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Die Sterne, die uns riefen Zwischen Asche und Unendlichkeit – Band 1 ✨ Zwei Seelen. Ein Fluch. Eine Entscheidung, die alles verändert. Sie kennt das Gefühl von Einsamkeit besser als jede Berührung. Ihre Nächte gehören den Sternen, ihre Gedanken der Frage, warum sie sich nie zugehörig fühlte. Etwas in ihr sehnt sich – nach mehr, nach Antwort, nach einem Schatten, den nur sie zu erkennen scheint. Er lebt im Verborgenen. Ein Mann mit undurchschaubarem Blick und leiser Finsternis in der Stimme. Wer ihm begegnet, spürt es – das Flüstern des Unheilbaren, die Kälte, die sich in die Seele frisst. Als sich ihre Wege kreuzen, beginnt ein Spiel aus Nähe und Distanz, aus Fragen ohne Antworten und einer Anziehung, die tiefer reicht als Erinnerung. Er hätte nie stehen bleiben dürfen. Doch manchmal genügt ein Blick – und alles, was sicher schien, beginnt zu schwanken. Denn manche Sterne führen nicht ans Ziel. Sondern dorthin, wo alles seinen Ursprung hat: Ins Dunkel zwischen Wahrheit und Wahnsinn.
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Seitenzahl: 321
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Sterne, die uns riefen
Anna Dawn
Für meine Töchter, meine Sterne am Himmel.
Ihr seid das Licht, das niemals erlischt, selbst wenn die Nacht tief und endlos scheint. In euren Augen sehe ich die Unendlichkeit der Möglichkeiten, in eurem Lachen die Melodie meines Herzens. Ihr seid meine größten Wunder, meine leuchtendste Hoffnung, mein schönster Traum. Möge euer Licht niemals gedimmt werden – nicht von Zweifeln, nicht von Ängsten, nicht von der Welt. Und möge euch immer bewusst sein: Egal, wo ihr seid, egal, wohin ihr geht – mein Blick folgt euch wie ein stiller Stern, der euch auf all euren Wegen begleitet.
Ich liebe euch, für immer.
Manche Geschichten flüstern dir nur leise zu. Diese hier schreit – nach Wahrheit, nach Freiheit, nach einem Gefühl, das nicht sein dürfte.
„Die Sterne, die uns riefen“ ist kein zartes Märchen. Es ist die Reise zweier verlorener Seelen, die sich in einer Welt voller Ketten, Schatten und brennender Sehnsüchte begegnen. Eine Geschichte über Schuld und Erlösung, über das, was man verliert, wenn man sich selbst findet.
Dieses Buch enthält Inhalte, die aufwühlen können: Gewalt, Missbrauch, Tod, Manipulation, emotionale Abgründe – aber auch tiefe Zärtlichkeit, stille Rebellion und eine Liebe, die alles verändern könnte.
Nichts an dieser Geschichte ist leicht. Doch vielleicht findest du zwischen den Zeilen einen Funken, der dich nicht loslässt. Einen Ruf, der nicht verstummt.
Denn manchmal sind es die Sterne, die dich rufen – und manchmal ist es etwas viel Dunkleres.
Seit Jahr und Tag wird erzählt und gemunkelt, von Flammen, in denen das Licht einst verdunkelt. Legenden von Feuer, das alles verschlingt, von Schatten, der Wahrheit und Klarheit bezwingt.
Ein Flüstern im Dunkel, ein Echo im Wind, wo Licht sich verbirgt, wenn die Nacht beginnt. Wenn Feuer und Schatten das Schicksal bewegen, wird einer den Anderen von der Erde fegen.
Die Mächte entfesselt, ein Sturm wird entfacht, zerreißt die Welten in endloser Nacht. Ein Schicksalskampf, der kein Ende kennt, wo keiner gewinnt, und jeder verbrennt.
Wo Flügel vergehen und Hoffnung zerbricht, bleibt Liebe ein Fluch, doch Erlösung verspricht. Die Flügel der Freiheit in Asche verwehn, die Herzen im Dunkel der Nacht still vergehn.
Ein Fluch, der die Seele in Ketten hält, doch leise von Rettung und Neubeginn erzählt. Die Welten beben, das Gleichgewicht fällt, und Dunkelheit herrscht über Himmel und Welt.
Kein Stern leuchtet mehr, die Ordnung vergeht, der Schleier der Finsternis leise verweht. Ein neuer Beginn in der Asche des Alten, nur wer wagt, kann das Schicksal gestalten.
Dean stand regungslos in einer dunklen Ecke des Zimmers, halb im Schatten verborgen. Seine grünen Augen funkelten kalt, sein Gesicht war makellos, fast unwirklich.
Jede seiner Bewegungen wirkte kontrolliert, seine Präsenz gleichzeitig zurückhaltend und dominant – wie ein Schatten, der mehr wahrnimmt, als er preisgibt. Es war diese Fähigkeit, sich beinahe unsichtbar zu machen, die ihn unantastbar erscheinen ließ.
Die Dunkelheit des Raumes schien ihn zu umarmen, als wäre sie sein natürlicher Schutzmantel. Die einzige Bewegung im Raum kam von der Frau auf dem Bett. Ihre Atemzüge waren unregelmäßig, ein schwaches Flüstern, das kaum die bedrückende Stille durchbrach.
Ihr Körper zitterte leicht, ein unwillkürlicher Reflex, der ihre schwindende Lebenskraft zu behaupten schien. Ihr Gesicht war eine Statue der Ekstase, eingefroren in einem Moment vollkommener Glückseligkeit. Ihre Augenlider waren halb geschlossen, als würde sie noch immer das Nachglühen des Höhepunkts spüren, der vor wenigen Augenblicken ihr ganzes Sein durchflutet hatte.
Ein schwaches, beinahe träumerisches Lächeln umspielte ihre Lippen, während ihre Wangen noch von einem Hauch Röte gezeichnet waren.
Doch ihr Atem – einst heftig, tief und unkontrolliert – war nun flach, kaum mehr als ein kaum hörbares Seufzen, das in der stickigen Luft des Zimmers verhallte.
Ihr Körper schien mit der Zeit selbst zu verschmelzen, die Brust hob sich nur noch flüchtig, und das Zittern ihrer Finger erstarb langsam, wie die letzten Wellen auf einem See, nachdem der Wind sich gelegt hat.
Es war, als würde ihre Lebensenergie in unsichtbaren Strömen aus ihr entweichen, sich in der Dunkelheit auflösen, die das Schlafzimmer erfüllte.
Ihre Haut, die noch vor Minuten vor Leben geglüht hatte, wirkte blasser, kühler – ein sanfter Kontrast zu dem perlenden Schweiß, der ihren Hals und ihre Schlüsselbeine schimmern ließ.
Ein leichtes Zucken durchfuhr ihre Hand, die sich reflexartig an die zerwühlten Laken krallte, bevor sie schlaff liegen blieb. Ein tiefer Atemzug folgte, als wollte sie sich noch einmal an das Leben klammern, doch dann verließ auch dieser Hauch von Bewegung ihren Körper.
Ihre Lider flatterten leicht, bevor sie endgültig still wurden. Ihr Gesicht blieb entspannt, die Spuren ihres letzten Moments der Glückseligkeit unvergessen, als wäre sie inmitten eines Traums gestorben – in einer Sphäre jenseits von Schmerz und Angst.
Ihre Energie, einst so lebendig, war nun verschwunden, und nur das Echo ihrer Präsenz lag noch schwer im Raum. Das Schlafzimmer selbst schien den Tod in sich aufgenommen zu haben. Die dicken Vorhänge, die kaum Licht durchließen, verliehen dem Raum eine bedrückende, fast greifbare Schwärze. Die Luft war schwer, ein Gemisch aus verschwitztem Stoff, Parfüm und einer dunklen, fast undefinierbaren Note, die wie ein unsichtbarer Schleier zwischen den Wänden schwebte.
Das Bett, mit zerwühlten Laken und Kissen, war der einzige Zeuge dessen, was gerade geschehen war – ein Denkmal aus Wärme und Chaos, das langsam abzukühlen begann.
Dean trat schließlich aus dem Schatten. Seine Bewegungen waren ruhig, fast übernatürlich präzise wie ein Uhrwerk, als würde er jeden Schritt genau berechnen.
Er näherte sich dem Spiegel und betrachtete sein eigenes Bild. Sein dunkles Haar fiel leicht zerzaust in die Stirn, der Dreitagebart betonte die scharfen Konturen seines Gesichts.
Es war ein Gesicht, das gleichzeitig anziehend und abweisend wirkte – ein Paradox, das Dean perfekt beherrschte.
Mit einem geübten Handgriff schnallte er seine Uhr um, die silberne Schnalle reflektierte das schwache Licht des Raumes.
Er richtete sein Hemd, zog die Falten glatt und griff dann nach seinem Mantel, der über der Stuhllehne hing.
Bedächtig zog er ihn an, ließ das schwere Material über seine Schultern gleiten und schloss die Knöpfe mit der gleichen kontrollierten Ruhe.
Alles an ihm wirkte perfekt durchdacht, als ob er eine Rolle spielte, die er in jeder erdenklichen Situation beherrschte.
Noch einmal ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Er blieb an der Frau auf dem Bett hängen. Ihr Körper war leblos, nur eine Hülle dessen, was sie einmal gewesen war.
Doch Dean empfand nichts. Keine Reue, keine Trauer.
In seinen Augen spiegelte sich nichts als die kühle Gelassenheit eines Mannes, der wusste, dass niemand ihn jemals verdächtigen würde.
Er hinterließ keine Spuren. Keine Haare, keine Fasern, keine Fingerabdrücke.
Er war ein Phantom, das die Welt durchstreifte, ohne je einen Abdruck seiner Existenz zu hinterlassen.
Als er die Tür öffnete, drang kalte Nachtluft in den Raum. Der schwere Regen, der draußen auf den Asphalt prasselte, füllte die Stille mit einem sanften Trommeln.
Dean trat hinaus, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Die Tropfen perlten von seinem Mantel ab, als hätten sie keine Macht über ihn.
Seine Schritte auf den nassen Pflastersteinen waren kaum hörbar, seine Gestalt verschwand rasch in den Schatten der Nacht.
Hinter ihm blieb das Schlafzimmer verlassen, still und dunkel.
Während der Regen die Straßen reinigte, blieb die unsichtbare Spur, die Dean hinterließ, bestehen – wie eine stumme Erinnerung an seine Anwesenheit.
Der perfekte Mord – wie so oft zuvor.
Der Regen fiel in dichten Schnüren, die die Stadt benetzten und die Straßen glitzern ließen. Blitze erhellten kurz den Himmel und verschwanden schnell wieder in der Dunkelheit. Bäche aus Regenwasser flossen durch die Rinnen, während ein Windstoß den Geruch von Eisen und frischer Nässe mit sich brachte. Fensterläden klapperten und schwere Türen ächzten, als der Sturm heulte. Dumpfer Donner rollte in der Ferne, wie das Grollen eines schlafenden Monsters.
Vor der düsteren Kathedrale war es beinahe finster. Wo einst große Kerzen in eisernen Halterungen brannten, glommen nur noch schwache Dochte. Der Regen hatte die Flammen erstickt. Große Türen aus dunklem Holz sahen im unsteten Licht bedrohlich aus, während der Schein der Blitze über die vom Wasser überzogenen Stufen huschte.
Ein tiefes Dunkel lag über der Welt, nur das rastlose Trommeln des Regens durchbrach die Stille. Eine Gestalt löste sich aus der Schwärze und bewegte sich lautlos durch den Regen. Ihr Mantel haftete an der Haut, schwer von der Nässe. Unter der tief gezogenen Kapuze blieb ihr Gesicht im Schatten verborgen; in den Armen wiegte sie ein Bündel. Der nasse Stoff lastete schwer, doch ihre Finger klammerten sich unnachgiebig daran. Bedächtig stieg sie die Kathedralenstufen hinauf.
Der Regen sammelte sich in kleinen Pfützen, die unter ihren Stiefeln aufwirbelten, bis sie die oberste Stufe erreichte und innehielt. Das Wimmern des Bündels war kaum hörbar im Prasseln des Regens. Zögernd schwebten ihre Hände über dem Bündel. Schließlich nahm sie eine kleine Brosche vom Mantel, die wie eine Sternensichel im Blitzlicht glitzerte, und befestigte sie an dem nassen Tuch. Ohne ein weiteres Zögern trat sie zurück und verschwand bald in der Dämmerung. Zurück blieb das Bündel, allein und verlassen auf den Stufen.
Im Inneren der Kathedrale lauschte Schwester Maria der Stille. Kerzenschein warf flackernde Schatten über die alten Steinwände. Ein Unbehagen kroch in ihr hoch, während der Donner die Mauern erzittern ließ.
Ein leises Wimmern drang durch den Sturm, so zart, dass sie es zuerst für Windgeheul hielt. Widerstrebend legte sie ihr Gebetbuch zur Seite und zog die weite Kukulle – den bodenlangen, faltigen Überwurf ihres Ordensgewands – fester um sich, als wollte sie sich vor der Kälte der Nacht abschirmen. Entschlossen und leise schritt sie zur Tür. Der Windstoß stieß ihr entgegen, als sie die Tür öffnete, und der Regen peitschte in ihr Gesicht. Doch dort, auf den Stufen, lag das Bündel, verloren in der Nacht. Mit zitternden Händen hob sie das Tuch auf. Tropfen lösten sich von der durchnässten Wolle.
Darunter lag das Gesicht eines Kindes – ein kleines Mädchen mit kupferrotem Haar, geborgen in der feuchten Umhüllung. Als das Kind die Augen öffnete, traf Maria ein Blick in strahlendem Himmelblau – ruhig, doch voller unergründlicher Tiefe. Sie schloss das Baby schützend in ihre Arme und wandte sich den hohen Mauern der Kathedrale zu, deren Schatten sie bereits umfingen. Zurück in der Kapelle schritt sie durch das gedämpfte Licht der flackernden Kerzen, das in warmen Reflexen auf den alten Steinmauern tanzte.
Behutsam setzte sie sich auf die schmale Holzbank und löste den durchnässten Stoff, der noch an der zarten Haut des Kindes klebte. Ihre Finger zitterten leicht, als sie das kleine Mädchen vorsichtig trocknete, jede Spur von Kälte mit sanften Bewegungen vertrieb. Die nasse Kleidung legte sie zur Seite, dann wickelte sie das Kind in ein weiches, warmes Laken.
Der feine Duft von Lavendel und altem Leinen lag in der Luft. Das Baby atmete ruhig, kaum eine Regung, nur ein leises Seufzen, als es sich in Schwester Marias Armen an sie schmiegte.
Mit einem Hauch von Erleichterung spürte sie, wie das Kind sich entspannte und schließlich in einen tiefen, geborgenen Schlaf glitt.
Marias Blick fiel auf die Brosche, die noch im Tuch lag. Sie hob das glänzende Schmuckstück auf, fasziniert von dessen Schimmer. Wer hatte das Kind hierhergelegt, allein in der Kälte der Nacht?
Und was bedeutete dieses Zeichen?
Am nächsten Morgen hatte der Regen nachgelassen, doch die Fragen blieben. Die Nonnen begannen ihren Tag ruhig und bedächtig. Im Schlafsaal betrachteten sie das Baby in Schwester Marias Armen, ein friedliches kleines Gesicht in weichen Decken.
Schwester Agnes trat vor, ihre Stimme leise und fragend:
„Was geschah vergangene Nacht?“
Maria erzählte, was sie erlebt hatte – von dem kleinen Bündel im strömenden Regen, den zitternden Fingern, die das nasse Tuch gelöst hatten, und den großen, stillen Augen des Kindes. Clara verschränkte die Arme, ihr Blick misstrauisch.
„Warum sollte jemand ein Baby an unsere Tür legen? Das wirkt nicht wie ein Akt der Fürsorge.“
Agnes schüttelte sanft den Kopf.
„Vielleicht war es beides – Liebe und Verzweiflung. Jemand wollte, dass das Kind lebt, auch wenn es bedeutete, es fortzugeben.“
Da trat Schwester Elenora in den Raum, das Gesicht bleich, ihre Hände um ein zerknittertes Pergament gekrampft.
„Ich habe das an der Pforte gefunden“, sagte sie leise. Der Brief war feucht, die Ränder ausgefranst, als hätte das Wasser versucht, die Worte fortzuwaschen. Vorsichtig glättete sie das Papier, doch einige Buchstaben waren nur noch als dunkle Schatten auf der Seite zu erkennen. Schließlich las sie mit gedämpfter Stimme vor:
„Die Sterne sind nicht, was sie scheinen. Sie sind der Anfang und das Ende. Beschützt sie.“
Einen Moment lang herrschte Stille. Dann flackerte das Kerzenlicht an der Wand, als hätte ein kalter Luftzug den Raum gestreift. Maria schlang die Arme enger um sich. Die Worte hallten in ihr nach, schwer wie ein Versprechen, das sie nicht verstand. Die Botschaft zog einen kalten Schauer über Claras Rücken. Geheimnisse und Gefahren schienen darauf zu lauern.
Was hatte dies mit dem kleinen Mädchen zu tun? Während die Nonnen das Kind weiter betrachteten, lag eine Ahnung von Anspannung in der Luft. Schwester Maria hielt die Brosche hoch, das Metall funkelte im schmalen Licht:
„Das wurde mit ihr zurückgelassen. Ob es eine Bedeutung hat oder nur eine Erinnerung an ihre Herkunft sein soll, weiß ich nicht.“
Clara musterte die Brosche mit schmalen Augen:
„Es ist kein gewöhnliches Schmuckstück. Wer auch immer sie gebracht hat, wollte, dass man sie findet.“
„Aber warum hier und in dieser Nacht?“Die Frage hing in der Luft, so schwer wie der Regen, der noch vor wenigen Stunden auf die Erde geprasselt war. Die Frauen sahen einander an, doch niemand hatte eine Antwort. Es gab keine Spuren, keine Hinweise, die erklären konnten, wer das Kind hierhergebracht hatte – und warum.
War es Verzweiflung gewesen? Hoffnung? Oder etwas, das sie nicht zu begreifen vermochten? Schwester Clara presste die Lippen aufeinander, als wollte sie etwas sagen, doch sie schwieg. Das Schweigen zog sich, bis schließlich Agnes leise flüsterte:
„Wir sollten ihr einen Namen geben.“
Ihre Stimme war sanft, kaum mehr als ein Hauch, doch sie durchbrach die Stille wie ein erster Sonnenstrahl nach einem Sturm. Ein Name bedeutete mehr als nur ein Wort – er gab Halt, schenkte Identität. Er machte aus einem verlassenen Kind eine Person, ein Wesen, das gesehen wurde.
Ein Name war ein Versprechen, dass sie nicht mehr allein war.
„Vielleicht sollten wir sie nach den Sternen benennen. Die Sterne haben die Nacht durchbrochen, genau wie sie“, sagte Maria, ihre Stimme von einer sanften Überzeugung getragen, während sie das Baby sanft in ihren Armen wiegte.
Agnes sprach leise, fast ehrfürchtig:
„Phoebie.“
Das Wort schien für einen Moment im Raum zu schweben, ein zarter Klang in der Andacht der Kapelle.
„Es bedeutet ‚die Leuchtende‘. Vielleicht ist sie ein Licht in der Dunkelheit.“
Maria nickte langsam, das Gewicht des Augenblicks in ihrer Stimme widerhallend.
„Phoebie“, wiederholte sie, der Name schien zu passen, als hätte er nur darauf gewartet, ausgesprochen zu werden.
In dem stillen Raum lag Claras Skepsis in der Luft, doch sie nickte schließlich widerstrebend.
„Es ist ein guter Name“, gestand sie, auch wenn ihre Augen noch immer von einer inneren Sorge zeugten. „Aber die Welt ist grausam. Selbst für die, die unter dem Schutz der Sterne stehen.“
Maria hielt ihren Blick fest, ihre Entschlossenheit beinahe greifbar.
„Dann müssen wir sie schützen. Gott hat sie zu uns gebracht. Wir werden alles tun, um sie sicher zu halten.“
Die Frauen stimmten zu, und Agnes beugte sich vor, um das Baby näher zu betrachten. Sie lächelte, ein leises, zärtliches Lächeln voll mütterlicher Wärme.
„Willkommen, kleine Phoebie“, flüsterte sie und streckte einen Finger aus, den die winzige Hand des Babys sogleich umschloss. Es war ein Moment voller Hoffnung, der die Unsicherheiten und Sorgen für einen kurzen Moment vergessen ließ.
Draußen begann sich der Himmel zu verändern. Der Wind schob die Wolken beiseite, und ein schmaler Lichtstrahl brach durch das Grau, tauchte alles in ein sanftes Licht. Es war, als läge ein Hauch von Segen auf der Szene.
Maria bemerkte das Licht, hob das Baby ein wenig an, damit dessen Gesicht vom Licht gestreift wurde.
„Vielleicht ist sie wirklich ein Geschenk Gottes“, sagte Maria, ihre Worte ein leises Gebet, getragen von der Hoffnung.
„Ein Licht in der Finsternis.“
Die anderen Nonnen nickten stumm, berührt von der Einfachheit und der Bedeutung des Augenblicks. Doch die Fragen, die die Nacht gebracht hatte, blieben ungelöst. Claras Blick wanderte noch einmal zu der Brosche in ihrer Hand, und für einen Moment schien sie mehr zu sehen als nur ein Schmuckstück.
Was auch immer hinter dieser Nacht steckte, es war noch nicht vorbei.
Die Nacht senkte sich wie ein dichter, schwarzer Umhang auf die Stadt. Der Himmel war eine undurchdringliche Decke aus Wolken, unter der sich kein Sternenlicht mehr zeigte. Nur das ferne Summen der Stadt durchbrach die scheinbare Stille, ein gedämpfter, gleichmäßiger Herzschlag.
Der Regen verlieh den Straßen einen schimmernden Glanz. Das Licht der Straßenlaternen brach sich in den Pfützen und ließ das Pflaster lebendig erscheinen, als atme es. Jeder Schritt, jedes Geräusch hallte klar und unnatürlich wider. Tropfen plätscherten aus den Dachrinnen, ein klopfendes Echo in der Nacht. Ferne Schritte auf dem Pflaster klangen metallisch, wie aus einer fernen Welt.
Die Luft war erfüllt von einer kühlen Feuchte, die schwer auf der Haut lastete. Der Wind trug den eigenartigen Duft der Stadt heran: feuchte Erde und verwitterter Stein mischten sich mit dem Rauch von Gewürzen, ein flüchtiger Hauch vergangener Zeiten.
Dean bewegte sich durch die Straßen, seine Schritte kaum mehr als ein sanftes Flüstern. Sein schwarzer Mantel folgte ihm wie ein Schatten. Sein Gesicht war kantig und scharf, seine smaragdgrünen Augen leuchteten in einem unnachgiebigen Glanz. Die Dunkelheit umhüllte ihn wie einen alten Freund. Ein Jäger und Beobachter, verschmelzend mit der Umgebung, sich nahtlos in den urbanen Dschungel einfügend.
Er kannte diesen Ort, kannte jede Straße, jede versteckte Ecke. Eine schmale Gasse tat sich vor ihm auf, ein Überbleibsel zwischen hohen Mauern. Das himmlische Neonlicht der Hauptstraße schwand dahin, Geräusche stumpften ab. Im Zwielicht funkelte eine rote Leuchtschrift:
Velvet Eclipse.
Der Schriftzug pulsierte mit einem verlockenden Versprechen, das Worte nicht brauchten. Dean hielt inne, musterte die Szene, dann trat er vor. Die Tür öffnete sich, und die Dunkelheit folgte ihm in den Raum. Drinnen war die Luft drückend und schwer vor Rauch und dem Dunst von Alkohol. Die Stimmen der Menschen vermischten sich mit dem dumpfen Wummern des Basses, einem pochenden Puls in der stickigen Luft. Doch als er eintrat, veränderte sich etwas – kaum merklich, aber spürbar.
Gespräche stockten für den Bruchteil einer Sekunde, als würden die Sinne nachjustieren, als müsste das Gehirn begreifen, was die Instinkte längst erfasst hatten.
Blicke folgten ihm, gezogen von einer Anziehungskraft, die weder greifbar noch erklärbar war. Frauen hielten inne, als hätte eine unsichtbare Hand sie gestoppt, ihre Lippen leicht geöffnet, als würden sie etwas sagen wollen, doch die Worte blieben ungesprochen. Männer strafften sich, ein unbewusster Reflex, ein uralter Instinkt, der ihnen sagte, dass hier jemand war, den man nicht ignorieren konnte. Nicht musste – sondern nicht konnte.
Eine Aura, schwer wie Gewitterluft, schien sich um ihn zu legen, elektrisierend und unausweichlich. Und während er sich durch die Menge bewegte, öffnete sie sich vor ihm, langsam, fast ehrfürchtig, als wäre er nicht nur ein Mann, sondern eine Naturgewalt.
Dean bewegte sich mit einer Selbstverständlichkeit durch die Menge, als gehörte ihm die Welt. Jeder Schritt war kontrolliert, geschmeidig wie ein Raubtier, das sich seiner Überlegenheit vollkommen bewusst war.
Er war trainiert, jede Linie seines Körpers sprach von Kraft und Ausdauer – doch nichts an ihm wirkte angestrengt.
Seine Haltung war mühelos, ein Gleichgewicht aus Arroganz und entspannter Lässigkeit, als wäre er an diesen Ort gewöhnt, als wäre er überall der Mittelpunkt, ohne es jemals bewusst einzufordern. Sein Blick glitt über die Gesichter um ihn herum, ruhig, fast amüsiert, als könne ihn nichts überraschen – und doch schien er alles zu durchdringen. Ein Lächeln spielte um seine Lippen, süß und gefährlich zugleich, ein Versprechen, das sich nicht greifen ließ.
Es war die Art von Lächeln, die Frauen den Atem stocken ließ, ein kurzer Moment der Verwirrung zwischen Verlangen und Vorsicht.
Die einen wollten es besitzen, die anderen sich davor retten – doch egal, in welche Richtung sie tendierten, niemand konnte sich dem entziehen.
Das Licht der Bar war gedämpft, Schatten tanzten über seine markanten Züge, unterstrichen die Härte seiner Wangenknochen, den leichten Dreitagebart, der seinem perfekten Gesicht eine gewisse Nachlässigkeit verlieh. Er wusste um seine Wirkung, trug sie mit nonchalanter Selbstverständlichkeit.
Und während sich die Menschen um ihn regten, als hätte seine Anwesenheit eine unsichtbare Welle durch den Raum geschickt, ließ er sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. Er war der Sturm in einer windstillen Nacht. Und alle spürten es, noch bevor sie es begriffen. Dean ließ seinen Blick über den Raum gleiten. In einer unaufgeregten Bewegung wandte er sich der Theke zu.
„Whiskey,“ sagte er knapp zur Barkeeperin, deren Hände zitterten, während sie ihm einschenkte. Er nippte an seinem Getränk, sah sich um. Am Ende der Bar saß eine Frau, anders als die anderen.
Dunkle Wellen umrahmten ihr Gesicht, ihre Haltung war stolz und unerschütterlich, doch die Augen hielten eine Wachsamkeit. Ihre Finger zogen ein geisterhaftes Muster auf den Rand ihres Glases, als ob sie mit verlorenen Gedanken tanzten. Dean beobachtete sie, beinahe unmerklich. Dann machte er sich auf, mit ihr zu sprechen.
„Ist hier noch frei?“ fragte er, seine Stimme mehr ein leises Versprechen als eine Frage. Die Frau hob den Kopf, zögerte kurz, bevor sie lächelte.
„Ja, sicher.“
Dean setzte sich, trank erneut einen Schluck.
„Wie ist dein Name?“
„Claire,“ antwortete sie, ihre Stimme fest, aber reflektiert.
Mit einem wissenden Nicken, als hätte er nichts anderes erwartet, richtete Dean seinen Blick ruhig auf sie. Der Beginn ihrer Unterhaltung war zaghaft, jedes Wort vorsichtig gewählt, als würden sie sich auf dünnem Eis bewegen. Claire hielt inne, wägte ihre Sätze ab, als fürchtete sie, zu viel preiszugeben.
Doch mit jeder weiteren Silbe wurde ihre Stimme fester, ihr Ton wärmer. Die Zurückhaltung wich, und bald sprach sie freier. Ihre Worte begannen zu fließen, getragen von einer Mischung aus Erleichterung und lang unterdrücktem Frust. Sie erzählte von ihrer Welt, von den Erwartungen, die sie zu erdrücken drohten, von den Rückschlägen, die ihr den Atem genommen hatten. Ein Leben, das nicht wirklich ihr gehörte, sondern nur eine Fassade war – errichtet für andere.
Dean hörte zu. Still, aufmerksam, mit einer Ruhe, die keine Ablenkung zuließ. Sein Blick blieb unverwandt auf ihr, nicht wertend, nicht drängend – nur lauschend, als wären ihre Worte das Einzige, was in diesem Moment existierte. Er sprach nicht viel, doch wenn er es tat, war es gezielt, durchdacht. Mit wenigen, klugen Bemerkungen lenkte er ihr Reden in Bahnen, die sie selbst nicht erwartet hätte.
Er stellte Fragen, die genau dort ansetzten, wo sich Risse in ihrer Fassade zeigten. Fragen, die nachhallten, selbst nachdem sie geantwortet hatte. Er wusste genau, welche Worte er wählen musste, welche Nuancen ihre Gedanken entwirren würden.
Sein Verhalten war kein Zufall – es war instinktiv, kalkuliert und doch mühelos. Wie ein Schatten, der sich an das Licht anpasste, ließ er sie reden, ohne Druck, ohne Hast. Und Claire, die sonst so bedacht war, merkte nicht einmal, wie sie sich öffnete, Stück für Stück, bis nichts mehr zwischen ihnen stand als die Wahrheit.
Die Unterhaltung war längst nicht mehr zögerlich oder bedacht. Mit jedem Satz, mit jedem geteilten Gedanken löste sich Claire mehr, als hätte sich ein unsichtbares Band gelockert, das sie sonst zurückhielt. Sie sprach lebhafter, ihre Gesten wurden freier, ihre Stimme gewann an Wärme.
Ihre Zurückhaltung schmolz mit jedem Lächeln, das Dean ihr entlockte, mit jeder klugen Bemerkung, die er machte.
Und mit jedem Schluck aus ihrem Glas wurde das Flirten spielerischer, ungezwungener – zunächst kaum mehr als ein leichtes Neigen ihres Kopfes, ein beiläufiges Berühren des Stiels ihres Glases, doch dann wurden ihre Blicke länger, ihr Lächeln verführerischer.
„Du machst so viel für andere,“ sagte er nachdenklich, seine Stimme ein sanftes Echo zwischen ihnen.
„Aber was macht dich glücklich?“
Claire sah weg, ließ ihre Finger langsam über den Rand ihres Glases gleiten, als würde die Antwort dort irgendwo verborgen liegen.
„Ich komme zurecht,“ murmelte sie leise.
Dean betrachtete sie für einen Moment, dann ließ er ein nachsichtiges, fast spielerisches Lächeln aufblitzen.
„Zurechtkommen ist nicht dasselbe wie leben.“
Sie lachte, leise, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie ihm widersprechen oder ihm zustimmen wollte. Es war ein zarter, unsicherer Klang in der gedämpften Atmosphäre.
„Du bist gut darin, die Leute zum Reden zu bringen, was?“
Er zuckte die Schultern, ließ die Frage unbeantwortet, doch sein Blick hielt den ihren fest.
Claire nahm einen weiteren Schluck, ihre Wangen leicht gerötet – vom Alkohol oder von ihm? Sie beugte sich ein wenig vor, als wäre es ein Geheimnis, das nur für ihn bestimmt war.
„Vielleicht brauche ich jemanden wie dich, der mir zuhört,“ flüsterte sie. Ihre Augen fanden seine, und plötzlich schien alles um sie herum zu verblassen. Die Stimmen der Bar, das Lachen, das Klirren der Gläser – es wurde dumpf, unwichtig.
Der Raum um sie existierte nur noch am Rande, als wäre er hinter einen Schleier gerückt. Die Zeit selbst schien ihren Atem anzuhalten, ein stummes Innehalten, während zwischen ihnen etwas vibrierte, unsichtbar und doch greifbar.
Später, als die Nacht tiefer und schwerer wurde, war es Claire, die das Schweigen brach. Ihr Blick war weich, ihre Wangen leicht gerötet, und in ihrer Stimme lag ein leises Zögern, das dennoch keine Unsicherheit mehr war.
„Ich wohne in der Nähe,“ murmelte sie, ein stilles Angebot, verborgen in scheinbar beiläufigen Worten.
Dean wusste genau, was sie meinte. Er erkannte die Nuancen, hörte nicht nur ihre Worte, sondern auch das, was unausgesprochen zwischen ihnen lag. Sein Blick blieb gelassen, sein Lächeln unaufdringlich.
„Lass mich dich begleiten.“
„Du musst nicht“, sagte sie, doch ihre Augen verrieten sie. Ein Widerspruch, der nur eine Antwort wollte. Gemeinsam gingen sie durch die dunklen Straßen, ihre Schritte hallten leise auf dem Pflaster. Der Wind fuhr durch die schmalen Straßen, brachte Äste zum Zittern und ließ die Schatten auf den Mauern tanzen – als wären sie lebendig. Die Stadt war still, die wenigen Lichter warfen nur schwaches Leuchten auf das Pflaster, als hätte die Welt sich verkrochen und ihnen diesen Moment allein gelassen. Vor einem alten Gebäude hielt Claire an, zog ihren Schlüssel hervor, ihre Finger glitten langsam über das kühle Metall.
„Das ist es“, sagte sie leise, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch.
Dean trat einen Schritt zurück, sein Blick noch immer aufmerksam, aber unaufdringlich. Er kannte dieses Spiel, kannte die Mechanik von Verlangen und Erwartung. Doch er ließ es in ihrer Hand. Kein Drängen, kein Fordern – nur ein Moment, der allein ihr gehörte.
„Danke für den Abend.“
Seine Stimme war warm, weich, ein Versprechen, das noch nicht eingelöst wurde. Claire zögerte. Ihre Finger spielten unbewusst mit dem Schlüssel, während sie ihn ansah – suchend, fragend, erwartungsvoll. Dann, fast atemlos, sagte sie:
„Willst du … reinkommen?“
Dean lächelte – warm, einladend, genau das richtige Maß an Zurückhaltung, um den Moment nicht zu überstürzen.
„Wenn du es möchtest.“
Er hatte es kommen sehen. Schon lange bevor sie die Frage aussprach, wusste er, dass sie ihn bitten würde. Noch bevor sie ihr Glas in der Bar geleert hatte, noch bevor sie ihr erstes Lächeln mit einem leichten Neigen des Kopfes unterstrichen hatte. Er hatte die Fäden in der Hand gehalten, ohne dass sie es merkte – lenkte, ohne zu drängen.
Sanfte Worte, gezielte Blicke, der richtige Moment, das unausgesprochene Wissen, dass sie es selbst entschieden hatte, obwohl er genau wusste, dass es nie eine andere Entscheidung gegeben hatte.
Dean war außergewöhnlich geschickt darin, seinen Willen durchzusetzen. Fast könnte man sagen, er war ein Meister der Manipulation.
Das Apartment war klein, doch es hatte eine Wärme, die ihn überraschte. Bücher, sorgfältig aufgereiht in einem Regal, deuteten auf ein Leben mit Gedanken und Geschichten hin.
Auf dem Tisch stand eine halbvolle Weinflasche, das Glas daneben noch mit Resten eines vorherigen Abends. Der Raum wirkte nicht durchgestylt oder berechnend, sondern echt – ein Ort, an dem jemand wirklich lebte.
„Nicht viel zu sehen hier“, sagte Claire nervös und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
Dean ließ seinen Blick ruhig über den Raum wandern.
Er nahm mehr wahr, als er zeigte – die kleinen Spuren von Alltagschaos, die Wärme der Farben, die Unaufdringlichkeit der Dinge, die mehr über sie verrieten, als sie es vielleicht selbst ahnte.
„Es spiegelt dich wider“, sagte er einfach, und sein Tonfall machte deutlich, dass er es als Kompliment meinte. Claire schien einen Moment nach Worten zu suchen, dann nahm sie die Flasche.
„Wein?“
Er lehnte sanft ab, ein Schatten eines Lächelns auf den Lippen.
„Vielleicht später. Zuerst würde ich gerne mehr über dich erfahren.“
Claire setzte sich auf das Sofa, die Hände ineinander verschränkt, als suchte sie Halt in der Bewegung.
„Ich habe dir schon so viel gesagt …“
Ihre Stimme klang unsicher, als fürchte sie, sich bereits zu sehr geöffnet zu haben. Doch Dean wusste es besser. Menschen sagten oft, dass sie alles preisgegeben hatten, während ihre Augen das Gegenteil verrieten.
Er ließ sich neben ihr nieder, nicht aufdringlich, aber nah genug, um spürbar zu sein.
„Und doch glaube ich, dass es noch mehr gibt.“
Seine Stimme war ruhig, fast ein Flüstern, das in der warmen Stille zwischen ihnen nachklang. Claire hielt seinem Blick nicht stand. Sie erhob sich, eine leichte Anspannung in ihrer Haltung, als müsste sie sich erst sammeln.
Sie nahm selten Männer mit nach Hause – das lag in der Art, wie sie sich bewegte, wie ihre Finger über die Armlehne des Sofas strichen, bevor sie sich abwandte. Langsam ging sie zum Fenster, blieb dort stehen und ließ ihren Blick über die ruhigen Straßen schweifen.
Draußen war alles ruhig. Die Stadt wirkte wie ausgeatmet, als hätte sie sich für die Nacht zurückgezogen. Die Straßenlaternen tauchten die Pflastersteine in sanftes Licht, das in den Fenstern der gegenüberliegenden Gebäude spiegelte. Fernes Stimmengewirr drang durch die Mauern, gedämpft wie ein Echo aus einer anderen Welt. Der Raum lag in gedämpftem Licht, ein Spiel aus warmem Schein und den fernen Reflexen der Stadt, die sich durch die halb geschlossenen Vorhänge schlichen. In dieser Stille wirkte die Welt draußen fern, unwirklich, als wäre nur dieser Moment hier real.
Claire stand still, den Kopf leicht zur Seite geneigt, während sie hinausblickte. Ihr Profil war weich, ihr Ausdruck unergründlich. Dean beobachtete sie, ließ seinen Blick über die sanfte Linie ihrer Schultern, den feinen Bogen ihres Halses gleiten.
Sie war schön – auf eine Art, die mehr versprach, als sie vielleicht selbst wusste. Verloren in Gedanken, ahnungslos gegenüber der Anziehung, die von ihr ausging. Er kannte diesen Moment, hatte ihn unzählige Male erlebt. Und doch – jedes Mal hatte er eine andere Farbe, einen neuen Reiz.
Die Luft zwischen ihnen war geladen, eine unausgesprochene Einladung, die nur darauf wartete, angenommen zu werden. Claire wusste es vielleicht noch nicht, aber sie hatte sich längst entschieden.
Dean spürte es in der Art, wie sie stand, wie ihre Finger unruhig den Saum ihres Pullovers strichen, wie ihr Atem sich ein wenig hob, als sie spürte, dass sein Blick auf ihr lag. Er wusste, wie der nächste Schritt aussehen würde. Und er würde nicht zögern.
„Du führst wohl viele interessante Leben“, sagte Dean leise, trat näher und stellte sich direkt hinter sie. Sein Atem streifte sanft ihren Nacken, kaum mehr als eine Berührung aus Luft und Hitze, während seine Worte wie ein Flüstern zwischen ihnen nachhallten.
Claire lächelte, ein langsames, nachdenkliches Lächeln, bevor sie den Kopf drehte, sodass sie ihn über die Schulter hinweg ansehen konnte. Ihre Augen suchten seine, funkelten im sanften Licht.
„Manchmal vergessen wir, wie aufregend unser eigenes Leben sein kann.“
Deans Hand glitt sacht über ihren Arm, federleicht, eine flüchtige Berührung, die dennoch spürbar blieb – eine warme Spur auf ihrer Haut, ein stummes Versprechen.
„Es ist bewundernswert, wie du die Welt betrachtest.“
Claire spürte ihn – die stille Stärke, die mühelose Kontrolle, die Art, wie er eine Atmosphäre erschaffen konnte, die keine Flucht zuließ und auch keine verlangte. Sie wusste nicht, was genau es war, das sie hielt, doch es war da. Greifbar. Unausweichlich.
„Was ist mit dir, Dean?“
Ihre Stimme war leiser jetzt, fast ein Hauch.
„Hast du je das Gefühl, dass die Welt dich ruft?“
Er trat näher, kaum einen Atemzug entfernt, bis die Wärme seines Körpers die Kühle der Nacht ausglich, bis die Luft zwischen ihnen vibrierte. Sein Lächeln war ruhig, ein Spiel aus Andeutung und Absicht, ein leises, fast herausforderndes Versprechen.
„Warum denkst du, bin ich hier?“
Claires Herz setzte einen Moment aus – nicht aus Angst, sondern aus Erwartung. Dieses Spiel aus Worten und Gesten war wie ein Tanz, geführt von einem unsichtbaren Rhythmus, den sie nicht verstand, aber instinktiv aufnahm. Langsam, fast ohne es zu merken, drehte sie sich ganz zu ihm um, ihr Blick in seinem gefangen. Da war etwas in seinen Augen – etwas, das elektrisierte, das sie lockte, das ihr den Atem raubte. Eine Wahrheit, die sie nicht greifen konnte. Oder eine, die sie längst spürte.
Dean hob eine Hand, legte sie sacht an ihre Wange, als wäre sie aus feinem Porzellan. Seine Finger streiften kaum ihre Haut, eine Berührung so leicht, dass sie mehr wie ein sanftes Echo wirkte als eine Geste aus Fleisch und Blut.
„Du bist anders, Claire. Etwas an dir fühlt sich … echt an.“
Seine Stimme war weich, ein Hauch von Bewunderung darin – genau dosiert, genau richtig. Dean wusste, welche Worte wirkten. Welche Knöpfe er drücken musste, um zu bekommen, was er wollte.
Und Claire?
Claire ließ sich ziehen, wie unmerklich auch immer. Ihre Augen suchten seine, als wollte sie nach einer Wahrheit greifen, die vielleicht gar nicht existierte. Dann zog sie seine Hand an sich, ließ ihre Finger über die sanfte Kurve seines Nackens gleiten.
Die Welt um sie herum verblasste. Die Stadt, die Straßen, das schwache Licht hinter den Vorhängen – nichts davon zählte mehr. Nur dieser Moment, dieser Atemzug voller elektrisierender Spannung, voller unausgesprochener Versprechen.
Der Kuss begann sanft, vorsichtig tastend, als würden ihre Lippen einen halb vergessenen Tanz wieder aufnehmen. Er war langsam, beinahe zögernd, als würde das Verlangen erst Form annehmen, bevor es sich ausbreiten konnte. Doch in dieser Zurückhaltung lag mehr Hitze, mehr Sehnsucht, als ein ungestümes Verlangen hätte entfesseln können.
Claire spürte, wie sich die Wärme seiner Haut mit ihrer vermischte, wie jeder Hauch, jeder Atemzug eine neue Flamme entfachte, die nur darauf wartete, genährt zu werden. Die Distanz zwischen ihnen schwand, als sie sich enger an ihn schmiegte.
Deans Finger wanderten über ihren Rücken, zeichneten sanfte Muster, die ein leises Feuer in ihrem Inneren entzündeten.
Ihre Haut kribbelte unter seiner Berührung, als würde jede seiner Bewegungen eine verborgene Saite in ihr zum Klingen bringen. Die Dunkelheit um sie herum wirkte nicht mehr wie eine Leere, sondern wie ein Schutzmantel, ein Raum, in dem es nur sie beide gab – ein Ort, an dem alles andere unbedeutend wurde.
Claires Hände umfassten seinen Rücken, zogen ihn näher, bis sie ihn nicht nur spürte, sondern fühlte – als hätte sich der Rhythmus ihrer Körper angeglichen, ein stilles, unausgesprochenes Echo zwischen ihnen. Ihre Lippen lösten sich von seinen, wanderten von den Mundwinkeln zu seiner Wange, über die geschwungene Linie seines Kiefers, als wollte sie sich seine Existenz einprägen, ihn schmecken, ihn erfahren.
Dean erwiderte den Kuss mit zunehmender Intensität, eine Mischung aus Führung und Hingabe.
Seine Hände fanden ihren Weg in ihr Haar, hielten sie fest – aber nicht fordernd, nicht besitzergreifend. Es war die perfekte Balance zwischen Kontrolle und Verlockung, zwischen Zurückhaltung und dem unausweichlichen Moment, in dem alles fiel.
Ihre Haut prickelte unter der Wärme seiner Berührung, ein sanftes Brennen, das in ihr nachhallte, während ihre Lippen sich erneut fanden. Dies war kein gewöhnlicher Kuss – er war ein Versprechen, ein leiser Ruf nach mehr, nach dem Unerforschten, nach dem Verbotenen.
Ein Abenteuer, das sich mit jedem Atemzug weiter entfaltete. Ein Eintritt in eine Welt, die sich nach Sehnsucht und Erfüllung anfühlte.
Dean ließ seine Hände tiefer gleiten, seine Finger erkundeten die geschwungenen Linien ihres Körpers mit einer Ruhe, die zugleich beherrscht und fordernd war. Kein hastiges Nehmen, sondern ein genüssliches Erforschen, als wolle er sich jede Nuance einprägen, als würde er ihre Reaktionen lesen und jede noch so feine Regung genießen.
Ihre Atemzüge vermischten sich, wurden schwerer, langsamer, ein stilles Vertrauen, das zwischen ihnen wuchs. Ein unausgesprochener Schwur, dass es kein Zurück mehr gab – dass sie sich diesem Moment, dieser Hitze, dieser Nacht hingaben, ohne an den Morgen zu denken.
Claire zog ihn näher, drängte sich gegen ihn, spürte die Kraft seines Körpers und zugleich die kontrollierte Zurückhaltung, die er ausstrahlte. Kein forderndes Eilen, keine Ungeduld – nur das genüssliche Erkunden jedes Zungenstrichs, jedes bebenden Seufzers, der zwischen ihnen entstand.
Die Welt jenseits ihrer Haut verblasste, ihre Gedanken lösten sich auf, bis nichts mehr existierte außer diesem Raum, diesem Mann, dieser Hitze, die sich zwischen ihnen aufbaute. Langsam ließen sie voneinander ab, nur für einen Atemzug. Claires Stirn lehnte sich an seine, ihre Lippen noch immer leicht geöffnet, als könnte sie seinen Geschmack nicht loslassen.
Das Adrenalin ebbte kaum merklich ab, doch das Versprechen zwischen ihnen hing schwer in der Luft, süß und unentrinnbar.
Ihre Blicke trafen sich, und in diesem Tanz aus Licht und Schatten gab es keine Lügen mehr. Keine Zweifel. Nur eine unausweichliche Wahrheit – ein Moment, sinnlich und endlos.
„Wollen wir das fortsetzen?“
Deans Stimme war rau, sein Atem warm auf ihrer Haut, ein sanftes Flüstern, das zugleich eine Herausforderung war. Claire antwortete nicht mit Worten. Sie zog ihn zu sich, ihre Lippen fanden die seinen wieder, diesmal drängender, wissender, mit einer Klarheit, die keine Zweifel zuließ.
Ein unmissverständliches Ja, gesprochen aus Hitze und Verlangen, aus der unausweichlichen Begierde, die sich zwischen ihnen auftürmte wie eine Welle, bereit, alles mit sich zu reißen.
Ihre Finger glitten über seinen Rücken, fuhren langsam unter den Stoff seines Hemdes, fühlten die festen Konturen seines Körpers, die warm unter ihren Berührungen lagen. Der feine Stoff war kühl im Vergleich zur Hitze seiner Haut, doch mit jeder Bewegung wurde er bedeutungsloser.
Sie löste geschickt den ersten Knopf, dann den nächsten, ihre Fingerspitzen streiften die darunter liegende Wärme, als würde sie ihn erst jetzt wirklich spüren. Sie ließ sich Zeit, ließ ihn wissen, dass sie ihn wollte – und dass sie es genießen würde, ihn Schicht für Schicht zu entblößen.
Dean ließ es geschehen, ließ sie gewähren, beobachtete sie mit halb gesenkten Lidern, während sie das Hemd weiter öffnete, bis es nur noch locker auf seinen Schultern lag.
Mit einem langsamen, fast spielerischen Zug strich sie es hinab, glitt mit den Fingern über die nackte Haut, erkundete die festen Muskeln, die sich unter ihrer Berührung regten. Sie fühlte ihn, nahm ihn auf, jeden Atemzug, jeden stillen Moment, in dem ihre Haut an seiner brannte.