Die segensreiche Nacht - Nagib Machfus - E-Book

Die segensreiche Nacht E-Book

Nagib Machfus

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Beschreibung

Kurzgeschichten und Novellen sind im modernen Ägypten äußerst beliebt. Auch im Werk von Nagib Machfus sind Erzählungen reich vertreten. Jedoch: Nicht langsam und majestätisch wie der Nil fließen seine Geschichten; sie reißen - wie die Strudel der Stromschnellen - unvermittelt hinein in Abgründe. Machfus entfaltet ein Kaleidoskop von Stimmungen und Schicksalen. Liebevoll, sarkastisch, ironisch rückt er Schwächen und Marotten, Sehnsüchten und Ängsten vor allem des kleinen Volkes zu Leibe und zeigt, daß unter Gottes weitem Mantel auch Platz für viele dunkle Leidenschaften ist.

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Seitenzahl: 223

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Über dieses Buch

In seinen Kurzgeschichten und Erzählungen entfaltet Nagib Machfus ein Kaleidoskop von Stimmungen und Schicksalen. Liebevoll, sarkastisch, ironisch rückt er Schwächen und Marotten, Sehnsüchten und Ängsten vor allem des kleinen Volkes zu Leibe und zeigt, daß unter Gottes weitem Mantel auch Platz für viele dunkle Leidenschaften ist.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Nagib Machfus (1911–2006) gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

Zur Webseite von Nagib Machfus.

Hartmut Fähndrich (*1944) ist seit 1978 Lehrbeauftragter für Arabisch und Islamwissenschaften an der ETH Zürich. Neben seiner Übersetzertätigkeit arbeitet er auch als Herausgeber und Publizist.

Zur Webseite von Hartmut Fähndrich.

Wiebke Walther studierte Orientalistik. Sie habilitierte sich 1980 zum Thema »Die Frau im Islam« und verfasste zahlreiche Publikationen zur modernen und zur klassischen arabischen Literatur.

Zur Webseite von Wiebke Walther.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Nagib Machfus

Die segensreiche Nacht

Erzählungen

Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich und Wiebke Walther

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 6 Dokumente

Die segensreiche Nacht wurde von Hartmut Fähndrich übersetzt. Alle anderen Erzählungen wurden von Wiebke Walther übersetzt und dem Band Die Moschee in der Gasse, Unionsverlag 1988, entnommen.

© by Nagib Machfus 1994

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: © 1989 Robert Lyons/Photographer

Umschlaggestaltung: Heinz Unternährer

ISBN 978-3-293-30580-9

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 27.06.2022, 20:13h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

DIE SEGENSREICHE NACHT

Anbar LuluDie UniformDie EinödeHansal und der PolizistDie segensreiche NachtDer Zauberkünstler hat meinen Teller gestohlenDie Welt AllahsEin Fenster im fünfunddreißigsten StockDie himmlische BegegnungQuellenangabe

Mehr über dieses Buch

Über Nagib Machfus

Nagib Machfus: Das Leben als höchstes Gut

Nagib Machfus: Rede zur Verleihung des Nobelpreises 1988

Tahar Ben Jelloun: Der Nobelpreis hat Nagib Machfus nicht verändert

Erdmute Heller: Nagib Machfus: Vater des ägyptischen Romans

Gamal al-Ghitani: Hommage für Nagib Machfus

Hartmut Fähndrich: Die Beunruhigung des Nobelpreisträgers

Über Hartmut Fähndrich

Über Wiebke Walther

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Anbar Lulu

Mitten im Südflügel des Parks befand sich ein Pavillon aus Baumwurzeln, er hatte die Form einer Pyramide und war rings von Jasmin umgeben. In diesem Pavillon wartete ein Mann, ein Mann in den besten Jahren und von schlanker Figur. Obschon sein Haar weiß schimmerte, verrieten seine Gesichtszüge noch immer jugendliche Frische. Er sah auf seine Armbanduhr und blickte dann in den weiträumigen Park. Durch die Jasminzweige traf ein goldener Strahl der langsam über dem Nil sich neigenden Sonne auf sein Gesicht. Da tauchte das junge Mädchen auf. Über das Mosaik des Hauptweges kam es an den Pavillon heran. Als es durch den niedrigen Eingang eintrat, bückte es sich etwas. Es ging auf den Mann zu, braunhäutig und mit grünen Augen. Sie gaben einander die Hand. Dann sagte sie sanft und um Verzeihung bittend: »Ich schäme mich.«

Der Mann beruhigte sie freundlich: »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.«

»Ich habe nicht das Recht, Ihnen die Zeit zu stehlen.«

»Es ist keine verlorene Zeit, die man für ein ernsthaftes Gespräch opfert.«

»Danke, Sie sind sehr gütig.«

Er wies auf die Bank und lud sie ein, sich zu setzen. Als er sich neben ihr niedergelassen hatte, begann sie: »Ich hätte nicht den Mut gehabt, Sie hierher zu bitten, aber ich wusste mir keinen anderen Rat.«

»Es geht jedem einmal so. Allerdings, wer Sie im Büro sieht, glaubt kaum, dass Sie Sorgen haben.«

»Man soll sich nicht vom Schein täuschen lassen.«

Er nickte zustimmend, und sie fuhr fort: »Ich habe mich lange gefragt, an wen ich mich wohl wenden könnte, bis Sie mir einfielen.«

»Aber bitte, wer würde Ihnen nicht gern helfen.«

Sie zögerte einige Augenblicke lang: »Nun ja, Sie kennen mich nur als Kollegin in der Verwaltung. Aber Sie sollen wissen, wie es um mich steht. Ich komme mir so vor, als sei ich unter ständiger Qual in ein ewiges Gefängnis gezwungen.«

»Das ist doch sicher übertrieben. Aber schütten Sie mir ruhig Ihr Herz aus, wir werden ja sehen.«

»Nein, es ist wirklich so. Hören Sie wenigstens ein Stück von meiner Tragödie an. Ich bin Vollwaise und habe drei jüngere Geschwister, wir leben im Hause unseres Stiefvaters.«

»Eine schwierige Sache.«

»Er ist ein eigensinniger, zänkischer Mann.«

»Ist er ein alter Mann wie ich?«

»Nein, älter, und er liebt uns nicht.«

»Und haben Sie auch Stiefgeschwister?«

»Nein, er hat keine eigenen Kinder.«

»Dann sollte er eigentlich zu euch lieb sein.«

»Das ist es ja. Aber er gab mir bereits nach dem Tode meiner Mutter zu verstehen, dass ich allein für meine Geschwister zu sorgen hätte.«

Eine kurze Zeit lang schwieg sie, dann fuhr sie nachdenklich fort: »Vielleicht war diese Entscheidung nicht einmal unvernünftig.«

»Nein, aber zumindest unbarmherzig.«

»Ach, ich möchte gar nicht auf seine Barmherzigkeit angewiesen sein!«

»Das verstehe ich.«

»Er gewährt uns Unterkunft und einige Unterstützung, allerdings hält er das für gestundete Schulden.«

Der Mann nickte stumm mit dem Kopf.

Sie seufzte auf: »Vielleicht können Sie sich jetzt ein Bild machen, wie ich lebe. Tatsache ist, dass mir nicht einmal so viel Geld bleibt, um mich zu kleiden wie die anderen jungen Mädchen, die einem Beruf nachgehen.«

»Und wie ein junges Mädchen in der Blüte seiner Jahre.«

»So vergehen meine Tage traurig und öde und unter einer strengen Aufsicht, die kein Erbarmen kennt, ohne jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft.«

Der Mann versuchte zu beschwichtigen: »Sie sollten nicht so schwarz für Ihr Leben sehen!«

»Auch wenn es so verläuft, wie ich es Ihnen geschildert habe?«

»Ja, auch dann!«

Darauf fragte er, und es schien fast, als spräche er zu sich selbst: »Wer kann mit Sicherheit sagen, was das Morgen birgt?« Sie hob die Schultern, und ohne auf seinen Gedanken einzugehen, klagte sie weiter: »Und plötzlich fühle ich, wie die Zeit verfliegt. Mitten in einem Leben des Verzichts und der Bitterkeit beginnt die Zeit mich zu peinigen.«

»Aber Sie haben doch das Leben noch vor sich!«

»Ich bin immerhin vierundzwanzig Jahre alt.«

»Das ist die Blüte der Jugend.«

»Ach, in meiner Lage ist das schon eine Stufe der Vergreisung.«

»Sie dürfen nicht übertreiben! Auch sind Sie nicht die einzige in unserem Lande, der es so geht. Es gibt viele ähnliche Fälle, auch wenn die Umstände und die Ursachen andere sind.«

Sie warf ihm einen rätselhaften Blick zu: »Aber ich habe Ihnen von der eigentlichen Schwierigkeit noch nichts erzählt. Etwas, was mich Tag und Nacht verfolgt. Denn an das, was ich eben erzählt habe, kann man sich gewöhnen, so wie an eine Krankheit, die man schließlich übersteht.« Der Mann hob fragend die Augenbrauen, und sie sagte: »Ich spüre meine Jugend nicht mehr nur als eine Zeit, die ungenutzt verfliegt, sondern als treibende, mehr noch: als eine überwältigende Kraft, als ein heiliges Geschenk und ein göttliches Recht.«

Der Mann blickte wie benommen in ihre leuchtenden grünen Augen, und sie fuhr hingerissen fort: »Ich fühle mich getrieben von einem Ding zum anderen, zu allen Dingen, zum Dasein insgesamt.« Dann, mit gesenktem Blick und einem Ton, der bedrückt war von Kummer und Schmerz: »Ich möchte tanzen und singen und fröhlich sein!«

Der Mann verkroch sich in sein Schweigen und presste nachdenklich die Lippen zusammen.

Sie wartete eine Weile, dann bemerkte sie: »Vielleicht hat Sie meine Offenheit überrascht!«

Er brach sein Schweigen nicht, so fuhr sie fort: »Sie haben das nicht erwartet. Dass wir anders scheinen, als wir sind, ist uns ja zur alltäglichen Gewohnheit geworden. Aber was hätte unser Gespräch für einen Sinn, wenn ich Ihnen nicht anvertraute, wie es wirklich um mich steht?«

Der Mann murmelte vorsichtig: »Ich danke Ihnen für so viel Offenheit.«

»Ich musste über das sprechen, was mich bewegt, ich hätte es anders nicht länger ertragen, aber ich musste erst jemanden finden, dem ich mich anvertrauen konnte. Sie sind mir immer wieder eingefallen. Sie sind ein ernsthafter und beliebter Mann, genießen einen guten Ruf und haben eine rühmliche Vergangenheit. Sie waren selbst dazu verurteilt, ein Opfer zu sein, und können am besten ermessen, was es heißt, Opfer auf sich nehmen zu müssen.«

»Oh, ich danke Ihnen für Ihre hohe Meinung.«

»Ich habe zwar zwei gute Freundinnen in der Verwaltung, aber ihre Ratschläge halfen mir nicht weiter.«

»Haben Sie zu ihnen so offen gesprochen wie zu mir?«

»Nein, aber ich habe sie in ernsten und wichtigen Dingen um ihre Meinung gebeten.«

»Und was haben sie Ihnen geraten?«

»Die eine konnte sich offenbar gar nicht in meine Lage versetzen.«

»Wie soll ich das verstehen? Sprechen Sie deutlicher!«

»Ich möchte jetzt darüber nicht reden.«

»Und die andere?«

»Sie ist ganz sonderbar. Sie tröstete mich damit, dass es mir nicht allein so gehe, auch wenn mir das so scheine, und dass es einen Ausweg nur gebe, wenn allen, die ein gleiches Schicksal erleiden, geholfen würde. Wir müssten unser Denken von Grund auf ändern, um eine allgemeine und umfassende Veränderung herbeizuführen.«

Er lächelte: »Ihre Meinung ist nicht neu für mich. Aber was haben Sie ihr geantwortet?«

»Wir haben uns danach nur noch kurze Zeit gesehen, denn sie wurde plötzlich verhaftet.«

»Ich weiß jetzt, wen Sie meinen. Ist es nicht unsere frühere Kollegin aus der Buchhaltung?«

»Ja, und so blieb mir niemand, an den ich mich hätte wenden können, außer Ihnen.«

Er sagte mit väterlichem Ton: »Sie sehen das alles viel zu schwarz. Sie haben vergessen, dass Sie vielleicht schon morgen oder übermorgen einen Mann kennen lernen und heiraten können.«

»Solche Männer gibt es im Überfluss.«

»Und Sie haben noch nicht gewählt?«

»Nein, es sind alles junge Beamte, die genauso gestellt sind wie ich. Entscheide ich mich für einen von ihnen, müsste ich meine Geschwister verlassen. Ganz abgesehen davon, was eine Heirat kostet und was für Probleme sie mit sich bringt.«

Der Mann ließ nicht locker: »Aber es ist doch möglich, dass eines Tages ein reicher Bräutigam auftaucht, der alle Kosten übernimmt und auch dafür sorgt, dass Sie mit Ihrem Gehalt nicht mehr für Ihre Geschwister aufzukommen brauchen.«

»Das ist ein Traum, aber kein Bräutigam.«

»Manchmal werden Träume Wirklichkeit.«

»Aber ich will nun einmal mein Leben nicht auf Träumen aufbauen. Um mich ist tödliche Leere und Hoffnungslosigkeit, aber ich brenne vor Sehnsucht nach Leben und Glück. Mit einem Wort, ich wünsche mir aus tiefstem Herzen zu tanzen, zu singen und fröhlich zu sein.«

Der Mann war wieder ratlos und schwieg, so gestand sie ihm: »Das ist meine eigentliche Schwierigkeit.«

Da er weiterhin stumm blieb, fuhr sie fort: »Wie bin ich glücklich, dass ich mir das alles von der Seele reden durfte!«

Er fing an, unverständliche Worte zu murmeln, da lächelte sie: »Natürlich möchte ich gern, dass Sie zu allem nicht nur schweigen.«

Er gab sich einen Ruck: »Wissen Sie, nach allem, was ich durchgemacht habe, gehe ich davon aus, dass grundsätzlich alle Wege offen sind.«

»Aber für mich sind alle Wege versperrt.«

»Es gibt immer noch …«

»Ich möchte, dass Sie es auch so ansehen, mir zuliebe. Ich habe mich an Sie gewandt, weil ich litt und weil ich nicht mehr an Träume und Wunder glaube.«

»Schön, dennoch gibt es so etwas wie die Ehre, die man nicht verletzten darf.«

»Die Ehre?«

»Ich meine, auch Sie, die ich sehr verehre, müssen sich verhalten, wie es sich für ein junges Mädchen eben schickt.«

Sie begehrte auf: »Mit Ratschlägen, wie man sie überall zu hören bekommt, bin ich vollgestopft bis oben hin.«

»Nun gut, was hatten Sie von mir anderes erwartet? Etwa, dass ich es gutheiße, wenn Sie sich in Gefahr begeben?«

»Ja!«

Der Mann fragte bestürzt: »Sind Sie nicht zu mir gekommen, weil Sie mir wegen meiner Vergangenheit und meines guten Rufes vertrauten, von dem Sie vorhin sprachen?«

»Doch, ja.«

»Und trotzdem haben Sie angenommen, dass ich meinen Segen gebe, wenn Sie Unheil anrichten wollen?«

Sie zuckte mit den Schultern.

Der Mann lachte, ohne es zu wollen: »Also wirklich, ich verstehe Sie nicht. …«

»Aber meine Worte waren doch sonnenklar.«

»Tanzen, singen und fröhlich sein?«

»Was ist dabei?«

»Dann sagen Sie mir, was Sie von mir erwarten?«

»Sie sollen mir klarmachen, dass das Trinken zu den normalen Dingen des Lebens zählt und dass es kein verbotener Genuss ist.«

»Aber es wird dazu, ob wir es wollen oder nicht.«

»So bleibt mir also nichts, als geduldig zu warten, bis ich verwelke, vertrockne und sterbe?«

»Nein, bis es für Sie keine Sorgen mehr gibt …«

»Das sind Worte, nichts als Worte, sie kosten Sie nichts, mich aber kosten sie mein Leben.«

Er überlegte, wie er ihren hartnäckigen Fragen ausweichen könnte: »Erzählen Sie mir, was Ihnen Ihre andere Freundin geraten hat? Ich meine die, die nicht verhaftet wurde?«

»Ich habe mit ihr gesprochen, nachdem mir ein junger Mann einen Antrag gemacht hatte. Sie forderte mich auf, ohne Zaudern zuzustimmen. Und als ich meine Geschwister erwähnte, meinte sie, niemand habe das Recht zu verlangen, dass ein anderer in dieser kurzlebigen Welt sich für ihn opfere.«

Der Mann schüttelte verwundert den Kopf und schwieg. Da beteuerte sie: »Es kommt gar nicht infrage, dass ich meine Geschwister opfere!«

»Wie edelmütig Sie sind!«

»Aber es ist doch mein gutes Recht, das Leben lieben und genießen zu wollen …«

»Ja, aber wenn wir dabei die Achtung vor uns selbst verlieren, dann ist uns nichts mehr heilig!«

»Achtung, Ehre – wer hat sie geschaffen? Haben Sie nicht gehört, was man von den jungen Mädchen in Europa erzählt?«

»In Europa führen sie ein anderes Leben als wir, aber ich weiß zu wenig, um darüber urteilen zu können.«

»Dort haben sie bewiesen, dass man mit alten Traditionen fertig werden kann und dabei nicht zu opfern braucht, was dem Menschen wertvoll ist.«

»Ich sagte doch schon, dass ich das nicht beurteilen kann.«

»Sie wollen das nur nicht wahrhaben!«

»Nein, ich rede nun einmal nur über das, wovon ich etwas verstehe.«

»Ich fürchte, Sie wollen mir vielmehr ausweichen und keine Verantwortung für etwas tragen müssen, was Sie auf Ihrem ruhigen Weg stört.«

»Nein, ich wünschte von ganzem Herzen, Ihnen helfen zu können.«

Sie bat ihn: »So raten Sie mir zu etwas ganz anderem, Neuem.«

»Zu etwas Neuem?«

»Ja, ich vertraue dem Althergebrachten nicht mehr. Ich habe mein Elend aus der Vergangenheit ererbt, deswegen verabscheue ich alles, was von ihr herrührt. Raten Sie mir zu etwas ganz Neuem, auch wenn das schließlich all dessen spottet, was Sie als Ehre und Ansehen bezeichnet haben.«

»Aber ich habe Ihnen offen erklärt, an was ich glaube.«

»Sie sind ein ungewöhnlicher Mann. Sie müssen den Kopf voller neuer Ideen haben, Ideen, die nicht von unseren Vätern stammen oder sich nach ererbten Gewohnheiten richten.«

»Ach was, für mich gilt nur, immer meiner Natur treu zu bleiben.«

Sie sah ihm mutig in die Augen: »Es kommt mir manchmal so vor, als sei ein zeitgemäßes Laster tugendhafter als eine gute Tat, die schon so oft geschehen und dadurch abgenutzt und wertlos geworden ist.«

»Meine Güte, was geht in Ihnen vor, was ist das für ein Aufruhr in ihrer zarten schönen Seele!«

»Ich fühle, wie mir das Leben aus den Händen gleitet, wenn ich stets nur die abgedroschenen Phrasen zu hören bekomme, die Sterbende immer vor sich hin sprechen.«

»Sicher, Sie machen eine Krise durch, Ihre Geduld ist am Ende.«

»Glauben Sie mir, unser Leben ist wie ein alter verfallener Wakf, über den die testamentarischen Verfügungen längst Verstorbener bestimmen.«

»All das sagen Sie nur, weil Sie tanzen, singen und fröhlich sein möchten?«

»Weil ich mein Leben leben möchte.«

»Vielleicht wollen Sie morgen Menschen töten, Brände legen, Mauern niederreißen?«

Sie lachte fröhlich: »Tatsächlich möchte ich meinen Stiefvater am liebsten umbringen, und ich wünschte, dass alle verbrennen, die mich verurteilen, weil ich angeblich vom rechten Weg abgeirrt bin, und die Mauern des Verwaltungsgebäudes würde ich gern niederreißen.«

Der Mann lächelte und blickte sie mit väterlichem Wohlwollen an: »Vielleicht kommt das von der Liebe?«

»Wie bitte?«

»Vielleicht ist es eine unglückliche Liebe, die Sie so in flammenden Aufruhr versetzt!«

»Zurzeit kenne ich keinen Mann, den ich liebe. Ich habe mich schon ein paar Mal verliebt und bin immer wieder enttäuscht worden. Was ich jetzt liebe, ist die Liebe an sich.«

»Oh, erzählen Sie mir, was verstehen Sie unter Liebe!«

Sie zuckte verächtlich mit den Schultern: »Sie kennen die Liebesgeschichten junger Leute und wissen, wie sie enden. Bei mir war es nicht anders. Dann schwärmte ich für einen Schauspieler. Immer wenn sich jemand für mich interessierte, glaubte auch ich, ihn zu lieben, und meine Liebe war jedes Mal erloschen, wenn er mich wieder verließ.«

»Und im Augenblick, gibt es da etwas?«

»Ja, die größte Liebesgeschichte überhaupt – die Liebe zur Liebe.«

Sie blickten sich lange an, dann fragte sie ihn: »Wozu raten Sie mir, Sie edler Herr?«

Er lächelte: »Nun, zu Tanz, Gesang und Fröhlichkeit und zu Mord, Brandstiftung und Zerstörung.«

»Ach Sie, jetzt wollen Sie sich über mich lustig machen!«

»Gott behüte, aber wenn ich mich in Sie versetze, was kann ich dann anderes raten.«

»Wirklich?«

»Was für eine Ähnlichkeit besteht doch zwischen uns!«

»Worin?«

»Na, zumindest im Unglück!«

Das machte sie neugierig: »Ich habe viel von Ihnen gehört.«

Er ging nachdenklich darauf ein: »Auch ich besaß einmal eine blühende Jugend und malte mir eine verheißungsvolle Zukunft aus.« Dann lächelnd: »Damals wollte ich ein Revolutionär werden, mit dem Volke gehen.« Er schwieg einen Augenblick lang, bis er weitermurmelte: »Und mir war das nicht genug, ich arbeitete sogar im Untergrund.« Endlich fuhr er fort und wischte das Folgende gleichsam mit einem Lächeln weg: »Dann verbrachte ich fünfundzwanzig Jahre meines Lebens im Gefängnis.«

»Zuerst wurde ich durch ein Gespräch zwischen einigen Kollegen in der Verwaltung auf Sie aufmerksam. Sie redeten über Sie und sagten: ›Dieser Mann ist einer unserer Helden aus der Vergangenheit.‹«

»Der Held kam aus dem Gefängnis, als er über fünfzig war. Weil einige mit mir Mitleid hatten, wurde ich Beamter mit dem Gehalt eines Anfängers. Es wird nicht mehr lange dauern, dann quittiere ich den Dienst, ohne pensionsberechtigt zu sein. Für mich gab es keine Liebe, keine Ehe, keine Familie. Wenn ich noch länger lebe, bleibt mir nur übrig zu vagabundieren und zu hungern.«

»Ein wahrhaft heldenhaftes Leben!«

»Deswegen sagte ich, dass zwischen uns große Ähnlichkeit besteht.«

»Dennoch, Sie sind ein Held!«

»Niemand denkt heute mehr an mich.«

Leises Gelächter drang zu ihnen in den Pavillon und wurde immer deutlicher. Ein junges Mädchen und ein junger Mann kamen herein und umarmten sich schnell und leidenschaftlich. Das junge Mädchen legte den Kopf an die Schulter des jungen Mannes und schloss die Augen. Sie drehte den Kopf. Als sie die Augen öffnete, fiel ihr Blick auf den Mann und das braunhäutige Mädchen mit den grünen Augen. Sie lächelte mit unmerklicher Verwirrung, dann nahm sie ihren Geliebten an der Hand, und gemeinsam verließen sie den Pavillon. Das braunhäutige Mädchen brach in ein Lachen aus, der Mann lächelte.

Sie fragte ihn: »Warum haben Sie vorgeschlagen, dass wir uns in diesem Park treffen?«

»Ich bin früher öfter hier gewesen.«

»Und Sie wissen nicht, was heute hier geschieht?«

»Nein, wir haben ihn manchmal als Versteck benutzt, von dem aus wir unsere Gegner überfielen.«

Sie erhob sich behände, nahm ihn am Arm und ging mit ihm zur Wand des Pavillons. Dort suchte sie eine Lücke zwischen den Jasminzweigen, blickte hindurch und forderte ihn auf, das gleiche zu tun. So schauten sie gemeinsam, dicht nebeneinander stehend, und der Mann staunte.

Sie flüsterte ihm ins Ohr: »Sehen Sie in den Park!« Dann, ein Lachen unterdrückend: »Er steckt voller Liebespaare!«

»So sehr, dass man es sich kaum vorstellen kann!«

»Man kann sich alles vorstellen, wenn man sich vom Würgegriff des traditionellen Denkens frei gemacht hat.«

Er war sichtlich erregt: »Sehen Sie sich diese Sünderin an!«

»Sie ist trunken vor Liebe!«

»Und das ist ein öffentlicher Park?«

»Ja, er hat nur den einen Fehler, dass er dem Paradies gleicht.«

»Das ist die Zeit der Rosen!«

»Für wen, für den Park?«

»Für diese Sünderin!«

»Ich glaube, ihr flößt kein Stiefvater Schrecken ein, und ihr droht kein Gefängnis.«

Als hätte es ihm den Atem verschlagen, kehrte der Mann hastig zu seinem Platz zurück. Das Mädchen trat ein paar Schritte in die Mitte des Pavillons. Sie stand da, als wolle sie ihren anmutigen Körper zur Schau stellen. Mit einer tänzerischen Bewegung drehte sie sich zweimal um sich selbst. Er fragte sie, ohne seine Selbstbeherrschung wieder gefunden zu haben: »Warum haben Sie sich ausgerechnet mich ausgesucht?«

»Weil Sie ein Mann sind, der die Blüte seines Lebens im Gefängnis verbracht hat.«

»Und deshalb glauben Sie, ausgerechnet bei mir tollkühne Ansichten zu finden?«

»Ich hatte mir gedacht, dass mich nur ein Mann vor dem Tode retten kann, der selbst mit dem Tod gespielt hat.«

»Das ist doch wohl ein Scherz!«

»Aber nein, bei wem sollte ich sonst eine Meinung finden, die eines Helden würdig ist.«

Er zögerte einen Moment, dann fragte er sie: »Fürchten Sie nicht, dass ich mich in Sie verlieben könnte?«

»Nein, da habe ich gar keine Angst.«

Der Mann schüttelte hilflos den Kopf. Sie setzte sich wieder neben ihn auf die Bank und wollte wissen: »Gibt es denn in Ihrem Leben keinerlei Ablenkung?«

Er antwortete gleichgültig: »Ich lese viel und gehe von Zeit zu Zeit ins Kino.«

»Und Sie leben allein?«

»Ja, ich habe keine Angehörigen in Kairo.«

»Haben Sie denn keine Freunde?«

»Ich hatte welche, die einen fielen während der Revolution, und mit den anderen, die sich eines Tages im Ministersessel niederließen, verbindet mich nichts mehr.«

»Und Frauen, gibt es in Ihrem Leben keine Frauen?«

»Ihre Saison ist bei mir vorüber.«

Sie dachte kurz nach: »Ich möchte Ihnen ein Geheimnis anvertrauen.«

In diesem Moment waren mehrere laute Schüsse zu hören. Der Mann schrak zusammen, das Mädchen zitterte.

»Was ist los?«

»Schüsse aus einem Schnellfeuergewehr.«

»Wieso das? Warum nur?«

»Ich weiß es nicht …«

»Ein Überfall?!«

»Aber die Alarmsirene war noch nicht zu hören, vielleicht ist es nur eine Übung.«

Es war still. Sie lauschten immer noch angespannt und voller Unruhe. Sie fragte: »Ob sich das wiederholt?«

»Ich weiß es nicht …«

»Ob der Krieg wieder beginnt?«

»Wer weiß!«

»Man spricht immerzu davon.«

»Aber das Gerede endet da, wo es angefangen hat.«

»Denken Sie oft daran?«

»Schon, es geht uns alle an und betrifft unser Schicksal.«

Beide verharrten für eine Weile in Schweigen. Dann sagte er: »Die Schießerei wühlt mein Inneres auf. Ich bin ganz durcheinander. Aber lassen wir das! Sprachen Sie nicht gerade von einem Geheimnis?«

Sie lächelte: »Ja … es gibt da ein Geheimnis.« Er blickte sie neugierig an. So sagte sie: »Es gibt doch einen Mann in meinem Leben.«

»Ach, wirklich?«

»Einen reichen, jungen Mann aus Tanta!«

»So wird der Traum Wirklichkeit.«

»Nein, er ist verheiratet.«

»Was ist er von Beruf?«

»Kaufmann.«

»Sind Sie denn damit einverstanden, die zweite Frau zu werden?«

»Er verabscheut den Gedanken, mit mehreren Frauen verheiratet zu sein.«

»Wird er sich denn von seiner Frau scheiden lassen?«

»Er denkt nicht an eine Scheidung.«

»Was will er dann?«

»Er liebt mich.«

»Der Lügner!«

»Ich glaube, er ist aufrichtig.«

»Wird er … wird er …«

»Wir haben uns zweimal in einer Teestube getroffen.«

»Und was soll nun werden?«

»Er will, dass ich mich ein drittes Mal mit ihm treffe.«

»Aber schickt sich das denn?«

»So sind wir wieder am gleichen Punkt angelangt.«

»Es ist offensichtlich, dass er mit Ihnen nur flirten will.«

»Oder dass ich mit ihm flirte.«

»Bleiben Sie so unschuldig, wie Sie jung sind!«

»Er erzählte mir einmal ganz nebenbei von einer Wohnung, die er besitzt, bei den Pyramiden.«

»So ein Schamloser!«

»Ich bin noch ganz unschlüssig.«

Er brauste auf: »Was soll denn das ganze Theater von Tanzen, Singen und Fröhlichsein!«

»Ich möchte nicht, dass Sie böse werden …«

Sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Stirn. Er sah sie mit leidenschaftlicher Fürsorge an.

Sie bettelte: »Und Sie können mir gar keinen Rat geben?«

»Wozu kann ich Ihnen schon raten? Sie müssen so lange Geduld haben, bis die Freude zu Ihnen kommt, auch ich muss ausharren, bis mich der Tod wegrafft.«

Sie stand auf: »Danke, dann muss ich also gehen …«

Er wollte es nicht wahrhaben und rief: »Sie gehen?«

»Ja, schließlich kann ich nicht für immer hier bleiben.«

»Und Sie gehen zu dem reichen jungen Mann aus Tanta.«

»Nein, heute bin ich nicht mit ihm verabredet.«

»Sie dürfen noch nicht gehen …«

»Aber es ist Zeit für mich.«

Wieder trat er zur Wand des Pavillons, warf einen Blick nach draußen und sagte nervös: »Liebe lässt sich nicht zügeln.«

»Genießen Sie, was Sie sehen!«