett gefunden hatte, kam am nächsten Morgen mit dem Wagen. Er stieg mit einiger Nervosität zum Schlafzimmer des Sterbenden hinauf und wurde dem Rechtsanwalt vorgestellt, den Mr. Leonard aus London hatte holen lassen. »Das ist mein Schwager, Digby Olbude ...«

Das Testament wurde unterschrieben und von den Zeugen gegengezeichnet. Es war charakteristisch für Lane Leonard, daß er nicht einmal nach seiner Erbin schickte oder eine Abschiedsnachricht hinterließ. Für ihn war sie nicht mehr als der Aufhänger für seine Theorien – dabei waren es nicht einmal seine eigenen Theorien.

Sie erfuhr in einem förmlichen Brief ihres neuen Vormunds vom Ableben Mr. Leonards, und zwar am selben Tage, als Larry O'Ryan sich entschloß, Einbrecher zu werden.

Larry O'Ryan, den man unter der Anklage, aus Mr. Farthingales Zimmer fünfundachtzig Pfund gestohlen zu haben, aus einer bekannten Schule ausgestoßen hatte, wäre nicht nur in der Lage gewesen, sich von dieser Beschuldigung reinzuwaschen, er hätte auch den wahren Schuldigen nennen können.