Die Schwarze Witwe vom Romanischen Café - Thomas Ostwald - E-Book

Die Schwarze Witwe vom Romanischen Café E-Book

Thomas Ostwald

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Beschreibung

Bruno Kinsky, Vorsitzender eines Ringvereins, Besitzer der größten Varité-Bühne in Berlin, Gentleman-Verbrecher, eilt einer schönen Frau nach, die gerade in das Romanische Café in Berlin geht, wo sich bekanntlich die ganze Prominenz mit den weniger Prominenten mischt. Was er nicht ahnen konnte, ist der Selbstmord eines Schauspielers mitten im Café und was sich daraus um die schöne Tänzerin Leyla Ramanoff entwickelte...

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Seitenzahl: 99

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Thomas Ostwald

Die Schwarze Witwe vom Romanischen Café

Berlin: Die Goldenen Zwanziger Bd. 6

Bekannte Persönlichkeiten saßen an einem Tisch zusammen… Bruno Kinsky kannte einige von ihnen.

Thomas Ostwald

Die Schwarze Witwe vom Romanischen Café

Berlin: Die Goldenen Zwanziger Bd. 6

Krimi

Edition Corsar D. u. Th. Ostwald

Braunschweig

Texte: © 2026 Copyright by Thomas Ostwald

Umschlaggestaltung und Innenillustrationen: © 2026 Copyright by Thomas Ostwald

Verlag:

Edition Corsar

Dagmar und Thomas Ostwald

Am Uhlenbusch 17

38108 Braunschweig

[email protected]

1.

„Nimm deine unejalen Foten weg!“, wurde ich angeschnauzt, nur weil ich als höflicher Mensch der Dame beim Aussteigen aus ihrem todschicken Adler-Cabriolet helfen wollte, welches sie direkt auf der Tauentzienstraße vor dem großen Gebäude mit dem Café geparkt hatte. Gleich darauf schickte sie noch mit einem verächtlichen Blick hinterher: „Vafatz dir bloß!“

Nein, so geht man mit einem Bruno Kinsky nicht um, schon gar nicht, wenn man eine junge, elegante und auffallend hübsche Frau ist. Das Verdeck ihres Autos war natürlich geschlossen, ihr Pelzmantel war ebenfalls dem Wetter angemessen, wenn auch vorn weit offenstehend, um einen Blick auf das glitzernde und weit ausgeschnittene Kleid zu ermöglichen.

Sie hatte sich zwei Pakete vom Beifahrersitz geangelt und mir dabei ihre langen, schlanken Beine entgegengestreckt, und ich konnte diese bis zum Strumpfhalter bewundern. Vielleicht war es ja das, was sie mir übelnahm, aber ich wollte ihr trotzdem die Tür zu dem Lokal aufhalten, auf das sie zusteuerte. Da erst bemerkte ich, dass der Eingang eine Drehtüre besaß und ich kurz davor stehen bleiben musste, um die Dame vortreten zu lassen.

Das brachte mir noch einen vernichtenden Blick ein und die Bemerkung: „Wat sind Sie denn für een Blaffke?“

Zack! Das saß!

Aber so ging das wirklich nicht, und ich überlegte keinen Moment, sondern folgte ihr, als sie durch das Café eilte und von einem Herrn an einem kleinen Tisch begrüßt wurde.

„Sie wünschen, mein Herr?“, hörte ich die näselnde Stimme eines Obers an meiner Seite, und jetzt war ich es, der einen vernichtenden Blick auf diese befrackte Erscheinung warf. Aber der prallte an seinem arroganten Gesichtsausdruck ab und ich erwiderte deshalb sehr von oben herab: „Einen Mokka und einen Asbach dazu.“ Der Ober bewegte sich keinen Zentimeter, sondern musterte mich wie ein lästiges Insekt. Ich ging an ihm vorüber und steuerte einen freien Tisch an, als ich seine Stimme vernahm: „Nicht dort, das ist alles reserviert. Kommen Sie herüber in den Nichtschwimmer.“ Damit deutete er auf einen kleineren Raum auf der linken Seite neben der Drehtüre.

Ich war ja schon einmal mit Coleen Wrap im Romanischen, konnte mich aber an diesen Unsinn nicht erinnern, was vermutlich an der charmanten Person lag, die meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte (vgl. dazu den Band Tödliche Swingtänze).

War dieser Kerl verrückt geworden?

Nichtschwimmer?

Ich konnte auch im nächsten Saal kein Schwimmbecken entdecken, als ich im Durchgang stand und den Raum rasch musterte. Allerdings hatten sich wohl ein paar Dutzend Köpfe der dort Anwesenden zu mir herumgedreht und musterten mich nun unverhohlen mit neugierigen Blicken. Hier hatte sich offenbar in der kurzen Zeit seit meinem ersten Besuch viel verändert.

Es gab bekanntlich in diesem Café riesige Fenster in den Räumen, die das Tageslicht hereinließen und eine gemütliche Atmosphäre vorgaukelten, wo in Wahrheit bei genauerer Hinsicht nicht viel davon vorhanden war. Zahlreiche kleine Tische mit jeweils vier Stühlen in der üblichen Bugholzart, dunkel gebeizt, dazu die hohen Säulen, die eine gewölbeartige Decke stützten, dunkle Wandverkleidungen bis in Kopfhöhe, das riesige Büffet mit abgedeckten Auslagen – das alles wirkte eher dunkel und abweisend, sobald die Sonne einmal nicht mehr so prächtig schien wie an diesem kühlen Dezembertag.

„Hören Sie mal, Herr Ober!“, begann ich noch einigermaßen beherrscht, dann in meiner rechten Hand spürte ich ein Kribbeln, ein sicheres Zeichen, dass sie gleich in seinem Gesicht landen würde. „Ich werde mich da drüben neben das Pärchen setzen, das gerade zu uns herübersieht. Der Dame habe ich gerade geholfen, und jetzt sehen Sie zu, dass meine Bestellung dorthin gelangt!“

„Da drüben? Neben dem Tisch von Frau Landshoff? Kommt ja überhaupt nicht in Frage, da sitzen nur Stammgäste. Wie ich schon sagte, hier drüben…“ - Ich war es leid, zog eine Banknote aus der Tasche, rollte sie rasch zusammen und steckte sie dem Kellner zwischen seine empört verzogenen Lippen.

„Mein Name ist Bruno Kinsky, mir gehört der Octopussy Palace, falls Ihnen der Name etwas sagt. Und jetzt – allez hopp, Herr Flitzpiepe, sonst werde ich äußerst ungemütlich!“

Diese Sprache schien der Befrackte nun endlich zu verstehen, und als er den Geldschein ausspuckte und vernehmlich dabei nach Luft schnappte, steuerte ich den Nachbartisch meiner schönen Bekannten an, verbeugte mich vor dem Paar und ließ mich auf den Stuhl fallen.

Als gleich darauf meine Bestellung serviert wurde, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass beide am Nachbartisch mich beobachteten und dabei ihr Gespräch eingestellt hatten. Ich ließ mir nichts anmerken, sondern verkniff mir mein Lächeln, als mit großem Hallo die Drehtüre in Schwung gesetzt wurde und drei Herren eintraten, von denen mir zumindest einer bekannt vorkam.

„Champagner!“, rief der Mann mit der Brille und den runden Gläsern, den kurzen, in die Stirn gekämmten Haaren und dem schlichten, dunkelbraunen Anzug.

Lärmend zogen sie durch das Café, wurden von allen Seiten fröhlich begrüßt und ich vernahm die Namen Brecht und Kästner.

Naja, das sagte mir natürlich etwas, denn dieser Bert Brecht hatte zahlreiche Versuche gemacht, mit Theaterstücken und Filmprojekten weiterzukommen. Jemand hatte ihn mir auch für unseren Ocotpussy-Palace empfohlen, aber es war nie zu einem Gespräch gekommen. Aber er war wohl stark im Kommen, in München hatte man ein paar Sachen von ihm erfolgreich aufgeführt und er hatte wohl auch einen hochdotierten Preis erhalten. In diesem Augenblick vergaß ich sogar das Wichtigste, nämlich seinen Erfolg im Theater am Schiffbauerdamm im August dieses Jahres.

Als der Kellner mit den Gläsern, einem Kübel für das Eis und einer Flasche Champagner kam, wurde es auch am Nebentisch munter. „Gibt es einen Grund zur Feier, meine Herren?“, erkundigte sich der Kavalier, und von dem Mann, den ich für Brecht hielt, kam die Antwort zurück: „Aber ja, Herr Kessler, kommen Sie doch mit Fräulein Landshoff an unseren Tisch und – Emil, noch so eine Pulle!“

„Donnerwetter, Herr Brecht, tadellos! Dann gratuliere ich auch sehr!“ Der sechzigjähre Graf nahm eine militärische Haltung an, aber Brecht machte nur eine einladende Handbewegung und hielt dann eine Ausgabe der Berliner Illustrirte

Zeitung so hoch, dass auch ich das Titelbild erkennen konnte.

Was ich da sah, machte mich neugierig. Fast wirkte das seltsame Foto wie ein Monster auf mich, denn es zeigte einen amerikanischen Piloten, der einen neuen Höhenrekord aufgestellt hatte, Fliegerhaube, Brille und Sauerstoffgerät trug, so dass von seinem Gesicht nichts erkennbar war.

Doch um diesen Amerikaner ging es ganz offensichtlich nicht, denn Brecht deutete auf den unteren Aufdruck, den ich jedoch an meinem Sitzplatz nicht lesen konnte. Das war auch nicht erforderlich, denn gleich wurde lautstark verkündet, was seine Begleiter natürlich längst wussten. „Stellen Sie sich vor, Graf, er hat schon wieder einen Preis gewonnen! Erst die Wahnsinnssumme vom Kleist-Preis vor gut sechs Jahren mit 10.000 Mark, und jetzt schon wieder 3.000 für seine Novelle Die Bestie.“, erklärte der Mann neben Brecht, der mir nicht bekannt war. Erst später erfuhr ich, dass es der Komponist Kurt Weill war, der Brecht derart lobte.

In dem Augenblick, als der Kellner den Namen nannte, als er die dritte Flasche Champagner brachte, durchzuckte mich ein Geistesblitz. Da saßen also Brecht und Weill zusammen und feierten einen weiteren Preis mit dem Preisgeld von 3.000 Mark. Und erst jetzt fiel mir ein, dass im August dieses Jahres eine ganz erstaunliche Show aufgeführt worden im Theater am Schiffbauerdamm aufgeführt worden? Show? Musiktheater? Gar eine Oper? Wie hieß das Stück doch gleich? Irgendetwas mit Geld…

Ich schlug mir wirklich an die Stirn, so dass meine Nachbarn verwundert herübersahen. Ja, klar, das Stück hieß Die Dreigroschenoper und hatte einen unglaublichen Erfolg beim Publikum. Und schon ratterte mein Gehirn Zahlenkolonnen untereinander.

Dreitausend Mark Preisgeld. Dann die Einnahmen aus diesem Theaterstück. In diesem Moment wusste ich, dass ich die Bekanntschaft dieser Herren in jedem Falle machen musste.

Es war nicht zu leugnen, das Geld zog mich immer wieder magisch an. Schließlich hatte ich ja auch meinen speziellen Ruf zu verteidigen. Nicht umsonst war ich der Vorsitzende des Ringvereins Männer-Gesangsverein Norden 1891. Natürlich nur nebenbei. Hauptberuflich bestand die Tarnung unserer Verbrecherorganisation aus der Tätigkeit im Theater Octopussy. Also musste ich hier an Ort und Stelle meinem Ruf in Berlin treu bleiben.

Wie am einfachsten?

Nun – wie immer im Berlin dieser Tage. Mit Alkohol und Frauen. Viele schworen dazu auf Rauschgift, aber davon hielt ich nichts. Also wandte ich mich jetzt an meinen neuen Freund, den Kellner Emil, schnippte mit den Fingern und fand erfreulicherweise sofort seine Aufmerksamkeit.

Was doch so ein Hundert-Mark-Schein in der Tasche eines Kellners für Auswirkungen zeigen konnte!

„Emil, die Herrschaften sitzen schon wieder im Trockenen – bitte, noch einmal drei Flaschen vom Besten!“, rief ich ihm zu und erntete spontanen Beifall von meinen Nachbarn. „Oh, sehr freundlich – bitte, wer sind Sie, Herr? Wollen Sie sich nicht vorstellen und zu uns herüberkommen?“, lud mich der bislang schweigend neben den anderen sitzende dritte Mann ein.

„Das mache ich natürlich gern und sogleich!“, antwortete ich, nahm meinen Stuhl auf und setzte mich gleich darauf an die Seite von Fräulein Landshoff, die mit ihrem Begleiter einfach ihren Tisch näher an den der anderen Herren geschoben hatte. Artig verbeugte ich mich vor der Gesellschaft. „Kinsky mein Name, Bruno Kinsky. Ich bin der Besitzer des Octopussy Palace, einem Varieté am Kuh’damm.“ Ein Griff in die Tasche, das schmale Silberetui herausgezogen und mit großartiger Geste meine Visitenkarten verteilend.

„Sie sind das? Seien Sie uns willkommen!“, rief einer der Herren und sprang auf, griff meine Hand und drückte sie heftig. „Weill, Kurt Weill. Ich habe die Musik für die Dreigroschenoper geschrieben, und ich…“

„Ist mir eine Ehre, Herr Weill!“, erwiderte ich, um ihm kurz das Wort abzuschneiden. „Ich hatte bislang noch nicht das Vergnügen, aber das sollten wir jetzt unbedingt nachholen!“

Brecht deutete auf die Dame an der Seite des Grafen, der ich diesen Besuch im Romanischen Café schließlich verdankte. Endlich erfuhr ich ihren Namen.

„Ruth Landshoff, Graf Kessler, neben mir sitzt Herr Kästner, und mich werden Sie wohl kennen!“

„Jawohl, Herr Brecht!“, antwortete ich rasch und bemerkte das zufriedene Lächeln. „Und es ist mir eine besondere Ehre, das Fräulein Landshoff zu begrüßen, der ich als alter Kavalier bei ihrem Auto nur behilflich sein wollte.“

„Enchanté…“, hauchte meine Schöne und überließ mir gnädig ihre Hand und ich beeilte mich, den Handkuss anzudeuten. Später erfuhr ich, dass sie nicht nur Schauspielerin, sondern sogar Schriftstellerin war und Gedichte in den Zeitungen des Ullstein-Verlages veröffentlichte. Nun, ich war beeindruckt, nicht nur von der attraktiven Erscheinung der Dame.

Dann hoben wir die frisch gefüllten Gläser und stießen an. Als ich mein Glas auf den Tisch stellte, fiel mein Blick auf eine Erscheinung, die eben an uns vorübereilte. Für einen winzigen Moment stockte mir der Atem. Das war eine Frau, wie man sie auch im Berlin dieser Tage nicht sehr häufig sah.

Die Gespräche verstummten, als sie in Begleitung von drei Männern an unserem Tisch – nicht vorüberging, sondern tänzelnd vorbeischwebte.

2.

„Wer ist das?“, erkundigte ich mich bei meinem Tischnachbarn mit heiserer Stimme, und es war Erich Kästner, der mir antwortete: „Vielleicht etwas für Ihr Theater, Herr Kinsky. Man hört und liest ja so einiges über Ihre Varieté-Veranstaltungen. Das ist die Tänzerin Leyla Ramanoff, die meines Wissens aus Rumänien stammt.“

„Ein unmögliches Weib!“, giftete die Landshoff jetzt nur noch Hochdeutsch, und ihr Begleiter nickte stumm dazu.

„Aber, aber, Frau Landshoff!“, mischte sich nun ein Herr ein, der eben von der anderen Seite an die beiden zusammengeschobenen Tische trat. „Eine Schönheit wie Sie wird doch über einem solchen Flittergirl stehen!“