AUSGEZÄHLT - In tödlicher Mission - Georg P. Strangfeld - E-Book

AUSGEZÄHLT - In tödlicher Mission E-Book

Georg P. Strangfeld

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Beschreibung

Dubai: Der Versuch die deutsche Bundeskanzlerin vor der Entführung islamistischer Radikaler zu beschützen, zwingt das Team der Personenschützer in einen Straßenkampf mit mehreren Toten und einer Verfolgungsjagd durch die City von Dubai. Von der Polizei verhaftet, verschwinden sie an einen unbekannten Ort. Auslandsermittler Klaus Ritter soll die Suche aufnehmen und gerät dabei in ein tödliches Karussell aus Intrigen, Korruption und Mordgier. Doch ihm bleibt nicht viel Zeit ...., die Entführer fordern Vergeltung für die eigenen Opfer. Ihren Tod.

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Seitenzahl: 395

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Zum Buch

Dubai: Der Versuch die deutsche Bundeskanzlerin vor der Entführung islamistischer Radikaler zu beschützen, zwingt das Team der Personenschützer in einen Straßenkampf mit mehreren Toten und einer Verfolgungsjagd durch die City von Dubai. Von der Polizei verhaftet, verschwinden sie an einen unbekannten Ort. Auslandsermittler Klaus Ritter soll die Suche aufnehmen und gerät dabei in ein tödliches Karussell aus Intrigen, Korruption und Mordgier. Doch ihm bleibt nicht viel Zeit… , die Entführer fordern Vergeltung für die eigenen Opfer. Ihren Tod.

Der gelernte Banker Georg P. Strangfeld arbeitete bis 2005 im Auslandsgeschäft einer Großbank mit regelmäßigen Auslandsaufenthalten. Seine dort gesammelten Erfahrungen über landestypische Gebräuche und Hintergründe läßt er nun in Romane einfließen und verarbeitet sie zu spannenden Thrillern.

Als passionierten Segler zog es ihn in seiner Freizeit regelmäßig an die europäischen Küsten des Mittelmeers bis hinunter zur südlichen Türkei. Heute schenkt er seine Leidenschaft der raueren Nordsee.

HANDELNDE PERSONEN

Personen der UIR (United International Rescue)

Klaus (Rumba) Ritter, Leitender UIR-Sonderermittler

Alexander (Charlie) Koppen, UIR-Sonderermittler

Meret (Manta) Smit, UIR-Sonderermittler

Marion Jäger, Sekretärin der Sonderermittler

Ernst Gruber, ( genannt: Der General )

Amtsdirektor / Dienststellenleiter der UIR

Katharina Held, Sekretärin v. Ernst Gruber

Caroline De La Fontaine, Stellv. Dienststellenleiterin

Pascal Demaret, Zentraler Einsatzleiter ( ZEL )

Frank (Löwe) Kaiser, UIR Teamleiter Einsatzteam 1

Jan (Mango) Delux, UIR Teamleiter Einsatzteam 2

Daan Bos, Kapitän i. Versorgungs- u. Transportteam

Lieke Meijer, Stellvertretender Kapitän

Sonstige Personen

Hermann Bruner, Chef Bundeskanzleramt

Robert Übach, Leiter des BKA

Roman Schneider, Mitarbeiter des BND-Berlin

Romex Abdelfatah (Roman Alexander)

verdeckter BND-Mitarbeiter in Dubai

Fredrik Römer, Kommandant der Münsterland

Robert Grauer, Stellv. Kommandant

Martens, Militärattaché, Dt. Botschaft Khartum

Bashad Batsan, Chef einer Sicherheitsfirma

Amir Zaidan, Stammesführer der Beduinen

Mustafa, Beduine, wurde von Fiona verletzt

Issam, Sharif, Djamal, Beduinen

Inhaltsverzeichnis

Teil 1 : Vereinigte Arabische Emirate

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Teil 2 : Libyen, Nordafrika

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Teil 3 : Arabische Staaten

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Teil 4 : Sudan, Afrika

Kapitel 35

Kapitel 36

Teil 5 : Arabische Staaten

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Epilog

Dubai City

Teil 1

VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE

01

DUBAI, VAE

Die vom Meer kommende leichte Brise ließ die Temperatur zwischen den Hochhäusern von Dubai-City sogar für Europäer erträglich erscheinen.

Es könnte ein schöner Abend werden überlegte Frank Kaiser, der mit seinen Kollegen Alexander Engel, Felix Busch, Fiona Winkler, Adrian Böhm, Mara Berger, Klaus Lange und Fabian Zug und vielen anderen Neugierigen am Straßenrand der Kreuzung des Burj al Arab City-Zubringers mit der Jumeirah Street stand und die Vorbeifahrt der Diplomatenkolonne mit Staatschefs arabischer und europäischer Staaten erwartete. In Wagen fünf, das wußte er, mußte die deutsche Bundeskanzlerin sitzen.

Schlagartig sollte sich der bis dahin friedliche Tag zum Gegenteil wenden.

Von der Wild Wadi Service Road näherte sich ein schwarzer Van dem Zubringer, durchbrach rücksichtslos die Kette der erschreckt zur Seite springenden Menschenmenge am Straßenrand, schoß über die Straßeneinführung auf den Burj al Arab-Zubringer und knallte ungebremst in die Seite des vierten Fahrzeuges der Diplomatenkolonne. Der Rammaufsatz oberhalb der Stoßstange bohrte sich in den Wagen und schob ihn auf die gegenüberliegende Straßenseite. Dabei kippte das Fahrzeug auf die Seite und blieb schlußendlich auf dem Dach liegen. Nur die sofortige Vollbremsung von Wagen fünf verhinderte eine Kollision mit dem Van.

Was bis dahin wie ein schrecklicher Unfall aussah, änderte sich als Fahrer und Beifahrer des Van aus dem Auto sprangen, der Fahrer eine Handgranate in den umgekippten Wagen warf, die kurz darauf explodierte und der Beifahrer mit einer Panzerfaust auf den sechsten Wagen der Kolonne schoß. Beides Sicherungsfahrzeuge der deutschen Bundeskanzlerin in Wagen fünf. Der Versuch der Personenschützer aus den Wagen zu springen um die Kanzlerin zu sichern, vereitelten die Explosionen der Granaten tödlich.

Ein lauter Aufschrei am Straßenrand und trotzdem schienen alle wie gelähmt.

Ohne sich um das weitere Geschehen zu kümmern, warfen Fahrer und Beifahrer des Van Rauchbomben auf die Straße und in die Zuschauer beider Straßenseiten und verschwanden im Pulk der verschreckt auseinanderstiebenden Menschen der gegenüberliegenden Seite. Innerhalb kürzester Zeit verhüllte dunkelgrauer beißender Kunstnebel die Kreuzung und verschlang die Menschen und Fahrzeuge.

Was in der Hektik des Unfalls, der Explosionen und dem Qualm auf der Straße kaum wahrgenommen wurde, dem Van folgte ein silberner Land Rover und schob sich neben den Mercedes der Bundeskanzlerin. Damit vereitelte er den Versuch des Fahrers den Wagen zu wenden um die Kanzlerin zum Burj zurückzubringen.

Unbeabsichtigt verdeckte er damit auch Frank Kaiser und seinen Leuten die durch den starken Qualm ohnehin schlechte Sicht auf den Kanzlerwagen.

Drei Männer sprangen aus dem Rover und schossen mit einer Sprenggranate gegen die Autotür des leicht gepanzerten Mercedes, die sich daraufhin aufbeulte und den Schließmechanismus frei gab. Die drei Männer zogen die Bundeskanzlerin aus dem Wagen und zerrten sie zum Land Rover.

Frank Kaiser, Leiter des mit der Außensicherung der Kanzlerin beauftragten UIR-Teams sprang vor, riß seine Waffe unter dem Überwurf hervor, stürmte mit seinen Teamkameraden durch den grauen Qualm der Straße zum Kanzlermercedes um eine Ermordung oder Entführung zu verhindern. Dabei suchte er vergeblich nach offizieller Unterstützung durch die Stadtpolizei, konnte aber keinen Polizisten ausmachen.

Das Eingreifen von Kaiser und seinen Leuten verschärfte die Situation. Nach kurzem Schußwechsel durch geisterhafte Nebelschwaden lagen zwei Entführer tödlich getroffen auf der Straße, ein schwer verletzter Dritter schaffte es noch die Bundeskanzlerin zum Auto zu ziehen. Aus dem Innenraum griff eine Hand nach der Kanzlerin und zog sie in den silbernen Land Rover. Die anschließende Kugel aus dem Auto heraus beendete das Leben des Schwerverletzten. Ohne das Schließen der Autotür abzuwarten beschleunigte der Wagen mit durchdrehenden Rädern.

Daniel Vogt am Steuer des vom UIR-Team angemieteten Range Rover parkte nur fünf Meter hinter der am Straßenrand wartenden Menschenreihe.

Er startete den Motor und drängte den Wagen durch die mittlerweile wirr durcheinander laufende Menge am Zubringer.

Bereits während Kaiser, Lange und Zug in den Range Rover sprangen, beschleunigte auch Vogt um dem silbernen Land Rover zu folgen.

Aus den Seitenfenstern schossen Lange und Zug auf die Reifen das vorauspreschenden Entführerfahrzeugs.

Bis zu ihrem Standort, der Einfahrt des Hotels Jumeirah Al Naseem, schallten der Knall des Zusammenstoßes und die nachfolgenden Explosionen und ließen Alina Winter und Julia Seidel, zwei weitere Mitglieder des Teams von Frank Kaiser, den Überfall erahnen. Sie rannten nach vorn zur Straße.

Aus der Entfernung sahen Alina Winter und Julia Seidel die dunkelgraue Qualmwolke an der Straßenkreuzung und hörten den Schußwechsel der Kameraden mit den Entführern. Ohne sich weiter abzusprechen liefen sie in Richtung der Kreuzung.

Aus dem Qualm heraus schälte sich ein silberfarbenen Land Rover der in ihre Richtung Fahrt aufnahm und aus dem auf seinen Verfolger, dem Range Rover mit Vogt am Steuer, geschossen wurde.

Der Land Rover raste mit zunehmender Geschwindigkeit heran. Die Frauen zielten auf die Reifen, Fahrer und Beifahrer um den Wagen zu bremsen. Wegen der getönten Scheiben konnten sie die Insassen nicht erkennen, vermuteten aber eine Entführung der Kanzlerin, untergebracht im Fond des Wagens.

Der Beifahrer des Land Rovers sah die heranstürmenden Winter und Seidel und schoß mit seinem Schnellfeuergewehr fortan nicht nur auf den Verfolger, sondern auch und auf die beiden Frauen.

Zwitschernd flogen die Kugeln der Entführer an ihnen vorbei. Alina Winter warf sich auf den Fußweg, sie hatte Glück. Julia Seidel trafen drei Kugeln. Die spürte die Einschläge, schaute an sich herunter und strauchelte. Eine Kugel traf ihr Herz und zwei durchbohrten ihre Lungen.

Ein heißer Schmerz jagte durch ihren Körper und ihr Atmen setzte aus. Um sie herum wurde es schwarz.

Der Land Rover und kurz danach der Range Rover mit den Kameraden rasten an ihnen vorbei. Drei Meter neben Alina Winter lag Julia Seidel. An mehreren Stellen ihres Oberkörpers trat Blut aus, verteilte sich und tropfte auf den Bürgersteig.

Alina robbte zu ihr und fühlte ihren Puls.

An der Halsschlagader spürte sie nichts. Sie versuchte es an Arm und Handgelenk, danach nochmals am Hals. Nichts! Julia Seidels Herz pumpte nicht mehr.

Julia war tot!

Die Bundeskanzlerin entführt, verfolgt von vier Kameraden. Acht Personenschützer tot und drei erschossene Entführer.

»Wird Zeit daß wir verschwinden«, rief der stellvertretende Teamleiter Adrian Böhm ins Headset. »Zerstreuen und absetzen, wir treffen uns im Hotel.«

Zu spät.

Von drei Seiten näherten sich Polizisten mit gezogenen Pistolen und deuteten Böhm, Engel, Busch, Winkler und Berger ihre Waffen abzulegen.

»Wo kommen die denn jetzt her.«

Einen Kampf gegen die örtliche Staatsmacht wollte Böhm nicht riskieren und ohne Waffeneinsatz lagen ihre Fluchtmöglichkeiten bei Null.

Sie legten die Schnellfeuergewehre auf die Straße und hoben die Hände, die leeren Handflächen den Polizisten zugewandt. Böhms Versuch, den ranghöchsten Polizisten anzusprechen um ihn zu informieren, daß sie Personenschützer seien und im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland die Bundeskanzlerin vor einer Entführung beschützen sollten, schlug fehl.

Er deutete auf die tot am Boden liegenden arabischen Männer. »Diese Männer haben mit ihren Komplizen unsere Kanzlerin entführt.«

Erfolglos versuchte er es in drei Sprachen, woraufhin einer der Polizisten etwas in arabischer Sprache antwortete, die Deutschen den Inhalt jedoch nicht verstanden.

Ohne ein weiteres Wort legte man ihnen Handschellen an und eskortierte sie zu einem alten dunkelblauen Gefangenentransporter.

Wehmütig blickte Alina Winter zur Kreuzung, mußte zusehen wie ihre Kameraden die Waffen niederlegten und Polizisten sie in Handschellen in einen Gefangenentransporter luden.

Den Gedanken, auf sich aufmerksam zu machen oder rüber zu gehen verwarf sie, einer der Truppe mußte frei bleiben, sich bewegen können und die Einsatzleitung in Deutschland informieren.

Was sollte sie mit Julia machen?

Die Überlegung dauerte nur Sekunden und das kleine Minigebet für Julia nicht länger.

Mit einem leichten Klaps auf den toten Körper ihrer Kameradin entschuldigte und verabschiedete sie sich gedanklich von Julia Seidel, stand auf und mischte sich unter die an Personen zunehmende Zuschauermenge. Die Ersten schauten sie abschätzend an, die weiter hinten erkannten sie bereits nicht mehr.

Noch bevor Jan Delux, Leiter des zweiten UIR-Teams vor Ort und mit seinen Leuten als Außensicherung vor dem Hotel Burj al Arab eingesetzt, auf dem Zubringer die halbe Strecke vom Tagungshotel zur Kreuzung mit der Jumeirah Street zurückgelegt hatte, hörte er voraus das schreiende Blech des sich verformenden Autos, die Explosionen und Gewehrsalven.

Der Zubringer zum Burj war nicht lang, für Läufer die auf einer überfüllten Straße ständig stehenden oder langsam umhergehenden Menschen ausweichen mußten aber sehr umständlich. So beobachteten Delux und sein Team die Verhaftung und den Abtransport ihrer Kollegen nur aus der Ferne.

Sie erreichten die Kreuzung und fanden die zerstörten Fahrzeuge und die toten Personenschützer in ihren ausgebrannten Fahrzeugen, aber keinen ihrer Kameraden.

Die Stellen an denen die erschossenen Entführer lagen wurden von Polizisten gekennzeichnet und fotografiert.

Mit seinem Satellitentelefon nahm Delux Kontakt zur Zentrale der UIR (United International Rescue, einer EU-Behörde zur Rettung europäischer Bürger im Ausland) auf.

Sein Situationsbericht beinhaltete die Entführung, die Anzahl der Getöteten auf beiden Seiten, sowie den kurzzeitig mitgehörten Inhalt des Funkverkehrs von Kaiser, Vogt, Zug und Lange, bevor sie den Empfangsbereich ihrer Headsets verließen.

Er schilderte die Inhaftierung von Adrian Böhm, Alexander Engel, Felix Busch, Mara Berger und Fiona Winkler durch die Stadtpolizei Dubais.

Die Antwort des Zentralen Einsatzleiters war kurz aber deutlich: »Versuchen sie herauszufinden wo die Inhaftierten festgehalten werden, aber unternehmen sie nichts bis wir die weitere Vorgehensweise abgesprochen haben.«

■■■■■

Nach vielen Anläufen und einer Menge verschossener Kugeln traf Zug den rechten Hinterreifen des Land Rovers. Der Wagen schlingerte und drohte sich quer zu stellen, wurde vom Fahrer jedoch stabilisiert aber büßte den größten Teil seiner Geschwindigkeit ein. Reaktionsschnell lenkte der Fahrer den Land Rover in die Tiefgarageneinfahrt eines großen Gebäudekomplexes, wie sie später feststellten eines Einkaufszentrums.

Auch Vogt riß das Steuer herum und folgte dem Land Rover. Der durchbrach die Einfahrtschranke und beschleunigte trotz schlagendem Hinterreifen bis zum Ende der Garage. Dort zerrten die beiden noch verbliebenen Entführer die Kanzlerin aus dem Auto und schoben sie durch eine Tür in einen Treppenhausflur.

Dabei schoß einer der Entführer auf den Wagen der Verfolger und verschwand im Treppenhaus.

Lange, Kaiser, Zug und Vogt sprangen aus ihrem Rover und rannten zu der sich langsam schließenden Tür. Lange erreichte sie noch bevor der Schließmechanismus einrastete.

Durch einen kleinen Flur betraten sie das Treppenhaus. Zwischen den Ritzen der Metalltreppen sahen sie oberhalb die sich vehement wehrende Kanzlerin. Der Kraft der Männer jedoch konnte sie nichts entgegensetzen und wurde weitergeschleppt.

Gefolgt von Vogt und Zug rannte Kaiser voraus zur Treppe und stürmte nach oben. Lange erkannte seine Chance und zielte mit seinem Spezialgewehr sorgfältig durch die Treppenritzen. Die Kugel durchschlug den Kopf des hinteren Entführers. Der brach zusammen und rollte die Treppe hinunter den Kameraden entgegen.

Der zweite Entführer erreichte mit der Kanzlerin die Stahltür einer Etage, riß sie auf und schob sich und die Kanzlerin hindurch. Dabei führte er die Bundeskanzlerin so, daß sie ihn vor den Kugeln der Verfolger schützte.

Allen voran hechtete Kaiser die restlichen Stufen nach oben und zog an der Tür. Der Versuch mißlang, der Entführer schien sie von der anderen Seite verriegelt zu haben.

Kaiser rüttelte an der Tür, sie bewegte sich nicht.

Fabian Zug schob Kaiser zur Seite und entnahm der Knieseitentasche seiner schwarzen Drillichhose ein kleines Päckchen Plastiksprengstoff C4, eines der Päckchen die Fiona Winkler –die Sprengstoffexpertin- vor dem Einsatz an ihn und Engel verteilte.

Keine Minute benötigte er den Sprengstoff in Höhe des Schlosses festzukneten und den Zünder zu montieren.

»Zwei Schritte zurück und umdrehen.«

Mit lautem Knall sprang die Stahltür aus dem Schloß.

Sie standen auf einer Mall!

Hier herrschte Aufregung. Die Explosion und die anschießend aufgetauchten bewaffneten Männer verbreiteten Angst unter den Besuchern der Mall.

»Wo sind sie?«

Kaiser kletterte auf einen Blumenkübel. Die Menschen wichen erschreckt zurück.

»Wohin«, drängte Vogt und blickte fragend zu Kaiser hinauf. Der zeigte nach rechts, entlang der Mall und sprang vom Blumenkübel.

Als sie die Mall entlang liefen drückten sich die anderen Besucher an die Seitenwände, ihre Gewehre und Schnellfeuerpistolen schürten die Angst getroffen zu werden.

Aufgrund einer Verletzung konnte sich die Bundeskanzlerin nicht so schnell bewegen wie es der Entführer wünschte, er kam mit ihr nur langsam voran. Dabei schoß er mehrmals auf seine Verfolger. Die Hektik und die ständigen Versuche der Kanzlerin sich los zu reißen verhinderten sicher zu zielen, sodaß Kaiser und seine Leute schnell aufholten.

Der Entführer rammte die Pistole gegen den Hals seiner Geisel und schrie etwas, das wohl ‚Bleibt weg‘ bedeuten sollte.

Sicherheitshalber blieben Kaiser, Zug und Vogt stehen. Was der Mann nicht sehen konnte, der etwas kleinere Klaus Lange stand hinter dem breiten Rücken von Kaiser und bereitete sein Scharfschützengewehr vor, stellte die Zielvorrichtung ein und schob den Lauf des Gewehres langsam von hinten auf und über Kaisers Schulter.

Er zielte schnell und drückte ab.

Ein lauter Knall hallte durch die Mall.

An der Schäfe des quer stehenden Entführers entstand ein Loch das sich sofort mit Blut füllte. Erst schaukelte er, dann knickten seine Knie ein und er fiel zu Boden.

Kaisers Ohr summte, er hörte rechts nichts mehr.

Bevor das laute Geschrei der Mallbesucher verklang, zogen sie die Kanzlerin ein Stück entlang der Mall. »Sorry, wir müssen uns leider etwas beeilen.«

Vogt und Zug, beide Zweimetermänner, fassten ihr unter die Arme, liefen mit ihr zur nächsten Stahltür der Seitenwand und schlüpften durch diese hinaus.

Zu ihrem Erschrecken lag hinter dieser Tür kein weiteres Treppenhaus das zur Garage führte, sondern ein Fluchtgang, der nach wenigen Metern vor einer Außenstahltür endete.

Sie standen vor einer alarmgesicherten Fluchttür.

»Scheiße«, Vogt blickte Kaiser an. »Öffnen?«

»Zurück geht nicht. Öffnen!«

Mit dem Kolben seines Gewehres schlug Vogt die unter der Türklinke montierte Alarmsicherung zur Seite. Der Türgriff lag frei und die Sirene der Alarmsicherung schrillte.

Sie standen auf der Straße.

»Und jetzt?« Lange blickte auf die vorbeifahrenden Autos.

»Ganz einfach Fabian, komm.« Vogt sprang auf die Fahrbahn und wedelte mit den Armen über Kopf hin und her.

Scharf bremste vor ihm ein weißer Porsche Panamera. Noch während der Mann hinter dem Steuer auf den winkenden Vogt blickte, umrundete Zug das Heck des Wagens und riss die Fahrertür auf. Mit festem Griff faßte Zug den Porschefahrer unter die Achsel und zog ihn aus seinem Auto auf die Straße. Schön, daß ein Großteil der Autofahrer in Dubai die Sicherheitsgurte als Fixiereinrichtung für Einkaufstaschen ansah.

Vogt schob sich hinter das Steuer. Während Kaiser und Lange der Bundeskanzlerin in die Mitte des Rücksitzes halfen, sprang Zug auf den Beifahrersitz.

Vogt beschleunigte den PS-starken Wagen. Mit einem Blick aus dem Heckfenster rief Kaiser ihm zu: »Wir dürfen in diesem Auto nicht lange bleiben, ich konnte sehen wie der Mann sein Handy zog und sicherlich bereits mit der Polizei spricht.«

Zugleich zog er das Satellitentelefon aus der Tasche und wählte eine Kurzwahlnummer. »Kaiser hier, Entführungsversuch der Kanzlerin. Sind auf dem Weg zu euch und müssen das Land verlassen. Macht euch fertig zum Ablegen, wir setzen rüber nach Kuwait.«

Daan Bos, der holländische Kapitän des Teams und Skipper einer in Kuwait gecharterten Motoryacht mit vorübergehendem Liegeplatz im Yachthafen Palm Jumeirah Insel, antwortete nur mit einem: »jo.«

»Frau Bundeskanzlerin, ich hoffe sie sind damit einverstanden. Ihre Personenschützer sind tot und wir sind momentan nicht in der Lage sie in Dubai zu beschützen. In der Botschaft in Kuwait können sie sich immer noch entscheiden wieder zurückzukehren oder den Aufenthalt abzubrechen.«

Sie nickte.

Vogt blickte Kaiser über den Rückspiegel an. »Also zum Yachthafen?«

»Ja.«

Er wechselte zur King Salman Bin Abdulaziz Al Said Street und von dort auf den Zubringer zur Palm Jumeirah Insel. Trotz starker Frequenz auf der Zufahrtstraße zum ‚Wedel‘ brachte Vogt den Wagen weitgehend auf 120 Stundenkilometer.

Vor der ersten Halbinsel in Form eines Palmenwedels verließen sie die Hauptstraße und erreichten nach wenigen Minuten die Marina East N14.

Vogt fuhr durch bis zum Anfang des Anlegestegs. Kaiser beugte sich zu Vogt nach vorn. »Bring den Wagen irgendwo hin, möglichst weit weg. Stell ihn aber so rechtzeitig ab, daß sie dich nicht zu fassen kriegen. Denk daran, wir sind fremd hier und keine legitimierten Personenschützer. Die Polizei wird uns wie Verbrecher behandeln.«

Kaiser, Zug, Lange und die Bundeskanzlerin stiegen aus und gingen das kurze Stück zur Motoryacht.

Vogt wollte und mußte die Insel zügig verlassen. Die Zufahrtstraße war mit ihren vielen Spuren zwar breit, aber auch die einzige Fahrmöglichkeit von der Insel. Er wechselte rüber zur Palm West Marina und fädelte sich dort in den Strom der die Insel verlassenden Fahrzeuge ein.

Seine Eile war berechtigt, denn als er auf dem Weg zum Festland über die South Bridge fuhr und den Dubai Chanel überquerte, sah er auf der Gegenfahrbahn drei Streifenwagen der Dubai City-Police, die mit eingeschaltetem Warnlicht und Sirene auf den Palm fuhren. Ich sollte den Wagen wirklich schnellstens los werden.

Vogt erreichte die siebenspurige Sheikh Zayed Road und wechselte nach Westen, fuhr vorbei am Emirates Golf Club, bis zur DMAC Metro Station.

Dort parkte er den Porsche am Straßenrand, griff nach dem auf der Rücksitzbank liegenden weißen Kaftan des Wagenhalters und klemmte ihn unter den Arm. Vielleicht würde er ihm irgendwann nützlich sein.

Er benötigte ihn früher als erwartet.

Vogt stieg aus und übersprang die seitliche Betonbrüstung der Schnellstraße. Mit zügigen Schritten erreichte er den nördlichen Brückeneingang zur anderen Straßenseite und spazierte wegen der vielen Überwachungskameras bewusst langsam durch die glasummantelte Schnellstraßenbrücke zur gegenüberliegenden Bahnstation der UAE Metro.

Am Automat kaufte er ein Ticket bis zur World Trade Centre Metro Station und damit weiter als erforderlich, denn ihr Hotel lag in der Nähe der Station Sharaf DG. Reine Vorsichtsmaßnahme!

Nur fünf Minuten mußte Vogt auf den nächsten Zug warten. Auch die Fahrt dauerte nur wenige Minuten. Währenddessen ging er durch mehrere Waggons und stand rechtzeitig am Ausgang um an der Station Sharaf DG, auszusteigen.

Direkt vor der Einfahrt zur Station führte die Strecke an ihrem Hotel, dem Novotel Dubai Al Barsha vorbei. Schon aus großer Entfernung sah er das Meer blinkender Warnlampen vieler Polizeifahrzeuge die das Hotel umstellten.

Dann ist der Haltepunkt die falsche Ausstiegsstation für mich, überlegte er.

In einem Verbindungsgang zweier Wagen warf er sich den weißen Kaftan über, setzte einen im Nebenwagen gefundenen alten ausgefransten Strohhut auf und fuhr weiter bis zur nächsten Station.

02

DUBAI VAE, MARINA EAST N14

Bereit abzulegen wartete Daan Bos auf Kaiser, Zug, Lange und die Bundeskanzlerin und reihte sich sofort nach ihrem Bording in die Schlange der auslaufenden Privatyachten ein, deren Eigner die aufkommende Frische des Abends nutzten um auf die arabische See hinauszufahren.

Dort verteilten sich die Boote und auch Daan Bos, der Kapitän und Skipper der von der UIR gecharterten Yacht erhöhte das Tempo. Sein Stellvertreter Lieke Meijer ordnete die Festmacher und befestigten lose Teile.

Sie hatten Dubai verlassen, die See erreicht und doch sollte keine Ruhe einkehren.

Vom Meer jagten zwei Speedboote auf die Yacht zu und wie es schien mit nicht sonderlich freundlichen Absichten.

Kaiser beobachtete sie durch sein Fernglas. Die Gewehre in ihren Händen passten nicht zu den Freizeitskippern der Arabischen See und daß sie mit voller Leistung Kurs auf ihre Yacht nahmen, verhieß auch keine guten Absichten. Waren sie ein Zufallsopfer oder gehören die zu den Entführern. Wenn ja, woher wußten die Entführer, daß sie Dubai mit dem Boot verlassen würden und ihre Yacht in dieser Marina lag. Die letzten beiden Entführer waren tot und lagen in der Mall.

Kaiser informierte die Bundeskanzlerin und bat sie unter Deck zu gehen, zu schnell würde sie von einem Zufallstreffer oder einer fehlgeleiteten Kugel getroffen und er half ihr in den Salon.

Zurück an Deck beobachtete er die beiden Boote erneut durch sein Fernglas. »Skipper dreh auf, die sind in wenigen Minuten bei uns.«

Zug legte seine Hand auf Lieke Meijers Schulter. »Welche Waffen sind an Bord?«

»Keine schweren Waffen, nur zwei Maschinenpistolen und ein Schnellfeuergewehr. Den Rest übergaben wir euch nach unserer Ankunft in Dubai.«

»Okay also unsere Gewehre plus eure drei. Munition?«

»Schätze zweihundert Schuß.«

»Das ist wenig, wir haben auch nicht mehr viel.«

Er informierte Kaiser auf dem Ruderdeck, der rutschte die Leiter hinunter zum Hauptdeck. »Dann können wir nur hoffen denen geht möglichst bald der Sprit aus.«

Die Verfolger zeigten ihre Absichten durch erste vereinzelte Schüsse, die Kugeln klatschten jedoch weit entfernt ins Wasser. Der Abstand war noch zu groß.

Kaiser, Lange und Zug saßen in der Plicht am Heck. Lange beobachtete die Verfolger mit dem Fernglas. »Deren Motorleistung ist nicht besser als unsere. Die schließen nicht auf.«

Der Sonnenuntergang brachte keine besonderen Vorteile, zwar verschwand die helle Sonne, wurde jedoch von leuchtenden Sternen abgelöst.

Kaiser blickte zum Himmel und flüsterte überlegend: »Ich wünschte mir unseren Nordseehimmel, der ist meist mit Wolken bedeckt und nicht wie hier wolkenlos mit strahlenden Sternen.«

Die Sterne sollten nicht ihr größtes Problem sein. Noch konnten sie es nicht sehen, nur hören. Dieses tiefe Brummen das sich von Süden näherte.

Kaisers Kopf kreiste rundum, er ahnte was kommen würde. Achtern erblickte er einen schwarzen Punkt am Himmel. »Wenn das Flugzeug wegen uns hier ist haben wir ein Problem.«

Er rief zum Skipper: »Lösch die Positionsleuchten.«

Lange sprang auf und löschte auch im Salon die Innenbeleuchtung. Mit einem Schulterzucken sah er zur Kanzlerin: »Sorry, aber das Licht leuchtet zu weit.«

Das Brummen wurde lauter. Ein Motorflugzeug flog von Achtern circa einen Kilometer an Steuerbord vorbei. Nach wenigen Minuten änderte sich der Klang des Propellermotors, die Maschine wendete und kehrte wieder zurück, diesmal an der Backbordseite vorbei. Wahrscheinlich wollte der Pilot zuerst die Lage sichten.

Zwar verschwand die Maschine im Nachthimmel, hören konnte man sie weiterhin.

Während der Abstand der Speedboote unverändert blieb, näherte sich das Sportflugzeug aus Steuerbord Raumschoots.

Kaiser rief laut: »Er greift an. Geht in Deckung. Keine unnütze Munition verschwenden.«

Kaiser behielt recht, die Entfernung fiel auf unter vierzig Meter und aus der offenen Seitentür sahen sie Feuerzungen auf sich zu kommen. Maschinengewehrkugeln schlugen in Bordwand und Führerstand.

Die Kugeln ihrer eigenen Gewehre prallten gegen die Außenhaut des Flugzeuges, richteten aber keinen Schaden an.

Frustriert kommentierte Kaiser: »Zumindest wissen sie jetzt, daß wir uns wehren.« Gern hätte er seine Faust gezeigt.

Zug deutete auf das Flugzeug. »Schaut euch mal das Leitwerk an. Keine Kennung, nur so komische Zeichen oder Schlangenlinien.«

»Sind vielleicht arabische Zeichen oder Symbole.«

Kaiser hob sein Fernglas. »Wirklich komische Zeichen, habe ich noch nie auf einem Flugzeug gesehen.«

Erneut griff die Maschine über ihren Backbordflügel an und näherte sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Wieder prasselten Maschinengewehrkugeln auf die Yacht und rissen rechts und links Handtellergroße Holzstücke aus der Verkleidung. Getroffen wurde erstaunlicherweise keiner.

Wieder prallten ihre Kugeln von der Maschine ab als wäre sie gepanzert. Selbst die Frontscheibe zeigte keine Risse.

Drei Kugeln des Flugzeugs trafen die Rettungsinsel derart ungünstig, daß sich ihr Öffnungsmechanismus aktivierte und sie in der Verankerung aufzuklappen versuchte. Das funktionierte jedoch nicht, da Spannriemen die zusammengeklappte Rettungsinsel umschlossen.

Zug deutete Backbord voraus. »Da vorn der erleuchtete Himmel, ist das Katar oder Kuwait.«

»Egal, wir müssen die hinter uns los werden und erstrecht das verflixte Flugzeug.«

Der nächste Anflug beendete den ungleichen Kampf. Zwei Blendgranaten gingen wenige Meter über der Yacht nieder und behinderten die Verteidiger. Sekunden später explodierte eine Granate vor dem Bug. Die Druckwelle zerriss fast das gesamte Vorschiff. Wasser drang von vorn in die Yacht und als wäre sie gegen eine Wand gefahren sank die Geschwindigkeit auf Null.

Kaiser sprang in den Salon und half der Kanzlerin zur Plicht wo sie gleich dem Team eine Schwimmweste anlegte.

Die Verfolger holten rasend schnell auf. Die fortlaufenden Schüsse aus den Maschinengewehren perforieren die bereits erschreckend tief im Wasser liegende Yacht.

Bedauernd blickte Kaiser die Bundeskanzlerin an. »Tut mir leid, ich hatte gehofft sie retten zu können. Wir müssen gleich ins Wasser.«

Sie zuckte nur mit den Schultern.

Die Speedboote gingen an beiden Seiten längsseits und sie blickten in die Läufe von acht Maschinengewehren.

»Die Frau kommt zu uns.«

Kaiser stellte sich vor die Bundeskanzlerin.

»Zur Seite Idiot, du bist schneller tot als du denken kannst.«

Die Bundeskanzlerin tippte Kaiser auf die Schulter. »Lassen sie das, es hilft nichts wenn sie ihr Leben opfern. Sie können mich nicht weiter beschützen.«

Sie schob Kaiser zur Seite und zwängte sich zur Steuerbordreling. Zwei Männer fassten ihr unter die Arme und hoben sie zu sich ins Boot, das sofort von der Yacht wegdriftete.

»Diese Schweine.« Lange schimpfte laut vor sich hin. Auf dem Boot an Backbord lachte ein Mann hämisch.

Einhundert Meter entfernt landete das Flugzeug und das Boot mit der Kanzlerin hielt auf die Maschine zu.

Auch das Boot an Backbord driftete zur Seite. Als es keiner mehr erwartete, flogen drei große Stabgranaten auf die Yacht, eine landete in der Plicht bei Kaiser und seinen Leuten und zwei rollten ins Innere.

Kaiser wollte die Handgranate greifen und über Bord werfen, aber Bos schrie laut: »Alle Mann über Bord.«

Zeitgleich mit den drei Explosionen sprangen die fünf Männer ins Wasser und sahen wie die Yacht auseinandergerissen wurde als wäre sie aus Pappe und innerhalb weniger Minuten sank. Nur Wrackteile schwammen noch an der Oberfläche. Die ungeöffnete Rettungsinsel, fest verschnallt an der Halterung auf Deck, sank zusammen mit allen Stahlteilen des Schiffes direkt in die Tiefe.

Kaiser rief laut: »Zusammen bleiben.«

Gleichzeitig blickte er zum Flugzeug wo zwei Männer die Kanzlerin vom Boot ins Flugzeug hoben. Sofort drehte die Maschine in den Wind und startete. Das Boot kehrte zu ihnen zurück.

Der Mann am Ruder stand auf. Im Licht der Sterne sahen sie sein Gesicht. Er lächelte und hob die Hand an die Schläfe, wie zu einem militärischen Gruß.

»Ja dann schwimmt schön. Und eine angenehme Nacht noch.«

Die beiden Speedboote drehten ab und beschleunigten Richtung Süden.

»Wer bist du?« Kaiser schrie es ihnen hinterher. »Ich finde dich, verlaß dich drauf.«

Die fünf Schwimmer sammelten sich, erstaunlicherweise blieben sie trotz des hartnäckigen Angriffs der Entführer unverletzt. Kaiser deutete nordwestlich zum hellen Horizont der die Existenz eines Ortes anzeigte.

»Diese Richtung und immer eng zusammen bleiben.«

»Gibt es hier eigentlich Haie?«

03

NOVOTEL DUBAI AL BARSHA, DUBAI

Alina Winter war schneller als die Polizei, wobei sie mit einer derart schnellen Reaktion der Ordnungsbehörden nicht gerechnet hatte.

Als sie das Hotel umstellten war klar wen sie suchten. Nicht sie persönlich, sondern ihr Team. Allerdings wie die so schnell ihr Hotel herausfanden erstaunte sie.

Sofort nach dem Überfall kehrte sie zurück zum Hotel wechselte ihre Kleidung und steckte den Ausweis ihrer Zweitidentität ein. Ob sie es schaffte auch die Papiere mit den Zweitidentitäten der Kameraden an sich zu nehmen, bevor die Polizei die Etage stürmte?

Ihre Pistole und die von Julia Seidel trug sie bereits in ihren Rückenholstern. Die Waffen ihrer Teammitglieder lagen versteckt in deren Zimmer, sie vermutete aber, die Polizei würde die Verstecke finden.

Noch mußte sie zwei Zimmer der Kameraden aufsuchen und beabsichtigte dann in der Besen- und Putzgerätekammer am Ende des Flurs zu verschwinden, in der Hoffnung sie unverschlossen vorzufinden.

Als sie den Flur entlang lief, hörte sie die schweren Schritte der Polizeistiefel. Sie schätzte deren Entfernung bis zur Flurtür auf wenige Meter.

Die Polizisten rissen alles auseinander. Sie vernahm das Gepoltere bis in die Putzgerätekammer.

Ein Polizist öffnete die Tür zur Gerätekammer. Sie stand steif hinter einem Putzkittel. Nicht bewegen, nicht atmen. Nicht den Kittel zur Seite schieben.

Das Glück blieb bei ihr, der Polizist schaute nur auf die Putzgeräte. Sie hinter dem Kittel in der Ecke übersah er.

Vier Stunden wartete Alina bereits in der Kammer, seit zwei Stunden herrschte vollkommene Stille. Leise schlich sie zu ihrem Zimmer. Über dem Schlitz des Kartenlesers klebte ein Polizeisiegel.

Wer von der Polizei gesucht wird verliert jedes Schuldgefühl, außerdem besaß sie ja noch die Schlüsselkarte. Ohne Hemmung riß sie das Polizeisiegel ab und steckte die Doorcard in den Leseschlitz. Ab jetzt tickte die Uhr, sie mußte schnell sein, die Türöffnung mit der Karte könnte an der Rezeption registriert worden sein.

Der Raum sah aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. Sie blickte aus dem Fenster, der größte Teil des Polizeiaufgebotes war abgezogen, nur ein paar Posten schien man zurückgelassen zu haben.

Trotzdem war sie sich sicher, das Novotel Dubai Al Barsha würde für das gesamte erste UIR-Team unter Frank Kaiser verbrannt sein und ständig von den Ordnungskräften überwacht werden.

Aus dem Bekleidungshaufen suchte sie frische Wäscheteile und packte sie in einen Rucksack. Dazu legte sie noch zwei volle Reservemagazine für ihre Pistolen.

Es wurde Zeit zu verschwinden.

Eine Fahrt mit dem Fahrstuhl war ihr zu riskant und das Treppenhaus würde keine Ausweichmöglichkeiten bieten.

Das Flurfenster gegenüber ihres Zimmers ließ sich öffnen, was sie erstaunte. Für ein frei zugängiges Fenster im zwölften Stock eines Hotels fand sie das unnormal, aber für sie von Vorteil.

Circa eineinhalb Meter neben dem Fenster führte eine Feuerleier nach unten. Wer plant denn eine Leiter so weit vom Fenster entfernt?

Sie blickte nach oben, zwei Stockwerke über ihr endete die Leiter direkt vor einer Stahltür. Die da oben dürfen die Leiter erreichen, wir in diesem Stockwerk nicht?

Noch schnell ein Rundumblick. Auf dieser Seite des Gebäudes standen keine Polizeiposten.

Alina Winter schwang sich aus dem Fenster und suchte einen festen Halt für die Füße auf der Fensterbank.

Eineinhalb Meter Entfernung und ein Sprung in dieser Höhe, ohne Seil, ein gewisses Risiko, sagte sie zu sich, aber ich probiere es trotzdem. Ungewöhnliche Umstände, ungewöhnliche Maßnahmen.

04

HOTEL IBIS, DUBAI

Eine Stunde nach Sonnenuntergang, Alina Winter nutzte auf ihrem Weg zum Hotel Ibis die nicht beleuchteten Straßen, in Dubai nicht einfach, die gesamte Stadt strahlte aus millionen Straßenlaternen.

Ihre Überlegungen kreisten um das Problem wie sie vorgehen sollte, wenn auch das dort einquartierte zweite UIR-Team unter Jan Delux in den Fokus der Polizei geraten war. Sie besaß kein Satellitentelefon.

Vorsichtig näherte sie sich dem Hotel, Polizei konnte sie nicht ausmachen. Trotzdem suchte sie den Hintereingang des auf der Mall of Emirates residierenden Ibis. Sie wollte möglichst ungesehen die Zimmer der Kollegen erreichen. Was würde sie dort vorfinden?

Leise öffnete Alina die unverschlossene rückseitige Kellertür und stand in einem dunklen Gang. Ein Rohrsystem unter der Decke führte ins Innere des Kellergeschosses. Im Sichtschatten der Rohre schlich Alina Winter den Flur entlang und erreichte einen größeren quadratischen Verteiler.

Aus einem Keller rechts von ihr schallten Stimmen. Zwei Männer schienen sich anzuschreien, den Inhalt konnte sie nicht verstehen, sie sprachen arabisch.

Gedanken machte sie sich über eine Person die vor ihr in einer Nische stand und sich nicht rührte. Auch wenn derjenige meinte nicht gesehen zu werden, schimmerte doch vereinzelt ein Zipfel seines weißen Überwurfes hervor.

Sicherheitshalber zog sie ihren Revolver aus dem Holster und schob ihn in den Ärmelauslauf ihres Oberteils.

Warten half nichts, die Person rührte sich nicht. Sie mußte sich entscheiden, zurück zum Ausgang oder aufrecht und mit schnellem Schritt an der Person vorbei. Sie entschied sich für die zweite Option. Problematisch würde es werden, wenn diese Person dem Sicherheitspersonal des Hotels angehörte. Wie sie dann reagierte, wollte sie aus der Situation heraus entscheiden.

Kaum neben der Nische vernahm sie eine Männerstimme. Obwohl sie mit einer Reaktion der Person rechnen mußte, zuckte sie zusammen. Der Mann stank fürchterlich nach Tier.

Ihr Revolver glitt aus dem Ärmel in die Hand. Während sie herumwirbelte schaltete sie ihn scharf.

Die stinkende Person im weißen Kaftan trug einen ausgefransten Strohhut und hob langsam den Kopf. »Du bist aber nervös und außerdem, was rennst du so schnell.«

Erst die Stimme und dann das Gesicht.

»Daniel Vogt, erschreck mich nicht so!«

Der weiße Kaftan verlieh ihm ein urtypisch arabisches Aussehen. Vogt grinste sie an. »Willst du auch zu den Kollegen?«

Langsam beruhigte sich Alinas Herzschlag. »Du stinkst fürchterlich.«

Vogt nickte. »Ich hab das Ding gefunden, ist sehr hilfreich.« Dabei wedelte er mit dem Kaftan und Alina beherrschte sich keine Regung zuzulassen.

Zwar stank der weiße Kaftan extrem nach Kamel, war aber auch von Vorteil, er verlieh Vogt ein dermaßen arabisches Aussehen, daß er sich damit sogar problemlos im Wartebereich der Hotelhalle aufhalten konnte.

Am Seiteneingang der Hotellobby warteten sie auf den richtigen Moment, hatten aber noch keinen Plan wie sie vorgehen wollten. Sie kannten die Zimmernummern der Kollegen nicht. Würde Vogt den Rezeptionisten mit seinem arabischen Aussehen, hier in Dubai in englischer Sprache ansprechen wäre das sicherlich verdächtig.

Nachdem sie mehrmals Hotelpersonal ausweichen mußten, die sie mißtrauisch beäugten, sah Daniel Vogt Sarah Leroy, Teammitglied der Delux-Truppe, durch die Halle gehen.

Vogt hastete hinter ihr her zum Fahrstuhl, gefolgt von Alina Winter.

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Sie saßen im größten der angemieteten Hotelzimmer, das sich Lucas Dubois, Louis Roux und Kylian Morel teilten. Der Rest des Teams, Sarah Leroy, Lucie Girard, Thomas Muller, Jules Dupont, Lily Lambert und Jan Delux belegten Doppelzimmer.

Alle warteten auf klärende Worte. Jan Delux blickte Vogt und Winter an. »Und?«

Alina Winter begann mit dem ausführlichen Bericht des Vorfalls an ihrem Standort, dem Tod von Julia Seidel und der Situation im Hotel. Dem folgte Daniel Vogt, der mit einem Blick auf seine Uhr endete: »Ich schätze die Yacht wird Kuwait in circa fünf Stunden erreichen.«

Jan Delux nickte. »Als wir am Überfallort ankamen stiegen die Kameraden gerade in einen Gefangenentransporter der sich kurz darauf vom Tatort entfernte.

Die acht toten Personenschützer lagen noch in den kokelnden Autos. Die Stellen der drei toten Entführer wurden gerade markiert und die Männer abtransportiert.

Erst später wiesen Passanten die Polizei auf eine am Boden liegende blutende Frau hin, unsere Julia Seidel und jemand rief den Rettungswagen, aber auch die Sanitäter konnten ihr nicht mehr helfen.

Ich habe mich nicht eingemischt. Wir müssen unerkannt bleiben und dürfen dem Gemetzel nicht zugeordnet werden. Nur so können wir uns um unsere inhaftierten Kollegen kümmern.

In den kommenden Tagen werden wir versuchen ihre Unterbringung ausfindig zu machen. Den Zentralen Einsatzleiter habe ich über Seidels Tod und den der Personenschützer informiert, sowie über die Gefangennahme der fünf Kameraden.«

Delux blickte in die Runde. »Wir beginnen ab sofort damit vorerst alle Polizeistationen Dubais zu überwachen. Ich hoffe wir finden heraus wo unsere Kollegen eingesperrt sind.«

05

IM GEFANGENENTRANSPORTER

Seit fünf Stunden stand der Gefangenentransporter an ein und derselben Stelle.

Hände und Füße an Eisenschlaufen gekettet ohne die Möglichkeit aufstehen zu können, saßen Adrian Böhm, Alexander Engel und Felix Busch nebeneinander auf einer Bank, ihnen gegenüber Mara Berger und Fiona Winkler.

Den kargen verdreckten Innenraum des Transporters teilte ein Eisengitter in zwei Bereiche. Im inneren Teil saßen die Gefangenen, im hinteren Teil, direkt vor dem Ausgang, das Wachpersonal. Kaum daß der Transporter hielt, öffnete sich die Hintertür und die Wachen verließen den Wagen. Seitdem waren sie allein.

»Wie lange wollen die uns denn noch in dieser Karre sitzen lassen.« Mara Berger versuchte eine bequemere Sitzstellung einzunehmen und sah Fiona Winkler an. »Was zerrst du so an der Kette?«

»Ich versuche meine rechte Seitentasche zu erreichen.«

»Warum?«

»Es sind noch drei Sprengstoffpakete drin. Vielleicht können wir uns irgendwie hier raus sprengen.«

Busch sah sie an. »Komisch, uns haben sie alles abgenommen aber deinen Sprengstoff vergessen?«

Fiona nickte. »Ich bin eine Frau und Frauen trauen sie es wohl nicht zu mit Sprengstoff zu hantieren.«

Böhm: »Stellt sich die Frage wie wir an deine Tasche kommen.«

Die Männer saßen zu weit entfernt und die Kette hielt sie auf ihrer Seite.

Mara rutschte nahe an Fiona heran um möglichst viel Kette frei zu geben, aber es reichte nicht. Fiona zerrte und zuppelte, es fehlten zwanzig Zentimeter. So sehr sich die beiden Frauen bemühten, so nahe die Tasche auch war, so weit war sie weg. Frustriert gaben sie auf. »Es hätte ja klappen können.«

»Daß die uns nichts zu essen geben ist ja nicht so schlimm, aber Wasser hätten sie uns zumindest hier lassen können«, schimpfte Mara Berger.

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»Verdammt ist das warm«, die Stirn von Busch glänzte und Schweißtropfen rannen von der Stirn bis zum Hals und weiter.

»Schau mal durch den Türschlitz«, Böhm deutete auf die Hecktür. »Tageslicht.«

Winkler: »Ich frage mich warum die uns keinem Haftrichter vorführen. Wir sind vor über zwölf Stunden festgenommen worden.«

Engel lächelte: »Die wissen bestimmt noch nicht was sie mit uns machen sollen. Wir sind Ausländer, Deutsche, haben uns nicht gegen die Polizisten gewehrt und man kann uns auch nicht nachweisen die Toten erschossen zu haben.«

Winkler: »Stimmt. Bei dem Nebel konnten die Leute am Straßenrand nur sehen daß wir rüber liefen, mehr nicht.«

Böhm schüttelte den Kopf. »Die haben unsere Gewehre und können feststellen daß aus denen geschossen wurde. Ordnen sie die Kugeln aus den Körpern der Toten den Gewehren zu, weiß man wer auf wen geschossen hat.«

Engel: »Waren wir die Angreifer oder die? Wir haben nur unsere Kanzlerin verteidigt und wollten die Entführung verhindern. Und das im offiziellen Auftrag.«

»Aber nicht aus deren Sicht«, Böhm wog den Kopf nach beiden Seiten.

Fiona überlegte laut: »Vielleicht sollte ich doch noch mal versuchen an meinen Sprengstoff heranzukommen.«

Mara Berger schüttelte sich wie ein Hund der aus dem Wasser kam. »Ich möchte aus diesem Dreckloch raus, hier stinkt es schlimmer als im Schweinestall.«

Buch grinste sie an und blickte nach oben, zum Blechdach des Wagens. »Was glaubst du wie das wird wenn die Sonne den ganzen Tag auf das Blech brennt.«

06

AL MARMOON, DUBAI

Sharif Sayed schäumte vor Wut als er das Restaurant der Kamelrennstrecke Al Marmoon im stadtnahen Wüstengebiet Dubais betrat. Den Kommandanten der Central Police Station Dubai-City zitierte ein Mann den er nicht kannte und dem er noch nie begegnete an diesen Ort. Und das um zwölf Uhr mittags, also zu einer Zeit die er üblicherweise mit seiner Familie bei Tisch verbrachte.

Sharif Sayed wäre niemals gekommen, handelte es sich bei diesem Mann nicht um einen der bekannt skrupellosesten Zeitgenossen des afrikanischarabischen Raumes.

Die Tür zum Gastraum war unverschlossen und der Raum leer, was ihn nicht erstaunte, das Restaurant öffnete generell erst zwei Stunden vor einem Kamelrennen. Allerdings wunderte er sich über die unverschlossene Tür.

Vor dem großen Fenster und mit dem Rücken zu ihm stand der fremde Mann und blickte auf die Rennstrecke, wo Trainer die Kamele auf das am Nachmittag stattfindende Rennen vorbereiteten.

Noch lange bevor er den Mann erreichte, hörte er seine Stimme: »Mich läßt man nicht warten, auch dann nicht, wenn man der Polizeichef dieses Dorfes hier ist.«

»Was wollen sie von mir.« Sayed stellte sich neben den Mann, dessen große Sonnenbrille und das hochgezogene Halstuch das Gesicht fast vollständig verhüllte. Wieder etwas das Sayed hasste. Niemand der mit ihm sprach verdeckte sein Gesicht, sogar arabische Frauen mußten den Hidschab ablegen.

»In deinem Land sind Deutsche denen der Tod gebührt. Sorge dafür daß sie sterben.«

»In unserem Land sind viele Deutsche, unser Emir hat uns ein offenes und freies Land geschaffen.«

»Fünf hast du bereits eingesperrt, den Rest mußt du noch einfangen und du weißt genau welche ich meine.«

»Warum sollen sie sterben. Wenn sie ein Verbrechen begangen haben kommen sie vor ein Gericht und das entscheidet was mit ihnen passieren wird.«

»Diese unwürdigen Menschen töteten mehrere meiner Männer, also müssen sie sterben. Alle.«

Als Sharif Sayed zögerte, drehte sich der Mann um und ging in Richtung Ausgang. »Du hast eine schöne Frau und deine Kinder sind noch jung, zu jung um zu sterben! Erledige meinen Auftrag und das ist keine Bitte.«

Er erreichte die Tür, öffnete sie und trat nach draußen. Erstaunlicherweise knallte sie nicht hinter ihm ins Schloß wie gewöhnlich, sondern schloß mit einem leisen Klicken.

Zuerst stieg Wut in Sharif auf, dann Zorn und danach Angst. Die Angst um seine Familie schnürte ihm den Hals zu. Dieser Mann, dem er heute das erste Mal begegnete war der Teufel in Menschengestalt. Man sagte er sei ein Afrikaner und hatte ihn vorgewarnt.

Sein eigener Karriereweg war immer ehrlich und geradlinig gewesen, nichts hatte ihn aufhalten können. Jetzt war er derjenige der Befehle erteilte die von seinen Leuten bedingungslos befolgt wurden.

Sollte er, Sharif Sayed, dem Befehl dieses Mannes Folge leisten und die inhaftierten Menschen umbringen?

»Ich bin kein Mörder«, schrie er laut, aber es war keiner da der es hören konnte.

07

BUNDESKANZLERAMT BERLIN, BRD

Hektik gehörte in den Räumen und Fluren des Bundeskanzleramtes schon immer zur Tagesordnung, denn hier wurden die Entscheidungen gefällt, oder zumindest vorbereitet, die Einfluss nahmen auf die Geschicke des Staates und damit der einzelnen Bürger. Gefühlt prallten hier die Arbeiten aller Ministerien aufeinander und wurden von den Mitarbeitern dieses Amtes aufgefangen. Nicht alles konnte ungefiltert an die Bundeskanzlerin weitergeleitet werden.

Der Chef des Bundeskanzleramtes, Hermann Bruner ordnete eine Sondersitzung eines extrem kleinen Kreises in einem abhörsicheren Raum in der 4. Etage an. Auch der Chef des dem Kanzleramt direkt unterstellten Bundesnachrichtendienstes [BND] gehörte zu den geladenen Teilnehmern. Erstaunen löste bei den anwesenden Sitzungsteilnehmern aus, daß neben den Vertretern von Bundeskriminalamt [BKA], Personenschutz und Außenministerium, auch ein Führungsoffizier einer Spezialbehörde der BRD und EU geladen war.

Als Amtsdirektor Ernst Gruber, Dienststellenleiter der UIR –United International Rescue- und Chefermittler Klaus Ritter den Kanzleramtssteg, der doppelgeschossigen Brücke, zwischen dem westlich der Spree im Kanzleramtspark gelegenen Landefeld zum Regierungsgebäude passierten, konnten sie ihren Hubschrauber nur noch als kleinen Punkt am Horizont ausmachen.

Vor dem Betreten des Regierungsgebäudes wurden auch sie von Mitarbeitern des hier sichernden BKA kontrolliert.

Noch hatten sie dreißig Minuten Zeit bis zum Besprechungsbeginn. Während Gruber die Zeit nutzte einen ehemaligen Kameraden zu besuchen der jetzt in einem der dreihundert Büros des Kanzleramtes arbeitete, genehmigte sich Ritter ein kleines Spätfrühstück in der Kantine des südlichen Bürotraktes.

Bevor er seine Stelle bei der UIR antrat, diente Ritter als Marinesoldat auf verschiedenen Schiffen der Bundeswehr mit unterschiedlichen Aufgaben, sowie als Teamleiter bei den Kampftauchern und erreichte den Dienstgrad des Korvettenkapitäns. Die UIR schickte ihn weitere zwei Jahre auf diverse Lehrgänge und er erwarb Fluglizenzen für Hubschrauber und Starrflügelflugzeuge, sowie spezielle Einzelkämpferausbildungen. Er wurde zum Allroundmann und erhielt den Status des Chefermittlers im Team der Sonderermittler im Außendienst.

Als solchen setzte man ihn weltweit ein, einzeln oder im Team, im Gelände oder in Städten, je nach Bedarf und Gegebenheit, generell zur Rettung entführter Europäer, aber auch um Gesuchte oder Gesuchtes im Ausland ausfindig zu machen.

Die UIR rekrutierte ihr Personal aus Marine, Luftwaffe und Heer aller EU-Staaten, indem sie sich die einsatzstärksten Kräfte aussuchte und anheuerte. Jeder mußte bestausgebildet und auf jedem Terrain einsetzbar sein. Als EU-Behörde mit besonderem Auftrag konnte sie auf Ressourcen zurückgreifen die einem einzelnen Staat nicht zur Verfügung standen.

Ihre Aufträge erhielt die UIR in der Regel von der EU, in Sonderfällen auch von Regierungen der EU-Staaten.

Anfangs in einer alten Marinekaserne in Schleswig-Holstein einquartiert, verlegte man ihren Sitz zur Mitte der EU-Länder, dem deutschen Grenzdreieck mit Belgien und den Niederlanden und begründete das mit der notwendigen Nähe zum Europäischen Parlament.

Die Leitung der United International Rescue oblag dem ehemaligen deutschen General Ernst Gruber als Direktor und seiner Stellvertreterin Frau Caroline De la Fontaine, ehemals Colonel bei den französischen Streitkräften.

Kanzleramtschef Bruner richtete sich in seinem Stuhl auf und klopfte mit dem Kugelschreiber gegen die vor ihm stehende leere Wasserflasche.

»Meine Herren, ich habe diese Sitzung einberufen, da uns schlimme Nachrichten aus Dubai vorliegen. Unsere Bundeskanzlerin, die sich anläßlich eines Treffens arabischer und afrikanischer Staatschefs in Dubai aufhält, wurde gestern während der Rückfahrt vom Tagungshotel zum Übernachtungshotel entführt. Ob sie sich noch in der Gewalt der Entführer befindet ist nicht bekannt.«

Er deutete auf Gruber. »Herr Direktor Gruber von der UIR ist näher an der Sache und kann uns hoffentlich über den bisherigen Ermittlungsstand informieren.«

Gruber lehnte sich vor.

»Leider besitzen auch wir kaum Informationen.

Zum uns bekannten Ablauf: Der Überfall ereignete sich vor einer Straßenkreuzung als die Fahrzeugkolonne der Staatsführer abbremsen mußte. Aus einer Seitenstraße raste ein Van in das Fahrzeug der Personenschützer und schaltete sie mittels Explosionswaffen aus, noch bevor sie ihre Fahrzeuge verlassen konnten. Aus einem weiteren Fahrzeug heraus wurde die Wagentür des gepanzerten Mercedes aufgesprengt und die Kanzlerin in das Entführerfahrzeug gezerrt.

Ein Team meiner Behörde nahm sofort die Verfolgung auf. Ob sie die Kanzlerin befreien konnten ist nicht bekannt, da die Verbindung zu ihnen abriß.«

Klaus Ritter versuchte die anderen Teilnehmer der Runde einzuordnen. Anwesend waren neben dem Chef des Bundeskanzleramtes, der Ritter bekannte Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes Roman Schneider als Vertreter seines Chefs, sowie Robert Übach, Leiter des Bundeskriminalamtes und zwei weitere ihm nicht bekannte Herren in dunkelgrauen Anzügen. Erstaunlicherweise wurde kein Anwesender persönlich vorgestellt.

Einer der Herren fragte nach: »Haben sich die Entführer schon gemeldet?«

»Nein.«

»Ist es normal, daß die Entführer sich nicht melden?«

»Nein. Das ist vollkommen unnormal.«

»Was sagen denn die örtlichen Behörden?«

»Sind bislang nicht zu erreichen.«

»Dann müssen sie mal ordentlich Terror machen.«

»Gern, aber bislang ist keiner zu erreichen.«

Ritter hakte ein: »Hinzu kommt, daß die örtliche Polizei fünf unserer am Waffengang beteiligten Ermittler inhaftierte die unsere Kanzlerin zu verteidigen versuchten. Wohin die Polizei diese Kameraden brachte wissen wir nicht. Unser zweites Ermittlerteam vor Ort hat bereits mit der Suche begonnen, kann aber bislang noch keine Ergebnisse vorweisen.«

Gruber: »Was das betrifft ist Dubai momentan vollkommen abgeschottet.«

»Wieviele Mitarbeiter haben sie denn vor Ort?«

»Zwei Teams a Zehn Personen. Fünf nahmen die Verfolgung auf und Fünf verhaftete die Polizei.«

»Also sind noch zehn Mann da unten. Da bin ich erstaunt, daß sie noch nicht weiter sind.« Der Mann im grauen Anzug warf seinen Kugelschreiber auf die Arbeitsmappe.