Die schwarze Botin - Georg P Strangfeld - E-Book

Die schwarze Botin E-Book

Georg P. Strangfeld

0,0

Beschreibung

Sie ist eine Botin. Was sie überbringt kommt von Leuten die sie nicht kennt und geht an Leute die sie nicht kennenlernen will. Zuverlässigkeit, Verschwiegenheit und Souveränität sind ihre Lebensversicherung. Nur ein Mann kennt ihr wahres Aussehen, ihr Auftraggeber. Für alle Anderen ist sie die Frau ohne Gesicht. Wer über sie spricht nennt sie Die schwarze Botin, die Botin der Unterwelt. Als sie in einem Düsseldorfer Ufercafé einen braunen Aktenkoffer übernimmt um ihn nach Alexandria zu überführen glaubt sie an einen schnellen, unproblematischen Auftrag. Was sie nicht weiß, der Koffer wurde nur eine Stunde vorher aus dem Tresor einer Waffenfabrik gestohlen. Nicht die Grenzkontrollen werden ihr wahres Problem sein, sondern Verfolger die vom brisanten Inhalt des Koffers erfahren haben und Jagd auf sie machen. Aber auch darüber wurde sie nicht informiert.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 459

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Sie ist eine Botin. Was sie überbringt kommt von Leuten die sie nicht kennt und geht an Leute die sie nicht kennenlernen will. Zuverlässigkeit, Verschwiegenheit und Souveränität sind ihre Lebensversicherung.

Nur ein Mann kennt ihr wahres Aussehen, ihr Auftraggeber. Für alle Anderen ist sie die Frau ohne Gesicht. Wer über sie spricht nennt sie die schwarze Botin, die Botin der Unterwelt.

Als sie in einem Düsseldorfer Ufercafé einen braunen Aktenkoffer übernimmt um ihn nach Alexandria zu überführen glaubt sie an einen schnellen, unproblematischen Auftrag. Was sie nicht weiß, der Koffer wurde nur eine Stunde vorher aus dem Tresor einer Waffenfabrik gestohlen. Nicht die Grenzkontrollen werden ihr wahres Problem sein, sondern Verfolger die vom brisanten Inhalt des Koffers erfahren haben und Jagd auf sie machen. Aber auch darüber wurde sie nicht informiert.

Georg P. Strangfeld leitete bis 2005 ein Referat im Auslandsgeschäft einer Großbank mit regelmäßigen Auslandsaufenthalten. Seine dort gesammelten Erfahrungen über landestypische Gebräuche und Hintergründe läßt er in seine Romane einfließen und verarbeitet sie zu spannenden Thrillern.

Der Roman Die schwarze Botin ist fiktiv, er soll der Unterhaltung dienen und als solcher gesehen werden. Ereignisse, Personen und Orte sind Produkte der Phantasie des Autors, beziehungsweise von ihm fiktionalisiert worden. Ähnlichkeiten von Namen zu lebenden oder verstorbenen Personen, Firmenbezeichnungen und Handlungen sowie Schauplätzen wären Zufall und nicht gewollt.

Inhaltsverzeichnis

HANDELNDE PERSONEN

BEGRIFFE

SAMANTA

TEIL 1

01. DÜSSELDORF / BRD

02. DÜSSELDORF / BRD

03. DÜSSELDORF / BRD

04. HONGKONG / VOLKSREPUBLIK CHINA

05. LANGLEY / VIRGINIA USA

06. DÜSSELDORF / BRD

07. ALEXANDRIA / ÄGYPTEN

08. ALEXANDRIA / ÄGYPTEN

09. DINSLAKEN / BRD

10. ALEXANDRIA / ÄGYPTEN

11. ALEXANDRIA / ÄGYPTEN

12. DEUTSCH / NIEDERLÄNDISCHE GRENZE

13. IR GENDWO IN EINER ALTEN FABRIK

14. ALEXANDRIA / ÄGYPTEN

15. DAMASKUS / SYRIEN

16. DÜSSELDORF / BRD

17. HEIDELBERG / BRD

TEIL 2

18. DAMASKUS – SOCOTRA

19. INSEL OHNE NAMEN

20. INSEL OHNE NAMEN

21. INSEL OHNE NAMEN

22. INSEL OHNE NAMEN

23. INSEL OHNE NAMEN

24. INSEL OHNE NAMEN

25. INSEL SOCOTRA

26. INSEL OHNE NAMEN

27. INDISCHER OZEAN - SOMALISCHE KÜSTE

28. DÜSSELDORF / BRD

29. ZWISCHEN DEN INSELN

30. SOMALIA - SUDAN

31. BOOSAASO / SOMALIA

32. KHARTUM / SUDAN

33. LOKHUR / TADSCHIKISTAN

34. LOKHUR / TADSCHIKISTAN

35. FLUGHAFEN KHARTUM / SUDAN

36. AFGHANISTAN

37. AFGHANISTAN

38. TURKMENBASI / TURKMENISTAN

39. TIFLIS / GEORGIEN

TEIL 3

40. AUTOBAHN A9 / BRD

41. DINSLAKEN / BRD

42. DINSLAKEN / BRD

43. HERRSCHING AM AMMERSEE / BRD

44. HERRSCHING / BRD

45. HERRSCHING / BRD

46. AMMERSEE / BRD

47. ISLAND / DÄNEMARK

EPILOG

48. DÜSSELDORF / BRD

49. DÜSSELDORF / BRD

HANDELNDE PERSONEN

Klaus Ritter, Detektei Ritter & Partner

Alexander Koppen, Partner, Detektei Ritter & Partner

Adrian Böhm, Büroleiter, Ritter & Partner

Marion Jäger, Sekretärin, Ritter & Partner

Fiona Winkler, Ermittlerin, Ritter & Partner

Felix Busch, Ermittler, Ritter & Partner

Robert Bertram, Kuriervermittler in Düsseldorf

Samanta, Kurier des braunen Koffers

Alfons Gross, Geschäftsführer Firma Lorenz & Krause

Felicia Gross, Tochter von Alfons Gross

Jules Dupont, Privatdetektiv in Syrien

Dr. Karin Walter, Chefanalystin beim NSA

Henry Gardner, Einsatzleiter eines CIA-Teams

Chen Quan, Chef der Chinesischen Triade Hongkong

Chang Wu [D], Taiji Zhou [F], Quan Liu [NL]

Triadenführer in Europa

Igor Kuznetsow, Waffenhändler mit eigener Insel

Amar Aggarwal, Chef einer geheimen Bruderschaft

Nilay Shan, Aggarwals Stellvertreter

BEGRIFFE

Tschador: Bodenlanger Umhang, verhüllt den gesamten Körper sowie mit einer Kapuze auch die Haare. Das Gesicht bleibt frei.

Burka: Bodenlanger Überwurf mit engmaschigem Augengitter der den Körper vollständig bedeckt.

SAMANTA

Sie erinnerte sich noch genau an ihre Eltern, der Vater der sie immer auf dem Fahrrad mitnahm und ihre Mutter die jeden Sonntag ihren Lieblingskuchen backte, auch wenn Vater ihn nicht gern mochte.

Aber noch war sie keine Fünf, als sich ihr Leben schlagartig änderte. Sie kamen von der Beerdigung ihres Großvaters als der Wagen ins Schleudern geriet, von der Landstraße abkam und in voller Fahrt gegen einen Baum prallte. Noch heute sah sie das Bild ihrer Mutter die mit ihrem Kopf voraus gegen die Frontscheibe geknallt war, wie er zur Hälfte außerhalb der zerborstenen Scheibe hing mit einem Gesicht das als solches nicht mehr zu erkennen war, so zerkratzt und zermatscht. Ihr Vater, der besinnungslos im Gurt hing und sich nicht rührte.

An das was danach geschah konnte sie sich nicht mehr erinnern. Irgendjemand musste sie aus dem Wagen gezogen haben. Als sie wieder sehen konnte löschten Feuerwehrleute das brennende Auto.

Sie kam nicht mehr nach Hause, sondern wurde an verschiedene Leute weitergereicht. Leute die sie nicht kannte. Überall blieb sie nur kurze Zeit bis sie schlussendlich in einem Heim landete. Die Heimleiterin war wirklich nett, aber die anderen Kinder böse, insbesondere die älteren. Immer wenn sie etwas bekam, ob Spielzeug oder auch nur ein Stück Kuchen nahm man es ihr weg.

Mehrere Jahre brauchte sie bis sie verstand wie man sich wehrte, mittlerweile war sie auch nicht mehr die Jüngste und hatte gelernt wie man Fingernägel und Zähne als Waffen einsetzte und wenn sie eine Mitinsassin schlug, schlug oder trat sie zurück und das doppelt so fest.

Insgeheim trainierte sie täglich ihren Körper, aber nicht so wie Mädchen, sondern wie die Jungen im Nachbarblock es taten, Liegestütze, Klimmzüge, Boxsack und alles was Kraft aufbaute. Ihre Muskeln entwickelten sich gut. Aufgrund ihres schlanken, gut proportionierten weiblichen Körpers blieben sie unentdeckt.

Sie wollte nie mehr die Geschlagene sein. Nie mehr!

Mit ihrem achtzehnten Geburtstag stand sie vor dem Eingang des Heims, in der Hand eine Reisetasche mit ihren privaten Utensilien, eintausend Euro im Portemonnaie und keine Ahnung wohin sie gehen sollte. Den Zettel mit der Adresse eines Eingliederungshelfers entsorgte sie direkt am Ausgang.

Weit reichten die tausend Euro nicht, obwohl sie sich in der bestimmt schlechtesten Pension Düsseldorfs einquartiert hatte. Sie musste täglich für die kommende Nacht zahlen und brauchte dringend eine Einnahmequelle.

Wie in jeder Stadt gab es auch in Düsseldorf Männer die ein Auge für solche junge Frauen hatten und so wurde sie von einem Mann angesprochen Kurierfahrten für ihn vorzunehmen. Was er ihr dafür bot war gutes Geld, sehr gutes Geld.

Sie nahm an.

Den Vorschuss von zweitausend Euro setzte sie sofort in Kleidung und Kosmetik um. Schon einen Tag später gab er ihr das Ticket nach Bolivien und zurück.

Ab sofort nannte sie sich Samanta.

TEIL 1

01

DÜSSELDORF / BRD

Café an der Rheinpromenade

Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten sich im Rhein und strahlten bis in die Gesichter der Gäste des Ufercafés der Düsseldorfer Rheinpromenade. Robert Bertram setzte sich an den letzten noch freien Tisch des gut besuchten Lokals. Sein Blick überflog die Terrassentische. Kaum saß er, stand ein Kännchen Kaffee auf dem Tisch. Lieber hätte er sich ein Glas Altbier bestellt, das typische Düsseldorfer Bier, aber in diesem Lokal trank man Kaffee schwarz.

Gern relaxte er hier direkt am Rhein, nur zehn Meter entfernt vom Ufergeländer, heute allerdings kam er nicht in dieses Lokal um zu relaxen und auch waren seine Nerven nicht entspannt. Von den umstehenden Tischen unbeachtet entnahm er seiner Jackentasche ein Kartenspiel, blätterte es durch und fand die Pikdame. Aufgedeckt legte er sie auf den Kartenstapel.

Ohne hinzusehen tastete seine rechte Hand zur Kaffeetasse, griff jedoch ins Leere. Erstaunt, eher genervt, erkannte er den Grund. Neben ihm saß eine junge Frau mit schwarzen langen Haaren die sich geräuschlos an seinen Tisch gesetzt hatte und ihn mit verschmitzt lachenden Augen ansah, während sie seine Tasse leerte.

»Samanta, du bist zu früh, was willst du jetzt schon hier.«

Ihr rassiges Aussehen im schwarzen engen und sehr kurzen Kleid kam ihm ungelegen, sorgte es doch für Aufsehen an den anderen Tischen und er sah sich plötzlich im Mittelpunkt allen Interesses. »Wäre ein anderes Outfit nicht eventuell angemessener gewesen?«

Mit Unschuldsmine sah sie ihn an: »Entschuldige, dass ich nicht das rote Kleid angezogen habe.«

»Was willst du jetzt schon hier. Du solltest dich erst später bei mir melden.«

»Meine U-Bahn kam so früh.«

»U-Bahnen fahren alle fünf Minuten.«

Dass sie mit dem Mann zusammentraf den er in diesen Minuten erwartete, stufte er als gefährlich ein. Kuriere sollten unbekannt bleiben. Zu viel Wissen störte das Geschäft und konnte tödlich enden und Samanta war sein Kurier.

Sein mürrisches Grummeln übertönten die Worte des Kellners der die junge Frau an seiner Seite freundlich nach ihren Wünschen fragte und sie anstatt zu antworten auf Bertrams leere Tasse zeigte. Dabei schlug sie ihre im Sitzen kaum bedeckten langen Beine langsam übereinander und lächelte ihn an.

Länger als üblich sortierte der Kellner die Bierdeckel und das kleine Blumengebinde auf dem Tisch, wobei er wohlwollend ihre Beine begutachtete und den tiefen Ausschnitt des schwarzen Kleides nicht vergaß.

»Musste das sein?« Bertram sah heimlich zu den Nachbartischen um zu erhaschen was man dort mitbekommen hatte.

»Wieso, dem Kellner hat‘s doch gefallen.«

»Aber mir nicht, zu viel Aufsehen.«

Schmollend rutschte sie etwas tiefer in den Stuhl wodurch der Saum des Kleides noch einige Zentimeter höher rutschte und ein weiteres Stück ihrer wohlgeformten Beine vom Stoff befreite, was die Zahl der schmachtenden Männeraugen an den Nachbartischen nicht unbedingt reduzierte.

Für sie war die Sache damit erledigt, sie war es gewohnt und es gefiel ihr angeschmachtet zu werden, für Bertram nicht. Aufsehen war ihrer Sache nicht förderlich.

Durch die Tischreihen schob sich ein Mann im grauen Anzug. Einen braunen Lederaktenkoffer am langen Arm erreichte er ihren Tisch und setzte sich. Den Aktenkoffer stellte er zwischen sich und das Standbein der jungen Frau, griff wortlos nach Bertrams Kartenspiel und suchte die rote Herzzehn aus dem Stapel die er neben die Pikdame legte.

Einen beim Kellner bestellten Espresso trank er mit einem Zug, stand wortlos auf und verließ das Lokal zur Uferpromenade. Keiner schaute dem seriösen Mann hinterher als er auf der Promenade gemütlich in Richtung Fleher Brücke spazierte.

Noch bevor Samanta nach dem Aktenkoffer fassen konnte hechtete ein junger Mann vom Nebentisch heran und griff nach dem Koffer, hielt aber mitten in seiner Bewegung inne. Zwei Hände eines fremden Mannes, der anschließend am Tisch vorbei das Lokal verließ, drückten ihn auf den Stuhl neben Samanta, wo er sitzen blieb.

Bertram stieß Samanta in die Seite: »Geh und dreh dich nicht um. Jetzt sofort!«

Sie nahm den Koffer, stand auf und verließ das Lokal stadtseitig. Gemächlich schlenderte sie am alten Rheinturm vorbei, dem derzeitigen Schifffahrtmuseum am Burgplatz, sowie dem Radschlägerbrunnen und erreichte die Altstadt.

Derweil schob Bertram zwei Geldscheine unter die Kaffeetasse, stand auf und knöpfte sein Jackett zu. Auch er verließ das Lokal, allerdings zur Rheinuferpromenade und ging zügig zur Anlegestelle der ‚Weißen Flotte‘. Dort checkte er ein und fuhr flußabwärts zur Landungsbrücke Kaiserswerther Markt, vorbei an der Altstadt und den Rheinterrassen, sowie dem Hafengelände des Düsseldorfer Yachtclubs. Auf einem am Stadtteilrand gelegenen Parkplatz stieg er in einen dunkelblauen BMW und verließ Düsseldorf-Kaiserswerth in Duisburger Richtung.

Längst war die junge Schwarzhaarige, deren wirklicher Name nicht Samanta lautete, in der Altstadt verschwunden, als der Kellner die freigewordenen Stühle ordnete. Auf dem Stuhl neben dem Platz der vor wenigen Minuten noch dort sitzenden schwarzhaarigen Frau saß einsam ein Mann dessen Kopf langsam nach vorn kippte und auf der Tischplatte aufsetzte. Ein rotes Rinnsal auf seinem Rücken ließ vermuten, dass er keines natürlichen Todes starb.

02

DÜSSELDORF / BRD

Waffenfabrik Lorenz & Krause

Büro des Geschäftsführers

Gespannt blickten die beiden Männer auf den Bildschirm.

Im Foyer eines Bürohauses übergab ein Mann in blauen Jeans und T-Shirt einen braunen Aktenkoffer an einen Endfünfziger in dunkelgrauem Businessanzug, der sofort das Foyer verließ und im Gewimmel der Menschenmenge vor dem Gebäude untertauchte.

»Wo ist das? Sieht aus wie der Haupteingang dieses Hauses?«

Der andere Mann nickte.

Die Übertragung dauerte nur wenige Minuten. Der Ältere von beiden, Geschäftsführer Alfons Gross, ging zu seinem Schreibtisch. Dabei deutete er auf den Besuchersessel ihm gegenüber, wo Privatermittler Klaus Ritter Platz nahm.

Ritter sah Gross an. »Sicherlich ist nicht der Verlust des Koffers Anlass mit uns in Kontakt zu treten.«

»Richtig. Der Koffer interessiert uns nicht, der Inhalt ist extrem brisant und darf keinesfalls in falsche Hände geraten.«

Er lehnte sich an als er ergänzte: »Der Diebstahl des braunen Aktenkoffers erfolgte gestern.«

»Diebstahl ist eigentlich Sache der Polizei, die sind auch erheblich günstiger als wir, eigentlich kostenlos denn die werden von ihren Steuergeldern bezahlt. Haben sie mit der Polizei schon gesprochen?«

»Nein, das möchten wir auch vermeiden. Wenn der Inhalt des Koffers bekannt wird, finden wir uns auf der ersten Seite der Boulevard-Presse wieder und die Geheimdienste und Unterweltgrößen der ganzen Welt machen Jagd auf ihn.

Der Aktenkoffer stand im Tresor, vorbereitet für den Transport zu unserem spanischen Testzentrum und gefüllt mit dem Prototyp einer neu entwickelten Waffe. Bei Kraftfahrzeugen würde man Erlkönig sagen. Mit im Koffer lagen die Konstruktionspläne in Papierform und auf Datenträgern für dieses neue, höchst sensible Produkt. Der Koffer sollte am Folgetag mit einem gesicherten Transport überführt werden.«

Ritter nickte. »Koffer können auch unterwegs verloren gehen.«

Gross sah Ritter an und schüttelte den Kopf. »Für den Transport wird der Aktenkoffer am Handgelenk des Boten angekettet und von zwei zivilen Sicherheitskräften begleitet. Außerdem lässt er sich nur sehr schwer öffnen. Wird das Schloss gewaltsam aufgebrochen, zerstört man eine Gaskartusche und es verteilt sich ein Gasgemisch im gesamten Koffer. Ein Zündmechanismus setzt innerhalb Sekunden das Gemisch in Brand. Es dauert keine Minute bis Pläne und Dateien komplett vernichtet sind und die Waffe unbrauchbar ist.«

»Warum sind sie dann so nervös?«

»Das hat zwei Gründe: Der Koffer wurde nicht unterwegs gestohlen, sondern von einem Mitarbeiter in Umlauf gebracht. Das bedeutet, der Dieb wird mit Sicherheit auch den Öffnungscode kennen, den er egal ob telefonisch oder auf anderem Wege dem Adressaten weitergeben wird. Damit ist unser Sicherungskonzept unwirksam. Der Dieb auf der Straße könnte mit dem Koffer nicht viel anfangen. Der zweite Grund ist, der Mitarbeiter der den Koffer stahl war in der Lage die Produktbeschreibung in unserer EDV zu sabotieren. «

Ritter überlegte: »Also nicht nur Diebstahl, sondern auch Sabotage. - Okay, wo können wir mit der Suche beginnen. Hat der Koffer irgendwelche Merkmale an denen man ihn erkennen kann?«

»Auf der Unterseite des Griffes ist unser Firmenname eingestanzt und am Überschlag die Buchstaben: L&K.«

»Stammt die Aufzeichnung aus einer festinstallierten Überwachungskamera?«

»Ja, in der Eingangshalle und vor dem Eingang ist eine, begrenzt auf das eigene Grundstück.«

»Ich nehme mal an sie haben keinen der Männer erkannt.«

»Richtig.«

»Die Aufzeichnung war sehr hell, war es Tag?«

»Ja, laut Aufzeichnung sechzehnuhrneunundfünfzig.«

»Das ist dreist, tagsüber einen Koffer aus einem gesicherten Tresor zu stehlen, ihn durch die Firma zu tragen und dann im Ausgang einem Dritten zu übergeben. - Und das hat niemand bemerkt? Auch der Mitarbeiter an der Anmeldung nicht?«

»Nein, wir haben ihn eindringlich befragt.«

Gross zog einen Datenstick aus dem Rechner und reichte ihn Ritter. »Bringen sie uns den Koffer zurück.«

03

DÜSSELDORF / BRD

Ritter & Partner, Privatermittlungen

Konzentriert saßen Fiona Winkler, Felix Busch und Marion Jäger vor ihren Bildschirmen.

Eingeloggt im Zweiundsiebzigstundenspeicher der Düsseldorfer Verkehrssteuerung suchten sie den Mann im grauen Anzug. An irgendeiner Straßenecke musste er auftauchen und seinen Weg wollten sie verfolgen. Sein übergroßes Bild hing an einer Pinnwand vor den Schreibtischen.

Marion Jäger hatte Ritter nicht nur eingestellt weil sie eine ausgebildete Sekretärin war, sondern auch wegen ihrer erstklassigen Computerkenntnisse. Für sie schien es keine Hindernisse zu geben in fremden Computern zu recherchieren. Keine Firewall war vor ihr sicher, keine Recheneinheit zu kompliziert.

Die Detektei Ritter & Partner, gegründet von den ehemaligen Sonderermittlern der europäischen Ermittlungsbehörde United International Rescue, Klaus Ritter und Alexander Koppen, residierte im Medienhafen in Düsseldorf-Friedrichstadt und erfreute sich bereits nach wenigen Wochen regen Zuspruchs europäischer Großunternehmen und Ministerien. Bereits nach einem Monat sahen sie sich gezwungen die Personalstärke aufzustocken und gewannen die Ermittler Fiona Winkler, Adrian Böhm und Felix Busch für sich. Mit der Sekretärin Marion Jäger zählte ihr Unternehmen damit sechs Personen.

Jägers Versuch unter Zuhilfenahme einer Suchmaschine die gescannten Metadaten des Gesichtes im kompletten Datensatz der städtischen Verkehrsspeicher automatisch suchen zu lassen erwies sich als effektiv, aber ausgesprochen zeitaufwendig. Sie war kaum in der Lage die Masse gefundener Gesichter nachzuvollziehen bevor die Automatik des Programms sie wieder verwarf. Regelmäßig druckte das Programm Bilder mit mehr als achtzigprozentiger Überein-stimmung aus, die sie visuell mit dem Bild an der Pinnwand vergleichen musste.

Marion Jäger drehte sich zu Adrian Böhm. »Was passiert eigentlich wenn die Stadt uns erwischt, wir haben doch sicherlich keine Erlaubnis in die Computer der Verkehrssteuerung einzudringen, oder?«

Böhm blickte von seinem Bildschirm auf und zuckte die Schultern. »Wir sollten uns beeilen und möglichst keine Spuren hinterlassen.«

Er und Fiona Winkler arbeiteten an einzelnen Kameradateien der Kreuzungen und ließen jeweils die letzten vierundzwanzig Stunden durchlaufen, beginnend mit den Kameras der Königsallee.

15:30 Uhr. Marion Jäger sprang vom Stuhl auf, ergriff einen Ausdruck und rannte zur Pinnwand. Mit Pinnwandnadeln heftete sie das Gesicht eines Mannes samt Körperabbildung neben das Masterbild. Den braunen Aktenkoffer führte er deutlich erkennbar an seiner rechten Hand.

»Das ist er, ich hab ihn. Leute wir sind ein Stück weiter.«

Am Bildrand entzifferte sie die Kamera und den Zeitpunkt der Aufnahme.

»U-Bahnausgang Heinrich-Heine-Allee, Rolltreppe zur Flinger Straße, gestern siebzehnuhreinundzwanzig.«

Alle Vier umstanden die Pinnwand. Ritter sah Marion Jäger an und klopfte ihr auf die Schulter. »Gute Leistung, brech deinen Scan ab, wir ziehen Kreise um die Heinrich-Heine-Allee und konzentrieren uns vorrangig auf die Altstadt.«

Wohin würde der Mann gehen?

Das Ergebnis ließ sie erstaunen.

04

HONGKONG / VOLKSREPUBLIK CHINA

The Ritz-Carlton Hotel

Majestätisch glitt der schwere gepanzerte Mercedes die Auffahrt zum Entrée des The Ritz-Carlton Hotel Hong Kong hinauf. Am Hoteleingang erwarteten ihn vier Männer, deren Funktion keinem Zuschauer verborgen geblieben wäre, hätte man den kompletten Eingangsbereich nicht vor dem Eintreffen des Wagens von Besuchern befreit. Sie waren Männer der Triaden, gut trainiert mit gepflegtem Äußeren, in Maßanzügen mit leicht ausgebeutelten Achselhöhlen und gefährlich wie Kampfhunde.

Ein alter Mann entstieg dem Mercedes, begleitet von zwei breitbrüstigen, kahlköpfigen Leibwächtern, denen man die Bereitschaft zuzufassen schon aus der Ferne ansah.

Chen Quan, ein hochgewachsener Mann im dunkelgrauen Anzug und gepflegtem Äußeren, verließ den Hoteleingang und ging zielstrebig auf den älteren Herrn zu.

Als Zeichen seiner Achtung und Unterwürfigkeit dem alten Mann gegenüber verbeugte er sich und küsste dessen großen goldenen, mit Diamanten besetzten Ring.

»Ich begrüße euch ‚Großer Bruder‘ auf meinem bescheidenen Territorium, mein ist euer.«

Yang Bo nickte zufrieden.

Ein leiser Klingelton kündigte die 35. Etage an. Chen Quan steckte einen Schlüssel in das Zylinderschloss am Etagenwählbrett und entriegelte damit die Etagentür. Sie öffnete sich mit einem leisen Zischen.

Mit einer leichten Verbeugung deutete Chen Quan seinem Besucher Yang Bo auszusteigen und sie betraten sein Revier, seine von ihm dauergemietete und für Fremde gesperrte Etage.

Die beiden muskulösen Männer links und rechts des Eingangs zur luxuriösen Noble Suite, Ebenbilder der Wachen vor dem Eingang, standen mit eisiger Miene und vermittelten nicht den Eindruck dass ihre Gesichter auch mit Lachmuskeln ausgerüstet sein könnten. Von ihrer Wichtigkeit zeugten auch die Kleinen Ohrstöpsel mit denen sie ständigen Kontakt zu den Kameraden am Eingang und im Innern der Suite hielten.

Als sie die Tür zur Suite erreichten sprang einer der beiden Wachen vor und riss die Tür auf.

Die illustre Runde der Männer im Innern der Suite, die es sich in den schweren Ledersesseln bequem gemacht hatten, stand auf und verbeugte sich um dem obersten Führer der chinesischen Triaden die erforderliche und ihm zustehende Ehre zu erweisen.

Sie alle kannten sich in der Regel seit ihrer Kindheit, denn alle hatten sie die Positionen ihrer Väter eingenommen. Manchmal arbeiteten sie geschäftlich gegeneinander, was keiner persönlich nahm, aber stets zusammen wenn es um gemeinsame Interessen ging, oder gegen Ausländer.

Heute waren die Führer der Triaden aller Gruppierungen vertreten, denn ‚er‘ hatte gerufen und sie warteten gebannt was er ihnen zu sagen hatte.

Zhao Baihu aus Shanghai, Wu Feng aus Shenzhen, Liu Maodeyan aus Nanning, Zhou Taiji aus Peking, Huang Shixin aus Changchun und Yao-Yun Bao aus Hanoi/Vietnam. Sie gehörten der ersten Ebene an. Als einziger der zweiten Ebene durfte heute Chen Quan der Besprechung beiwohnen.

Um Konkurrenzen und damit größere Streitigkeiten zu umgehen spezialisierten sich schon die vorherigen Generationen von Zhao Baihu und Huang Shixin auf das Rauschgiftgeschäft mit engen Kontakten zu mittelamerikanischen Drogenkartellen, Liu Maodeyan der Neuling in der Gruppe der ersten Ebene baute sich in den letzten Jahren ein großes Hacker-Spezialistenteam auf, mit internationalem ‚Klientel‘ deren EDV sie nur nach Zahlung größerer Summen freischalteten. Yao-Yun Bao aus Hanoi, mit seinem Blutkartell lieferte von seinen ‚Blutspenderfarmen‘ in China, Vietnam, Bangladesch, Myanmar, Laos, Kambodscha, Thailand und den Philippinen Blutkonserven in die reichen Länder in Europa, Nordamerika und Canada. Zhou Taiji und Wu Feng widmeten sich dem klassischen Waffenhandel.

Chen Quan war kein Spezialist, weshalb er auch nicht der elitären ersten Ebene angehörte. Er übernahm von seinem Vater die Arbeit der ‚Ausputzer‘. Sein Team umfasste mehrere hundert Männer und Frauen weltweit, deren Aufgabe es war Feinde der Triaden zu liquidieren und im Ausland von chinesischen Gastwirten und Kleinstunternehmern Schutzgelder einzutreiben. Und darin waren sie sehr gut.

Yang Bo deutete auf die Sessel und forderte sie auf sich zu setzen.

»In einer deutschen Waffenschmiede wurde eine neue Waffe entwickelt die für uns von extremer Wichtigkeit zu sein scheint. Wie ich erfahren habe soll diese Waffe von untreuen Mitarbeitern entwendet worden sein und das Werk in einem verschlossenen Koffer verlassen haben, der nur mittels speziellem Code geöffnet werden kann.«

Huang Shixin unterbrach den Redefluss von Yang Bo, womit er sich böse Blicke einfing, denn es war ein ungeschriebenes Gesetz, das Wort des Ältesten und Einflußreichsten der Runde nicht zu unterbrechen oder in Frage zu stellen. Und das galt für alle: »Sowas kann auch nur im Westen passieren, hier würde man so einem Dieb den Kopf abschlagen.«

Zhao Baihu erhob sich mit einer Verbeugung zu Yang Bo. »Wissen wir aus welcher Firma die Waffe entwendet wurde?«

»Die Waffe stammt aus dem Labor der Firma Lorenz & Krause«, antwortete Zhou Taiji, »ich hörte, der Tasche jagen bereits die Geheimdienste verschiedener Länder hinterher. Problematisch scheint zu sein, dass bei unfachmännischer Öffnung, also ohne den entsprechenden Öffnungscode, eine Sprenggranate den Inhalt vernichtet.«

»Also müssen wir beides finden, die Tasche und den Code«, Yang Bo drehte sich um zu Chen Quan, »Chen Quan, du bist hier in Hong Kong aufgewachsen und hast die Sprache des Westens gelernt, geh mit deinen Männern zu den Europäern, suche den Koffer und den Code und bring ihn uns. Wir setzen unser gesamtes Vertrauen in dich, enttäusche uns nicht.«

Chen Quan stand auf und verbeugte sich. »Ich werde meine ganze Kraft einbringen, diesen Koffer zu finden und mich noch heute auf den Weg machen.«

Yang Bo blickte in die Runde zustimmender Gesichter.

»Eine Waffe die wir besitzen kann nicht gegen uns verwendet werden.«

Damit war Chen Quan entlassen.

05

LANGLEY / VIRGINIA USA

Besprechungsraum der CIA-Auslandsaufklärung

-Selbiger Tag nur einige Stunden später-

Die großen weit ausladenden Schritte des hochgewachsenen Wachmanns nötigten Karin Winter in ihrem engen Kostümrock und den hohen Absätzen ihrer Schuhe zu höchster Anstrengung und vielen kleinen Schritten.

Wollte er sie ärgern oder war er nur einfach wütend darüber dass er sie hier hoch begleiten musste überlegte sie, bestimmt verhielt er sich deshalb so rücksichtslos.

Natürlich hätte sie den Besprechungsraum auch ohne den Wachmann aufsuchen können, was ihr erheblich lieber gewesen wäre schließlich arbeitete sie vor ihrem Behördenwechsel mehrere Jahre in diesem Gebäude und kannte die Strecke von der Eingangswache bis zum Besprechungsraum auswendig, aber die Entscheidung des Wachhabenden ihr einen Mitarbeiter seines Teams mitzugeben war ein Gesetz dem man sich nicht widersetzte.

Trotz der schnellen Schritte betrachtete sie die Wände und stellte mit Genugtuung fest, dass sich seit ihrem Ausscheiden nichts verändert hatte, sogar die Bilder hingen noch genauso schief wie vor fünf Jahren.

Vor einer Stahltür blieb der Wachmann stehen. »Bleiben sie einen Schritt zurück, ich muss den Code eingeben.«

Er hielt seine Mitarbeiterkarte vor ein Leseauge und stellte sich so, dass sie nicht sehen konnte welche Zahlenkombination er auf dem Tastaturfeld eintippte. Wahrscheinlich war es die muffelige Art des Mannes die sie dazu beflügelte ihn ein wenig zu provozieren: »Ist das noch dieselbe Kombination wie vor fünf Jahren?«

Keine Antwort.

Es summte und er zog die Tür auf.

»Folgen sie mir.«

Karin Winter, Chefanalystin beim NSA in Fort Meade Maryland musste schmunzeln, sie hatte nicht beabsichtigt vor der Tür stehen zu bleiben.

Vor der nächsten Stahltür bewachten zwei Männer den Eingang. Der Wachmann übergab Karin seinen Kollegen und entfernte sich mit einem kurzen Gruß zurück zur Wache.

Einer der Türwachen zog einen Handscanner über Karins Besucherausweis. Sekunden später glimmte im Display des Scanners ein grünes Licht auf und der Schließmechanismus schaltete mit einem Klicken die Tür frei. Der Wachmann zog den schweren Türflügel auf und ließ Karin Winter eintreten.

Wie immer wenn sie als Letzte einen Raum betrat verstummten die Gespräche und drehten sich die Köpfe in Richtung Eingang. Noch immer war ihr nicht klar, ob ihr Erscheinungsbild mit ihren langen strohblonden Haaren auf dunkelblauem Kostüm die Blicke der Männer auf sich zog, oder ganz einfach die Tatsache dass sie, eine Frau, in die Domäne der Männer einbrach.

Sie musste nicht laut sprechen, denn es herrschte totale Stille im Raum. »Guten Morgen die Herren.«

Ein »Morgen«-gemurmel folgte.

In den Gesichtern einiger Männer konnte sie deutlich deren Gedanken lesen: Was will denn die Frau hier?

Sie suchte und fand den freien Platz vor dem Ihr Namensschild stand: Winter NSA.

Fast alle Stühle waren besetzt, einige Männer kannte sie noch aus ihrer früheren Zeit beim CIA und nickte ihnen zu.

Ihr Gegenüber saß der Chef der Überwassereinheiten Admiral Reginald Wolter im Gespräch mit seinem Nachbarn, Colonel Frank Bush und sie fragte sich: Was wollen denn die Militärs hier?

Mehr Zeit blieb nicht, die Eingangstür wurde aufgerissen und ein großer Mann im maßgeschneiderten dunkelgrauen Anzug betrat den Raum. Karin schluckte, sie hätte ihn beinahe nicht erkannt.

Ronald McCain, Direktor des CIA. Im Gegensatz zu früher waren die Haare ergraut, auch ging er früher nicht am Stock. Zielstrebig steuerte er den Stuhl am Kopfende an und setzte sich.

Vollkommene Stille.

Nachdem er mehrere Minuten in die Runde geschaut hatte, eröffnete er die Sitzung.

»Guten Morgen die Herren.«

Er stockte: »Oh Entschuldigung, unter uns weilt ja heute eine Dame. Guten Morgen«, er nickte Karin Winter zu.

»Einige von ihnen werden unseren weiblichen Gast noch aus früheren Zeiten kennen, ich darf sie kurz vorstellen: Doktor Karin Winter, Chefanalystin beim NSA.

Ich habe sie heute hier zusammengerufen weil das NSA eine wichtige Information aufgeschnappt hat. Frau Doktor Winter bitte berichten sie.«

Karin Winter lehnte sich nach vorn. »Uns ist zu Ohren gekommen, dass aus den Tresoren des deutschen Premiumwaffenherstellers Lorenz & Krause der Prototyp einer Waffe gestohlen wurde die einmalig sein soll. Diese Waffe, deklariert als Geheimdienstwaffe, wurde nach langer Entwicklungszeit speziell für Dienste entwickelt.

Sie ist streng geheim und soll extrem tödlich sein. Zusammen mit den Konstruktionsplänen soll sie sich, in einem braunen Aktenkoffer befinden der mit einem speziellen Code gesichert ist. Der Koffer sollte am Folgetag per bewachtem Transport nach Spanien zum Testzentrum des Herstellers überstellt werden und war deshalb bereits für den Transport vorbereitet. Wird der Koffer unsachgemäß geöffnet, soll ein darin angebrachter Sprengstoff den Inhalt sofort vernichten.«

Ronald McCain führte das Gespräch weiter: »Wie das NSA erfuhr, handelt es sich um einen Auftragsdiebstahl. Der Koffer soll bereits per Geheimkurier unterwegs sein. Keiner kennt den Kurier, keiner den Bestimmungsort und es weiß auch keiner wo sich der Koffer momentan befindet.«

Karin Winter: »Wir müssen davon ausgehen, dass der Kurier unübliche Wege einschlagen wird um die Waffe am deutschen Zoll vorbei zu schleusen, denn es dürfte keine Ausfuhrgenehmigung vorliegen. Alles was die europäischen Außengrenzen passiert wird vom Zoll kontrolliert, Gepäckstücke generell durchleuchtet.«

Ronald McCain: »Kommen wir zu ihrem Auftrag meine Herren. Wir sind interessiert an der Waffe, instruieren sie ihre im Ausland eingesetzten Teams und schicken sie die Leute auf die Reise. Suchen sie den Kurier und die Waffe.«

Er richtete sich an die Militärs: »Herr Admiral, Herr Colonel, sollten unsere Agenten die Hilfe des Militärs benötigen, möchte ich sie bitten ihnen diese nicht zu verwehren. Können wir auf sie bauen?«

Die Offiziere nickten.

»Bitte beachten sie, dass es sehr eilt, wir wissen nicht wie lange der Kurier benötigt die Waffe zuzustellen. Es ist bekannt, dass bereits mehrere andere Geheimdienste, aber auch Unterweltgrößen auf der Suche sind.«

Admiral Wolter legte seine rechte Augenbraue in Falten. »Und warum vergeuden wir dann mit so einer Besprechung dermaßen viele Stunden, nur um einen Einsatzbefehl herauszugeben?«

Er blickte im Kreis und sein rechter Arm deutete auf die anwesenden Personen. »Ein Telefonat hätte doch auch gereicht, oder nicht.«

Kopfschüttelnd stand er auf und ging in Richtung Tür. »Vergeudete Zeit!«

06

DÜSSELDORF / BRD

Café an der Rheinpromenade

Klaus Ritter steuerte einen unbesetzten Ecktisch an und setzte sich auf den Stuhl der ihm freie Sicht über das gesamte Lokal ermöglichte.

Den Kellner der ihm sofort ein Kännchen Kaffee auf den Tisch stellte nahm er kaum wahr, studierte er doch gerade die Gesichter der anwesenden Gäste. Den Hauptanteil nahmen Männer mittleren Alters ein die allein an ihren Tischen saßen. Den Anteil weiblicher Gäste schätzte Ritter auf nur dreißig Prozent, wobei die Damen in der Regel den Tisch zu zweit oder dritt belegten.

Der Mann den er suchte war nicht unter den Gästen.

Ein Pärchen, unscheinbar in ihrer Zweisamkeit, betrat die Terrasse und fand einen Tisch auf der gegenüberliegenden Seite des Lokals. Felix Busch und Fiona Winkler bestellten sich jeweils eine Weinschorle und Ritter fragte sich wie die es schafften keinen Kaffee vorgesetzt zu bekommen.

Observierungen sind ein zähes Geschäft, es war ihr dritter Tag und Ritter kannte die ausgelegten Zeitschriften mittlerweile auswendig.

Mit Fortschritt des Spätnachmittags erhöhte sich die Zahl der einströmenden Gäste, auch die Überstundenschieber schienen noch schnell die Restsonne genießen zu wollen.

Ein Mann im dunkelgrauen Anzug, weißen Hemd und roter Krawatte setzte sich an einen noch freien Tisch in der Nähe des Wassers und blickte auf den Rhein. Dem Anschein nach schien er auf etwas zu warten.

Ritter erkannte sein Gesicht sofort, musste es nicht mit dem Bild in seiner Tasche vergleichen. Ihm übergab in diesem Lokal der Mann im grauen Anzug den braunen Aktenkoffer von L&K mit dem anschließend eine junge schwarzhaarige Frau das Lokal in Richtung Innenstadt verließ.

Vorerst beschränkte sich Ritter darauf ihn zu beobachten. Als er aber auch nach einer Stunde noch alleine saß, legte Ritter die Zeitschriften zur Seite und nickte Felix und Fiona zu.

Einen Geldschein zur Begleichung seiner Rechnung schob er unter die Tasse, stand auf und setzte sich zu dem Mann an den Tisch.

Abschätzend blickte der ihn an. »Es gibt bestimmt noch freie Tische, sie müssen sich nicht an meinen setzen.«

Ritter lächelte zurück, der Mann schien nervös zu sein. »Mir war als wären sie sehr allein und würden sich über etwas Gesellschaft freuen. Warten sie auf Jemanden. – Sie sind doch öfter hier, oder?«

Der Mann reagierte nicht, also begann Ritter erneut und das auf seine ureigene höfliche Art.

Der Kiesbelag raschelte als er mit seinem Stuhl näher an den des Mannes rückte und ihn dann von der Seite anschaute. »Schön dass sie sich Zeit für mich nehmen denn ich habe eine Frage an sie. Wo ist der braune Aktenkoffer der ihnen vor ein paar Tagen in diesem Lokal übergeben wurde.«

Die Nähe zu Ritter schien dem Mann unangenehm zu sein denn er versuchte den Abstand wieder zu vergrößern indem er mit seinem Stuhl etwas zur Seite rückte, was jedoch der Fuß von Felix Busch verhinderte der auf der Eisenverbindung der beiden Stuhlbeine ruhte.

Der Mann blickte über sich, direkt in das Gesicht von Felix Busch. Der lächelte ihm aus zwei Meter Höhe freundlich zu, bückte sich und flüsterte ihm ins Ohr: »Beantworten sie doch einfach seine Frage. Der Mann neben ihnen hat sie doch so freundlich gestellt.«

Nochmals schaute der Mann nach oben, dann zu Ritter: »Was wollen sie von mir?«

Seine Augen suchten den Kellner. Gleichzeitig atmete er tief ein, wohl um die umliegenden Tische lautstark auf seine verzwickte Situation hinzuweisen, doch die seinen Hals umklammernden Hände von Felix Busch ermahnte ihn sich ruhig zu verhalten.

»Wir sind doch erwachsene Menschen und wollen uns nur ganz freundlich mit ihnen unterhalten. Also keine Dummheiten bitte.«

Ritter wiederholte seine Frage: »Wo ist der braune Aktenkoffer der ihnen vor ein paar Tagen übergeben wurde. Sie erinnern sich doch bestimmt.«

Der Mann tat sich schwer mit der Beantwortung, doch schien der steigende Druck mit dem Busch die Luftzufuhr reduzierte sein Gedächtnis anzuregen, zumal er beruhigend hinzufügte: »Sie brauchen keine Angst vor übermäßigem Aufsehen haben, wenn ich zudrücke bleibt das unbemerkt, zumindest so lange wie wir uns in diesem Lokal aufhalten.«

Der Mann sah erst Busch und dann Ritter an: »Ich habe den Koffer nicht.«

Ritter klopfte mit dem rechten Zeigefinger gegen die Tischkante. »Das glaube ich ihnen sogar, ich möchte nur wissen wo er jetzt ist.«

»Ich weiß es nicht.«

Mittlerweile schien der von Busch erzeugte Druck zu schmerzen denn er wand sich um ihn zu reduzieren. »Ich warte auf jemanden der den Aktenkoffer übernommen hat.«

»Sie meinen nicht zufällig die junge Dame mit den langen schwarzen Haaren, die am Tag der Übergabe neben ihnen gesessen hat?«

Erschreckt blickte er Ritter an: »Woher wissen sie.«

Ritter deutete auf die städtische Überwachungskamera am Laternenmast direkt neben der Promenade. »Wer ist die Frau und wohin ist sie mit dem Aktenkoffer gegangen.«

Er zuckte mit den Schultern, was Busch veranlasste den Druck nochmals zu erhöhen und den Blutfluss der Adern zum Gehirn zu unterbinden was starke Kopfschmerzen verursachen musste.

Der Mann bäumte sich auf und seine Stimme kratze als er antwortete: »Sie ist ein Kurier und hat den Auftrag die Tasche nach Alexandria zu bringen. Dort wird sie ihn einem anderen Kurier übergeben. Sie sollte längst zurück sein, aber hat sich bislang noch nicht gemeldet.«

»Ist hier ihr Treffpunkt?«

Er nickte.

»Wem sollte sie in Ägypten die Tasche übergeben.«

»Einem weiteren Kurier, mehr weiß nur sie. Ich nicht.«

»Das glaube ich nicht.«

Erneut wand er sich und schnappte hörbar nach Luft. »Es sollte nur ein kurzer, schneller Trip sein. Sie reist mit einer Tanztruppe die in Alexandria einen Monat gastiert und bringt mit deren Gepäck den Koffer außer Landes. In Alexandria übergibt sie ihn dann dem anderen Kurier der den weiteren Transport übernimmt.«

Ritter wartete einen Moment mit seiner Antwort: »Und sie meinen ich kann ihnen glauben?«

Der Mann nickte heftig, eigentlich etwas zu heftig.

»Okay belassen wir es für heute. Sollten sie uns jedoch belogen haben melden wir uns wieder, dann sind wir allerdings nicht mehr so freundlich wie heute.«

Ritter stand auf und verließ zusammen mit Busch das Lokal in Richtung Altstadt.

Erlöst sackte der Mann in sich zusammen, blickte auf seine Armbanduhr und schreckte hoch. Zügig stand er auf, legte einen Geldschein auf die Untertasse und verließ das Lokal zur Rheinpromenade in Richtung Anlegestelle der ‚Weißen Flotte‘.

In gebührendem Abstand folgte Fiona Winkler und erreichte den Einstieg ins Schiff kurz bevor es ablegte.

Auf dem Achterdeck stehend blickte der Mann gedankenversunken auf die vorbeiziehende Altstadt von Düsseldorf. Mit einer Hand tastete er seinen Hals ab als spüre er noch immer die Hände von Busch.

Vom Promenadendeck sah Fiona auf ihn hinunter, zückte ihr Handy und telefonierte mit Klaus Ritter, der zusammen mit Felix Busch das Altstadtparkhaus erreicht hatte und zum Auto lief.

»Wir sind auf einem Schiff der ‚Weißen Flotte‘ und fahren Flussabwärts, voraussichtlich nach Kaiserswerth. Dort endet die Linie.«

»Okay, wir beeilen uns.«

Während das Schiff die Rheinterrassen passierte und auf das Hafengelände des Düsseldorfer Yachtclubs zusteuerte, jagten Busch und Ritter über die Fischerstraße und die Kaiserswerther Straße nach Düsseldorf-Stockum. Am Kreisverkehr zu den Messehallen verließ sie das Glück der freien Straße, sie standen im Stau. Die Messebesucher fuhren nach Hause. Ein rechtzeitiger Wechsel auf die Bundesstraße 8 verhieß schnelleres Vorankommen, enttäuschte sie aber und sie fuhren im Schritttempo am Westende der Startbahnen des Düsseldorfer Flughafens vorbei. Nach erschreckend langer Fahrt im Schritttempo erreichten sie die Abfahrt zur Niederrheinstraße und den Stadtteil Kaiserswerth.

Derweil beobachtete Fiona Winkler den Mann auf dem Achterdeck und bemühte sich einen Endvierziger abzuwehren, der penetrant versuchte ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

An der Landungsbrücke Kaiserswerther Markt leerte sich das Schiff. Auch der Mann vom Ufercafé ging an Land. In gebührendem Abstand folgte ihm Fiona durch das mittelalterliche Hochwasserschutztor in die Kaiserswerther Altstadt.

Plötzlich erschien der nervige Endvierziger direkt neben ihr und berührte ihre Schulter. Dabei zeigte er auf ein Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Darf ich sie zu einem Kaffee einladen?«

Der hat mir gerade noch gefehlt!

Um sofort klare Verhältnisse zu schaffen antwortete Fiona barsch: »Danke kein Bedarf, ich habe keine Zeit.«

Er griff nach ihrem Arm um sie am Weitergehen zu hindern, aber sie riss sich los. Dabei blickte sie ihn wütend an und zischte eine Serie böser Worte die ihn abzuschrecken schienen.

Na also!

Auf dem sehr schmalen Bürgersteig in der Kaiserswerther Altstadt schoben sich die vom Schiff kommenden Menschen in Richtung Klemensplatz, dem Verkehrszentrum des Stadtteils.

Um sie zu überholen sprang Fiona auf die Straße, verkantete den rechten Fuß in einer tiefen Rille der rustikal gepflasterten Straßendecke und knickte um. Beinahe wäre sie gestürzt, konnte sich aber noch soeben auf den Beinen halten.

Verdammt, schimpfte sie vor sich hin, biss die Zähne zusammen und suchte mit ihren Augen den Mann vom Café. Als sie ihn sah bog er gerade in die An St. Swidbert-Straße.

Mit schmerzendem Fußgelenk lief Fiona bis zur Ecke und erspähte ihn zweihundert Meter entfernt. Sie zwang sich ihr Schritttempo zu erhöhen, wollte ihn keinesfalls nochmals aus den Augen verlieren.

Mittlerweile wurde die Reihe der Stadtteilhäuser abgelöst von dicht gedrängten Büschen die einen Abhang zu einer sehr großen Senke verdeckten. Auf der rechten Straßenseite zweigte die Straßenzufahrt zur Rheinfähre ab, mit Wiesen auf beiden Seiten.

Gerade noch vor ihr, verschwand der Mann von einer Sekunde zur nächsten. Hatte er ihre Verfolgung bemerkt? Für sie bedeutete das vorsichtig zu sein, die Büsche erschienen ihr sehr blickdicht.

Erneut rief sie Klaus Ritter an und gab ihm ihre Position durch. »Er ist ziemlich schnell, es könnte sein dass er mich bemerkt hat, ich weiß es aber nicht. Parkende Autos sehe ich hier keine, entweder wohnt er hier in der Nähe oder er beeilt sich einen Zug an der U-Bahnhaltestelle Kaiserpfalz zu erreichen. Wo seid ihr?«

»Wir brauchen mindestens noch fünf Minuten bis zu dir, sind gerade an den Landebahnen vorbei und verlassen jetzt die B8 nach Kaiserswerth.«

Sollte der Mann tatsächlich von der Kaiserpfalz mit der U-Bahn weiterfahren, musste sie sich beeilen und zu ihm aufschließen um dieselbe Bahn zu erreichen.

Ihren Schmerz im Fußgelenk versuchte sie zu ignorieren und erhöhte erneut die Schritt-geschwindigkeit.

Kurz vor dem Kreisverkehr zur Niederrheinstraße erschreckten Fiona gequälte Motorengeräusche eines Autos das sie nicht sehen konnte.

Aus einer mit Büschen umrandeten und fast verdeckten Ausfahrt schoss ein dunkelblauer BMW, der von einem Parkplatz in der Mulde gekommen sein musste. Am Steuer saß der Mann den sie verfolgte.

Fiona sprang zur Seite. Ihr blieb gerade noch die Zeit das Nummernschild zu fotografieren, bevor er den Kreisverkehr erreichte, auf die Niederrheinstraße bog und in Richtung Duisburg verschwand.

07

ALEXANDRIA / ÄGYPTEN

Diskothek Jackx Club

Das laute Wummern der Bässe drang in ihren Körper und feuerte sie zu weiterer Höchstleistung an, tanzen, tanzen, tanzen. Obwohl der andere Job erheblich ertragreicher war nannte sie seit letztem Jahr das Tanzen offiziell ihren Beruf und sie war gut darin. Die geschmeidigen Bewegungen zur Musik und das bläuliche Schillern ihrer schwarzen langen Haare, angestrahlt und in Szene gesetzt vom pulsierenden Licht der Scheinwerfer, zogen die Augen der Anwesenden magisch an.

Genug Platz zum Tanzen ließ man ihr, die Männer und Frauen um sie herum hielten Abstand, einige standen auch nur da und schauten zu wie sie ihren schlanken Körper im Takt der Musik bewegte, insbesondere junge Männer.

Die laute Musik schien sie alles um sich herum vergessen zu lassen, sie vernahm nur die Bässe, die sie mehr spürte als den Klang der Musik. Die vielfarbigen Lichtstakkatos aus den Strahlern über der Tanzfläche trieben sie ständig aufs Neue zu Höchstleistungen an.

Heute hatten sie ihren freien Tag und doch stand ihre Kollegin Alina schon zum dritten Mal neben ihr um sie von der Tanzfläche zu ziehen.

»Komm Samanta, wir müssen los.«

Elena, ihre zweite Kollegin mit der sie in dieser Nacht unterwegs war, wartete bereits seit zehn Minuten am Rande der Tanzfläche und schaute ständig auf die Uhr. Die Zeit lief ihnen davon und alleine zurücklassen durften sie Samanta nicht. Gemeinsam waren sie gekommen und gemeinsam mussten sie auch wieder gehen. Längst hatten sie ihre Zeit überzogen und zu ihrer Unterkunft würden sie gute dreißig Minuten laufen müssen. Elena sah bereits in ihrem geistigen Auge den Ärger der sie erwartete.

Aber Samanta tanzte und nichts konnte sie davon abhalten.

Immer wieder riss sie sich los und stieß Alina zur Seite, die irgendwann resigniert und wütend die Tanzfläche verließ.

Was sollten sie machen? Die mahnenden Worte ihres Tourchefs ignorieren und doch ohne Samanta gehen? Es würde Ärger geben, gewaltigen Ärger, aber auch der gemeinsame Versuch sie von der Tanzfläche zu holen mißlang. Samanta tanzte ihren Tanz und ließ sich nicht stören.

Wütend verließen sie das Lokal.

Samanta sah auf.

Endlich.

Leise klopfte es an Alinas Zimmertür. Verschlafen brummte sie etwas das so ähnlich klang wie >herein<, mehr ließ ihr pelziger Geschmack im Mund nicht zu. Eigentlich sollte es ihr nichts ausmachen spät ins Bett gegangen zu sein, schließlich arbeiteten sie nachts, aber die letzte Nacht war irgendwie anders. Sie befürchtete Samanta könnte eventuell nicht zurückgekommen sein und hatte Angst vor dem was sie dann in den nächsten Minuten erwartete.

Elena schlüpfte in den Raum. Der glich mit seinen drei Meter Länge und zweieinhalb Meter Breite der Zweitausgabe einer Abstellkammer, aber Alina konnte hier alleine logieren und war nicht wie fast alle ihrer Kolleginnen im Doppelzimmer einquartiert. Es war ihr kleiner privater Bereich für die Zeit des einmonatigen Aufenthaltes in Alexandria, der ersten Station ihrer Dancing-Tour durch Europa und den Anrainerstaaten des Mittelmeeres.

»In Samantas Zimmer, sieht es voll chaotisch aus und sie ist immer noch nicht da.«

Alina richtete sich auf und lehnte ihren Rücken gegen das Kopfende des Bettes: »Was heißt chaotisch?«

»Die Schranktüren sind offen, die Schubladen herausgezogen und eben alles durcheinander.«

»Und jetzt?«

Elena zuckte mit den Schultern. »Wir müssen Klaus informieren.«

Alina winkte ab. »Als wenn der das nicht bereits gemerkt hätte. Der wartet mit Sicherheit schon auf unsere Erklärungen.«

Elena: »Erstaunlich dass er noch nicht bei uns war. Bin gespannt wie er reagiert.«

Fast täglich warnte Tourchef Klaus Erichmann seine Tänzerinnen die Vergnügungsviertel der nordafrikanischen Staaten nur als Gruppe aufzusuchen, niemals allein.

Ihr Gang zum Frühstücksraum wurde zur Qual, der Flur gefühlt viel zu kurz. Im Wohnraum blickte Alina rundum, mehrere Ihrer Kolleginnen standen im Kreis, mittendrin Tourchef Klaus. Samanta stand nicht bei ihnen. Damit wurden ihre Befürchtungen brutale Wirklichkeit, Samanta war nicht zurückgekehrt.

Schlagartig verstummten die Stimmen der Kolleginnen. Der Kreis um Erichmann öffnete sich und Klaus sah Alina und Elena an. Knisternde Stille, Erichmann wartete.

Da sie nichts sagten begann er: »Wenn ich mich recht erinnere seid ihr zu dritt gegangen. Ich sehe aber nur euch beiden, wo ist Samanta.«

Seine sonst so freundlichen Augen wirkten hart, stechend und durchdringend. Auch das übliche Lächeln fehlte.

Karin und Ulrike am Frühstücksbuffet drehten sich um und sahen Alina und Elena an, doch die hatten keine Antworten außer: »Wir haben alles versucht. sie wollte nicht mitkommen.«

»Hat sie einen Mann kennengelernt und ist mit ihm gegangen? Kommt sie später?«

»Nein«, die beiden jungen Frauen schüttelten ihre Köpfe, »während unserer Anwesenheit war kein Mann bei ihr, allerdings wurde sie von vielen Männern angestarrt. Egal was wir versuchten, sie hat nicht mit uns geredet und uns immer wieder weggestoßen. Wir haben wirklich alles versucht. Sie wollte immer nur tanzen.«

Langsam schritt Erichmann auf Alina und Elena zu. »Hattet ihr euer Gehirn ausgeschaltet oder warum habt ihr mich nicht angerufen damit ich sie hole?«

Wieder keine Antwort von den beiden jungen Frauen und Erichmann hakte nach: »In welchem Lokal wart ihr?«

»Im Jackx Club, das ist eine Diskothek……«

Er unterbrach Alinas Ausführungen: »Ich kenne den Club, der ist ganz ordentlich, aber nur für Paare. Wie seid ihr dort reingekommen?«

Alina zuckte mit den Schultern: »Samanta hat mit den Türstehern gesprochen, daraufhin haben sie uns reingelassen.«

Mittlerweile standen alle fünfzehn Kolleginnen um Alina und Elena. Jede mit einer unausgesprochenen Frage, aber im Raum herrschte Stille, drückende Stille.

Wo blieb Samanta?

Sie durchkämmten die gesamte Stadt, vergaßen auch nicht hinter jede Mauer und in jeden Winkel zu schauen, immer in der Hoffnung sie dort nicht tot liegen zu sehen. Den gesamten langen Mittelmeerstrand suchten sie ab und die dahinterliegenden Dünen, aber Samanta blieb verschollen.

Klaus Erichmann recherchierte im Jackx Club, befragte den Discjockey und den Clubchef. Allein die Thekenbedienung erinnerte sich an die tanzende schwarzhaarige Frau, konnte aber über deren Verbleib keine Angaben machen. Irgendwann in der Nacht war sie verschwunden und auch der Türsteher schüttelte nur den Kopf.

Ihre letzte Hoffnung, Hinweise vom Clubmanager des Nightclubs Mirage, in dem sie den gesamten Monat gastierten und ihre Nachtshow vorführten zu erhalten, verlor sich im Nichts. Als einzigen Hinweis gab er Erichmann die Telefonnummer der örtlichen Polizei und bot an, selbst den Kontakt herzustellen und falls notwendig zu dolmetschen.

Der ägyptische Kommissar Tarek Balkkair sah Erichmann skeptisch an. »Seit wann ist sie verschwunden?«

»Seit letzter Nacht.«

Entweder glaubte er ihm nicht, mochte keine Europäer oder er verachtete Frauen die in Nachtclubs tanzten. Allein die Anwesenheit des Clubmanagers vom Mirage schien ihn davon abzuhalten wieder zu gehen. Erichmann vermutete, dass sie sich gut kannten.

»Ist diese Frau nachts allein durch die Straßen unserer Stadt gelaufen? Als Frau ohne Mann und dann auch noch durch die dunkelste Gegend zwischen der Sahara und dem Mittelmeer?«

Erichmann sah seine pulsierenden Halsschlagadern, war der Mann so wütend oder nur geschockt über einen derartigen Leichtsinn. »Wir wissen es nicht, vermuten es aber.«

Kommissar Tarek Balkkair schüttelte den Kopf.

Samantas Zimmer verhieß nichts Gutes, die Schränke standen offen und die Türen hingen nur noch locker in den Scharnieren. Herausgerissene Schubladen lagen in der Zimmerecke, die Inhalte auf dem Boden verstreut.

»So hat ihre Mitarbeiterin das Zimmer sicherlich nicht verlassen.«

»Mit Sicherheit nicht.«

»Fehlt etwas?«

»Das kann ich auf die Schnelle nicht sagen, zuerst müssen meine Damen aufräumen.«

Der Kommissar schnipste mit seinem Finger und sein Stellvertreter sah zu ihm rüber. »Fahmy, Raum versiegeln, den soll sich zuerst unsere Spurensicherung ansehen.«

Am Nachmittag des Folgetages gab die Polizei Samantas Zimmer frei. Auf die erneute Frage ob etwas fehlt, meldete sich Elena: »Ich weiß nicht genau, aber ich meine, Samanta besaß einen braunen Lederaktenkoffer. Den finde ich hier nicht.«

Der Mann im Ford Fiesta vor dem Haus zog die In-ear-Kopfhörer aus dem Ohr und rollte das Kabel auf. Er hatte genug erfahren, klappte die Richtantenne zusammen und wählte mit seinem Handy eine Rufnummer.

»Sie ist verschwunden, keiner weiß wo.«

……….

»Nein, ich war in ihrem Zimmer, habe nachgeschaut. Totale Unordnung. Ja ich habe alles durchsucht, aber der Koffer war nicht dort.«

…………

»Ja, ich kümmere mich darum.«

08

ALEXANDRIA / ÄGYPTEN

Ihr Aufenthalt in Alexandria startete holprig. Das Flugzeug landete mit zwei Stunden Verspätung und die Fahrt vom Alexandria International Airport zum Sheraton Montazeh Hotel an der El-Gaish Road glich einer Stadtrundfahrt. Demonstrationen und Menschenansammlungen auf zentralen Straßen und Plätzen zwangen die Taxe zu erheblichen Umwegen. Das jedoch sollte noch nicht alles sein. Als sie endlich im Hotel eincheckten informierte sie der Rezeptionist über die Umbelegung ihrer Reservierung. Anstelle der zugesagten drei Einzelzimmer stände für sie nur ein Dreierapartment im fünften Stock zur Verfügung und begründete das mit der hoffnungslosen Überbuchung aller Hotels aufgrund mehrerer Großveranstaltungen. Eine Buchungsstornierung würde natürlich ohne Berechnung von Gebühren akzeptiert.

Die Entscheidung überließen Ritter und Koppen ihrer Kollegin Fiona Winkler, die sich nach Abwägung der Möglichkeiten in Alexandria mit einer Dreierbelegung einverstanden erklärte.

Die Arme auf der Rückenlehne saß Alexander Koppen verkehrt herum auf einem Stuhl, dabei sah er Fiona Winkler und Klaus Ritter an, die sich auf den beiden Sesseln an einem Nierentisch niedergelassen hatten.

»Sprechen wir nochmal über die Fakten: Wir suchen eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren die einen braunen Aktenkoffer besitzt den sie hier irgendwo irgendjemandem übergeben soll oder übergeben hat, richtig?«

Ritter nickte. »Korrekt, die müssen wir finden.«

»In dieser Masse von Menschen! Das nenne ich eine Aufgabe.«

Fiona Winkler lehnte sich etwas nach vorn und lächelte Koppen verschmitzt an. »Wieso ist doch ganz einfach, du stellst dich auf den größten Platz am Ort, hebst ein Plakat hoch und rufst laut: Ich suche eine schwarzhaarige Frau mit einem braunen Aktenkoffer.«

Mit den Worten: »Sehr witzig«, wollte Koppen Fionas Scherz abtun, aber Ritter hakte ein: »Alexander, Fiona hat nicht ganz unrecht was den Grundgedanken angeht, an der Ausführung sollten wir jedoch noch etwas feilen.«

Er stand auf und setzte sich Koppen gegenüber an den Esstisch. »Wir sollten eine etwas leisere Form wählen, mit weniger öffentlichem Aufsehen. Unsere Message müssen wir so gestalten, dass sie nur von den Leuten beachtet wird die wir erreichen wollen.«

Koppen nickte. »Okay, wen wollen wir erreichen, anders gesagt: Mit wem wollen wir beginnen.«

»Wir beginnen mit den Bars und Discotheken und fragen ob bei ihnen eine deutsche Tanztruppe gastiert. Wenn dem so ist fragen wir nach ob zu ihrer Truppe eine Kollegin mit langen schwarzen Haaren gehört.«

Auch Fiona Winkler setzte sich an den Tisch: »Weil schwarzhaarige Frauen in arabischen Ländern so selten sind!«

Genervt sah Koppen sie an. »Kannst du unsere Überlegungen auch mal mit einem produktiven Beitrag erfreuen?«

Ritter verschränkte die Arme vor der Brust: »Wenn mehrere Schwarzhaarige dabei sind, sprechen wir alle an und vergleichen sie mit dem ausgedruckten Kamerabild vom Düsseldorfer Uferlokal. Außerdem interessieren uns nur die deutschen Damen und die sind meist brünett oder blond.«

Ritters Überlegungen versprachen Erfolg, jedoch übersah er zwei wichtige Faktoren die ihre Suche enorm erschwerten, sie waren Ausländer und kamen aus einem christlichen Land.

In den folgenden Nächten besuchten sie über zehn Lokale, erreichten aber nur vier Clubbesitzer. Drei konnten oder wollten ihnen nicht helfen und der Vierte gab an kein Englisch zu verstehen. Die Türsteher von sechs Clubs verwehrten ihnen mangels Clubzughörigkeit den Zutritt. Trotzdem schienen sich ihre Befragungen rundgesprochen zu haben, denn ab der zweiten Nacht wurden sie von einer Reihe ‚Schattengewächsen‘ verfolgt und konnten sich nicht mehr unbeobachtet bewegen. Verschiedentlich kam man ihnen so nahe, dass Rempeleien unausweichlich waren. Fiona meinte sie machten das absichtlich.

»Haben wir unser Ziel erreicht?« Koppen lehnte am Fenster als sie im Hotelzimmer die letzte Nacht überdachten, »oder haben wir nur ein Lauffeuer entfacht und stören irgendeiner Unterweltgröße die Kreise, was dem nicht zu gefallen scheint.«

Ritter öffnete gerade eine Wasserflasche, dabei drehte er sich um und erwiderte Koppen: »Wir wollten möglichst viele Leute erreichen die uns sagen können wo die deutsche Tanztruppe gastiert und wie du siehst rumort es jetzt in diesen Kreisen.«

Fiona nickte: »Stimmt, fast überall ist das eine graue Zwischenwelt. Deren Bosse wollen keine Störung.«

Und doch gab sich Ritter vorerst zufrieden. »Wir wollten Aufsehen erregen und wir haben Aufsehen erregt. Stellt sich die Frage, sind darunter auch die Leute die wir suchen?«

Koppen gab sich nicht so euphorisch. »Andererseits sind wir jetzt die von Motten umschwirrte Lampe. Wollten wir das so, oder nur einfach in den Clubs nach dieser Schwarzhaarigen suchen. Ob uns die Leute die wir aufgerüttelt haben helfen können wissen wir erst wenn wir mit ihnen gesprochen haben.«

Fiona: »Vielleicht sollten wir uns einen schnappen und in die Mangel nehmen. Andererseits machen wir dann ein sehr großes Faß auf und wir sind nur drei Personen.«

Koppen zuckte mit den Schultern. »Ein gewisses Risiko kann man nicht ausschließen. Drehen wir den Spieß um und verfolgen ab sofort unsere Verfolger. Mal sehen wie sie sich dann verhalten.«

Fionas Bedenken konnte man ihr ansehen. »Nochmals, meint ihr wir vertragen deren Antwort? Wir Drei.«

»Lassen wir es darauf ankommen«, Koppen stand auf, ging zum Fenster und blickte auf den Strand und das Mittelmeer.

Ritter schien eine Entscheidung getroffen zu haben als er sagte: »Okay, wir halten für den Moment die Füße still.« Er nahm sein Satellitentelefon und wählte die Nummer des Düsseldorfer Büros.

Fiona hörte ihn sagen: »Gib mir Böhm.«

09

DINSLAKEN / BRD

Am St. Andreasberg

Stärker als beabsichtigt bremste Adrian Böhm den VW Touareg und bog mit noch viel zu hoher Geschwindigkeit von der Bundesstraße 8 in die schmale Claudiastraße. Sein Beifahrer Felix Busch blickte ihn erschreckt an während er sich am Griff über der Tür festhielt. »Ich sagte doch: Nächste rechts.«

»Hier war ich noch nie. Wo genau müssen wir hin?«

Busch blickte auf sein Handy. »Die Straße heißt: Am St. Andreasberg. Gut dass Fiona das Nummernschild des BMW fotografiert hat.«

»Hört sich nach Kirche an«, murmelte Böhm leise.

An der zweiten Querstraße zeigte er auf das Straßenschild: Am St. Andreasberg.

»Nummer 17. Muss das dritte Haus sein.«

Böhm nickte, fuhr mit den rechten Rädern auf den Bürgersteig und schaltete den Motor aus. Quer über die schmale Straße hatten sie freie Sicht auf den Hauseingang und die Garagenzufahrt des Mannes den sie besuchen wollten.

Das freistehende Haus zierte ein sechs Meter breiter Vorgarten, die Fassadenkliniker und Fugen der Nordseite zeigten keinen Moosansatz. Alles in allem präsentierte sich das Haus in bestem Zustand. Den Eingang an der Giebelseite erreichte man über den plattierten Fußweg neben der Garageneinfahrt.

In keinem Zimmer der Straßenseite brannte Licht.

Busch blickte auf seine Armbanduhr. »18:30 bis er kommt wird es noch eine Weile dauern.«

Vierzig Minuten später näherten sich zwei Scheinwerfer. Während der Vorbeifahrt des Autos rutschten sie tiefer in die Sitze um sich danach sofort wieder aufzurichten.

»Der blaue BMW«, flüsterte Böhm.

Erneut schaute Busch auf seine Armbanduhr. »Ist früh dran.«

»War heute wahrscheinlich nicht am Rheinufer.«

Der BMW bog in die Einfahrt und hielt vor der Garage. Der Fahrer stieg aus um das Garagentor zu öffnen.

Zwei Fahrzeuge vor ihnen zog ein schwarzer Range Rover vom Straßenrand auf die Straße und hielt neben der Garagenzufahrt. Drei schwarz gekleidete Männer mit schwarzen Gesichtsmasken sprangen aus dem Wagen, rannten zu dem Mann am BMW, ergriffen und schleppten ihn zum Rover. Das Tuch vor dem Mund schien ein betäubendes Mittel zu enthalten, denn nach kurzer Verteidigung erschlaffte sein Körper und ließ sich ohne Gegenwehr in den Rover ziehen, der sofort anfuhr.

Busch: »Die haben ihn gekidnappt!«

Böhm startete den Motor und folgte dem Rover.

»Wer sind die.«

»Hatten Sturmhauben auf.«

Böhm wechselte in den dritten Gang, fuhr viel zu schnell für die schmale Straße, hielt aber ausreichend Abstand zum Rover.

Die Entführer schienen sich gut auszukennen, wechselten die Straßen bis sie auf eine Hauptverkehrsstraße bogen und den Rover auf Touren brachten, was das unbemerkte Verfolgen erschwerte.

Während der Vorbeifahrt zeigte Böhm auf ein Ortsschild. »Konntest du den Ort lesen?«

»Bruckhausen. Geradeaus geht’s nach Hünxe«.

Die Entführer preschten weiter. Auf der linken Seite tauchten die ersten Häuser von Drevenack auf, als der Range Rover hart abbremste und nach rechts in eine schmale Straße bog.

Busch las laut: »Alte Landstraße. Dort hinten beginnt ein Wald. Mach das Licht aus damit sie uns nicht bemerken.«