Die schönste Zeit des Lebens - Johano Strasser - E-Book

Die schönste Zeit des Lebens E-Book

Johano Strasser

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Beschreibung

Robert steht an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Der ständige Streit mit dem Vater , die verzweifelt um den Zusammenhalt der Familie kämpfende Mutter, die Clique und die abendlichen Treffen im Schock, eine erste sich anbahnende Liebe, der anstrengende Zivildienst - erst in der Begegnung mit Frau Sternheim, einer Überlebenden des Holocaust, findet Robert den Weg in eine andere Welt. Die alte Dame eröffnet ihm den Zugang zur Literatur und ermuntert ihn, seinen eigenen Weg zu gehen. Als ein Unfall passiert, muss sich Robert entscheiden, wo er die Freiheit suchen will. Ein schwereloser und doch kraftvoller Roman über Glück und Not der Jugend.

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Seitenzahl: 253

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www.langen-mueller-verlag.de

© für die Originalausgabe: 2011 LangenMüller in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München © für das eBook: 2012 LangenMüller in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München Alle Rechte vorbehalten Schutzumschlag: Wolfgang Heinzel unter Verwendung eines Fotos von M. Spohn, Plainpicture/Photoalto Herstellung und Satz: VerlagsService Dr. Helmut Neuberger & Karl Schaumann GmbH, Heimstetten eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-7844-8061-9

1

WOFÜR ICH mich interessiere?

Ihre Stimme ist leise und eindringlich; von ihrem Sessel aus scheint sie, den Kopf leicht zur Seite gelegt, ihren Worten hinterherzuhorchen.

Für alles, sagt sie dann, sagt es so heiter, als wären damit alle Fragen beantwortet, alle Probleme gelöst. Aber als er darauf lange nichts erwidert, weil er ganz damit beschäftigt ist, zu entziffern, was auf den vergilbten und abgegriffenen Buchrücken steht, vielleicht auch, weil ihn ihre Antwort erst recht ratlos gemacht hat, da fügt sie, als handelte es sich um eine eigentlich überflüssige Erläuterung, doch noch hinzu: Vor allem für die Liebe.

Er wirft den Kopf herum. Wie ein Schreck sind ihm ihre Worte in die Glieder gefahren. Sein Atem stockt, er zwingt sich, die Luft, die er in einem kurzen, erschreckten Atemzug eingesogen hat und die sich nun in seiner Lunge staut, ganz langsam durch den halb geöffneten Mund auszulassen.

Vor allem für die Liebe …

Er fühlt, wie ihm vom Hals her die Röte in die Wangen steigt. Als hätte er sich, seit sie ihm vor wenigen Minuten die Wohnungstür öffnete und ihm mit kleinen, tastenden Schritten in dieses altmodisch plüschige Wohnzimmer voranging, in einen schüchternen Knaben zurückverwandelt.

Ein Wort wie eine Wunde, wie ein falsches Versprechen: Liebe …

Oder wie ein kleiner Vogel mit gebrochenem Flügel. Der weiße Sand unter den Füßen fein wie Mehl, bei jedem Schritt quillt er zwischen den Zehen hindurch, das Heidekraut den Hügel hinauf, die roten Föhren, der fächelnde Wind, der Duft des Harzes … Warum schnürte ihm die Stille die Kehle zu? Der Vogel in seiner Hand, er spürte, wie das kleine Herz klopfte, wild und voll Angst, er sah, wie er den Kopf zur Seite legte, einen Moment lang schauten sie sich an, Auge in Auge: der kleine Vogel mit dem gebrochenen Flügel und er, der ihn hielt, ihn sicher hielt in seiner großen, wärmenden Hand.

Ob sie seine Verlegenheit bemerkt hat? Er wirft einen schnellen prüfenden Blick zu ihr hinüber. Um ihren Mund ein Lächeln: versonnen, nach innen gerichtet. In ihren weit geöffneten Augen spiegelt sich das Licht, das von den Fenstern her in breiten Bahnen ins Zimmer fällt. Nein, sie sieht ihn nicht, jedenfalls nicht genau genug, um seine Verlegenheit zu bemerken. Allenfalls als vagen Schatten mag sie ihn im Gegenlicht wahrnehmen.

Nun, was ist, junger Mann? Haben Sie etwas Passendes gefunden?

Er steht vor dem zur hohen Decke hinaufreichenden Bücherregal und lässt seine Augen wieder über die Buchrücken gleiten: Mario Soldati, Briefe aus Capri neben Selma Lagerlöf, Aus meinen Kindertagen und daneben ohne erkennbare Ordnung Bruno Schulz, Die Zimtläden, Gustave Flaubert, Die Erziehung des Herzens, Rudolf Borchardt, Der leidenschaftliche Gärtner, dann ein Band mit der Aufschrift Unser Goethe, immerhin ein Name, der ihm schon einmal untergekommen ist, Salk Viertel, Das unbelehrbare Herz, Virginia Woolf gleich mit vier Romanen: Die Fahrt zum Leuchtturm, Die Wellen, Orlando und Zwischen den Akten, Knut Hamsun, Mysterien, Henry James, Die sündigen Engel, das Gesamtwerk eines gewissen Friedo Lampe in einem Band, noch einmal Henry James, Bildnis einer Dame, Jane Austen, Stolz und Vorurteil, François Mauriac, Das Gewand des Jünglings, Ludwig Bemelmans, Alte Liebe rostet nicht und schließlich Anaïs Nin, vier Bände ohne Titel.

Unschlüssig nimmt er den Band Goethe zur Hand, schlägt das Inhaltsverzeichnis auf, überfliegt das Vorwort, blättert noch darin, während sein Blick schon über die nächste Bücherreihe gleitet und an zwei kleinformatigen Bändchen festmacht. Einen Augenblick lang ist er wie erstarrt, wagt nicht zu atmen, schreckt vor der eigenen Kühnheit zurück. Aber dann stellt er den Goethe zurück und nimmt die beiden Bändchen aus dem Regal, hält sie eine Weile wägend in der Hand, gibt sich einen Ruck und liest ihr, ein wenig zu laut, aber mit fester Stimme, den Titel vor: Liebesgeschichten aus Tausendundeiner Nacht.

Na also, sagt sie hörbar zufrieden. Ich wusste, dass Sie das Richtige finden würden.

Er schiebt einen Stuhl in die Nähe ihres Sessels, dreht ihn mit dem Rücken gegen das Fenster, sodass das Tageslicht auf das aufgeschlagene Büchlein fällt, setzt sich, holt, wie um sich zu stärken, noch einmal tief Luft und beginnt zu lesen: Preis sei Allah, dem Herrn der Welten! Segen und Heil dem Herrn der Gottesgesandten, unserem Herrn und Meister, Mohammed …

Ob er sich da nicht doch vergriffen hat? Er bricht ab, schaut fragend zu der alten Dame hinüber.

Vielleicht wollen Sie doch lieber etwas anderes hören …?

Aber sie wirft nur kurz den kleinen Kopf in den Nacken und macht eine ungehaltene Handbewegung.

Nein, lesen Sie! Ich sagte doch, Sie haben richtig gewählt. Lesen Sie nur weiter, immer weiter!

Schon sammelt sich wieder das feine Lächeln auf ihrem Gesicht, lauscht sie wieder, nach außen und nach innen. Und er liest, zuerst zögernd, als traue er seinen Augen und Ohren nicht, dann immer flüssiger, liest vom König Schehrijar und dessen Bruder, König Schahzaman – was für Namen! –, wie zuerst der eine, dann der andere sich von seiner Gemahlin hintergangen sieht, ihr und ihrem Geliebten, im Falle Schehrijars auch gleich noch einer stattlichen Schar Sklavinnen und Sklaven, die Zeugen des Ehebruchs geworden sind, den Kopf abschlägt, wie Schehrijar sich fortan vor weiterer Schmach zu schützen trachtet, indem er Nacht für Nacht eine Jungfrau auf sein Lager nimmt und sie am nächsten Tag enthaupten lässt, um so sicherzugehen, dass sie ihn niemals betrügen kann.

Und von nun an nahm König Schehrijar jede Nacht eine Jungfrau zu sich; der nahm er die Mädchenschaft, und dann tötete er sie, um seiner Ehre gewiss zu sein, und so trieb er es drei Jahre lang. Hier macht der junge Mann eine Pause, streicht sich mit der Linken eine Haarsträhne aus dem Gesicht und will eben mit dem Vorlesen fortfahren, als die alte Dame nach seinem Unterarm tastet, ihn lange drückt, als wollte sie die Festigkeit des Fleisches prüfen, und dann entzückt ausruft: Wie gut sie erzählen!

Er hat schon Luft geholt, den Mund halb geöffnet, das erste Wort des nächsten Satzes schon auf der Zunge. Pffft … Er ist irritiert. Aber ich lese doch nur vor, was ein anderer aufgeschrieben hat, will er sagen, sagt es dann auch. Sie schüttelt den Kopf, hat mit seinem Einwand gerechnet, lässt ihn nicht gelten.

Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, junger Mann! Sie sind ein Erzähler. Glauben Sie mir, wenige in Ihrem Alter können so schön über die Liebe sprechen wie Sie. Der junge Mann, der vor Ihnen hier war, hat immer alles durcheinandergebracht. Und genierlich war er! Stechet einen starken Stich! – nie hätte er einen solchen Satz über die Lippen gebracht. Nein, Sie sind ein Erzähler, das hab ich gleich gemerkt, als ich Ihre Stimme zum ersten Mal am Telefon hörte. Aber warten Sie nur ab, wenn jetzt Schehrezad die Bühne betritt, finden Sie eine, die Ihnen ebenbürtig ist.

Sie kennen das Buch?

Erstaunen ist in seiner Stimme und ein Anflug von Verärgerung darüber, dass sie erst jetzt damit herauskommt. Sie lässt seinen Unterarm los, lehnt sich zurück und nimmt wieder die Haltung ein, die sie die ganze Zeit innehatte, während er las.

Ich habe alle Bücher gelesen, die dort hinten stehen, und dieses mehrmals.

Aber langweilt es Sie denn nicht, wenn ich Ihnen vorlese, was Sie schon kennen?

Oh nein! So wie Sie die Geschichte lesen, ist sie ganz neu und wunderbar.

Sie schweigen eine Weile, und dann, in die Stille hinein, beginnt er, weil er nichts mehr zu sagen weiß, wieder zu lesen: Da geriet das Volk in Aufruhr und flüchtete mit den Töchtern, bis keine mannbare Jungfrau mehr in der Stadt war. Doch der König befahl dem Wesir, er solle ihm eine Jungfrau wie gewöhnlich bringen. Und der Wesir ging hin, zu suchen, aber er fand keine Jungfrau. So begab er sich traurig und bedrückt nach Hause …

Was ist los? Warum lesen Sie nicht weiter?

Es ist schon nach fünf …

Lesen Sie! Lesen Sie! Sie können doch jetzt nicht aufhören!

Und wie er nun fortfährt, zu lesen – oder vielleicht doch zu erzählen? –, wie der Wesir in seiner Not seine eigene Tochter Schehrezad dem König Schehrijar zuführt und diese sich, Geschichten erzählend und Kinder gebärend, in tausend und einer Nacht dem Tod zu entwinden weiß, da vergisst er alles um sich herum, vergisst, dass er eigentlich längst zu Haus sein müsste, wo sein Vater darauf wartet, dass er ihm hilft, die Veranda leer zu räumen, weil die dringend neu gestrichen werden muss.

Mein Gott! Schon fast sechs. Ich müsste längst zu Hause sein.

Er klappt das Buch zu, springt auf, ist schon fast an der Tür.

Wann kommen Sie wieder?

Plötzlich ist ihr Gesicht angespannt, ein nervöses Flackern huscht über ihre grauen Augen.

Übermorgen. Zur selben Zeit.

Übermorgen …

Sie legt den Kopf ein wenig auf die Seite, als horche sie dem Klang ihrer Stimme hinterher. Ich werde auf Sie warten, sagt sie dann, und er hört es ihrer Stimme an, dass sie es ernst meint: Sie wird warten, eine Nacht, einen Tag und wieder eine Nacht, bis er wiederkommt.

2

ER STELLT DAS FAHRRAD am Zaun ab, stößt die Gartentür auf. Auf dem Rasen neben der Haustür Stühle, eine Bank, Blumentöpfe, Regale, eine Stehlampe. Als er ums Haus herumgeht, kommt ihm der Vater mit einem zusammengerollten Teppich über der Schulter entgegen. Er keucht, das Gesicht von der Anstrengung blaurot, ächzend legt er den Teppich auf den Rasen neben die anderen Sachen.

Tut mir leid! Das Vorlesen hat länger gedauert …

Der Vater steht gebückt, atmet schwer, wendet sich nicht um. Schleif die Fensterbänke ab, knurrt er. In seiner Stimme unterdrückte Wut.

Aber picobello!

Er hat es gewusst. Er ist nicht überrascht, nicht einmal traurig oder erschrocken oder verärgert ist er. Es ist wie eine Lähmung, in ihm drin ist alles tot, als wäre er ein anderer, so sieht er sich vor dem Vater stehen. Das Vorlesen hat länger gedauert. Was für ein Satz, was für ein sinnloser, lächerlicher Satz! Er hätte genauso gut sagen können: Ich hatte eine Panne mit dem Rad, oder: Der Weidendamm stand unter Wasser, und ich musste einen Umweg übers Brinkviertel machen. Der Vater hört gar nicht hin, oder er hört die Wörter, aber sie sagen ihm nichts. Es ist nach sechs und nicht Viertel nach fünf. Mehr muss der Vater nicht wissen.

Wo die Schleifmaschine ist, will der Junge fragen, fragt aber nicht, weil er sich nicht traut, weil er Angst hat, dass der Vater gleich wieder losbrüllt in seiner Wut. Auf der Veranda ist sie nicht, im Wohnzimmer auch nicht. Er geht hinunter in den Keller, sucht überall in dem alten Küchenschrank, wo der Vater das Handwerkszeug aufbewahrt.

Wo ist die Schleifmaschine?, fragt er dann doch, als er wieder auf die Veranda tritt.

Bist du blind? Da vor deinen Füßen liegt sie, brüllt der Vater.

Die Schleifmaschine liegt mitten auf dem Fußboden der Veranda. Wie zum Hohn liegt sie da, gar nicht zu übersehen. Ist es möglich, dass er sie vorhin trotzdem übersehen hat? Oder hat sie der Vater dort hingelegt, während er sie im Keller suchte, hat sie auf den Fußboden gelegt, so, dass er fast darüber gestolpert wäre, nur um ihm wieder einmal zu beweisen, was für ein Idiot er ist, was für ein Versager?

Er nimmt die Maschine, schließt sie mit einem Verlängerungskabel an die Steckdose im Wohnzimmer an. Das Schleifpapier ist abgenutzt, nicht mehr zu gebrauchen. Er muss noch einmal in den Keller, um neues zu holen. Das Schleifpapier, das weiß er, liegt in der obersten Schublade des alten Küchenschranks. Während er die Kellertreppe wieder hinaufsteigt, denkt er an Shehrezad und wie sie mit ihren Geschichten den grausamen König Shehrijar milde stimmt und so ihren Hals rettet. Mit Geschichten! Keine zwei Sätze weit würde er kommen, da hätte der Vater ihn schon angebrüllt, er solle aufhören, Geschichten zu erzählen. Er solle lieber seine Arbeit machen, und zwar ordentlich, picobello!

Er nimmt das abgenutzte Schleifpapier aus der Halterung, scheinbar ruhig, gelassen, aber er spürt, dass der Vater ihn aus den Augenwinkeln beobachtet, na, soll er doch, spannt das neue Schleifpapier ein, geht hinüber zur Fensterbank, schaltet die Maschine ein, will eben mit dem Abschleifen beginnen, da ist der Vater mit einem Sprung bei ihm, reißt ihm die Maschine aus der Hand.

Bist du verrückt? Meinst du, ich will den ganzen Staub im Wohnzimmer haben?

Er steht da mit gesenktem Kopf, gelähmt vor Schreck und Angst, sagt nichts, duckt sich nicht, als der Vater mit der Rechten ausholt, spürt schon den Schmerz im Gesicht, den die schwere Hand verursachen wird, den Schmerz, die Scham, die Wut. Aber der Vater schlägt nicht, einen Achtzehnjährigen schlägt man nicht, auch wenn er es verdient hätte.

Was meinst du wohl, wozu ich die Plastikfolie besorgt habe und das Klebeband, brüllt er.

Erst später im Bett wird er weinen, trockene Tränen der Verzweiflung und der Wut, weil man mit achtzehn Jahren nicht mehr richtig weint, jedenfalls nicht so, wie man als Kind geweint hat. Aus dem Wohnzimmer dringen Stimmen zu ihm herüber, die Stimme der Mutter klagend, vorwurfsvoll, die Stimme des Vaters, in der sich die aufsteigende Wut ankündigt. Gleich werden sie wieder zu streiten beginnen, der Vater wird brüllen, die Mutter erst schreien, dann weinen, dann schluchzen.

Der Vater vor dem Fernseher, mit glasigen Augen, die Bierflasche in der Hand. Wie ein Klotz, wie ein dumpfer, gefühlloser Klotz sitzt er da. Die Mutter ist soeben von der Arbeit heimgekommen. Der Kleinbus, der sie jeden Nachmittag kurz vor vier abholt, hat sie wieder hergebracht. Sie sagt etwas, arglos oder, woher soll er das wissen, mit bösem Hintersinn, sagt etwas, was der Klotz nicht einfach hinnehmen kann, was ihn in plötzliche Wut versetzt. Er beginnt zu schnaufen, setzt die Bierflasche mit einem Knall auf dem Couchtisch ab, schnauft noch einmal, lauter als vorher, und dann brüllt er, und sie schreit, die Stimmen im Wohnzimmer vermischen sich mit den Geräuschen, die aus dem Fernseher kommen, Reifen quietschen, jemand ruft: Stehen bleiben!

Vielleicht war es ein Fehler, den Militärdienst zu verweigern. Vielleicht hätte er sich dem Vater fügen und sich freiwillig zum Militär melden sollen. Dann wäre er in einer anderen Stadt in eine Kaserne eingezogen worden und er wäre endlich rausgekommen aus diesem Haus, in dem es nur Streit gibt und Misstrauen und Hass. Aber dann hätten sie ihn dort in der Kaserne angeschrien, hätten ihn schikaniert und gedemütigt. Und seine Freunde hätten ihn verachtet, zu Recht verachtet, weil er sich hätte abrichten lassen zum Töten, zum Krieg. Mit weit geöffneten Augen starrt er ins Dunkel, denkt an morgen und übermorgen, dass es immer so weitergehen wird und dass er es nicht aushält, dass er hier rausmuss, egal wohin. Und dann, auf einmal, fällt ihm die alte Dame wieder ein und die Bücher in ihrem Wohnzimmer, die sie nicht mehr lesen kann, und dass sie etwas gesagt hat, etwas Unerhörtes, etwas, das ganz und gar falsch ist und ihn doch nicht loslässt, das ihm seitdem im Kopf herumgeht und ihn verstört.

Wenige in Ihrem Alter können so schön über die Liebe sprechen wie Sie, hat sie gesagt.

Über die Liebe … Seit er vor drei Jahren einen Unfall hatte und sie ihn in Frühpension schickten, wütet der Vater gegen die Welt, gegen Schmutz und Staub, gegen Unkraut und abblätternde Farbe und gegen seine Frau und seinen Sohn, der für ihn nichts als ein Versager ist. Der Junge hasst diesen Mann, der sein Vater ist, und er hasst sich selbst, weil er sich von ihm anbrüllen, weil er sich immer wieder von ihm demütigen lässt. Er hasst seine Mutter, liebt sie und hasst sie zugleich, weil sie sich nicht wehrt, weil auch sie sich immer wieder demütigen lässt. Mit offenen Augen liegt er in seinem Bett und spürt, wie der Hass sich in seinem Körper ausbreitet, sein Blut gerinnen, seine Muskeln erstarren lässt, sich als dicker, fester Klumpen hinter seiner Stirn festsetzt.

Er ist achtzehn, in wenigen Wochen wird er neunzehn. Er kann weggehen, wenn er will. Von dem Zivildienstsold kann er leben, sich irgendwo in der Stadt ein Zimmer mieten. Das Geld steht ihm zu, ihm, nicht dem Vater. Wenn er hier nicht mehr wohnt, in diesem Haus, mit diesem Vater, wird vielleicht alles besser. Er will weg, will so schnell wie möglich weg, aber die Mutter will ihn nicht ziehen lassen. Er dürfe sie nicht allein lassen, sagt sie. Sie brauche ihn, brauche ihn, weil sie es allein nicht schaffe mit dem Vater, der schwierig sei, krank, seit dem Unfall damals. So, wie er jetzt sei, sagt sie, sei der Vater nicht immer gewesen, alles werde anders, wenn er erst wieder gesund sei. Die Mutter hofft, dass es wieder anders wird. Immer noch hofft sie. Und darum muss er bleiben. Um ihr nicht diese letzte Hoffnung zu nehmen.

3

NOCH BEVOR ER AUFWACHT, riecht er den Kaffee. Jedenfalls erscheint es ihm im Nachhinein so, als wäre er vom Kaffeegeruch aufgewacht, nun, da er mit offenen Augen im Bett liegt, an die Decke starrt und in die Stille horcht. Kein Laut im ganzen Haus, von draußen strömt durch das Fenster grüngelb gefiltert Sonnenlicht herein. Alle Dinge im Zimmer von flirrender Zweideutigkeit, als enthielten sie ein Versprechen, eine geheimnisvolle, unerlöste andere Wirklichkeit. Heute ist Sonntag, heute hat er frei, kann schlafen, solange er will. Heute wird auch der Vater nicht auf der Veranda und nicht im Garten arbeiten, allenfalls im Keller, wo es die Nachbarn nicht sehen und hören können, weil die Sonntagsruhe um jeden Preis eingehalten werden muss.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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