Das dritte Dreieck - Mörderische Bedrohung - Georg P. Strangfeld - E-Book

Das dritte Dreieck - Mörderische Bedrohung E-Book

Georg P. Strangfeld

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Beschreibung

Auf einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke rasen zwei Züge mit ungebremsten 280 km/h ineinander. Auf einer Volkskirmes stürzt ein großes Schnellfahrkarussell ungebremst zu Boden mit vielen Toten und zerstörten Schaustellerbuden und in Antwerpen rauben Diebe Juwelen im Millionenwert und keiner kann die unmaskierten Täter beschreiben. Die sprunghafte Anhäufung unverständlicher und chaotischer Ereignisse, sowie nicht nachvollziehbarer Sabotagen mit vielen Toten, zwingt die Ermittlungsbehörden zu sofortigem Handeln und beendet jäh den Urlaub des Sonderermittlers Klaus Ritter. Im Zuge seiner Recherchen muß Ritter feststellen, daß die bekannten Fälle nur die Spitze des Berges mysteriöser Unfälle darstellen und täglich neue hinzukommen die immer utopischere Ausmaße annehmen. Seine Suche führt ihn rund um den Globus. Noch weiß er nicht, daß ihm die wichtigste Information fehlt: Das dritte Dreieck. Die Zeit drängt..... . Die Rettung seines im Tschad, in der Wüste Sahara gestrandeten Kollegen hätte ihm einen ersten Hinweis geben können.

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Seitenzahl: 425

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Zum Roman

Auf einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke rasen zwei Züge mit ungebremsten 280 km/h ineinander. Auf einer Volkskirmes stürzt ein großes Schnellfahrkarussell in voller Fahrt zu Boden mit vielen Toten und zerstörten Schaustellerbuden und in Antwerpen rauben Diebe Juwelen im Millionenwert und keiner kann die unmaskierten Täter beschreiben.

Die sprunghafte Anhäufung unverständlicher und chaotischer Ereignisse, sowie nicht nachvollziehbare Sabotagen mit vielen Toten, zwingt die Ermittlungsbehörden zu sofortigem Handeln und beendet jäh den Urlaub des Sonderermittlers Klaus Ritter. Im Zuge seiner Recherchen muß Ritter feststellen, daß die bekannten Fälle nur die Spitze des Berges mysteriöser Unfälle darstellen und täglich neue hinzukommen die immer utopischere Ausmaße annehmen.

Seine Suche führt ihn rund um den Globus. Noch weiß er nicht, daß ihm die wichtigste Information fehlt:

Das dritte Dreieck.

Die Zeit drängt... .

Die Rettung seines im Tschad, in der Wüste Sahara gestrandeten Kollegen hätte ihm einen ersten Hinweis geben können.

Geboren in der Nähe des niedersächsischen Hannover zog Georg P. Strangfeld schon in jungen Jahren nach Nordrhein-Westfalen.

Der gelernte Banker mit der Liebe für das Auslandsgeschäft, arbeitete in mehreren Städten NRWs und ließ sich jetzt inmitten des Ruhrgebietes nieder. Als passionierten Segler zog es ihn in seiner Freizeit auf das Mittelmeer entlang der europäischen Küsten bis hinunter in südliche türkische Gewässer. Heute schenkt er seine Freizeit dem rauheren Klima und den Wellen der Nordsee.

HANDELNDE PERSONEN

Klaus (Rumba) Ritter, Leitender UIR-Sonderermittler

Alexander (Charlie) Koppen, UIR-Sonderermittler

Meret (Manta) Smit, UIR-Sonderermittler

Marion Jäger, Sekretärin der Sonderermittler

Ernst Gruber, ( genannt: Der General )

Amtsdirektor / Dienststellenleiter der UIR

Katharina Held, Sekretärin v. Ernst Gruber

Caroline De La Fontaine, Stellv. Dienststellenleiterin

Pascal Demaret, Zentraler Einsatzleiter ( ZEL )

Frank (Löwe) Kaiser, -UIR Teamleiter Einsatzteam 1

Jan (Mango) Delux, -UIR Teamleiter Einsatzteam 2

Amtsrat Erich Klein, Bundeskriminalamt (BKA)

Roman Schneider, Bundesnachrichtendienst (BND)

Prof. Dr. Karl Romolski

Prof. Dr. Franko Perugi

Prof. Dr. Sara Fontaine

Mohammed Akran

Ibrahim El Hadary

Monsignore Pedro Alfonso Dequera

Pater Franziskus

Graf Reinhard von Lobach

Eberhard Rombel

Raschid Zahedi

Simon Keller

Frank Rudolf, ehem. Afzal Gbadamosi

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Frankreich, zwischen Lille und Paris

Kapitel 2: Golf von Guinea / Afrikanische Atlantikküste

Teil I: Fünf Monate vorher

Kapitel 3: Cairo / Ägypten

Kapitel 4: Nähe Faya Lavgeau / Tschad

Kapitel 5: CHS Cairo Helicopter Service

Kapitel 6: Essen-Werden / BRD

Kapitel 7: UIR – United International Rescue

Kapitel 8: Cairo International Airport / Ägypten

Kapitel 9: Fort, Nähe Faya Lavgeau / Tschad

Kapitel 10: Ägyptisch-Libysche Grenze

Teil II: Das Labor

Kapitel 11: Afrikanischer Urwald Republik Kongo

Kapitel 12: Urwaldlabor / Republik Kongo

Kapitel 13: UIR – Büro der Sonderermittler

Kapitel 14: Liouesso, Republik Kongo

Kapitel 15: Das Dschungellabor

Kapitel 16

Kapitel 17: UIR – Büro des ‚Generals‘

Kapitel 18: Malonda Lodge – Republik Kongo

Kapitel 19: Persischer Golf - Indischer Ozean

Kapitel 20: Indischer Ozean

Kapitel 21: UIR –Büro des Dienststellenleiters

Kapitel 22: Kamerun - Afrika

Kapitel 23

Kapitel 24: UIR – OPZ2(Operationszentrale Besprechungsraum 2)

Teil III: Der Auftrag

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27: Task Force ‚Regenbogen‘

Kapitel 28: Nagoya Japan

Kapitel 29: Dangjin / Daesan-Eur, Südkorea

Kapitel 30: Seoul / Dangjin, Südkorea

Kapitel 31

Kapitel 32: UIR – OPZ2 - Task Force Regenbogen

Kapitel 33: Kapstadt Südafrika

Kapitel 34

Kapitel 35

Teil IV

Kapitel 36: Montreux /Genfer See, Schweiz

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39: Große Niederrheinische Vorferienkirmes, Deutschland

Kapitel 40: Französische Riviera und Côte d´ Azur, Südfrankreich

Kapitel 41

Kapitel 42: Nizza /Côte d‘ Azur - Frankreich

Teil V

Kapitel 43: Zürich, Schweiz

Kapitel 44: Operationszentrale - TF Regenbogen

Kapitel 45: Zürich, Schweiz

Kapitel 46: Maputo, Mosambik

Kapitel 47: Betty’s Bay, Nähe Kapstadt Südafrika

Kapitel 48: Waldlichtung, Nahe des ehemaligen Weinguts Rombel

Kapitel 49: Kapstadt Townships, Südafrika

Epilog

Europa

Baldeney See Essen, Deutschland

Nähe Dealesville, Südafrika

Anmerkungen des Autors zum Roman

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01

FRANKREICH, ZWISCHEN LILLE UND PARIS

Über einen schmalen Fußweg näherten sich vier schwarzgekleidete Männer der Schnellfahrstrecke von Dortmund nach Paris, direkt neben der ‚A1‘ der Auto-Route du Nord. Die drei extrem großen und sehr breitschultrigen Männer und ein im Vergleich kleiner 1,80-Meter-Mann bewegten sich vorsichtig auf dem unbeleuchteten rutschigen Weg, zumal die nur schmale Sichel des Mondes in dieser Nacht kaum Licht spendete. Die schlechte Sicht kam ihnen gelegen, sie wollten unentdeckt bleiben.

Die zweigleisige Schnellfahrstrecke verlief fast ausschließlich weichenfrei, jede Spur autark zur Gegenrichtung. Bis auf wenige Ausnahmen trennte sogar ein Zaun die beiden Fahrtrichtungen. Diese wenigen Ausnahmen im Streckenverlauf ermöglichten über Doppelweichen zwingend notwendige Umleitungen über die zweite, gegenläufige Strecke vorzunehmen. An einer dieser wenigen Weichen zwischen der Stadt Lille und dem Endbahnhof Paris standen sie und sahen auf den Schienenstrang.

Die vier Männer lehnten am äußeren Zaun, der die Bahnstrecke von der restlichen Umgebung abtrennte und blickten auf die Weichen, die vom Stellwerk des letzten Haltepunktes per elektronischem Fahrstreckenfestlegungssystem an einer Bildplatte gestellt wurden.

Die Befehle an die Steuerrelais der Signale und Weichen erfolgten elektronisch direkt vom Rechner des Bildstellwerks. Erreichte der Computerimpuls das Weichenrelais, schaltete dieses den Starkstrom-Weichenmotor und legte die Weiche um, von Geradeaus auf Abbiegen oder umgekehrt.

Stark konzentriert standen die drei großen Männer eng beisammen.

Was dann geschah würde Uneingeweihte verwundern.

Während sie auf den Motor der Weiche starrten, schaltete das Weichenrelais und aktivierte den Starkstrommotor der Weiche. Mit einem leisen Rumpeln bewegte sich der Weichenschenkel von geradeaus auf abbiegen zum Gegengleis.

Eine Systemmeldung über die Fahrwegveränderung an den Rechner erfolgte nicht. Das Programm sah eine derartige Meldung nicht vor, da sie aus Sicherheitsgründen manuelle Schaltvorgänge generell ignorierte. Entsprechend signalisierte das Signal am Streckenstrang dem Lockführer des Zuges nach Paris freie Geradeausfahrt.

Nach einem letzten Kontrollblick auf die Weichenstellung drehten sich die vier Männer um und gingen den Weg zurück zum zweihundert Meter entfernt parkenden Auto.

Im Fahrstand des Paris-Zuges erwartete der Lockführer den entgegenkommenden Zug nach Deutschland, dem er immer an dieser Stelle begegnete. In der Ferne erschienen die sich rasend schnell nähernden Lichter.

Was dann passierte erfolgte so schnell, daß nicht nur das Auge es nicht erfassen konnte.

In dem Moment als sich die Züge begegneten, erreichte der Zug nach Paris die Weiche der möglichen Ausweichstelle, wurde von ihr zur gegenläufigen Strecke herumgerissen und knallte mit 280 Stundenkilometern in den zweiten Wagen des Gegenzuges mit gleicher Geschwindigkeit.

Wie ein Pfeil durchbohrte er ihn und schoß auf der gegenüberliegenden Seite hinaus aufs Gleisbett. Dabei wurden die anhängenden Personenwagen des Köln/Paris Zuges hinterhergerissen und schoben sich in die nachfolgenden Wagen des Paris/Köln Zuges.

Die ungeheure Kraft der Geschwindigkeit schob beide Züge ineinander. Aus ihnen bildete sich ein Mammutknäuel aus Eisen, Stahl und Glas, das sich gegeneinander bewegte und alles zerquetschte was nicht aus Stahl war und auch den verbog. Wagen denen der Platz fehlte schoben sich gleich mahnender Finger senkrecht in die Luft, bevor sie der Druck des gegenläufigen Zuges umwarf und auf den Schotter neben dem Gleisbett schleuderte wo sie zerbrachen und von Folgewagen durchbohrt wurden.

Ein Schrei aus vielen Kehlen, Kreischen und Knacken von Material und Knochen. Wagenteile verschoben und drückten sich ineinander.

Es fehlte der Platz für die Körper der Menschen die Eisen und Stahl zermalmten. Viele die nicht sofort starben verbrannten in den an mehreren Stellen auflodernden Feuer.

Der Triebwagen des Zuges nach Köln riß von den Personenwagen ab, legte sich auf die Seite und überschlug sich. Kurzschlüsse in- und außerhalb des Zuges erzeugten Explosionen mit meterhohen Flammenzungen. Gewalt und Hitze ließen den ineinander geschobenen Knäuel Eisen und Stahl zu einer festen Einheit verschweißen aus der es kein Entkommen gab.

Die Lautstärke des aufeinander prallenden, schreienden Materials übertrug sich in Wellen durch die Luft und schallte so laut in die naheliegende Ortschaft, daß die Bewohner ihre Fernseher verließen oder vom Schlaf hochgerissen wurden und zum Fenster eilten.

Der rötlichgelbe Schein der Feuer erhellte die Nachtschwärze rundum sowie die ehemals majestätischen Züge, die sich zu einem grotesken Mahnmal moderner Technik deklassierten.

Menschen eilten herbei um zu helfen, aber die mörderische Hitze wie auch die sich wiederholenden jetzt nur noch mittelgroßen Explosionen hielten sie vom Geschehen fern.

Die Skurrilität des Gesamten schrie gen Himmel.

Bevor sich die schwarz gekleideten Männer ins Auto setzten entnahm der Kleinere der vier Männer dem Handschuhfach ein Handy und filmte mit ruhiger Hand die sich auf den Gleisen abspielende Tragödie. Anschließend sendete er den Film an einen ihm bekannten Sender.

Mit heulenden Sirenen näherten sich die ersten Feuerwehrfahrzeuge, es sollten zum Schluß mehr als dreißig sein, fünf Kranwagen und über zwanzig Sanitätsfahrzeuge. Über dreihundert Helfer zählte schlußendlich die Liste.

Während die Hubschrauber zweier Fernsehsender das Chaos aus der Entfernung filmten und sich langsam dem Unfallort näherten, sendete ein dritter Sender bereits einen zugesandten Handyfilm eines Unbekannten, der die Entstehung und den Fortgang des Unfalls bis ins kleinste Detail dokumentierte.

Erneut stieg der Mann aus dem Auto und schaute auf das Chaos, lächelte zufrieden über sich und ihre Leistung. Seine Lippen formten die Worte: »Ungläubige« und fügten dem an: »Allahu Akbar«.

Die Polizei, die eine Stunde später den Fahrdienstleiter des zuständigen Stellwerks inhaftierte, befragte im Minutentakt die hinzugezogenen Techniker und Ingenieure nach dem Grund des Unfalls.

Was hat der Fahrdienstleiter falsch gemacht?

Je länger die Experten auch suchten, die Antwort blieb unverändert, die Weiche durfte nicht auf Abbiegen stehen. Alle Computerprotokolle und die mehrfach vollzogenen erneuten Auswertungen zeigten eindeutig, daß die Fahrstraße auf ‚geradeaus‘ stand.

Ein Fehlverhalten konnte dem Fahrdienstleiter nicht nachgewiesen werden. Warum wechselte der Zug das Gleis?

Der Polizeiakte, die Amtsrat Erich Klein vom Bundeskriminalamt auf Nachfrage von der französischen Polizei erhielt und die den schweren Unfall des Expresszuges nach Paris mit vielen deutschen Toten erklärte, sagte eindeutig aus, daß sich auf der Schnellfahrstrecke eine Weiche aus mysteriösen, vollkommen unerklärlichen Gründen verstellte und dadurch den Unfall verursachte.

Amtsrat Klein griff zum Telefon und wählte eine Nummer in der Zentrale der UIR.

02

GOLF VON GUINEA / AFRIKANISCHE ATLANTIKKÜSTE

Klaus Martens verließ den Niedergang und betrat das Deck des Achtzigmeter-Dreimastseglers African Rose.

Noch vor einem Jahr hätte er nicht geglaubt, jemals im Golf von Guinea, an der mittelafrikanischen Westküste seinen Urlaub zu verbringen. Und doch, der Glücksengel schüttete diesmal sein Füllhorn bei ihnen aus.

Auf der Ferien- und Freizeitmesse in Köln gewann er bei einem Preisausschreiben am Stand Äquatorialguineas einen Segeltörn für zwei Personen durch die Inselwelt Äquatorialguineas in der Bucht of Bonny Island.

Zum Gewinn gehörte der Hinflug ab Paris nach Bata, der Hauptstadt der äquatorialguineischen Festlandregion Mbini. Hier eingeschifft ging die Seereise nach Malabo an der Nordküste der Insel Bioko, der Hauptstadt von Äquatorialguinea, zur Insel Santo Antonio, nach Sao Tomé auf der Insel Sao Tomé und Príncipe, bis zur südlichsten Insel San Antonio de Pale mit Besuch des gleichnamigen Ortes.

Von San Antonio de Pale stachen sie am Morgen wieder in See zum letzten Törnabschnitt, zurück nach Bata. Ein wenig traurig blickte er auf das Meer, der Törn neigte sich langsam dem Ende entgegen.

Seine Frau schob ihn weiter um ebenfalls das Deck zu betreten.

»Wir sollten uns so langsam fertig machen, das Mittagessen wird gleich gereicht.«

»Schon wieder essen.«

Die African Rose bot reichhaltige und überraschend verschiedenartige Speisen. Auch waren die Urlauber begeistert über die Vielfalt der Früchte die zu jeder Mahlzeit gereicht wurden.

Nachmittag, ein Großteil der dreißig Passagiere lag in Liegestühlen und Sesseln auf dem Oberdeck. Wer ‚Sonne pur‘ liebte hielt sich auf der Luvseite des Schiffes auf, Schattenliebhaber auf der Leeseite unter den Segeln. Neben dem leichten Knarren der Schoten und Falle des Schiffes herrschte vollkommene Ruhe an Bord.

Klaus Martens blickte erschreckt auf. Hatte er etwas Unnormales gehört?

Wieder ein Schlag der von der Bordwand kam. Jetzt wieder – und diesmal etwas lauter.

Stoßen wir irgendwo gegen, fragte er sich.

Er griff mit der rechten Hand nach dem Arm seiner neben ihm liegenden Frau. »Schatz, hast du das auch gehört?«

»Was meinst du?«

»Es schlägt etwas gegen die Bordwand«, antwortete er, stand auf und ging zur Reling.

Außenbords sah er nichts, aber dann erblickte er einen Hai der sich mit großer Geschwindigkeit dem Schiff näherte und ungebremst gegen die Außenwand prallte.

Diesmal rumste es lauter. Die African Rose kippte ein wenig zur Seite und schwang kurz nach. Ein Aufschrei unter den Passagieren, wer konnte sprang auf und ging zur Reling.

Eine dreißigjährige Frau zeigte auf den Hai. »War der das?«

Klaus Martens blickte sie an und nickte. »Ja, der kam mit Schwung und rammte uns ungebremst.«

»Hat der Sehstörungen oder ist der verwirrt im Kopf«, meinte ein junger Mann, »ich kann ihm ja mal meine Brille runter reichen.«

Die Frau zeigte wieder auf den Hai, diesmal angewidert.

»Hast du die blutroten Augen gesehen? Die machen mir Angst.«

»Blödsinn«, der junge Mann tippte sich an die Stirn, »erzähl nicht so einen Quatsch, ein Hai mit blutroten Augen.«

»Schau ihn dir doch mal genau an!«

Der Hai war verschwunden.

Sekunden später erzitterte das Schiff erneut, der Schlag vermittelte das Gefühl angehoben zu werden. Wer konnte hielt sich an der Reling fest, ein Junge im Alter von acht Jahren wäre beinahe über Bord gefallen.

Unversehens schnellte der Hai an der Bordwand hoch. Das Maul schnappt nur wenige Zentimeter am Kopf eines über Bord schauenden Mannes vorbei.

Die Frau flüsterte leise als würde sie zu sich selbst sprechen: »Ich habe doch gesagt, der hat rote Augen.«

Klaus Martens hielt seine Frau fester und zog sie von der Reling weg. «Hast du gesehen wie groß der ist?«

»Ja, der ist riesig groß.«

Blass im Gesicht blickte er zum Achterdeck, aber der Kapitän war nicht zu sehen, nur der Rudergänger.

»Der hat mehr als zehn Meter, hast du gesehen wie dick der war?« Elisabeth Martens stand geschockt neben ihrem Mann.

Ein älterer Herr gegenüber schüttelte den Kopf und schaute dabei Martens an. »Hätte der nicht diese markante Rückenflosse könnte man meinen das wäre ein Wal.«

Der Skipper sprang aus dem Niedergang und ging gemeinsam mit mehreren Crewmitgliedern zur Steuerbordseite um nach der Ursache der Schläge zu forschen. Über die Reling schauten sie ins Wasser, sahen aber nichts.

Nach einem weiteren Schlag gegen die Außenwand schoß ein Hai an der Bordwand hoch und erreichte mit der Hälfte seines Körpers die Relingoberkante. Als er zurück ins Wasser klatschte rauschte eine Woge Salzwasser über das Deck.

Selbst der Skipper erblasste. Seit über zwanzig Jahren fuhr er zur See, hatte aber noch nie erlebt, daß Haie Schiffe dieser Größenordnung angriffen.

»Keiner geht mehr zur Reling«, rief er laut, »wir müssen erst sehen was da los ist.«

Die Angst der Reisenden schlug in Panik um. Zudem ließ es sich ein älterer Mann nicht nehmen, eine Horrorgeschichte über Haie zu erzählen.

Eine seltsame Strahlung ging von den Tieren aus.

Martens meinte diese Strahlung in seinem Kopf deutlich zu spüren, aber was war das? Als wäre ein Block in seinem Gehirn der ihm etwas mitteilen wollte, ein Lockruf. Es fühlte sich an als würden die Signale sagen: Komm zu mir, komm!

Martens schüttelte den Kopf. »Spinn nicht rum, du hast nur Angst. Beruhige dich und überlege in Ruhe was zu tun ist.«

»Was sagst du?« Seine Frau sah ihn an.

»Nichts, Selbstgespräche.«

Er meinte dieser Block im Kopf würde schwerer.

Klaus Martens stand mit seiner Frau auf dem erhöhten Achterdeck und hielt sich mit einer Hand an der Brüstung fest.

Gezielt blickt er auf das Wasser und zwang sein Gehirn zur Konzentration. Der Bock verschwand.

Aus dem Megaphon der Brücke schallte es laut: »Achtung, halten sie sich irgendwo fest, schauen sie nicht über die Reling!«

Aha, Martens blickte zum Kapitän der das Megaphon immer noch in der Hand hielt.

Der hat es also auch gefühlt.

Der Junge riß sich von der Hand seiner Mutter los, rannte nach Backbord und blickte nach unten ins Wasser. Sein junges Gehirn schien sich gegen die Lockrufe nicht wehren zu können.

Erschreckt schrie die Mutter auf und rannte hinter ihm her um ihn zurück zu holen, mußte aber aus direkter Nähe zusehen wie sich die Zähne des Hai in den Hals des Jungen gruben und ihn in die Tiefe des Meeres zogen.

Innerhalb von Sekunden stürzten sich drei weitere Haie auf das Kind. Das von den wirbelnden Tieren aufgeschäumte Wasser färbte sich rot.

Der Körper des Jungen ward nicht mehr gesehen.

Ihr grellender Schrei hallte über das Schiff, als sie sah was mit ihrem Sohn geschah. Sie sank in die Knie und blickte auf das Wasser. Ständig wiederholte sie den Namen ihres Jungen. Sie schrie ihn laut vor sich hin.

Vom Schock des grausamen Anblicks hielten die Leute den Atem an.

Weitere Haie schlugen mit ihren Körpern gegen die Steuerbordseite des Schiffes und wieder schossen Haie an der Bordwand hoch. Abermals fragte sich Martens: ‚Ist es möglich, daß diese Tiere denken können?‘

Ein Hubschrauber näherte sich von Osten und verharrte einen Kilometer entfernt in der Luft. Wer konnte blickte in die Richtung.

Brachte der Hilfe?

Eine Seitentür des Hubschraubers öffnete sich und ein längliches Teil fiel ins Meer, gefolgt von noch weiteren.

Die Haie ließen vom Schiff ab und schwammen mit heftigen Schwanzschlägen in Richtung des Hubschraubers.

Eine ältere Dame kreischte laut: »Die füttern die Haie! Das sieht aus als würden sie Menschen ins Meer werfen.«

Sie deutete mit dem Arm auf den Hubschrauber. Martens Blick folgte ihrem Arm. Einige Frauen und Männer beugten sich über die Reling und erbrachen sich. Das Abklingen des Schocks und der Blick auf den Hubschrauber schlugen auf ihre Mägen.

Einer reagiert sofort und angemessen, der Skipper.

»Segel dicht holen, Maschine an und volle Kraft voraus. Seegebiet schnellstmöglich verlassen!«

Und noch einer reagierte ohne Hektik. Der diensthabende Brückenoffizier stand neben dem Rudergänger und sah durch sein Fernglas, drehte sich zum Skipper und nickte.

»Menschen?«

Wieder nickte er.

Zwei ältere Frauen begleiteten die junge Mutter, deren Kind vom Hai gefressen wurde, unter Deck. Sie weinte lauthals und zitterte am gesamten Körper. Wie es hieß habe sie dort der Schiffsarzt mit einer Spritze ruhig gestellt.

Wie später bekannt wurde, informierte der Skipper sofort nach dem Haiangriff die Küstenwache und berichtete über den Vorfall, sowie das Auftauchen des Hubschraubers mit seiner merkwürdigen Fracht.

Die fröhliche Urlaubsstimmung war verpufft.

In der Hafeneinfahrt von Bata erwartete ein Polizeiboot die African Rose und geleitete sie zu einem speziell freigeräumten Anleger. Polizeistreifen patrouillierten auf dem Steg und stellten das Schiff unter vorläufige Quarantäne.

An Bord informierten Polizisten die auf dem Schiff befindlichen Personen, daß sie vor Verlassen des Schiffes von der Polizei und Behördenmitarbeitern befragt würden. Urlauber und Besatzungsmitglieder wurden gebeten das Geschehen auf See bis ins kleinste Detail zu schildern.

Handybilder einiger Reisender mußten den Behörden zur Verfügung gestellt und anschließend auf den Handys gelöscht werden.

Für die restlichen zwei Tage bis zum Rückflug in ihre Heimatländer reservierte der Veranstalter für alle Urlauber Zimmer im Hotel Ibis.

Aber nicht alle Leute reisten ab, eine junge Frau blieb zurück. Sie verlor ihr Kind an einen Hai. Wie sollte sie das ihrem Ehemann erklären.

Eigentlich durfte sie nicht hier in Äquatorialguinea sein. Auch hätte sie nicht an diesem Törn teilnehmen dürfen, sondern zu Hause in Saudi-Arabien sein müssen, so wie sich das für eine anständige Ehefrau gehörte. Wie würde ihr Mann reagieren, wenn er erfuhr daß bei dieser Reise sein Erstgeborener getötet wurde?

Und wie würde ihr Mann reagieren, wenn er erfuhr, daß sie seit vier Monaten ein Kind unter dem Herzen trug, obwohl er, Prinz in 14. Rangfolge des Könighauses, vom König schon vor über einem Jahr zur Geschäftsführung eines saudischen Unternehmens nach Canada entsandt wurde?

Als junge, sehr attraktive Frau mit langen schwarzen Haaren die sie leicht gewellt über die rechte Schulter trug und generell nur halb bedeckt hielt, war sie ein Magnet für alle Männer, aber ständig abweisend wie sich das für eine gute Ehefrau gehörte.

Nur einmal nicht!

Ein großer blonder Finne mit leuchtend blauen Augen hatte sie erobert.

Ob er sie nach Finnland holen würde?

Er war verheiratet, eine Frau und zwei kleine Kinder gehörten zu ihm. Auf dem Törn mußte sie es erfahren.

Was würde passierten wenn sie nach Hause kam?

Steinigung? Das Recht der Scharia!

Sternenklare Nacht, der Zeiger der Uhr rückte auf die Zwei. Sie stand am weißen Sandstrand des Atlantik und blickte auf das Meer. Hinter dem weißen Strand sah sie nur die kleinen Schaumkronen der Dünung, das blaue Meer wirkte schwarz, schwarz wie die Nacht und schwarz wie ihre Zukunft.

Grazil und schlangenartig wand sie ihren Körper und ihr weites Kleid gleitete langsam tiefer bis es den Boden erreichte. Sie trug nur das Kleid.

Langsam stieg sie darüber hinweg und ging gleichmäßigen Schrittes ins Wasser, Schritt für Schritt ohne stehen zu bleiben.

Als sie nicht mehr stehen konnte schwamm sie weiter. Ohne sich umzusehen schwamm sie weiter ins Meer hinaus. Vielleicht bekam sie ja ein Rendezvous auf dem Meer; mit einem Hai?

Vor einer Stunde verabschiedete sie sich vom Leben. Hinter der Strandbar durfte sie durch einen jungen Mann noch einmal die Schönheit erleben eine begehrenswerte Frau zu sein.

Niemand sah ihren Abgang, niemand würde darüber berichten und auch keine Zeitung darüber schreiben. Sie entschwand dem Leben leise und geräuschlos, genauso wie ihr Leben war; nur eine Frau an der Seite des Prinzen.

TEIL I

FÜNF MONATE VORHER

03

CAIRO / ÄGYPTEN

Karl Romolski öffnete die Glastür des Konferenzsaals. Heiße Luft strömte in den Raum und verursachte kleine Schweißperlen auf seiner Stirn.

Die abschließende Aussprache beendete den letzten Tag des ‚Internationalen Expertensymposiums zur Transplantationsmedizin Cairo‘. Drei anstrengende Tage lagen hinter ihnen.

Der Italiener Franko Perugi, wie Romolski Professor der Chirurgie, trat neben ihn in die Schiebetür.

»Lass uns ein paar Schritte gehen.«

»Die Aussicht auf den Nil und die Gezira Island ist immer wieder berauschend«, meinte Romolski. »Wenn es hier nur nicht so heiß wäre.«

»Ich merke das nicht so extrem wie du, bei uns ist es oft so warm«, Perugi grinste. »Oder sind das noch die Nachwirkungen vom gestrigen Abendbesuch in der Alabaster Bar?«

»Nein, wir waren enthaltsam«, antwortete Romolski und trat einen Schritt zur Seite um einer Kollegin Platz zu machen, die sich zu ihnen gesellte.

»Darf ich mich zu euch stellen, oder führt ihr wichtige Männergespräche«, Prof. Dr. Sara Fontaine, die blonde Belgierin, lächelte und betrat die Terrasse. »Auf der Nile Corniche ist wieder ein Verkehr, manchmal habe ich das Gefühl ganz Kairo fährt hier durch.«

»Vielleicht ist es die Aussicht auf den Nil«, antwortete Franko Perugi lächelnd.

»Im Feierabendverkehr?« Saras blaue Augen beobachteten den Autoverkehr. »Kann ich mir nicht vorstellen.«

Die Teilnehmer des Symposiums beabsichtigten noch am Abend abzureisen. Sara Fontaine blickte die beiden Männer an.

»Wann fliegt ihr?«

»19:35 Uhr, ist für heute die letzte Maschine nach Frankfurt«, antwortete Karl Romolski. »Wenn sie pünktlich ist bin ich kurz vor Mitternacht zu Hause.«

»Das trifft sich gut, ich fliege um zwanzig Uhr«, Franko Perugi sah Romolski an. »Nehmen wir eine gemeinsame Taxe, dann können wir am Flughafen noch einen Kaffee trinken.«

»Nehmt ihr mich mit?« Sara Fontaine blickte die beiden Männer mit großen Augen an. »Ich muss auch um zwanzig Uhr einchecken.«

»Sag Romolski, kann man diesen schönen Augen einen Wunsch abschlagen?« Franko Perugi grinste. »Treffen wir uns um 18 Uhr an der Rezeption. Der Flughafen ist zwar nur fünfzehn Autominuten entfernt, aber wir müssen durch den Feierabendverkehr und sollten rechtzeitig aufbrechen. Ich möchte die Maschine nicht verpassen.«

»Franko, du wolltest noch etwas mit mir besprechen, lass uns ein paar Schritte gehen«, Romolski faßte seinen Kollegen Perugi an die Schulter und nickte Sara Fontaine zu, die zurück in den Seminarraum ging.

Pünktlich um 18:00 Uhr verließen Frau Fontaine und die Herren Romolski und Perugi das Hotel und winkten den seitlich wartenden Taxen zu.

Sofort zog eine Taxe vor, ein älterer amerikanischer Lincoln. Der Fahrer stieg aus und half seinen Fahrgästen beim Einladen der Koffer.

»Wohin«, fragte er in gebrochenem Englisch.

»Zum Airport«, antwortete Franko Perugi.

»Hab ich mir schon gedacht«, brummte der Fahrer.

Wie fast überall auf der Welt schienen auch in Kairo die Taxifahrer der Formel-1-Gilde anzugehören. Er fuhr sofort in Richtung Süden, fädelte ohne eine Lücke abzuwarten auf die 6th of October Bridge und beschleunigte rasant nach Westen Richtung Flughafen.

»Wenn der so weiter fährt können wir jeder zwei Tassen Kaffee trinken«, meinte Sara Fontaine. Um nicht gegen Karl Romolski gepresst zu werden, hielt sie sich krampfhaft am rechten Türgriff fest.

In Schlangenlinien überholte der Fahrer andere Autos und zog rechts und links an ihnen vorbei. Sie wechselten auf die Salah Salem Street und weiter auf die El-Orouba. Dabei passierten sie die Almaza Air Base, den Kairoer Militärflughafen.

»Weiter so und ich kann mir das Frühstück nochmal begutachten«, Saras Gesicht wechselte ins Grüne.

»Halten Sie durch, ich kann die Flugzeuge schon starten sehen«, beruhigte sie Karl Romolski. Franko deutete dem Fahrer etwas langsamer zu fahren.

Stille im Auto. Nach ein paar Kurven bog die Taxe auf die Airport Road und sie passierten den Terminal 3, Arrival.

»Denken Sie daran, wir müssen zum Abflug-Terminal«, erinnerte Karl Romolski den Fahrer. Der jedoch deutete mit keiner Miene die Fahrt zu verlangsamen. Die Straße führte entlang der Startbahn und erreichte die Hinweisschilder zum Terminal 1.

Ein offenes Tor unterbrach die Flughafenabgrenzung. Ohne abzubremsen schwenkte der Fahrer durch das Tor auf das Flughafengelände.

Karl Romolski und Franko Perugi riefen gleichzeitig, »Halt wir müssen noch einchecken.«

Mürrisch antwortete der Fahrer: »Ist okay, ich fahre hin.«

Sara Fontaine wechselte wieder die Gesichtsfarbe, diesmal von grün auf rot. »Das kann doch nicht richtig sein bereits hier auf das Gelände zu fahren«,

Mit Schwung bog der Fahrer in eine Flugzeughalle in der kleinere Flugzeuge gewartet und abgestellt wurden und hielt vor einem schwarzen Transporter.

»Was soll das«, Franko Perugi wollte ins Lenkrad greifen, aber ein unerwarteter Faustschlag des Fahrers erwischte ihn an der Schläfe und sein Kopf knallte gegen die Scheibe der Beifahrertür. Nur mit Mühe wehrte er sich gegen die Besinnungslosigkeit, aber sein Reaktionsvermögen war ausgeschaltet.

Von außen rissen Männer die Türen auf und Hände griffen nach den Fahrgästen.

»Lassen sie mich sofort los«, Sara wehrte sich gegen die Hand eines Mannes im blauen Arbeitsanzug und hielt sich mit einer Hand krampfhaft am Beifahrersitz fest, aber Ihre Kräfte reichten nicht aus sich gegen den Angreifer zu wehren. Sie ließ den Sitz los und kratzte mit ihren spitzen Fingernägeln durch dessen Gesicht. Zu langsam reagierte sie auf den Faustschlag der daraufhin ihr rechtes Auge traf. Der Angreifer griff in ihre langen blonden Haare und zog sie aus dem Wagen. Eine weitere Person verschloß ihren Mund mit einem Klebeband und fixierte ihre Hände hinter dem Rücken.

Auch Franko Perugi und Karl Romolski zogen sie aus dem Wagen. Romolski wehrte sich gegen den Angreifer und boxte mit seiner Rechten auf dessen Nase, wurde aber durch einen Schlag auf den Hinterkopf niedergestreckt und verlor das Bewußtsein. Was er am Boden liegend nicht mehr mitbekam, waren die harten Tritte in seine Nierengegend. Schlußendlich verklebten sie auch seinen Mund und fixierten Hände und Füße.

Sara Fontaine floh zum Hallenausgang, aber noch bevor sie das Tor erreichte, griff ein Mann nach ihr und zog sie zurück zur Taxe. Ein großer Dunkelhaariger fasste sie und warf sie rückwärts auf die Motorhaube. Trotz heftiger Gegenwehr konnte auch sie sich nicht gegen die Männer erwehren die ihre Füße an den Knöcheln mit Klebeband umwickelten.

Wie der noch benommene Perugi und der besinnungslose Romolski, wurde auch sie auf einer Sitzbank im Laderaum des Transporters festgebunden.

Mit einem lauten Knall flog die Schiebetür des Transporters zu und wurde von außen verriegelt. An den Stimmen erkannte Sarah, daß Fahrer und Beifahrer einstiegen. Der Motor heulte auf und der Transporter setzte sich zügig in Bewegung.

04

NÄHE FAYA LAVGEAU / TSCHAD

03:00 Uhr Der Lautsprecher in der Fahrgastzelle der Cessna Grand Caravan Ex, Turboprop, einem einmotorigen Hochdecker für vierzehn Personen, überschrie das Dröhnen des Motors.

»Ausstieg in FÜNF Minuten.«

Über fremdem Territorium in die schwarze Nacht zu springen beunruhigte sie nicht, so begann fast jeder zweite Einsatz, Gedanken machten sie sich über den letzten Teil, der Landung. Die Wetterwarnung des Piloten lag ihnen im Magen.

»Sandsturm aus West von Höhe ‚200‘ bis ‚0‘.«

Starkwind störte sie nicht, allein die Unsicherheit ob der Schirm den sandgeladenen Sturm aushielt, die Leinen nicht rissen oder überschlugen, veranlaßte sie ihre Schirme doppelt und dreifach zu überprüfen.

Sprungbereit knieten sie der Reihe nach neben dem Seitenausstieg.

Adrian [Keule] Böhm, Alina [Rose] Winter, Felix [Tiger] Busch, Julia [Taube] Seidel, Daniel [Rambo] Vogt, Fabian [Adler] Zug, Alexander [Axt] Engel, Mara [Schrauber] Berger, Fiona [Robbe] Winkler, Klaus [Viper] Lange, Teamleiter Frank [Löwe] Kaiser.

Konzentriertes Warten.

Der Bordmechaniker zog die Seitentür auf und gab den Ausstieg frei. Durch die Fahrgastzelle fegte der Außenwind und das Dröhnen des Motors hallte bis in den letzten Winkel.

Sie schoben sich die Lungenautomaten zwischen die Zähne und nahmen die ersten Züge aus der Konserve. Für den zu erwartenden Sandsturm am Boden ein wichtiges Ausrüstungsteil.

Nach dem Richten der Sturmbrillen schalteten sie die Helmlampen ein und warteten.

Von hinten sahen sie die rechte Hand des Kopiloten wie er jede Sekunde einen seiner Finger abklappte.

•AUSSTIEG•

Gleichzeitig rückten sie vor und sprangen in die schwarze Nacht.

Kaiser sprang als Schlussmann.

Freier Fall, unter ihm die gleichmäßige Helmleuchtenkette seines Teams.

An der Dreihundertmetergrenze öffneten sich die grauen Schirme und bei zweihundert Meter erfaßte sie der Sandsturm, rüttelte und schüttelte sie durch, warf sie nach links und rechts. Immer wieder blickten sie zu den Schirmen und hofften daß sie hielten und nicht umschlugen.

Rundherum nur Sand.

Kaisers Höhenmessers begann zu piepsen als er die Einhundertmetergrenze unterschritt und wurde schneller je mehr er sich dem Boden näherte. Sicht: NULL.

Es folgte der Wellenton. Er mußte fast unten sein, zog die Beine an um den Aufschlag abzufedern und wartete. Seine Beine berührten den Boden. Er federte hoch, der Wind schleuderte ihn mehrere Meter weiter und er überschlug sich.

Der Sturm blähte den Schirm auf und zog Kaiser über den Boden, gefühlt nahm die Geschwindigkeit zu. Endlich erreichte er die Verschlüsse und konnte ausklinken. Der Schirm verschwand im Sandsturm.

Kaiser rollte noch zwei Umdrehungen und blieb liegen.

Die Landung schien gelungen. Zuerst atmete er dreimal durch, dann kontrollierte er seine Knochen. Es fühlte sich gut an.

Das GPS eingeschaltet, überprüfte Kaiser seinen Standort und legte die Marschrichtung zum Treffpunkt fest.

Der Sandsturm zeigte seine brutale Seite. Gegen den Wind stampfte er in Richtung Treffpunkt. Kein Schritt vorwärts bei dem er nicht einen halben zurück rutschte. In jede Ritze des Kampfanzuges und jede Öffnung am Körper drang der feine Sand, erstaunlicherweise haftete er am Anzug als wäre er in Kleber getaucht.

Nach einer knappen Stunde erreichte Kaiser den Treffpunkt. Er stand am gesetzten Ziel, der Einöde inmitten der Wüste des Tschad.

06:00 Uhr Fast zwei Stunden dauerte es bis alle Teammitglieder den Treffpunkt erreichten.

Sie waren 11 Personen, Angehörige der externen EU-Behörde UIR (United International Rescue) zur Rettung entführter und im Ausland festgehaltener EU-Bürger, Teamleiter Frank Kaiser.

Die ersten Tage nach einer Entführung oder unberechtigten Inhaftnahme von Personen versprachen den größten Befreiungserfolg, weshalb UN-Mandate meistens erst im Nachhinein beantragt werden konnten.

So auch bei diesem Einsatz. Für ihr Team bedeutete das, ihr Rettungstrupp drang unrechtmäßig in das Land ein, aus der Sicht des Landes ein Vergehen gegen die Souveränität des Staates mit allen strafrechtlichen Folgen für jedes einzelne Teammitglied.

Um dem zu umgehen galt die Regel: ‚Schnell ins Land, Entführungsopfer befreien und schnell wieder raus‘.

Ihr Auftrag heute lautete: Befreiung drei entführter Geiseln aus einem stillgelegten alten Fort mitten in der afrikanischen Wüste Sahara, nahe des Wüstenorts Faya Lavgeau im Zentrum des Tschad. Bei den Geiseln sollte es sich um Zivilisten handeln die während eines Ärztetreffens in Kairo entführt wurden.

In der Hocke warteten sie auf das Nachlassen des Sturms, einzig die luftundurchlässigen Brillen ermöglichten ihnen etwas sehen zu können. Die Sicht betrug höchstens einen Meter.

Dreißig Meter trennten sie vom Fort.

Böhm rückte näher zu Kaiser und schrie ihm zu: »Woher kommt die Information, daß die Geiseln hier sind?«

»Den Transport der Geiseln konnten die Amerikaner per Satellit nachvollziehen. Soweit ich weiß wurden sie von der EU um Nachforschung gebeten.«

Kaiser wendete sich an alle: »Sofort wenn der Sturm abflacht oder unterbricht geht es los. Wir rücken vor bis zum Fort und verharren an der Außenmauer.«

Er rief Böhm und Engel zu sich. »Erkundet das Mauerwerk von außen und sucht nach Möglichkeiten durch Öffnungen einzudringen. – Fragen?« Keine.

Busch kniete sich zu ihnen. »Es hieß, wir müssten höchstwahrscheinlich über die Außenmauern und das Dach zum Innenhof. Während des Sturms bekomme ich das Seil mit dem Dreizack nicht nach oben.«

Kaiser nickte. »Die Satellitenbilder zeigen nur einen Eingang ins Fort, aber wir kundschaften das vorher aus. Böhm und Engel bereiten sich gerade vor.«

Zwanzig Minuten später kehrten Böhm und Engel zurück, mit Ausnahme des Haupttors auf der gegenüberliegenden Seite konnten sie keine Eingänge feststellen.

»Das Tor bewachen zwei Männer mit Schnellfeuerwaffen«, berichtete Böhm, »an denen kommen wir unmöglich vorbei. Die Torpfeiler bieten ihnen erstklassige Deckung.«

»Ich hab’s mir gedacht, danke«, Kaiser stand auf und gab das Zeichen zum Fort vorzurücken.

Seine Befürchtung bewahrheitete sich also, sie mußten über das Dach. Zwei lange Seile führten sie mit und er beauftragte seinen Stellvertreter das Team in zwei Gruppen aufzuteilen. Busch und Engel bereiteten die Aufstiegsseile vor. »Seilen wir uns auf der Hofseite direkt bis nach unten ab?«

»Nein, auf den Satellitenbildern sind hofseitig Fenster zu sehen. Wir seilen uns nur bis zu einem Fenster im obersten Stock ab. Dort dringen wir ins Gebäude ein«, antwortete Kaiser. »Vielleicht schaffen wir das unbemerkt.«

Böhm deutete auf sein Lippenmikrofon und drehte sich einmal im Kreis, daß jeder es sehen konnte. Ab sofort nur noch Funkkontakt, natürlich ausnahmslos mit ihren Funkrufnamen.

Allgemeines Nicken, also wie immer.

08:15 Uhr Als würde ein Schalter umgelegt, setzte der Sturm aus und der Himmel erschien in Azurblau. Angestrahlt von der aufgehenden Sonne lag das Fort wie ein abgelegter eckiger Klotz im Wüstensand, rechteckig, fast quadratisch mit Außenwänden aus rötlichem Stein. Drei sehr hohe Stockwerke mit Flachdach. Nur in den beiden oberen Stockwerken sahen sie Schießscharten, aber keine Fenster. Dem Aussehen nach schien das Gebäude um die vorletzte Jahrhundertwende von früheren Besatzern erbaut worden zu sein, eventuell sogar schon etwas früher.

Böhm beugt sich zu Kaiser. »Keine begehbare Öffnung zu sehen.«

»Ich sehe auch keine. Also übers Dach.«

Busch bereitete das von ihm mitgeführte speziell dafür vorgesehene Kurzrohrgewehr vor, hakte den einem Seilende angeflanschten Dreizack ein und schoß es auf das Dach. »Ich hoffe das Dach ist fest genug, damit der Haken einkrallen kann«, murmelte er.

Seine Befürchtungen waren unbegründet, bereits bei den ersten Anläufen krallten sich beide Haken fest und nach den Belastbarkeitsprüfungen begannen die Aufstiege.

Mit den Armen zogen sie sich am Seil hoch, unterstützt durch ein Bein, das sie im Gegentakt zu den Armen um das Seil schlangen und damit den Körper nach oben drückten.

Minuten später lag das gesamte Team auf dem Dach. Böhm überlegte aus welchem Material die teerähnliche Oberfläche bestehen konnte, kam aber zu keinem Ergebnis.

Kaisers Frage: »Sieht einer irgendwo einen Abgang«, wurde verneint.

Flach liegend krochen sie zur inneren Dachkante und blickten auf den Innenhof des Forts, ein Atrium, quadratisch mit einer Kantenlänge von circa zweihundert Meter. Die Wände aus rötlichen ungleichen Steinbrocken gemauert, wurden auf jeder Etage von Fensteröffnungen unterbrochen. Schwere Holzbalkentüren schlossen an allen vier Ecken vorhandene Eingänge.

In der gegenüberliegenden Südseite des Forts sahen sie die Durchfahrt, die früher Truppen und Fuhrwerken Zugang zum Fort ermöglichte. Am rechten Gebäudeschenkel, direkt hinter dem Tor, verschlossen zwei Holzbohlentore eine vier Meter breite Öffnung die Zutritt ins Gebäude erlaubte, wahrscheinlich ein Zugang zu Stallungen in früherer Zeit. Den Boden des Innenhofes bedeckte Wüstensand, passend zur Gesamtumgebung.

Kurz vor der Durchfahrt standen zwei geschlossene Jeep. Kaisers Gedanken mit den richtigen Informationen versorgt worden zu sein, unterbrach die Bemerkung von Busch: »Verdammt die beladen die beiden Autos. Die verlassen das Fort!«

Die Uhr begann zu ticken! Kaiser wollte keinesfalls zulassen, daß die Entführer mit den Geiseln entkamen und schob das Mikro näher an seine Lippen.

»Planänderung. Die Entführer beabsichtigen das Fort zu verlassen. Ein Team seilt sich direkt bis nach unten ab, wir müssen auf jeden Fall verhindern, daß sie mit den Geiseln entkommen. – Tiger, Adler, Keule, Axt, Rose und Taube, abseilen! Der Rest gibt Feuerschutz!«

Busch und Engel befestigten die Seile und die Kollegen begannen sich abzuseilen.

Kaiser ergriff den Unterarm von Zug. »Versuch die Autos mit der Panzerfaust auszuschalten.«

Der nickte, legte sein Gewehr zur Seite und ergriff die hinter ihm liegende Panzerfaust, richtete sie ein und schob eine Granate ins Rohr.

Derweil rutschte die Abseilgruppe an den Seilen in den Innenhof. Busch erreichte das Seilende und setzte sich seitwärts ab. Auch Böhm und Engel landeten unbemerkt im Innenhof. Sie versuchten die Fahrzeuge auf direktem Weg zu erreichen.

Der Ruf eines Entführers verschärfte die Situation, er hatte sie entdeckt. Sofort schlug ihnen starkes Gewehrfeuer entgegen. Mangels Deckungsmöglichkeiten warfen sie sich auf den Boden und versuchten kriechend zu den Fahrzeugen vorzustoßen. Busch versuchte es im Zick-Zack-Lauf, aber die Entführer standen hinter ihren Fahrzeugen geschützt und damit in besserer Schußposition, also versuchte auch er es mit der niedrigsten Gangart.

Ein Aufschrei im Headset. Aus sechs Meter Höhe fiel Julia Seidel vom Seil.

Kaiser: »Taube getroffen vom Seil gestürzt, Einer hin.«

Engel: »Verdammt, ich denke Tauben können fliegen.«

Kaiser: »Funkdisziplin! Taube wo bist du getroffen.«

»Oberschenkel, ich glaube Durchschuss, Scheiße brennt das.«

Der Gewehrschütze im ersten Stock lehnte sich aus dem Fenster und visierte die ungeschützt am Boden liegende Julia Seidel erneut an. Lange der ihn schon vorher mehrmals auszuschalten versuchte, nutzte die Chance und drückte ab. Das Mantelgeschoss traf den Kopf und trat am Hinterschädel wieder aus. »Du schießt nicht mehr auf unsere Leute!«

Im Innenhof zerrten zwei Entführer die drei gefesselten Geiseln aus dem Gebäude in Richtung der Fahrzeuge.

Zug drückte den Auslöser seiner Panzerfaust. Im gefühlten Zeitlupentempo zog die Granate ihre Bahn und traf den hinteren Wagen. Mit der Explosion zerrissen Getriebe und Tank. Die Stichflamme schoß über fünf Meter in die Höhe.

Kaiser nickte zufrieden.

Ein zweiter Einsatz der Panzerfaust verbot sich, trotz starkem Gewehrfeuer durch das Kaiserteam erreichten die Entführer mit den Geiseln den vorderen Jeep.

Eine Geisel deutete auf die Befreier und sofort stemmten sich alle drei gegen die Fahrzeuge und wehrten sich dagegen einzusteigen. Wütend schoß ein Entführer einer männlichen Geisel in den Fuß.

Klaus Lange kniete an der Dachkante und blickte in den Innenhof. Eine Klappe seines Rucksacks flatterte. Er sah sich um und erblickte eine Sandwand die sich rasend schnell näherte. »Der Sandsturm kommt wieder.«

Jetzt lief ihnen die Zeit weg, sie mußten sich beeilen. Kaiser trieb seine Leute zur Eile. »Beeilt euch, wir müssen sie raus holen. Gleich ist hier die Hölle los.«

Die Kugeln vom Dach gaben Busch, Böhm und Engel Deckung, aber die Entführer hielten sich exakt hinter den Geiseln auf. Mühsam näherten sich die Drei dem noch intakten Jeep der Geiselnehmer.

»Schießt auf die Reifen«, schrie Kaiser ins Headset, »schießt auf die Reifen.«

Zu spät!

Die sturmgepeitschte Sandwelle erreichte das Fort, überzog das Dach, donnerte durch die Einfahrt in den Innenhof und umtoste das Bodenteam.

Fast konnten Böhm und Engel den Jeep greifen, aber der Sandsturm erwischte sie voll. Sie sahen nichts mehr, rissen ihre luftdichten Wüstenbrillen aus den seitlichen Hosentaschen und setzen sie auf. Mit kurzen Wischern befreiten sie ihre Augen vom Sand, aber die Verzögerung reichte den Entführern, den Motor zu starten und mit durchdrehenden Rädern in die Ausfahrt und aus dem Fort zu rasen. Böhm und Engel blieb nur noch, den Jeep im Sandsturm verschwinden zu sehen.

»Verdammt ich war so kurz davor«, schrie Böhm frustriert. Kaiser kämpfte mit sich selbst, hätte er eventuell doch vier Mann in der Nähe des Tors platzieren sollen?

So schnell wie der Sandsturm kam, zog er zwei Stunden später weiter. Der Himmel strahlte blau und die Sonne brannte. Vom Jeep fehlte jede Spur, auch keine entfernte Staubfahne deutete auf die Fahrtrichtung der Entführer hin.

Alina Winter versorgte die Schußwunde von Julia Seidel, das Auftreten bereitete ihr starke Schmerzen.

Im Schatten der Ausfahrt versammelte Kaiser das Team und faßte den Einsatz mit wenigen Worten zusammen. »Das war’s. Verfolgung nicht möglich da kein fahrbarer Untersatz vorhanden und keine Fluchtrichtung auszumachen. Wird Zeit dass wir wieder abrücken.«

Er drehte sich zu Julia Seidel die das Satellitentelefon bei sich trug. »Wir müssen abgeholt zu werden. - Sind sie in der Lage den Kontakt zur Einsatzleitung herzustellen oder soll sich ein anderer darum kümmern?«

»Nein das geht schon.«

Nach mehreren Versuchen stand die Verbindung zur Zentralen Einsatzleitung in Deutschland. Kaiser ging zu ihr und übernahm den Hörer.

»Löwe, den zentralen Einsatzleiter bitte.«

»Momentan nicht erreichbar.«

»Information an den ZEL – bitte sofort weiterleiten: Einsatz abgebrochen, Kontakt im Sandsturm verloren. Warten auf Abholung.«

»Standort?«

»Nach wie vor Absetzpunkt, haben einen Verletzten mit einem Beindurchschuss. Entsprechend des Rückmarschplans werden wir uns zum Flughafen Faya Lavgeau absetzen um dort abgeholt zu werden. Erbitten Bestätigung durch den ZEL.«

»Ich leite die Information weiter, wir melden uns – Ende.«

Kaiser ging zu seinem Stellvertreter Adrian Böhm. »Präg dir die Wegstrecke zum Flughafen ein und leg den Kompasskurs fest, falls wir nochmals vom Sandsturm überrascht werden und informiere das gesamte Team.«

Seidel winkte Kaiser zu sich. »Funkkontakt mit der Einsatzleitung.«

Kaiser griff zum Hörer. »Löwe hier.«

»Einsatzleitung an Löwe, Flughafen Faya Lavgeau ist wegen Sandsturmschäden geschlossen, bis auf weites absolute Anflugsperre. Rückholung mittels Flugzeug daher nicht möglich. Eruieren weitere Möglichkeiten, gegebenenfalls Eigeninitiative erforderlich. – Wir melden uns wieder.«

Kaiser drehte sich zu seinen Leuten. »Der Flughafen ist geschlossen. Wegen Sandsturmschäden kein Anflug möglich!«

»Und für wie lange«, Böhm blickte auf seine Uhr.

»Unbekannt.«

»Verdammt, die Seidel muss von einem Arzt versorgt werden.«

»Die Einsatzleitung ist informiert. Warten wir ab was man uns mitteilt. In der Tageshitze können wir sowieso nichts unternehmen.«

Er blickte zu Böhm. »Das mit der Route nach Faya Lavgeau hat Zeit, kann sein dass wir gar nicht rüber gehen.«

Böhm nickte. »Es sei denn wir müssen uns dort Wasser besorgen.«

Keine zehn Minuten später hielt Julia Seidel den Telefonhörer erneut in die Höhe. »Die Einsatzleitung.«

Kaiser griff nach dem Hörer. »Löwe hört.«

Es klickte im Hörer und die Einsatzleitung meldete sich. »Abholung mit eigenen Mitteln nicht möglich, wir versuchen von einem ägyptischen Privatunternehmen einen Hubschrauber zu chartern der sie abholen soll. Ankunft jedoch nicht vor heute Nacht plus 24 Stunden.«

Kaisers Blutdruck schoss in die Höhe. »Einsatzleitung, der Zeitraum ist zu lang. Erstens müssen wir raus aus dem Land, zweitens haben wir ein schwer verletztes Teammitglied und drittens reicht unsere Verpflegung nicht für einen längeren Aufenthalt, ganz zu schweigen von der kaum noch vorhandenen Munition.«

»Bedaure, kurzfristigeres Ausfliegen nicht möglich.«

Mit der Faust in der Tasche sah Kaiser seine Frauen und Männer an. »Es sieht nicht gut aus, wir müssen uns auf mindestens eine Nacht in diesen Gemäuern einstellen. Wenn wir Glück haben holt man uns in der dann folgenden Nacht raus.«

Der längere Aufenthalt erforderte die Einteilung von Wachen. Kaiser rief seinen Stellvertreter Böhm zu sich und blickte zum Dach.

»Die Hauptwache positionieren wir mit zwei Personen auf dem Dach. - Wegen der starken Sonneneinstrahlung tagsüber im Zweistundenwechsel. Nachts verlängern wir die Wachzeiten auf vier Stunden, ergänzt durch zusätzlich zwei Personen Torwache.«

17:21 Uhr Meldung der Dachwache: »Von Süden nähert sich eine einmotorige Cessna 175 Skylark. Wie sollen wir uns verhalten?«

»Vorerst nur beobachten.«

»Die Skylark ist ein Viersitzer und könnte somit drei Waffenträger mitführen.«

»Nichts unternehmen, aber einsatzbereit bleiben.«

Die Cessna überflog das Fort und kehrte nach einer nördlich vollzogenen Schleife zurück zu einem zweiten Überflug, um anschließend wieder nach Süden abzudrehen. Der gesamte Spuk dauerte zehn Minuten und das Firmament blieb wieder ausschließlich der Sonne vorbehalten.

Tag 2 - 08:00 Uhr Wie am Vortag überflog die Cessna das Fort.

09:40 Uhr Erneuter Überflug. Kaiser ging zu Böhm. »Schätze unsere Anwesenheit stört jemanden.«

»Was machen wir wenn die noch einmal kommt?«

»Nichts, nur beobachten, keinen unnötigen Ärger anzetteln.«

Der nächste Überflug ließ nicht lange auf sich warten. Er erfolgte um 13:50 Uhr.

05

CHS CAIRO HELICOPTER SERVICE

Angespannt zählte Mohammed Akran die Minuten bis zur Landung auf dem firmeneigenen Stellplatz im Seitenfeld des internationalen Flughafens von Kairo. Bei einer Flughöhe von unter vierhundert Meter überflogen sie die Dächer der Stadthäuser in nur geringer Höhe. Der Zeiger der Tankanzeige zitterte über der NULL.

Ständig sprangen seine Augen von der Flugbahn zu den Stadthäusern unter ihnen und der Tankanzeige.

Auf dem Weg von Alexandria im Nildelta nach Kairo kämpften sie gegen starke Gegenwinde und der Treibstoffverbrauch der beiden großen Motoren des mittelschweren ehemals amerikanischen Transporthubschraubers vom Type Boeing Vertol CH 47 stieg in schwindelnde Höhen.

Gern hätten sie in Alexandria mehr Sprit gebunkert, doch dazu reichte das Geld nicht, sie mußten den Rückflug mit knapper Tankfüllung antreten. Zu wenige Transporte und die selten ausgelastete Maschine ihres für große und schwere Lasten ausgelegten Hubschraubers spülten nicht genügend Profit in die Firmenkasse.

Sein Kopilot Ibrahim El Hadary erhielt bereits vor einigen Minuten die Genehmigung vom Tower des Cairo International Airports zum Überflug der Startbahn sowie der Landung auf ihrem Firmenstellplatz.

Angespannt starrte auch er auf die Armaturen und hörte angestrengt dem Klang der Motoren. Bei einem Ausfall der Maschinen aufgrund Treibstoffmangels wäre nicht nur ihr Leben in Gefahr, auch das vieler Menschen in den Häusern unter ihnen.

Sehnsüchtig schweifte Akrans Blick querab zur Almaza Air Base die in einiger Entfernung südlich von ihnen vorbei zog. Als Leutnant der ägyptischen Luftwaffe flog er von dort die verschiedensten Hubschraubertypen. Mit dem politischen Umsturz entließ die neue Regierung viele Militärs und auch er, Mohammed Akran, mußte gehen.

Heute fristete er sein Dasein mit privaten Transportflügen auf dieser Boeing Vertol CH47, die er günstig einem amerikanischen Waffenhändler abschwatzen konnte.

Nach ihrer Entlassung legten sein Kopilot Ibrahim und er ihre Ersparnisse zusammen und bauten sich ein kleines Lufttransportunternehmen auf, mit zwei und einer halben Person. Die halbe Person war Ibrahims Frau Amunet, die glücklicherweise in mehreren Sprachen korrespondieren konnte. Früher gehörte auch sie dem Militär an, als Dolmetscherin für die europäischen Sprachen französisch, spanisch und deutsch. Heute erledigte sie alle Büroarbeiten, einschließlich der Kommunikation mit Kunden und Behörden.

Sie kannte das Spritproblem und meldete sich über Funk: »Habt ihr Probleme? Ihr müsstet doch längst hier sein.«

Ibrahim versuchte seine Frau zu beruhigen, wohl wissend, dass die Maschinen jede Sekunde den Dienst verweigern könnten: »Wir landen in wenigen Minuten, du müßtest uns schon sehen können.«

Zweihundert Meter vor dem Aufsetzpunkt begann der Heckmotor zu stottern, aber der Rotor drehte noch.

Sie überquerten die Startbahn, als der Heckmotor komplett ausfiel. Zur angemieteten Standfläche fehlten noch circa einhundert Meter. Bedenklich sackte das Heck der Maschine ab. Dieser Hubschraubertyp benötigte für ein sicheres Fliegen zwingend beide Motoren.

Mohammed blickte Ibrahim an. Ihre Hoffnung hing nun am Frontmotor. Reichte der Sprit für die restlichen Meter?

Zwanzig Meter vor dem Aufsetzpunkt begann auch der Frontmotor zu stottern und der Hubschrauber zu bocken. Mohammed verstellte die Rotorblätter um ins Gleiten überzugehen.

Hart setzte die Maschine auf dem Standplatz der Firma auf. Die Rotorblätter standen still.

Wie nicht anders erwartet, meldete sich sofort der Tower. Der leitende Towerlotse forderte Antwort auf die Frage, ob es Maschinenprobleme gab und warum diese dem Tower nicht gemeldet wurden.

Beide Piloten wurden zur Flughafenleitung vorgeladen und bis zur Klärung der Sachlage ein vorübergehendes Startverbot verhängt.

Walid Fathallah der Flughafendirektor sah den Leiter des Flughafentowers an. »Und sie können mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass die Maschine Treibstoffprobleme hatte und uns beinahe auf die Rollbahn gestürzt wäre?«

»Ja«, antwortete dieser, »bei einem Maschinenschaden hätte der Heckmotor gequalmt und der Frontmotor wäre nicht auch noch auf die letzten Meter abgeschmiert. Die hatten einfach nur Glück – und wir auch.«

Fathallah rieb sich das Kinn mit der rechten Hand, seine linke hielt die bereits erkaltete Pfeife. »Sie wissen was das bedeutet. Wenn ihre Vermutung zutrifft wäre das Fahrlässigkeit und wir müßten sie vom Flughafen verweisen.«

Der Towerleiter hob nur die Arme und murmelt: »Deren Problem.«

Wieder allein stand Fathallah vor dem Fenster und schaute über das Flughafengelände. Ganz hinten seitlich der Ausweichstartbahn stand die Halle der Firma CHS Cairo Helicopter Service. Ja, es stimmte, Fahrlässigkeit mußte bestraft werden, ja, ja, ja, aber Akran mußte schon so viele Schläge verarbeiten, beginnend mit der Entlassung vom Militär, obwohl er ein erstklassiger Hubschrauberpilot war, dann der Tod seiner Frau und der beiden Kinder und jetzt der ständige Kampf um Aufträge.

Seine Sekretärin Frau Taisia Karibi schaute zur Tür herein. »Herr Fathallah, die Herren Akran und El Hadary sind hier und wünschen sie zu sprechen.«

»Sollen rein kommen«, antwortete er, setzte sich an seinen Schreibtisch und notierte in aller Ruhe einige Daten in seinem Kalender.

Akran und El Hadary traten ein. »Guten Tag Herr Fathallah, wir wurden durch die Towerleitung zu Ihnen einbefohlen.«

Die bodenhohen Fenster des ansonsten holzvertäfelten, circa 50 qm große Raumes zeigten zur Sonnenseite, sodaß beide Männer gegen das herein scheinende Sonnenlicht anblinzelten.

Fathallah hob den Kopf und blickte die beiden Piloten an.

Er ließ viel Zeit verstreichen bis er antwortete. »So, so, sie wurden einbefohlen. Wir sind doch aber nicht mehr beim Militär, oder?«

»Nein Herr Fathallah, aber in der Art lautete die Ansprache des Towerlotsen.«

»So, so!« Fathallah gab sich nachdenklich. »Setzen sie sich doch, ich schaue nur ungern nach oben.«

»Danke«, Akran und El Hadary setzten sich auf die vor dem Schreibtisch stehenden Stühle.

»Und was haben sie mir nun zu sagen?« Fathalla begann seine Pfeife neu zu stopfen.

Mohammed Akran lehnte sich etwas vor. »Ich muss mich entschuldigen, wir hatten einen Maschinenschaden im Heckmotor und konnten den Flugbereich nicht zügig genug verlassen.« Er sah Fathallah an und überlegte die richtige Formulierung zu finden. »Wir haben auch schon einen Mechaniker beauftragt die Reparatur vorzunehmen.«

Fathalla zündete seine Pfeife an. »So, so, war es nicht vielleicht doch so, dass der Maschinenschaden in Wirklichkeit fehlender Treibstoff war, der dann auch auf die Frontmaschine übergriff?«

Beide Piloten richteten sich in ihren Stühlen auf. »Aber nein, keinesfalls«, antwortete Akran, »dann hätten wir natürlich vor dem Überflug den Tower benachrichtigt.«

»Der ihnen dann den Überflug verweigert hätte!«

»Ja natürlich – und das mit Recht«, antwortete Akran, »aber dem war ja nicht so.«

Fathalla sog an seiner Pfeife. »So, so und das soll ich ihnen glauben. Sie wissen ja, der Gefährdung des Flugverkehrs durch Pächter von Flughafenflächen folgt generell die fristlose Kündigung.«

»Ja das wissen wir, aber für den Ausfall der Maschine gab es im Vorhinein keine Anzeichen«, antwortete Akran, »wir werden auch alles tun, daß das nicht wieder vorkommt.«

Fathalla stand auf und ging zur Tür. »Gut, dann will ich heute mal beide Augen zudrücken, einen zweiten Fall darf es aber nicht geben, sie kennen das Regelwerk zu ihrem Pachtvertrag.«