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Ein Historischer Roman, der in einer Zeit beginnt, indem Frauen noch vornehmlich im Haus buchstäblich festgebunden waren und daneben Aufgaben hatten, wie dem Mann zu dienen und zu gehorchen. In diesem Roman, der eine Mischung aus Krimi mit Spannung und einige Emotionen hervorbringen, brechen Frauen aus diesen festgelegten Zwängen aus und begeben sich auf spannende und emotionale Reisen in ungewisse Welten und auch in eine ungewisse Zukunft. Im 19. Jahrhundert waren die Herrscherhäuser, Königreiche und Fürstentümer in weiten Teilen Europas damit beschäftigt, sich vom Napoleonischen Joch zu befreien, was erst 1815 gelang. Alte Strukturen vor dieser Zeit, wurden danach weitestgehend wiederhergestellt. Dadurch wurde Politik und gesellschaftliche Weiter -entwicklung wie bisher, direkt zwischen den einzelnen Fürstentümern in Deutschland praktiziert. Mädchen, jungen Frauen, die sich nicht wehrten, wurde Bildung untersagt, wenn überhaupt durften sie Französisch lernen, um leichte Konversationen führen zu können. Damit waren schon alle bildenden Ziele für die weibliche Bevölkerung erreicht. Dieses betraf nur das Bürgertum. Adlige Mädchen und Damen durften, wenn überhaupt nur als Gesellschaftsdame, als Gouvernante in Erscheinung treten, wenn sie nicht passend verheiratet wurden. Gymnasien und Universitäten durften sie nicht besuchen. Diese Situation führte dazu, dass ein riesiges Heer von unverheirateten, später, wenn diese dann verheiratet waren, aber auch als Witwen verarmten. Diese Gruppen zu unterhalten waren kostspielig. Männer klagten darüber, wie teuer ein Eheleben war und Sozialsystem gab es nicht um diese Kosten später abzufedern. Dieser Roman zeigt deutlich den Wandel der Zeit um die Jahrhundertwende bis weit nach dem ersten Weltkrieg. Unerfüllte Liebe, Trauer über Verluste von Menschen die einem sehr nahe stehen, Kinder, Enkel und auch Kriegseinsätze spielen eine erhebliche Rolle in diesem spannenden und aufregenden Roman.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Inhaltsverzeichnis
Die Stärke der Frauen
VORWORT
Veränderungen
Im 19. Jahrhundert waren die Herrscherhäuser, Königreiche und Fürstentümer in weiten Teilen Europas damit beschäftigt, sich vom Napoleonischen Joch zu befreien, was erst 1815 gelang. Alte Strukturen vor dieser Zeit, wurden danach weitestgehend wiederhergestellt. Dadurch wurde Politik und gesellschaftliche Weiter -entwicklung wie bisher, direkt zwischen den einzelnen Fürstentümern in Deutschland praktiziert.
Nach und nach wurde die Staatsverwaltung in Preußen zentralisiert und von Patronage - und Pfründenwirtschaft befreit und dadurch für Beamte, die der Karriere nicht abgeneigt waren, geöffnet.
Der bis dahin dominierenden Adel wurde damit zurückgedrängt. Reformen, alte Strukturen wurden danach nach und nach verändert und damit abgeschafft. Trotz alledem wollte die einfache Bevölkerung mehr, wollte mitreden, wollte Einfluss gewinnen. Aber auch Teile des Adels lernten, musste sich anpassen, mussten in bürgerliche Gegebenheiten sich einbringen, wollten sie auf Sicht erfolgreich bleiben und weiterhin Bestand haben.
Als wesentlicher Motor dieser Veränderungen tat sich Preußen hervor. Kein anderer Staat auf deutschem Gebiet konnte die Reformen so umsetzen und wollte vielleicht auch nicht. Bauern wurden von ihren Diensten für den Grundherrn befreit, Gewerbe und Handel wurden der Bevölkerung erlaubt. Es wurde Freizügigkeit garantiert, wobei auch die Niederlassungsfreiheit damals dazugehörte. Fabriken, Handelsgeschäfte konnten eröffnet werden, wie die unserer Romanfiguren. Die zaghaft beginnende Industrialisierung wurde durch die gegründeten Spinnereien und dem Eisenbahnbau getragen. Durch die Eisenbahn konnten Orte schnell erreicht, Menschen zu den Arbeitsplätzen befördert werden und Reisen, mit großen Strecken, die sonst schwierig waren, durchzuführen, konnten kurzerhand bewältigt werden, sobald die Schienen lagen.
Im Jahre 1848 strebte die Bevölkerung, Männer und Frauen, nach mehr Freiheit und Mitsprache am politischen Leben. Überall in Europa waren die Demokratiebewegungen zu spüren. In Deutschland konnten sich diese nicht durchsetzen und endeten 1849 mit Gegenmaßnahmen. Zu dem Zeitpunkt war es nicht verwunderlich, dass auch Frauen sich für das politische und Gesellschaftliche Leben interessierten. Es war hier nur von einem kurzen Strohfeuer Einzelner die Rede, denn schon ein Jahr drauf wurde dem weiblichen Geschlecht jegliche öffentliche Betätigung untersagt. Die Frauen hatten allen Grund aufzubegehren, denn Missstände gab es zu Hauff, was öffentlichen Widerspruch gerechtfertigt hätte. In dieser Zeit wurden unsere Romanfiguren Anna von Walthershausen, Marie Abel, Antonie von Walthershausen später und Katharina, eine angeheiratete von Walthershausen herein geboren. Frauen, die entgegen ihren Familien etwas bewegen wollten und aufbegehrten.
Mädchen, jungen Frauen, die sich nicht wehrten, wurde Bildung untersagt, wenn überhaupt durften sie Französisch lernen, um leichte Konversationen führen zu können. Damit waren schon alle bildenden Ziele für die weibliche Bevölkerung erreicht. Dieses betraf nur das Bürgertum. Adlige Mädchen und Damen durften, wenn überhaupt nur als Gesellschaftsdame, als Gouvernante in Erscheinung treten, wenn sie nicht passend verheiratet wurden. Gymnasien und Universitäten durften sie nicht besuchen. Diese Situation führte dazu, dass ein riesiges Heer von unverheirateten, später, wenn diese dann verheiratet waren, aber auch als Witwen verarmten. Diese Gruppen zu unterhalten waren kostspielig. Männer klagten darüber, wie teuer ein Eheleben war und Sozialsystem gab es nicht um diese Kosten später abzufedern.
Die Mädchen, jungen Frauen, allen voran Anna von Walthershausen, die dieses erkannten, strebten nach Unabhängigkeit, versuchten sich in ihrer Familie und in der Gesellschaft darüber hinwegzusetzen. So auch Anna von Walthershausen, die genau in dieser Zeit geboren wurde, wo diese Probleme allgegenwärtig waren. Diese junge Adelige strebte nach Eigenständigkeit, gezwungen durch das Zerwürfnis mit ihren Eltern, durch eine nicht geduldete, akzeptierte Liebschaft. Ihr Weg führte sie von ihrem Heimatort im thüringischen weg, auf der Suche nach ihrem Liebsten, einer der Gründe ihres Zerwürfnisses, bis nach London, um später, im Hohen Alter in ihre Heimat, als erfolgreiche Geschäftsfrau zurückzukehren., die sich bis in den ersten Weltkrieg mit dem deutschen Militär sich einließ und ihre Geschäfte abwickelte. Immer wieder zu ihren Bedingungen. Die Herren konnten ihr nicht widerstehen.
Die weitere Romanfigur Tyler Red stammte aus Irland und hatte sich durch persönliche Probleme in Irland und durch die wirtschaftliche Not in seinem Heimatland nach London begeben müssen. Irland war im 19 Jahrhundert jahrzehntelang von Missernten, der sogenannten Kartoffelfäule geplagt. Ganze Familien verhungerten, da sie nicht wussten wie sie sich und ihre Angehörigen noch ernähren sollten. Die politisch verantwortlichen fanden nicht die richtigen Mittel, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Das führte wiederum dazu, dass Mitte des 19 Jahrhunderts ein Viertel der Landbevölkerung ihr Land verließen und in verschiedene Länder der Welt auswanderten, wobei viele nach Nordamerika, Australien und Großbritannien auswanderten. Tyler Red wählte den Weg nach Großbritannien. Dieses war der schnellste Weg, vor seinen Verfolgern zu fliehen und gleichzeitig die Unterstützung seiner Familie zu erhalten. Tyler entstammte dem niedrigen Adel, neidisch vom höheren Adel betrachtet. Man gönnte ihm nichts, nicht einmal eine schöne Frau, die einem anderen Adligen, aus altem Adel, versprochen war.
Seine Eltern, sein Bruder und er befassten sich in ruhigen Zeiten mit Schafzucht und dem daraus resultierenden Fellhandel. Durch die wirtschaftlichen Probleme in Irland, geriet auch die Familie, neben Tylers Problemen, zusätzlich unter Druck und musste handeln.
Als Tyler nach einer langen Odyssee in London ankam, traf er auf die Handelsorganisation für Fell- und Lederhandel, die ihm von seinem Vater genannt wurde und musste sich arrangieren, um ins Geschäft zu kommen, heiratete später die Tochter des Leiters der Agentur und baute sein Geschäft auf, was nicht ohne Reibungspunkte mit der Familie seiner Ehefrau Innogen Aibhilin vonstattenging.
Durch diverse Schicksalsschläge lernte er nach einigen Jahren, erst als Konkurrentin, dann als Geliebte, seine spätere Ehefrau Anna von Walthershausen kennen. Der Weg dorthin war beschwerlich und sollte auch später kein gutes Ende für beide finden.
Inhalt
1. Abschied - 1869 Göttingen2. Belfast 18693. Annas Brüder4. Geschändet5. Das fremde Mädchen im Zimmer 6. Spontane Rache7. Tage der Suche und Erkenntnisse 8. Die anstehende Geburt9. Geschafft10. Aufbruch11. Treffen und Überraschendes12. Die Entscheidung13. Entdeckungen der unangenehmen Art14. Das Essen15. Reise nach, und Ankunft in London16. Die erste Hochzeit und das Ende17. Befreiung in Calais18. Leben und Arbeiten in London19. Die Beerdigung und die Folgen20. Die Besuche und Hoffnung21. Die Treffen22. Das Wiedersehen23. Hochzeit aus Liebe24. Keine Erinnerung25. Warten26. Der Termin27. Aufregung28. Warten auf Neuigkeiten29. Die Auswirkungen30. Neuerliche Entscheidungen31. Das Vermächtnis32. Das Unglück33. Schreckliche Wahrheit34. Die Zwillinge35. Unerwarteter Besuch36. Vergeltung37. Zurück nach London38. Ungebetener Gast39. Wut und Zweckverbindung40. Selbstzweifel41. Am Ende der Wut42. Abreise in die Zukunft43. Neunzehnhundert dreizehn44. Geschäfte mit dem Militär45. unvorstellbar46. Besuch der unangenehmen Art47. Überraschungen48. Übernahme und Kennenlernen49. Einschneidende Veränderungen50. Verdächtigungen51. Irrtum52. Wiedersehen53. Der anmaßende Wicht54. Geständnisse55. Rache anders als gedacht56. Aussprachen und Wahrheiten57. Versuchte Nachforschungen58. Törichte Eifersucht59. Unterlagen60. Unterstellungen61. erfolgreich62. Hochzeitsglocken63. Reise nach Mailand, neue Geschäfte64. Annas Reise nach Königsberg65. Schlechte Vorahnung66. Die Katastrohe67. Ankünfte68. Klare Entscheidungen69. Große Ungewissheiten70. Aufbruch in eine neue Zukunft71. Flucht aus der Hölle72. Gespräch unter Frauchen und Einigung73. Bekanntschaften74. Kamerad oder Hund75. In Paris76. Schreckliche Neuigkeiten77. Rückreisen78. Das Zusammentreffen79. Vergnügen80. Der Neunanfang81. Antonies Rückkehr ins Leben82. Reise nach München83. Glücksgefühle und Niederschläge1.Abschied - 1869 Göttingen
Anna von Walthershausen hatte sich mit ihren Eltern überworfen, denn sie fand kein Verständnis bei ihnen für ihre große Liebe zu Wilhelm Heise.
Dieser diente als ein kleiner Feldwebel im preußischen Heer und hatte wenig Aussicht auf einen höheren Dienstgrad, da er bisher nicht die entsprechenden Protegés hatte, obwohl Wilhelm Heise aus einem militärisch geprägten Hause stammte , wo der Vater in der französischen Armee diente und bereits verstorben war. Sein Bruder Hans hatte sich in die österreichische Armee verdingt und versah seinen Dienst in einer Einheit in Kroatien. Wilhelm Heise wuchs als jüngster Sohn in Kehl auf, dem grenznahen Gebiet zu Elsass-Lothringen, und war bereits, nachdem sein Vater verstarb, mit 15 Jahren in die preußische Armee eingetreten. Er war ehrgeizig und in seiner Einheit in Göttingen beliebt, die in der Kaserne am Geismar Tor stationiert war. Bei einem Manöverball, in Wernigerode, lernte er Anna v. Walthershausen, gerade einmal 17 Jahre alt, kennen, die mit ihren Eltern zum ersten Mal am Ball teilnahm. Ihr Vater hatte aus alter Verbundenheit, die Einheit auf seinem Besitz während des Manövers kampieren lassen und wie es sich für ihn gehörte, aus alter Tradition heraus, zur Versorgung beigetragen. Am letzten Ballabend durften Wilhelm und Anna miteinander tanzen, nachdem ihre Eltern dieses ausnahmsweise erlaubten, obwohl ein Feldwebel, so wie sie es empfanden, nicht zu ihrer Tochter passte. Jedoch sprang bei den beiden der Funke der Leidenschaft über. Von diesem Mann war Anna von nun an fasziniert. Dieser soldatisch korrekte Feldwebel war überglücklich hier ein junges Mädchen, an der Schwelle zur Frau, getroffen zu haben, hatte er doch bisher nur mit einfachen Mägden, eben passend zu seinem Rang, sich treffen können.
Wilhelm Heise war eben nicht von Adel, so wie Anna, obwohl diese nur von niederem Landadel war, sodass beide trotzdem von Standes wegen, Welten trennten. Er wusste das, konnte aber nicht von Anna lassen, obwohl dieses seine Pflicht gewesen wäre, verabredete er sich weiterhin heimlich mit ihr.
Dabei sollte es nicht bleiben. Eines Tages trafen sie sich nach einer Ewigkeit wieder, zumindest kam es beiden so vor und es kam wie es kommen musste. Sie liebten sich, obwohl Anna unerfahren, jedoch voller Leidenschaft war. Wenige Tage nach diesem Rendezvous, war das Manöver jeglicher Art beendet und Wilhelm zog mit seiner Einheit wieder zurück nach Göttingen. Er hatte nicht viel Zeit, sich von Anna zu verabschieden und vergaß ihr, gewollt oder ungewollt, seine Adresse aufzugeben. Eines hatten sich beide jedoch versprochen, sie wollten sich wiedersehen. Sie wusste nur, dass er in Göttingen stationiert war und wollte ihn unbedingt wiedersehen.
Die Wochen vergingen und Anna wurde immer ungeduldiger. Ihre Eltern ahnten den Grund, konnten trotz ihres unleidlichen Verhaltens, eine derartige Verbindung nicht gutheißen. Anna immer schon selbstbewusst, widersetzte sich diesem Zwang, konnte aber gedanklich nicht von ihm lassen, was ihr Verhalten ebenso beeinflusste. Obwohl sie gerade erst 17 Jahre alt war, empfand sie trotz der wochenlangen Trennung eine tiefe Liebe zu ihrem Wilhelm, sodass sie ihr Elternhaus verlassen musste, wenn sie ihn wiedersehen wollte. Eines Tages fasste sie daher den für sie unausweichlichen Entschluss, machte sich mit dem Zug auf dem Weg nach Göttingen, wo sie mitten im Hochsommer eintraf. Die Fahrt war schon mit allen Schwierigkeiten verbunden, wo sie nicht mitrechnete, denn es gehörte sich nicht, dass eine Frau aus der höheren Gesellschaft allein reiste. Der Beamte am Bahnhofsschalter in Wernigerode, schaute sie verdutzt an und war sich nicht sicher, ihr die Fahrkarte verkaufen zu dürfen. Erst die Überredungskünste von ihr, indem sie eine Notlüge gebrauchte, dass sie in Göttingen ihre kranke Tante besuchen wolle, verhalf ihr, die Karte zu erhalten. Als sie endlich im Zug saß und später, während der Fahrt, der Schaffner die Karten kontrollierte, war es ihr peinlich, denn auch er fragte sie, ob sie überhaupt die Erlaubnis der Eltern hatte, so allein reisen zu dürfen. Ihr Äußeres ließ erkennen, dass sie noch nicht volljährig war und aus besserem Haus stammen musste. Wie sollte sie das auch verheimlichen? Die Mitreisenden musterten sie aufs äußerste, schüttelten den Kopf, sodass sie froh, war, als der Zug endlich im Bahnhof von Göttingen eintraf.
Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie auf sich allein gestellt, dieses fiel ihr schwer, denn bisher hatte sie auf dem Junkergut ihrer Eltern derer von Walthershausen in Thüringen ein beschütztes, wie man sagt, sorgenfreies Leben geführt. Sie brauchte sich keine Gedanken machen über ihr Auskommen, Leben machen, schon als kleines Mädchen sorgten andere für sie, so wie es eben üblich war. Alles wurde ihr vorgegeben, jeder war damit befasst, sie zu behüten. Ihr Vater Gottfried von Walthershausen, geprägt von Tradition und Pflichtbewusstsein, Recht und Moral, hatte mit seiner Frau Adelheid, eine geborene von Senft, ebenfalls aus altem Adel, immer versucht, seine einzige Tochter und die Söhne Robert und Theodor, nach den alten Konventionen zu erziehen, so wie es im Dasein eines Junkers des 19 Jahrhunderts üblich war. Dieses geschah an der Schwelle zur Neuzeit, wo junge Frauen wie Anna aufbegehrten und die Kinder frei sein wollten. Besonders die jungen Mädchen versuchten, aus den strengen Konventionen der Vergangenheit auszubrechen, indem sie Schulen und Universitäten besuchen wollten. Jungen Frauen wurde es nicht gestattet, zu studieren, geschweige denn Berufe zu erlernen, die den Männern vorbehalten waren. Allenfalls eine Hauswirtschaftsschule hätte Anna besuchen können. Das wollte sie nicht, sie wollte auf eigenen Beinen stehen. Den Bruch mit ihrem Elternhaus nahm sie dafür in Kauf. Ihre Eltern Gottfried und Adelheid, hatten kein Verständnis für ihre Gefühle, weder zu ihrer Wissbegierde noch zu ihrem Verhalten. Sie wollten die Verbindung zu Wilhelm, ihr Aufbegehren unterbinden und stellten sie vor die Alternative, ein gesichertes Zuhause oder aber sie geht ihren Weg ohne jegliche Verbindung zu den derer von Walthershausen mehr. Dieses bedeutete den endgültigen Bruch mit ihrem Elternhaus und der Vergangenheit, der Liebe wegen. Zum Entsetzen ihrer Eltern entschied sie sich für ihre Freiheit, mit allen Konsequenzen.
2. Belfast 1869
Im Morgengrauen standen sich Tyler Red., eigentlich O`Red und der adlige O´Sullivan auf einer Lichtung in der Nähe von Belfast zum Duell gegenüber. Es ging um ein Mädchen, welches O´Sullivan Tyler Red, einem Landwirt, vom niedrigen Adel und deren Eltern gerade in den Adelsstand erhoben, nicht gönnte. Das junge Fräulein Catriona , ebenfalls eine Adlige aus dem Hause O`Shea, war vor einiger Zeit Paul O´Sullivan versprochen. So hatten es die beiden Familien vereinbart. Sie war aber nicht gewillt O´Sullivan zu ehelichen, sondern hatte sich unsterblich in den jungen Red verliebt und mit ihm ein Verhältnis angefangen.
Die beiden jungen Männer, wollten die Angelegenheit ein für alle Mal klären, standen sich, mit 10 Schritt vom Mittelpunkt entfernt gegenüber und hielten die schweren Pistolen aufeinander gerichtet. Nach einer kurzen Einweisung gaben die Sekundanten das Duell gleichzeitig frei. Beide drückten augenblicklich, nach einem kurzen Zielen, ab. O´Sullivan fiel um, war in der rechten Schulter getroffen und schrie wie am Spieß.
Die Sekundanten, darunter Peter McCoy, ein Adliger und Tylers Freund, beendeten das Duell, indem sie Tyler Red zum Sieger erklärten und kümmerten sich unvermittelt um den Verletzten. O`Sullivans Sekundant, Marc Brennan, sah das nicht anders, war aber ein erklärter Gegner der Landbevölkerung, die es geschafft hatten, sich in den Adel aufzuschwingen und dieses dann zeigten. Dieses nahm er O`Sullivans Kontrahenten übel und brachte es in seinen Gesichtszügen auch klar zum Ausdruck. Der Hass sprühte ihm daher nur so entgegen. „Mach, dass Du verschwindest, bevor ich dich töte,“ schrie der Unterlegene ihm entgegen. Mittlerweile hatte dieser sich soweit erholt und konnte bereits wieder stehen. Tyler und auch McCoy fühlten sich wie vor den Kopf gestoßen, wussten sie doch genau, dass die Gefahr darin lag, dass hier Adlige zusammenhielten und ihnen das Leben schwer machen können.Er wollte es nicht auf sich beruhen lassen. Ehe die anderen realisieren konnten was er vorhatte, war er schon bei O`Sullivan. Obwohl dieser verletzt war, schlug er ihm die rechte Faust auf die Nase. Ein widerliches Knirschen war zu hören. Blut strömte aus der zerschmetterten Nase. „Wenn Du so ein unfairer Lump bist, musst Du auch die Konsequenzen tragen,“ schleuderte er ihm noch verbal ins Gesicht.
Die Sekundanten kamen augenblicklich auf Tyler zu gerannt, rissen ihn zurück, denn dieser wollte noch weiter auf seinen Gegner einprügeln. „Pass auf Catriona auf“ zischte O`Sullivan ihn an. „Es ist besser, wenn wir gehen“, sagte sein Sekundant Peter. Sie verließen den Ort des Geschehens, ohne sich noch einmal umzusehen. Nachdem sie eine Zeitlang durch den kalten Morgen liefen, brach Peter das Schweigen „Tyler, da hast du eine böse Sache losgetreten. O`Sullivan wird keine Ruhe geben bevor er sich nicht an dir oder aber auch Catriona gerächt hat. Ihr seid beide in höchster Gefahr.“ „Das glaube ich nicht. Hunde, die bellen, beißen meistens nicht.“ tat Tyler die Sache ab. „Wenn du dich mal nicht irrst,“ erwiderte Peter. Jeder hing seinen Gedanken nach, als sie sich voneinander trennten und jeder seinen Weg nach Hause einschlug.
Tyler kam erschöpft auf das Landgut O`Red in der Nähe von Newcastle zurück, was direkt an der Irischen See liegt. Dort wo er aufwuchs lebten sie seit Jahrzehnten, die sich einfach Red nannten, nachdem sie in den Adelsstand erhoben wurden. Mit seinen Eltern Maxwell und Adelaide Red und seinem jüngeren Bruder John, ließen sie ihre Schafe direkt auf den saftigen Küstenwiesen zur Irischen See hin weiden.
Das eigene Land war weit, mit dem milden Klima, war ideal für die Schafzucht. Sie hatten eine Herde von rund 10000 Stück Schafen, die auf 300 Hektar ausreichend Platz fanden. Abgelegene Weideflächen, auch saftiges Grasland, nutzten sie für die Versorgung der Tiere in den Wintermonaten. Diese, zusätzlichen große Flächen riefen viele Neider her, ganz besonders vom alten Adel.
Die O`Reds, als sie noch nicht in den Adelsstand erhoben waren, hatten durch gute Geschäfte, gutes Wirtschaften, immer mehr Land von den aufgebenden Landwirten erwerben können.
Der alte Adel hatte den weiteren Ankauf nicht nötig, sie verfügten bereits über genügend Land und wussten durch Ignoranz, schlechtes Behandeln der Landbevölkerung, nicht wie sie ihre bereits vorhandenen Flächen noch bewirtschaften sollten.
Dadurch spielte ihnen auch das Auswandern dieser Schichten nach Amerika in die Hände, nicht mehr bewirtschaftetes, aufgegebenes Land erwerben zu können. Die Red`s wurden immer einflussreicher. Aber sie wurden vom alten Adel nicht akzeptiert, waren und blieben in deren Augen Emporkömmlinge.
Sie vermarkteten die Schafe in Irland und auch nach England rüber, handelten mit Fell und gerbten daraus Leder. Diese Entwicklungen mit der Weitsicht, rief die Neider zuhauf hervor.
Tyler kam direkt über einen kleinen Eingangsbereich ins Erdgeschoss. Dieses bestand aus einer großen offenen Empfangshalle, Küche, Rauchsalon und Esszimmer für 40 Personen. Alle anderen Räume befanden sich in der oberen Etage, die über eine große Freitreppe von der Empfangshalle aus zu erreichen waren.
Diese Treppe rannte er nach oben. Er hatte es eilig, denn seine Gedanken schwirrten um das Geschehene und er musste seine Familie informieren. Im oberen Geschoss befand sich auch sein Zimmer. Tyler lief direkt in die Arme seines jüngeren Bruders John. „He nicht so stürmisch. Du rennst ja, als wenn der Teufel hinter dir her ist“ brummte John ihm erschreckt entgegen. Geistesgegenwärtig antwortet Tyler ihm „Nein ganz gewiss nicht, ich hatte es nur eilig, weil ich so spät dran bin.“ Eigentlich wollte er ihm sagen, beinah ist es auch so, hatte dieses aber vorsorglich heruntergeschluckt. „Das stimmt, heute bist du wirklich spät dran. Ich will auch zur Herde, soll ich auf dich noch warten und wollen wir gemeinsam hin?“ fragte John. Tyler schaute ihn an, in Gedanken schon ganz woanders, und sagt: „Nein, ich brauche noch einen Moment, ich komme gleich nach.“
Er konnte seinem Bruder, der 10 Jahre jünger ist doch nicht alles erzählen, der hätte sich bestimmt geängstigt, wäre nicht mehr allein rausgegangen. Außerdem hatte Tyler noch vor, zu Catriona O´Shea zu reiten. Er musste sie sehen und sie warnen, denn er hatte über die Worte nach dem Duell nachgedacht und ihm war nicht wohl dabei. Alles was vorgefallen war wollte er auch ihr nicht erzählen, denn sie würde sich unnötig ängstigen.
Tyler hatte gerade alles zusammengeräumt und wollte sich auf dem Weg machen, als unten die Außentür gegen den Rahmen schlug und unverkennbar sein Vater Maxwell mit stapfenden Füßen die Treppe heraufkam. Er brüllte schon von der Treppe aus: „Tyler Red, wo steckst du.“ Dieser wusste sofort Bescheid, diese Tonlage bedeutet nichts Gutes und antwortete augenblicklich: „Hier oben, was ist denn los, warum brüllst du so?“
„Ich hatte gerade Besuch bei den Außenstallungen an der Küste von einem Trupp O`Sullivans und du kannst dir sicherlich denken, was die mir erzählten. Bist du wahnsinnig, dich mit diesen Leuten anzulegen?“ erwiderte Maxwell und hatte dabei ein vom Zorn gerötetes Gesicht.
Er überlegte, wie soll er ihm das jetzt noch erklären, wo sein Vater die Geschichte anscheinend schon erzählt bekommen hatte. Es klappte abermals die Tür, verschaffte ihm ein wenig Zeit, seinem Vater alle Fragen zu beantworten, denn nun stürmte sein Bruder John ins Haus, die Treppe rauf und rief ebenfalls, aber in ängstlicher Tonlage, nach ihm. „Was ist los, warum kommst auch Du jetzt die Treppe heraufgestürmt? “rief Tyler ihm entgegen. „Frage nicht so scheinheilig, du weißt doch ganz genau, warum ich jetzt hier bin.“
„Ja, wenn ihr nun schon beide alles wisst, dann brauche ich ja nichts weitererzählen und kann nur hinzufügen, dass das Schwein nichts anderes verdient hat “ sagte Tyler und erzählte den beiden dennoch ausführlich was vorgefallen war.
Als er geendet hatte sagte sein Vater Maxwell: „Ein Red lässt sich nichts gefallen, dass hast du richtig gemacht. Wo kommen wir dahin, dass er Dir dein Mädchen ausspannen will, auch wenn die Eltern die beiden füreinander versprachen. Aber hättest Du dich denn gleich mit ihm duellieren müssen? Dass was du ihm zum Schluss verpasst hast, ein Schlag auf die Nase, hätte doch als erstes gereicht. Jedenfalls hat Paul Rache geschworen.“ „Ja ich weiß, das hatte er mir auch schon hinterhergerufen“ erklärte Tyler, sichtlich nervös.
„Nimm es nicht auf die leichte Schulter, mit den O`Sullivans ist nicht zu spaßen.“
Er schaute daraufhin seinen Vater an, „Und meinst du wirklich er ist so unberechenbar?“
fragte er ihn das mit einer bedrückten Stimme.
Nun wurde ihm doch unwohl in seiner Haut. Weniger dachte er dabei an sich, vielmehr an Catriona, denn auf sie sollte er aufpassen, ging es ihm bei seinen Überlegungen durch den Kopf. Wenn er sich recht entsinnen konnte, hatte dieses O`Sullivan ihm am Ende ihres Duells hinterhergerufen.
Mit einem Mal lag ihm ein richtig unangenehmer, schwerer Druck auf der Brust, fühlte sich an, als wenn er keine Luft bekommen sollte. Er wusste, sie war allein zuhause. „Dann will ich lieber umgehend zu ihr reiten, denn auch ihr hat er Rache geschworen,“ sagte er zu den beiden und verschwand sofort, ohne sie noch einmal dabei anzusehen.
3. Annas Brüder
Annas Brüder waren in ihren Ansichten unterschiedlich. Robert der Ältere, militärisch, preußisch ausgerichtet, Anstand und Moral, wie beim Vater, waren seine Devise, hatte ohne Vorbehalte die Meinung des Vaters vertreten und brach mit seiner Schwester.
Theodor der Zurückhaltende, aber Aufbegehrende, Reaktionäre aber auch Überlegende, den Sozialdemokraten zugewandt, hatte für seine Schwester Verständnis, konnte den Forderungen der Eltern und denen seines älteren Bruders nicht zustimmen. Da er noch 2 Jahre jünger als seine Schwester war, konnte er noch nicht soweit aufbegehren, zumindest nicht über das verträgliche Maß hinaus, sodass er sie nicht nur moralisch unterstützte, sondern ihr auch seine gesamten Ersparnisse am Vorabend ihres Aufbruchs mitgab. Beide versprachen sich, den Kontakt aufrecht zu halten. Sie versprach ihm, sich bei ihm zu melden, sobald sie Wilhelm gefunden hatte oder seine Hilfe brauchte. Das Letzte wollte sie auf keinen Fall, Hilfe weder von Theodor, so lieb wie er es auch meinte, noch von irgendjemandem aus ihrer Familie. Sie wollte es allen allein beweisen.
Jetzt stand sie hier am Bahnhof, sah wie die Mitreisenden heraus strömten, ihren lieben in die Arme fielen und wusste eigentlich nicht so recht, wo sie Wilhelm Heise suchen sollte, denn eine genaue Angabe der Einheit oder gar der Kaserne wo er stationiert sein könnte, hatte sie nicht. Eines wusste sie auf jeden Fall, sie musste Wilhelm so schnell wie möglich finden. Seit einigen Tagen hatte sie nämlich ein komisches Gefühl, wenn sie morgens aufstand.
Das erste was ihr bei ihren Überlegungen einfiel, wo sie unterkommen könnte, war die St. -Johannis Kirche aufzusuchen und dort vorzusprechen. Sie hatte davon in einer Tageszeitung gelesen, dass dort auch die Möglichkeit bestand, als alleinstehendes Mädchen Unterkunft und Hilfe zu bekommen. Vielleicht wusste man auch dort auch wo das Militär stationiert ist. Als sie nach einem kurzen Fußweg, mit ihrem kleinen, aber schweren Koffer in der St. Johanniskirche, Am Johannis-Kirchhof ankam, war sie doch überrascht, dass dieser Weg sie körperlich anstrengte. Sie stellte ihren Koffer im Eingang der Kirche ab und folgte dem Schild zum Kirchenbüro. Sie sah die Tür und klopfte an. Hinter der Tür meldete sich eine Frauenstimme, die sie aufforderte hereinzukommen. Anna drückte die Klinke herunter und stand unvermittelt in einem geräumigen Büro, was deshalb so den Anschein hatte, weil sich nur ein Schreibtisch und ein Regal darin befand.Hinter der Balustrade saß eine ältere Frau, die sie mit musterndem Blick ansah, sie dann aber fragte wie sie helfen könne. Anna schilderte ihre Geschichte, was die ältliche Kirchenhelferin, schon nach wenigen Sätzen als nicht sittsam ansah und nicht drum herumkam ihr zu erklären, dass es wohl besser sei, sie nehme den nächsten Zug und führe zu ihren Eltern nach Wernigerode zurück.
Spontan kam ihre Antwort. „Das geht nicht, ich kann nicht zurück, ich bin mit meinen Eltern im Streit auseinander gegangen und bin des Hauses verwiesen worden.“ Annas Stimme klang traurig. Zu ihrer Überraschung hatte die Kirchenhelferin Mitleid mit ihr und sagte: „Sie können im kirchlichen Frauenhaus übernachten, wenn sie am heutigen Tage keine Lösung ihres Problems finden würden!“ Eine hilfreiche Errungenschaft, dachte Anna. „Ja besten Dank, ich bleibe diese Nacht hier und werde morgen entscheiden, ob ich noch eine weitere Nacht bei Ihnen bleiben muss, wenn es geht.“
Die Kirchenhelferin, trotz ihrer mürrischen Art, war trotz alledem bemüht zu helfen. „Fräulein, können sie für die Übernachtungskosten aufkommen.“ Nach Annas Meinung verfügte sie über ein kleines Vermögen, welches sie wohlweislich vor der Abfahrt in ihrem Rocksaum eingenäht hatte und nicht in der Börse trug, sagte, „Ich habe nicht allzu viel Geld und bin auf Hilfe angewiesen.“ Sie wollte auf jeden Fall vermeiden, dass man ihre Vermögensverhältnisse gewahr wurde. Sie hatte, dank Theodors Hilfe, ausreichend Geld dabei und würde bei sparsamer Lebensweise eine Zeitlang damit hinkommen. Sie war im Nachhinein ihrem Bruder dankbar, ihr seine Ersparnisse geopfert zu haben. „Die Unterkunft kostete fünfzig Pfennig die Nacht. Aber sie müssen sich das Zimmer mit einer anderen jungen Frau teilen“. Dieses war Anna egal und sagte der Kirchenhelferin „Danke, aber damit komme ich schon klar“.
Sie war erleichtert, zumindest für die erste Nacht, eine Bleibe gefunden zu haben. Die Kirchhelferin, die sich mit Namen Antonia Schwarz vorgestellt hatte, nachdem das Formelle erledigt, zeigte ihr das Zimmer, und gestattete ihr, den Koffer bereits unter dem zugewiesenen Bett abzulegen. Für Anna war das eine Erleichterung, denn nun konnte sie sich frei bewegen und musste nicht ständig auf ihre ganzen Sachen aufpassen. „Danke Frau Schwarz, bitte sagen sie mir, bis wann muss ich im Zimmer zurück sein, wenn ich jetzt noch herausgehe?“ Frau Schwarz drehte sich um. „Bis 20 Uhr, danach besteht keine Möglichkeit mehr ins Haus zu kommen, denn der Hausmeister hat dann Feierabend und niemand anderes kann mehr die Tür öffnen oder schließen.“ Die Zeit sollte ihr für ihre Angelegenheiten ausreichen, um entsprechende Nachforschungen über Wilhelm anzustellen.
Anna überlegte, war sich nicht sicher, ob sie Fräulein Schwarz noch weiter ausfragen sollte, so mürrisch sich diese entpuppte. Ihr sollte aber nichts anderes übrigbleiben, wollte sie Heise so schnell wie möglich finden. „Können sie mir sagen wo das Militär in Göttingen stationiert ist?“ Die alte Jungfer Schwarz rümpfte die Nase „Ich möchte in der Unterkunft aber keinen Ärger.“ Als sie diese Antwort und in das Gesicht der Kirchenhelferin dabei blickte, bedauerte sie schon ihre Frage gestellt zu haben. Widerstrebend gab sie die Adresse. „Am Geismar Tor befindet sich das Militär.“ „Danke,“ sagte Anna.
Überglücklich, endlich einen Ansatzpunkt gefunden zu haben, wollte sie sich sogleich auf dem Weg machen, denn es war noch früher Nachmittag und sie hatte noch genügend Zeit. Sie drehte sich um und stand schon in der Tür, als Frau Schwarz die emsige Kirchenhelferin, ihr hinterherrief, „Denken sie daran, dass Sie spätestens gegen 20 Uhr in der Pfarrei sein müssen und danach Hausmeister Alfred die Tür abschließt. “ Sie wiederholte tatsächlich ihre ganze Anweisung dachte Anna.
Als sie endlich wieder vor der imposanten Kirche stand, schaute Anna zum Kirchturm rauf und dachte an die Worte ihres Vaters, der ihr beim Anblick eines Kirchturms immer sagte: „Siehst du auf den Kirchturmspitzen Verwandte sitzen, geh nicht drunter durch, es könnte spritzen.“ Wie sinnig dachte sie, als sie daran dachte, wo sie doch nur die Uhrzeit sehen wollte und wurde dabei gleichzeitig an den Disput mit ihrer Familie erinnert. Anna hatte keine Vorstellung wie lange sie für den Weg zur Kaserne brauchte und war sich nicht sicher, ob sie sich noch auf dem Weg machen sollte, denn es war bereits drei Uhr nachmittags. Sie wollte kein Risiko eingehen und später nicht in die Kirche zurückzukommen, falls es doch später werden sollte und entschied sich deshalb ihre weiteren Nachforschungen auf den kommenden Tag zu verschieben. Ihre Entscheidung war richtig, denn sie als Kind vom Land, aus der Behüteten Welt ihres bisherigen Zuhauses, war von den Eindrücken dieser Kleinstadt fasziniert und blieb an jedem Schaufenster stehen. Sie war nur bis zum Marktplatz gelaufen und stellte fest, dass sie glücklich war, diese Entscheidung getroffen zu haben, von zuhause wegzugehen. Trotz aller Schwierigkeiten, die sich vor ihr auftaten, hatte sie das Gefühl endlich frei zu sein.
Es meldete sich ihr Magen, denn seit den Morgenstunden hatte sie nichts mehr gegessen und die letzten Stullen, die sie am Morgen eingesteckt hatte, lagen noch verpackt im Koffer. Sie sah das Rathaus am Marktplatz, wo sich im Keller der Ratskeller befand. Dort ging sie hin, die Treppe runter und sah im hinteren Teil der Gaststube einen freien Tisch, an dem sie sich setzte. Bei dem herbeieilenden Kellner bestellte sie eine dicke Bohnensuppe und ein verdünntes Bier. Der Kellner war überrascht, dass eine alleinstehende junge Frau zu ihnen in den Ratskeller ging. Bisher kam dieses äußerst selten vor und dann war es ein Ereignis.
Nachdem sie ihr Essen bezahlt hatte ging sie über die Seitengassen zur St. Johanniskirche zurück und kam pünktlich zur Kirche zurück. Anna war satt und müde und wollte sich gleich in die Schlafstube begeben, voller Freude auf den nächsten Tag und war sie zuversichtlich Wilhelm zu finden.
4.Geschändet
Bevor sein Bruder John und sein Vater sich versahen und noch etwas hätten sagen können, war Tyler die Treppe runter, zu den Stallungen gelaufen und hat sich sein Pferd aus der Box geholt. Zodiak sein treuester Begleiter ein Irisch Terrier, empfing ihn schwanzwedelnd, denn er musste bei den Pferden bleiben, als er mit John von der Weide kam. Nun wollte er mit Tyler mit, dieser gab ihm den Befehl dazu, hätte er aber nicht unbedingt machen müssen, denn der Hund wollte immer und überall dabei sein. Wer weiß, vielleicht konnte der Hund ihm auch nützlich sein, zu dem, was er jetzt vorhatte. Tyler hatte so eine Ahnung, hatte ein unheimlich schlechtes Gefühl in der Magengegend.
Nach einem scharfen Ritt, Zodiak konnte ihm kaum folgen, erreichte er das Anwesen der O`Shea. Das Herrenhaus lag wie ausgestorben vor ihm. Diese lebten wie alle in diesem Gebiet, auch von der Landwirtschaft, züchteten nicht wie die Red`s Schafe, sondern vornehmlich Pferde und Rinder, die nicht direkt am Landsitz untergebracht waren.
Die Stallungen befanden sich am südlichen Rand der Besitzung. Die Größe war mit dem der Red`s zu vergleichen. Als er zum Haus kam, wunderte er sich, denn die Tür stand offen, was unüblich war. Niemand war weder zu sehen noch zu hören. Zodiak winselte an seiner Seite. Er kannte Catriona, sie war ihm vertraut. Anscheinend stimmte etwas nicht, ansonsten hätte der Hund nicht gewinselt. Tyler ging weiter und rief: „Hallo ist jemand zuhause?“ Nichts rührte sich. Es folgte ein Knirschen aus dem hinteren Raum. Der Hund stürmte los. Tyler hatte Schwierigkeiten hinterherzukommen. Als sie an einer verschlossenen Tür standen, wo der Hund das Geräusch vernahm, warf Tyler sich, ohne zu zögern mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die Tür.
Die Tür schlug auf und er sah eine Person am Boden liegen. Es war zu seiner Erleichterung das Hausmädchen Abigale. Diese war aber gefesselt, geknebelt und mit verquollenem Gesicht, auf der Seite liegend und versuchte ihm etwas zu sagen, was er nicht verstehen konnte. Er befreite ihre Handgelenke, nahm ihr den Knebel aus dem Mund.
In der Zwischenzeit lief der Hund aufgeregt im Zimmer hin und her, als wenn er seinen Herren zur Eile antreiben wollte. Abigale fing augenblicklich an zu würgen und zu husten, als der Knebel rausgezogen war. Nachdem sie sich etwas erholt hatte und endlich sprechen konnte sagte sie mit tränen erstickter Stimme: „Paul O`Sullivan war hier und wollte Miss Catriona sprechen.“ „Ja und,“ fragte Tyler ganz aufgeregt, „weiter“ sagte er. „Ich ahnte böses und habe gesagt sie sei nicht da.“ Sie stockte wieder, konnte nicht reden. „Nun, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, was geschah dann?“ „Daraufhin schlug er mich und sagte, ich kann davon noch mehr haben, wenn ich ihm nicht augenblicklich sage wo die Miss ist“. „Oh Mr. Tyler, ich konnte es nicht verheimlichen, er hat mich geschlagen. Immer wieder.“
Er hörte gar nicht weiter zu, er hat alles verstanden und zog sofort seine Schlüsse daraus, denn er wusste wo Catriona ihr Zimmer hatte. Tyler hatte sie oft besucht, wenn die Eltern nicht im Haus waren. Er musste nur den langen Hauptflur langlaufen, der ihm jetzt wie nicht endend wollen vorkam.
Immer gefolgt von Zodiak, den musste er nun nicht extra auffordern. Beide liefen weiter, mussten vom Flur aus noch eine separate Treppe nach oben. Als er das geschafft hatte, war er In wenigen Schritten ihrer Zimmertür, die nur angelegt war.
Diesmal zögerte er zu lange, denn sein Zodiak hatte es seinem Herrn gleich gemacht und ist mit den Vorderpfoten gegen die angelehnte Tür gesprungen. Mit einem Krachen schlug diese gegen die dahinterliegende Wand. Als Tyler das Bild sah, was ihm da geboten wurde, schrie er auf: „Oh nein, nicht das noch.“
Er konnte Catriona auf einem Stuhl sitzen sehen, die Hände auf dem Rücken gebunden. Da sie nicht reagierte, musste sie ohnmächtig sein. Er stand unvermittelt am Stuhl und sah, was dieser O`Sullivan mit ihr angerichtet hatte. Fassungslos stand er vor ihr. Sie war auf brutalste Weise zugerichtet, anscheinend auch vergewaltigt. Das Kleid war hochgeschoben, die Beine auseinandergedrückt. Ihr Unterleib war blutverschmiert. Zugerichtet, ohne Gnade, von einem perversen Sadisten. Tyler konnte nicht mehr an sich halte, fing an zu heulen wie ein Schlosshund, dass Zodiak sich völlig verstört an den Stuhl legte und seinen Herrn beobachtete.
Seine Tränen rannen wie ein Sturzbach über sein Gesicht, unaufhaltsam, als er versuchte Catriona zu wecken. Er sah die aus dem Dekolletee hängenden Brüste, diese hatten Schnittwunden, üble Quetschungen. Selbst die Brustwarzen waren angeschnitten. Was hat dieser Sadist gemacht. Tyler hätte nicht hinsehen können, wenn es nicht sie gewesen wäre. Er musste versuchen ihr noch zu helfen. Nur ein Sadist, der Freude hat Menschen zu quälen, konnte so etwas einem anderen Menschen antun. Er zweifelte nicht einen Augenblick, wer seine Freundin so zugerichtet hatte. Tränen der Verzweiflung liefen ihm über das Gesicht. Dabei überkam ihm Ekel, er hätte sich am liebsten erbrochen. Zodiak hatte sich vor Schreck in die hintere Ecke des Raumes verzogen, weit weg von Tyler und Catriona, verzogen, konnte das Verhalten seines Herrchens nicht verstehen. Er schien es aber zu ahnen, wie sein Herrchen in diesem Moment litt.
Tyler löste ihr die Fesseln, dabei hörte er sie schwer aufatmen. Er legte sie vorsichtig auf den Rücken, bedeckte ihre Blöße und horchte ob sie noch mehr Geräusche von sich gab. „Paul war das,“ flüsterte sie mit stockender Stimme „Bleib ganz ruhig liebes, ich bringe dich zum Arzt.“ Zwischenzeitlich war Zodiak aus seiner Ecke hervorgekommen und legte sich neben Catriona, als wenn er sie selbst trösten wollte.
Er rannte nach unten zum Schuppen, denn er wusste wo die Gespanne abgestellt wurden und machte sich daran ein Gespann vorzubereiten. Danach holte er sie aus ihrem Zimmer, legte sie in den Wagen, deckte sie mit einer Decke aus Schafwolle zu. Zodiak sprang wie selbstverständlich mit in den Wagen. Die Hausangestellte Abigale wollte nicht mit. Sie hatte sich, bis auf ein paar Blessuren, soweit erholt und wollte auf die Eltern warten. Auf dem Weg zum Arzt trieb Tyler die beiden Pferde an, denn er konnte sich keine Verzögerung erlauben, wollte er sie noch retten. Er machte sich bittere Vorwürfe. Wäre er doch gleich am Morgen, gleich nach dem Duell zu ihr gegangen.
Sie kämpft ums Überleben, sagte ihm der Arzt als er mit den Untersuchungen fertig war. Zu schwer waren die inneren Verletzungen. Die Blutungen bekommt er nicht zum Stillstand. Tyler konnte sich nicht beherrschen, ihm rannen die Tränen übers Gesicht, vor Trauer, aber mehr vor Wut. Bei diesem Anblick wurde ein Held zum Feigling. „Ich werde dich rächen, halte durch mein Liebes“ sagte er und küsste sie zum Abschied auf die Stirn, die einzige Fläche ohne Verletzungen. Er hoffte, dass sie überlebt. Allein der Glaube fehlte ihm dazu. Tyler hetzte nach draußen war mit einem Satz wieder im Gespann, ohne darauf zu achten, wer vor ihm oder neben ihm stand. Er wollte Rache. Er trieb sein Pferd wieder an, wie von Sinnen, obwohl diese sich noch nicht von der mörderischen Herfahrt erholt hatten.
Das Gespann ließ er mit den schweißnassen und schnaubenden Pferden einfach stehen, als er wieder am Herrenhaus der O`Shea`s ankam und schwang sich auf sein Pferd, was seit Stunden am Zaun angebunden stand. Tyler ahnte, dass sich O`Sullivan zuhause verkrochen haben muss und machte sich auf dem Weg. Eine Stunde musste er stramm reiten. In dieser Zeit wurde er von unbändigem Hass angetrieben. Er wollte Vergeltung, er musste ihn töten.
5.Das fremde Mädchen im Zimmer
Nachdem sie es so gerade geschafft hatte, die Öffnungszeiten einzuhalten ging sie in das ihr zugewiesene Zimmer der Pfarrei. Wie von Fräulein Schwarz angekündigt war das zweite Bett im Zimmer jetzt belegt. Es musste sich um eine junge Frau handeln. Viel war von der Person nicht zu sehen, da diese mit dem Rücken zu Anna gedreht lag und eine Decke übergezogen hatte.
Anna sah, dass die junge Frau schwer atmete, ging zum Bett hin und konnte das geschwollene Gesicht sehen, was voller Blessuren war. Die junge Frau dreht ihren Kopf weiter in das Kissen, als Anna näherkam. Sie wollte sie nicht bedrängen und dachte sich, dass sie wohl ihre Gründe haben wird für dieses Verhalten. Das Mädchen schien sich ihres Aussehen wegen zu schämen. Anna nannte ihren Namen, in der Hoffnung, dass die Fremde irgendwie reagieren würde. Nach einer Weile, Anna lag auf ihrem Bett, eigentlich froh hier jetzt ihre Ruhe zu finden und über die vorangegangenen Tage nachzudenken, machte das junge Mädchen vom Bett nebenan die Anstalten, sich Anna zu nähern. Dabei gab sie schmerzverzerrte Laute von sich, sodass sie aufsah und ihre bisherige Vermutung bestätigt bekam, dass das Mädchen übel zugerichtet war. So wie sie vermutete, musste dieses auf unzählige Schläge zurückzuführen sein. „Bleibe liegen,“ sagte Anna ihr, stand selbst auf und ging zum Bett des Mädchens herüber. Diese verbarg erneut ihr Gesicht im Kissen und fing an zu weinen. Mit sanften Worten versuchte sie das Mädchen zu trösten, was ihr nach einer geraumen Zeit auch gelang. Endlich konnte dadurch erfahren, dass das Mädchen Marie Abel hieß und die Tochter des Gartenbaumeisters Abel war, der die Leitung des „Forst botanischen Gartens“ in Göttingen hatte, der zur Forstakademie in Münden gehörte.
Nach einer kurzen Zeit fasste Marie endlich Zutrauen und erzähle ihr, dass sie von ihren Eltern dafür Schläge bekommen hatte, weil sie einen jungen Soldaten liebte, mit dem sie weggehen wollte. So wie es aussah, waren diese Schläge aber nicht die Ursache ihrer Blessuren. Als Anna diesen kurzen Satz von dem Mädchen hörte, meinte sie sich verhört zu haben. Gab es doch tatsächlich mehrere junge Mädchen, die die diese Probleme haben. „Wo befindet sich denn Dein Soldatenfreund, etwa in Göttingen“, fragte Anna, denn für sie war es von großer Wichtigkeit dieses zu erfahren. „Das einzige Militär, was es hier in Göttingen gibt, ist in der Kaserne am Geismar Tor stationiert. Es handelte sich dabei um das 2. Kurhessische Infanterie Regiment 82,“ antwortete Marie Abel. Dieses zu hören war für Anna selbst eine Erleichterung, denn das würde ihre eigene Suche nach Wilhelm vereinfachen, wenn er in Göttingen ist. Die Jungfer Schwarz hatte tatsächlich die Wahrheit gesagt. Dass sie hier nun ein fremdes Mädchen traf, die mit ihr das gleiche Schicksal teilte, war ein Glücksfall für Anna. „Ich selbst suche auch meinen Geliebten, der soll ebenfalls in Göttingen stationiert sein, nur sein Regiment kenne ich nicht, da habe ich ihn nicht nachgefragt, als wir uns das letzte Mal sahen.“ sprudelte es jetzt nur so aus Anna heraus.
Endlich hatte sie eine Schicksalsgefährtin gefunden. Sie sprach Marie noch eine Zeitlang gut zu, versuchte sie ihrer Blessuren wegen zu trösten „Brauchst du noch weitere Hilfe.“ Anna spürte, dass dieses Mädchen schreckliches durchgemacht haben musste. Aus großen Augen schaute Marie sie an. Mit stotternder Stimme fing sie plötzlich an zu erzählen. Was sie Anna offenbarte, war schon mit wenigen Sätzen der Horror. Marie wurde von ihren Eltern auf deren Art und Weise geliebt, solange sie selbst ihre Gartenanlage hatten und darin aufgehen konnten. Unbeugsamkeit liebten sie dabei keinesfalls. Beide waren schon etwas älter und in ihren großen Gartenanlagen verliebt, für die sie seit Jahren lebten. Die ganzen Jahre hatten sie keine richtige Zeit für Marie, setzten aber trotzdem voraus, dass auch ihre Tochter in die Fußstapfen der Eltern trat, nicht als Gärtnerin, denn das ging nicht, es war ein Männerberuf, sondern bestenfalls als billige Arbeitskraft für einen Gärtnermeister, um gleichzeitig in der Gartenanlage mit zuzupacken. Eben deshalb hatten Sie verlangt, dass sie sich mit ihrem angestellten Gärtnermeister Manfred Müller verlobt. Damit sollte der Fortbestand des erreichten gesichert werden. Marie weigerte sich, denn es war für sie schrecklich, diesen Gärtnermeister zu heiraten, ein grobschlächtiger Mensch, der auch einige Jahre älter war. Allein der Gedanke daran verursachte ihre Übelkeit, deshalb gehorchte sie in all den Jahren ihren Eltern zum ersten Mal nicht. Den Gärtner wollte sie auf keinen Fall heiraten und hatte auch nichts für den Gartenarbeit übrig. Zulange musste sie mit ansehen, welch schwere Arbeit ihre Eltern verrichteten, die nie für andere Dinge Zeit hatten, eben auch nicht für ihr Kind.
Nachdem Marie bei einem Sommerfest in der Stadt, einen Soldaten der Infanterie kennen und lieben lernte, war es endgültig klar ihren Eltern und auch diesem Müller, die Stirn zu bieten. Es kam wie es kommen musste, auch bei ihr, zum Bruch mit ihren Eltern. Diese gaben nicht nach, so wie vor einiger Zeit auch Annas Eltern nicht nachgaben. Anna musste nur das Haus verlassen, was schon schwer genug war. Marie hingegen wurde eingesperrt, um sie damit zum Einlenken zu zwingen. Marie ließ sich nicht beeinflussen, vielmehr wurde immer verschlossener, bockiger und wollte nur noch zu ihrem Soldaten Hans Klarner. Denn mit ihm hatte sie einen jungen verständnisvollen und lieben Mann gefunden, dem sie ihre ganzen Sorgen erzählen konnte. Beide wollten daher schon nach einer kurzen Zeit des Zusammenseins, in Zukunft ihr Leben gemeinsam verbringen.
Marie erzählte weiter, geistesabwesend, schilderte sie den weiteren Ablauf ihres Martyriums, was nach Annas empfinden, immer grauenvoller wurde. Wie können Eltern nur so hartherzig, ohne Verständnis sein ging es ihr nun durch den Kopf als sie die Geschichte hörte. Anna konnte es nicht glauben, musste im Unterbewusstsein mit dem Kopf schütteln. So wie Marie es schilderte wurde sie in ein Gewächshaus für mehrere Wochen eingesperrt, durfte nicht einmal zur Notdurft heraus, musste diese in einer Ecke des Gewächshauses erledigen.
Zum Waschen wurde ihr immer abends über einen ausladenden Ast, Wasser durch das Dach des Gewächshauses herabgelassen. Wenn Sie den Eimer, der nicht immer zur gleichen Zeit heruntergelassen wurde, dann nicht rechtzeitig zu fassen bekam, fiel dieser um und das Wasser blieb bis auf einem kleinen Rest in einer Bodenrinne des Eimers stehen. Das war der klägliche Rest an Wasser, den sie bis zum kommenden Abend dann noch zur Verfügung hatte, bevor diese Prozedur von Neuem begann und sie ihr Glück abermals versuchen konnte. Die nicht gerade warmen Nächte, konnte sie so gerade mit einer fadenscheinigen Wolldecke ertragen, wobei sie sich zum Schlafen nur auf einen alten wurmstichigen Packtisch, wo in besseren Zeiten Blumen verpflanzt wurden, legen konnte. Ansonsten hätte sie die Nächte am Boden liegend verbringen müssen.
Anna schaute Marie ins Gesicht, erblickte nun erstmalig vollständig das geschundene Gesicht. Sie konnte sich das grauenvolle Dasein nicht vorstellen, so etwas war für sie nicht nachvollziehbar, zu abstrakt was Marie in der Vergangenheit erdulden musste. Durch ihre Schilderungen war ihre Stimme brüchig und rau geworden, sodass Marie erst einmal einen großen Schluck aus dem Wasserkrug an ihrem Bett nehmen musste, bevor sie weitererzählen konnte. Marie setzte nun erneut an, um die ihr zuteil gewordenen Torturen weiter zu schildern. Sie berichtete dabei von den langen Nächten, die sie alleine und unglaublich einsam in dem Gewächshaus verbringen musste, nicht mehr wusste wie es weitergehen sollte und mit dem starken ungewissen, was ihre Eltern noch mit ihr alles vorhaben könnten. Dass ihre Eltern sie einsperrten, weil sie ungehorsam war, konnte sie nachvollziehen. Aber an einem solchen Ort und dann mit den Torturen, dieses konnten nicht ihre Eltern sein. So wie Marie das erzählte hatte ihre Zweifel.
Bei den abendlichen, spärlichen Kontakten zu der Person, die das Essen brachte, half kein Flehen, man wollte, dass sie endlich einsichtig wurde. Nach kurzer Zeit vermutete sie, dass es sich um den Gärtnermeister Müller handelte, der ihr das antat. Wie lange sie in dem Gewächshaus eingesperrt wurde, konnte sie nicht sagen, da sie nach kurzem Aufenthalt, nicht mehr in der Lage war, die Tage zu zählen, als eines nachts der Unbekannte zu ihr schlich und sie endlich die Gewissheit bekam, dass ihre Vermutung richtig war. Es war der Gärtnermeister, er gab sich nun zu erkennen und machte keinen Hehl daraus, dass er die ganze Zeit der Sadist war. Nun versuchte er seine Taktik zu ändern, indem er ihr gut zuredete, um sie damit in ihrer Meinung umzustimmen, ihn doch noch zu heiraten. Er gab ihr plötzlich ausreichend Essen und Trinken, wo sie jedes Mal mit Heißhunger drüber herfiel, ihm auch zuhörte, aber gar nicht drauf einging, was er damit bezwecken wollte. Zu hungrig und durstig war sie, denn sonst gab es in den Wochen zuvor nur das notwendigste, wo sie gerade mit am Leben gehalten wurde.
Eines Abends, als sie nach wenigen Tagen durch das regelmäßige Essen wieder zu Kräften kam, wurde sie mutig und brüllte ihn stattdessen an, dass er sie endlich freilassen sollt. Und sie bestand darauf, endlich mit ihren Eltern sprechen zu können. Zu ihrer Überraschung ließ er sie, trotz ihrer verbalen Attacke links liegen, stellte den mitgeführten Krug mit Wasser ab, schlug die Tür zu und schloss wieder ab. Sie war mit ihren Gedanken, ihrer Angst wieder allein. Es geschah nichts weiter. Er hatte sie nicht mehr aufgesucht, ließ sie tagelang ohne Essen im Gewächshaus. Er wusste, dass sie genügend Wasser hatte und daher nicht verdursten würde. In dem Gewächshaus stank es nach Tagen der Gefangenschaft nach Exkrementen, was sie fast zum Wahnsinn brachte. Sie wusste nicht, ob es nur von der Ecke herkam, wo sie sich entledigte oder ob sie schon aus allen Poren stank. Ihr war mittlerweile alles egal, es war eine windige, regnerische und feuchte Nacht, als sich die Luke im Glasdach öffnete und wieder mal ein Eimer durch die Luke gelassen wurde. Sie hatte den Wassereimer trotz ihrer Schwäche auch greifen können, ohne dass Wasser verschüttet wurde. Sie war darin schon geübt. Sie musste es auch sein, wollte sie nicht verdursten, denn nun hatte sie seit zwei Tagen, wenn sie richtig gezählt hatte, nichts mehr und ihr Durst war unbändig. Nachdem Sie den Eimer hatte, brüllte sie, eher hysterisch, noch durch die geöffnete Luke, er solle sie endlich rauslassen. Jedoch ohne darauf eine Antwort zu erhalten, wurde die Luke wieder zugeschlagen.
Die ganze Zeit schlief Marie unruhig, keine Nacht verfiel sie in Tiefschlaf, immer auf der Hut, dass etwas passieren könnte. Bei dem kleinsten Geräusch wurde sie wach, so auch in der folgenden Nacht, als sie zuvor das Wasser erhielt. Es knarrte und die Tür des Gewächshauses ging auf. Marie war sofort hellwach und schaute dorthin, wo das Geräusch herkam. Sie wäre beinah zu einer Salzsäule erstarrt, als Gärtnermeister Manfred Müller in der Tür stand. Marie war erschrocken, aber hellwach, als sie sehen konnte, dass er diesmal nichts zu essen und zu trinken dabeihatte, sondern nur einen langen Strick. Er kam auf Marie zu, die mit schreckgeweiteten Augen in die hintere Ecke des Gewächshauses flüchtete, was ihr aber nichts half, denn dort war es zu Ende, es ging nicht weiter.
Müller, ein Brocken von Kerl, auch durch seine tägliche schwere Gartenarbeit so geworden, hatte Schwielen an den Händen, ein vom Wetter gegerbtes Gesicht, bereits mit Zahnlücken in der oberen Zahnreihe gezeichnet, was seinen vielen Schlägereien geschuldet war. Er war abstoßend, ekelerregend. Und mit so einem wollten ihre Eltern sie verheiraten. Was haben die sich dabei gedacht, ging es Marie durch den Kopf. Marie hatte Angst, wusste nicht wohin, als Müller mit einem Satz auf sie zusprang. Sie wich dem heranstürzenden Müller einen Schritt zur Seite aus. Manfred Müller knallte mit seinem ganzen Gewicht gegen die Scheiben des Gewächshauses, die dadurch plötzlich zerbarsten und er durch die Scheibe ins freie flog. Marie war so verwundert über die neue Situation, die sich daraus für sie ergab und sprang geistesgegenwärtig, direkt hinter Müller her ins Freie. Manfred Müller hatte sich an vielen Stellen seines Körpers an den zerberstenden Scheiben aufgerissen und blutete verhältnismäßig stark. Er war nicht zu schwer verletzt, daher in seiner Bewegung nicht beeinträchtigt, dass er sich aufrappelte, sich kurz orientierte und wahrnahm, dass Marie versuchte zu fliehen. Wie eine Initialzündung für ihm, sprang er hoch, und stöhnte dabei auf, da die Schnittwunden bei der jeder Bewegung brannten. Er griff sich einen Knüppel, der vorm Fenster im Beet lag und stürmte hinter Marie her. Er erwischte sie noch an der Gartenpforte, obwohl sie einen kleinen Vorsprung hatte, schlug ihr den mitgenommenen Knüppel ins Gesicht, wobei die Wange in der Mitte aufplatzte, wie eine dralle, überreife Pflaume.
Durch diesen Schlag war sie plötzlich orientierungslos. Müller zerrte sie von der Gartenpforte weg, zurück in den Forst botanischen Garten. Hinter einer großen Buchsbaumhecke, wo kleine Türme draus geformt und Wellen im Oberlauf der Hecke mit der Heckenschere geschnitten waren und diese die Einsicht von außen verhinderte, schmiss er Marie brutal auf den Boden. Er riss ihr das schmutzige Kleid vom Leib und viel gierig über sie her. Er schlug sie, Marie kratze ihn, er Biss sie wie ein Tier. Als er sie dann endlich so traktiert hatte, dass sie willenlos war, vergewaltigte er sie. Marie fürchtete um ihr Leben, war nur noch froh, als er endlich von ihr ließ und das Martyrium einstweilen beendet war. Sie hatte keine anderen Gedanken mehr. Sie konnte nicht schreien, denn er hatte sie gewürgt, den Mund zugehalten und ihr gesagt, dass er sie aufschlitzt mit seinem langen Messer und hielt ihr dieses an die Kehle. Marie sollte sich täuschen, es war nicht beendet, er zog sie an den Haaren hinter sich her. Müller nahm keine Rücksicht. Es gab für sie kein Entkommen mehr, diesmal hatte er sie gleich an den Händen gefesselt. Zu ihrer Überraschung ging er nicht zum gläsernen Gewächshaus zurück, sondern zum Heizschuppen, von wo aus den Gewächshäusern in der kalten Jahreszeit geheizt wurden, wenn die Temperaturen zur Frostgrenze abfielen. Um diese Jahreszeit war es nicht der Fall. Der Schuppen war deshalb zurzeit unbenutzt. Er konnte daher sicher sein, dass er im Heizungsschuppen nicht gestört wurde. Marie war entsetzt, war nicht in der Lage irgendeine Aufmerksamkeit zu erzeugen, da er ihr vorsichtshalber den kleinen Stoffrest ihres Unterhemdes, was er ihr auch vom Leib gerissen hatte, in den Mund steckte.
Tränen der Verzweiflung, mehr aus Angst, rannen ihr über das Gesicht, als sie den Schuppen erreichten. Es war, so wie sie sich zeitlich orientieren konnte, bereits nach Mitternacht, als es zweimal von der naheliegenden St. Johannis Kirchenuhr schlug. Müller drückte sie auf die Torfballen, als sie m Schuppen angekommen waren. Marie fror, nicht nur der Temperaturen wegen, sondern vor Ungewissheit, was er mit ihr noch alles anstellen würde. Sie versuchte sich zu wehren. Das war sinnlos, vertane Anstrengung, denn er riss mit aller Gewalt ihre nach vorne zusammengebundenem Arm hoch, schmiss den langen Strick über einen Dachbalken und zerrte die Arme nach oben. Marie wollte schreien, was durch den Knebel nicht ging. Als sie so da hing, vor Schmerzen fast ohnmächtig, band er ihr noch Stricke an die Beine und zerrte die Beine auseinander. Was hatte er vor. Ihre Gedanken rasten vor Angst, unfähig irgendwie klar zu denken, hing sie am Dachbalken und musste auf das Unvermeidliche warten, schaute ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Sie hing da, mit gespreizten Beinen. Nackt. Es half kein Schamgefühl, nur nacktes Grauen befiel sie. Er ließ sie einfach hängen, wie ein aufgeschlitztes Schwein, was ausbluten sollte. Sie fror und Manfred Müller diese Bestie, denn so hatte er sich entwickelt, verließ den Schuppen. Marie war erleichtert, konnte aber im Moment keinen klaren Gedanken fassen. Sie zitterte vor Kälte, vor Angst am ganzen Körper.
Anna schluckte, musste selbst erst einmal begreifen was sie soeben hörte, denn vorstellen konnte sie es sich nicht, was Marie ihr hier schilderte. Das junge Mädchen wollte sie nicht in ihrem Redefluss unterbrechen, musste ihr dennoch die Frage stellen: „Wo waren deine Eltern, sind diese nicht einmal zu dir gekommen, wenn sie mit Müller so nicht abgesprochen haben, hätten sie dich doch eigentlich suchen müssen.“ Anna hatte Schwierigkeiten es zu verstehen, was da passierte. Es war für sie unbegreiflich, dass Eltern so etwas zuließen und damit ihrem Kind antaten. Marie schaute sie an, war wie in Trance, verstand die Frage, konnte aber keine Erklärung abgeben. Zu Annas Überraschung war Marie plötzlich sichtlich aufgeweckter als noch vor wenigen Stunden. Anscheinend war sie erleichtert, jemanden gefunden zu haben, dem sie das Widerfahrene schildern konnte. „Meine Eltern hatten sich seit Tagen nicht mehr blicken lassen,“ war die einzige, geistesabwesende Antwort.
Mit einem abwesenden Blick griff sie zum Krug, nahm erneut einen Schluck Wasser und fuhr mit ihrer Erzählung fort. Gedanklich war Anna wie gelähmt, hörte ihr trotzdem zu, konnte nicht einmal mehr den Kopf schütteln, so entsetzlich empfand sie die Schilderungen.
Seit gefühlt mehreren Stunden hing sie in einer schmerzhaften Position, konnte sich bei aller Kraftanstrengung, nicht befreien, war außerdem durchgefroren als die Tür geöffnet wurde und in den Angeln knarrte. Mit Entsetzen nahm sie wahr, dass Müller mit einer Stallleuchte in den Schuppen kam, was bei Marie einen eiskalten Schauer über den Rücken laufend hervorrief. Er schritt auf Marie zu. Sein Blick war zum Fürchten, dabei gierig und lüstern, als er die zarten Brüste seines Opfers sah, drückte und quetschte diese mit seinen großen Pranken zusammen, dass es ihr schmerzte. Sie konnte immer noch nicht aufschreien, was sie gerne getan hätte. Aber der Knebel saß fest, lies sich nicht lockern. Sie hatte das Gefühl, je mehr sie mit der Zunge versuchte den Knebel aus dem Mund zu drücken, je mehr zog sich dieser immer fester. Sie konnte auch nicht einmal zappeln, ohne dass dieses ihr an den gefesselten Händen und Fußgelenken wehtat. Müller sah die Angst in ihren Augen und schlug ohne Vorwarnung mit einem Weidenstock, den er hinter seinem Rücken in der rechten Hand hielt und Marie nicht gesehen hatte, auf ihre nackten Pobacken ein. Nur reflexartig konnte Marie zucken, mehr nicht. Die Weidenrute jaulte in der Luft auf, als er ein zweites Mal ausholte, bevor diese quer über ihre Brüste einschlug. Die Haut platze auf und ein Rinnsal Blut lief ihr unvermittelt über die hängende Brust. Die Tränen rannen ihr übers Gesicht, schreien konnte sie nicht mehr, auch wenn sie gewollt hätte. Ihrem Peiniger schien dieses Verhalten noch weiter zu erregen und zu allen möglichen Dingen zu animieren, als er ihr erneut die Rute auf ihr nacktes Hinterteil schlug. Marie spürte, wie ihr aus den Striemen das Blut über ihren Körper lief. Sie glaubte, durch diese Schmerzen sollte ihr der Verstand geraubt werden. Damit gab er sich noch nicht zufrieden, denn plötzlich zog er das lange Messer aus seinem Hosenbund hervor, wo er sonst die abgetrockneten Blumen mit abschnitt. Er strich ihr wieder erwartend sanft damit über ihre Brustwarzen, nahm die scharfe Seite, weidete sich an ihrer Angst. Sie hatte höllische Angst, dass er bei dieser sadistischen Spielerei ihre steil gerichteten Brustwarzen abschneiden würde. Immer wieder strich er, mal mit der Scharfen Seite, mal mit der Rückseite der Klinge über ihren Busen. Dieses wiederholte er immer wieder, schnitt den einen oder anderen Kratzer dabei in ihre Haut. Ihre Angst steigerte sich ins unermessliche, sie hatte das Gefühl, dass sie wahnsinnig werden sollte, als er ihr unvermittelt den Strick, der über den Balken befestigt war und ihre Hände festhielt, abschnitt.
Als sie mit den Füßen auf den Boden ankam, fiel Sie nicht hin, obwohl sie völlig entkräftet war. Sie stand steif, reglos vor ihm. Müller hielt sie fest, schmiss sie nach hinten und stürzte sich auf sie. Er hatte blitzschnell seine Hose geöffnet und drang unvermittelt in sie ein. Schmerzen strömten durch ihren Unterleib und ließen sie fast durchdrehen. Müller hörte nicht auf, stieß wieder und wieder zu. Sie hatte das Gefühl, dass seine Brutalität sie zerreißen würde. Bisher hatte Marie sich nur mit ihrem Hans Klarner eingelassen und der war zärtlich. Müller, war dagegen wie ein Tier, animalisch. Sie fühlte sich, als wenn sie jeden Augenblick zerrissen wird und spürte voller Abscheu wir er sich in ihr ergoss. Ekel durchströmte ihren Körper. Was hätte sie anderes tun können. Hätte sie es nicht verhindern können? Trotz dieser entsetzlichen Schmerzen ging es ihr durch den Kopf, als wenn sie Hans verraten hätte?
Nun hielt Anna den Atem an, denn sie war mit Wilhelm schon zusammen und war über die Freuden der körperlichen Liebe entzückt, wollte dieses nicht missen und auch so schnell wie möglich noch einmal erleben. Was sie hier hörte, mit welcher Brutalität Müller vorging, ließ ihr den Atem stocken.
Völlig erschöpft lag Müller auf ihr drauf und atmete wie ein Walross, was langsam erschlaffte. Auch das konnte sie in sich spüren, drehte den Kopf leicht zur Seite und sah neben sich das lange Gartenmesser liegen. Sie hangelte vorsichtig danach, indem sie versuchte sich so lang zu machen wie es irgendwie ging, dabei ruhig zu bleiben, um Müller nicht durch einen dummen Zufall auf ihre Gedanken aufmerksam zu machen und versuchte das Messer endlich zu greifen. In dieser Position war es nicht möglich, kam sie nicht an das Messer, ohne ihn wach zu machen. Er lag wie ein Klotz auf sie drauf.
So schnell wie möglich musste sie es nochmals versuchen, bevor Müller wieder aktiv wurde. Angetrieben von ihrem unbändigen Überlebenswillen, wollte sie die neuerliche Chance nutzen, sich endlich ihrem Peiniger damit zu entledigen. Beim erneuten Versuch bewegte sie sich zu ruckartig. Müller riss unvermittelt die Augen auf, grinste und bewegte den Kopf in die Richtung, die auch Marie anvisierte, um an das Messer zu kommen. Sein Blick, ihr Blick, waren plötzlich in einem gemeinsamen Gedankenblitz verschmolzen. Zu ihrer Überraschung war sie schneller, Griff mit beiden Händen, in einer flüssigen Bewegung, das Messer, denn ihre Hände waren noch zusammengebunden und hatte den Messergriff fest umfasst und holte aus. Sie zog ihm die lange Klinge dieses verhassten Messers durchs Gesicht. Bevor sie ihn vollständig damit traf, streifte sie dabei das Ohr am Kopfansatz so heftig, was dadurch einfach abfiel. Zu ihrer Überraschung sprang er, wie ein Pfeil von einer Sehne abgefeuert, von ihrem Körper runter, sie schnappte nach Luft. War endlich befreit, war die Last los. Die Bestie langte mit einer Hand an die Stelle wo einmal das linke Ohr saß und versuchte mit der anderen Hand seinen Penis, der nun außerhalb der Hose einfach herum baumelte, in die Hose zu stecken. Dieser normale männliche Ablauf, gab Marie so viel Zeit das Messer an ihre Fußfesseln anzusetzen und sich loszuschneiden. Unvermittelt stand sie sich, immer noch nackt, mit Müller gegenüber, der geschockt war und dieses von ihr nicht erwartet hätte. Er machte einen taumelnden Schritt auf Marie zu, dabei trat er auf sein am Boden liegendes Ohr, was wie ein matschiger Klumpen unter seinem Schuh von ihm breitgetreten wurde und stand durch das Wegrutschen seines Fußes wie hypnotisiert im Raum. Das Blut vom Ohransatz rann an seinem Hals herunter, was die bösartige Szenerie noch bestärkte.