Die Stimme des Wahns - Ethan Cross - E-Book
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Die Stimme des Wahns E-Book

Ethan Cross

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Beschreibung

"Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren"

Ein Hochsicherheitsgefängnis in den Rocky Mountains. Dort sitzt einer der gefährlichsten Verbrecher der Welt ein, der sogenannte Demon. Ackerman selbst brachte den Mann vor Jahren hinter Gitter. Aber ist der Häftling wirklich der, der er vorgibt zu sein? Zusammen mit seiner Partnerin Nadia Shirazi findet Ackerman heraus, dass der Mann, der die Haftstrafe verbüßt, in Wahrheit ein geschickt manipulierter Doppelgänger ist. Die Schlussfolgerung lässt selbst Ackerman das Blut in den Adern gefrieren: Denn der echte Demon war die ganze Zeit auf freiem Fuß, und er hatte all die Jahre Zeit, seine Rache vorzubereiten. Als Demon schließlich zuschlägt, trifft er Ackerman an seiner verwundbarsten Stelle ...

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Seitenzahl: 540

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumWidmungERSTER TEIL1234567891011ZWEITER TEIL12131415161718192021222324252627282930313233DRITTER TEIL34353637383940414243444546474849505152535455565758596061626364VIERTER TEIL6566676869707172737475767778798081828384858687

Über dieses Buch

Band 3 der Reihe »Die Ackerman & Shirazi-Reihe«

»Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren«

Ein Hochsicherheitsgefängnis in den Rocky Mountains. Dort sitzt einer der gefährlichsten Verbrecher der Welt ein, der sogenannte Demon. Ackerman selbst brachte den Mann vor Jahren hinter Gitter. Aber ist der Häftling wirklich der, der er vorgibt zu sein? Zusammen mit seiner Partnerin Nadia Shirazi findet Ackerman heraus, dass der Mann, der die Haftstrafe verbüßt, in Wahrheit ein geschickt manipulierter Doppelgänger ist. Die Schlussfolgerung lässt selbst Ackerman das Blut in den Adern gefrieren: Denn der echte Demon war die ganze Zeit auf freiem Fuß, und er hatte all die Jahre Zeit, seine Rache vorzubereiten. Als Demon schließlich zuschlägt, trifft er Ackerman an seiner verwundbarsten Stelle …

Über den Autor

Ethan Cross ist das Pseudonym eines amerikanischen Thriller-Autors, der mit seiner Frau, drei Kindern und zwei Shih Tzus in Illinois lebt. Nach einer Zeit als Musiker nahm Ethan Cross sich vor, die Welt fiktiver Serienkiller um ein besonderes Exemplar zu bereichern. Francis Ackerman junior bringt seitdem zahlreiche Leser um ihren Schlaf und geistert durch ihre Alpträume. Neben der Schriftstellerei verbringt Ethan Cross viel Zeit damit, sich sozial zu engagieren, wobei ihm vor allem das Thema Autismus sehr am Herzen liegt.

ETHAN

CROSS

T H R I L L E R

DIE STIMME

DES

WAHNS

Aus dem Amerikanischen vonDietmar Schmidt

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2022 by Aaron Brown

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Disciple of Fire«

Published in agreement with the author, c/o BAROR INTERNATIONAL, INC., Ar-monk, New York, U.S.A.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Ralf Reiter, Köln

Titelillustration: © Hein Nouwens/shutterstock

Umschlaggestaltung: Massimo Peter-Bille

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-1022-0

luebbe.de

lesejury.de

In liebevollem Gedenken an meinen Vater Leroy, der mir beigebracht hat, wie man eine gute Pointe setzt, und der ein besserer Vater war als alle Väter, die in meinen Büchern vorkommen.

ERSTER TEIL

1

Wenn man ihn zu den zahlreichen Gelegenheiten befragte, bei denen er aus der Haft geflohen war, erklärte Francis Ackerman jr. gern, dass der Käfig, der ihn halten könne, erst noch entwickelt werden müsse. Als das Fahrzeug mit FBI Special Agent Nadia Shirazi am Steuer den höchsten Punkt der Steigung überfuhr und ADX Florence – landesweit die einzige Bundesjustizvollzugsanstalt der Stufe SuperMax – in Sicht kam, fragte sich Ackerman, ob er mit dem Hochsicherheitsgefängnis nun einen Käfig vor Augen hatte, der seine Aussage Lügen strafte. Obwohl er für den Tod zahlreicher Menschen verantwortlich war, kam er an diesem Abend nicht etwa als Häftling nach ADX Florence; er war kein Gefangener mehr, zumindest nicht im konventionellen Sinn. Er kam, um einen der berüchtigtsten Insassen des Bundesgefängnisses zu vernehmen.

ADX Florence lag in einem Tal und breitete sich vor dem Hintergrund der Rocky Mountains über fünfzehn Hektar aus. Die Gebäude bestanden aus braunen Ziegeln und sandgelben Steinen mit grünen Metalldächern, Tarnfarben, die dazu führten, dass die Bauten mit der Landschaft verschmolzen.

Als sie das Tor erreichten, zeigte Nadia dem Wachtposten ihren FBI-Dienstausweis. Auf dem großen Schild hinter dem Wachhäuschen stand Justizvollzugsanstalt des Bundes über dem Namen der Stadt: Florence, Colorado. Die Beschilderung wirkte recht uneindeutig; aus ihr ging nicht deutlich hervor, dass man vor einer der sichersten Strafanstalten der Welt stand, zu deren Insassen einige der gefährlichsten lebenden Menschen zählten. ADX Florence wurde manchmal das »Alcatraz der Rocky Mountains« genannt, aber ein ehemaliger Direktor hatte es als »sauberes Abbild der Hölle« bezeichnet. Ackerman allerdings fand, dass dieser Ex-Warden sich eine Vorstellung von der Hölle machte, die längst nicht so farbenprächtig war wie seine eigene. Von einem früheren Insassen hatte Ackerman eine treffendere Beschreibung gehört: In ADX Florence habe man das Konzept der Isolation perfektioniert.

Außen umgaben die Anlage Zäune aus Klingendraht zwischen Türmen, in denen Schützen postiert waren; dazu kamen Streifen in Panzerwagen und angriffslustige Hunde. Dieser äußere Kordon diente genauso dazu, Unbefugte draußen zu halten wie Insassen drinnen, und wurde durch Drahthindernisse auf den Gebäuden ergänzt, die Hubschrauber an der Landung hindern sollten. Hatte man den Zaun hinter sich gebracht, wurde ADX Florence zu einem Irrgarten aus verriegelten Türen und Kontrollpunkten. Sobald ein Häftling nach Florence verlegt war, verbrachte er dreiundzwanzig Stunden am Tag in seiner Zelle. Ausgang erhielt er nur auf einer begrenzten betonierten Fläche, die nicht größer war als besagte Zelle. Das Gefängnis mochte von landschaftlicher Schönheit umgeben sein, aber der majestätische Anblick der Rocky Mountains mit ihren schneebedeckten Gipfeln blieb den Insassen verwehrt. Benahmen sie sich gut, wurden ihnen ein Schwarz-Weiß-Fernseher mit dreißig Zentimetern Bildschirmdiagonale und einige Bücher zugestanden, aber der Fernseher zeigte nur Sendungen, die geprüft und bewilligt waren, und für die Bücherliste galt das Gleiche. Briefe durften die Insassen nur von genehmigten Absendern erhalten, und lediglich einmal im Monat durften sie ein fünfzehnminütiges Telefongespräch führen. Damit war es für die zahlreichen hier einsitzenden Gangsterbosse unmöglich, mit ihren Stellvertretern zu kommunizieren und ihre Geschäfte aus der Haft hinaus in der Hand zu halten.

ADX Florence war jüngst unter Beschuss geraten wegen ihrer Methoden, die Insassen zu isolieren. Die meisten Diskussionen hatten sich auf die Brutalität der Einzelhaft konzentriert, auf die Art, wie das Gefängnis die Sträflinge seelisch breche. Viele führten an, dass ADX Florence allein auf die Inhaftierung ausgelegt sei und kein bisschen auf Rehabilitation, obwohl einige seiner Insassen durchaus wieder auf freien Fuß gesetzt würden. Nur durch Entlassung oder Tod verließ ein Häftling dieses Gefängnis. Seit 1994, dem Jahr seiner Eröffnung, war noch niemandem die Flucht gelungen.

Ackerman fasste diesen Umstand beinahe als Herausforderung auf, und in ihm lebte eine schwache Hoffnung, dass er eines Tages die Gelegenheit erhielt, den stärksten Käfig, den je ein Mensch erdacht hatte, auf die Probe zu stellen. Im Moment allerdings genoss er seine Freiheit durchaus.

Sollte er hier jemals Insasse werden, wäre er in bester Gesellschaft, so viel stand fest. Aktuelle Häftlinge von ADX Florence umfassten Ramzi Yousef für den Anschlag auf das World Trade Center 1993, den Unabomber Ted Kaczynski, Terry Nichols, verantwortlich für den Bombenanschlag von Oklahoma City 1995, den sowjetischen Spion und FBI-Maulwurf Robert Hansen, den Mafioso Sammy »the Bull« Gravano, den Drogenbaron und Anführer des Sinaloa-Kartells El Chapo, Larry Hoover von den Gangster Disciples, Tyler Bingham von der Aryan Brotherhood … die Liste ging immer weiter. Die Einrichtung hatte Plätze für 490 Häftlinge, und 420 davon waren besetzt.

Von allen Insassen hier interessierten Ackerman vor allem zwei. Der eine war berüchtigt genug, um mit den anderen prominenten Mitgliedern der Schurkengalerie von ADXF in einem Zug genannt zu werden, der Name des anderen war unbekannt. Bei dem berüchtigten Mann handelte es sich um Francis Ackerman senior, seinen Vater – einen Mann, der seinem jungen Sohn so gut wie jede erdenkliche Folter demonstriert hatte, indem er zahllose Opfer zu Tode quälte. Der Unbekannte war ein Mörder, den Ackerman und sein Bruder Marcus festgenommen hatten, als er versuchte, das Hightech-Gefängnis Foxbury in seine Gewalt zu bringen. Diesen Mann kannte die Welt nur als Demon, den Dämon.

Ackerman und Nadia betraten die Anlage durch eine Tiefgarage, wo sowohl ihr Fahrzeug als auch ihre Körperöffnungen gründlich untersucht wurden. Nachdem sie die erste Sicherheitsbarriere durchquert hatten, erwartete sie der Stellvertretende Direktor auf der anderen Seite einer Stahltür. Ackerman kannte Deputy Warden Terry Westgate schon von früheren Besuchen bei seinem Vater und bei Demon. Nadia hingegen betrat ADX Florence zum ersten Mal. Die junge FBI-Agentin stellte sich dem Stellvertretenden Direktor forsch vor.

Westgate musste Ende fünfzig sein, aber als ehemaliger Marineinfanterist hatte er sowohl seine Fitness als auch seinen Bürstenhaarschnitt beibehalten. Als die hübsche junge FBI-Agentin iranischer Herkunft ihm ihr perfektes Lächeln zuwarf, schmolz die harte Fassade des ehemaligen Marines wie Butter in der Sonne. Ackerman konnte es Terry kein bisschen verübeln. Auch er war Nadias Augen beim ersten Anblick verfallen, deren Farbe ihn an Sonnenblumen vor einem blassblauen Himmel erinnerte, und dem Geruch nach Jasmin und Babyatem, der sie ständig zu umgeben schien wie ein natürlicher Moschus.

»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Nadia reichte ihm die Hand.

»Das Vergnügen ist ganz meinerseits.« Westgate nickte Ackerman zu, den er unter dem Namen Franklin Stine kannte.

Der Deputy Warden führte sie durch Korridore aus weißen gemauerten Wänden. Ackerman erschien die Anlage gespenstisch still; darin unterschied sie sich von den meisten Gefängnissen.

Westgate fiel in den Fremdenführermodus und konzentrierte sich ganz auf Nadia. »Unsere Insassen leben in dreieinhalb mal zwei Meter großen Zellen aus gegossenem Beton, die durch Stahltüren verschlossen sind. Sie haben eine eingebaute Dusche, ein kleines Waschbecken, ein Bett, einen Schreibtisch und eine Toilette. Jeder hier sitzt permanent in Einzelhaft. Die Zellen sind schalldicht, und die Strafgefangenen können sich untereinander nicht verständigen, von seltenen Gelegenheiten abgesehen, bei denen sie einander auf dem Weg zum oder vom Hof passieren. Teufel, diese Kerle dürfen nicht mal einen Arzt besuchen. Solange sie nicht auf dem Sterbebett liegen, werden sie über ein Telekonferenzsystem untersucht.«

Nadia lächelte noch immer, als sie fragte: »Fügt die extreme Isolation vielen dieser Gefangenen denn keinen tiefgreifenden psychologischen Schaden zu? Einige von ihnen sollen immerhin wieder auf freien Fuß gesetzt werden.«

Das Lächeln des großen Marines geriet nicht ins Wanken, aber das Funkeln in seinen Augen ließ nach. »Entschuldigen Sie, Agent Shirazi, ich lege die Regeln nicht fest. Ich führe sie nur aus.« Westgate wandte sich Ackerman zu und zeigte auf eine Stahltür rechts von ihnen. »Ihr Häftling erwartet Sie dort, Mr. Stine. Ich gehe davon aus, dass Ihnen das Prozedere bekannt ist.«

Ackerman nickte zur Antwort, und der Deputy Warden übergab sie in die Obhut eines massigen Hünen ohne Hals, der aussah, als könnte er auf der Hantelbank wenigstens vierhundert Pfund drücken.

Nachdem Westgate gegangen war, wandte Ackerman sich Nadia zu und fragte: »Nun, meine Liebe, sind Sie bereit, dem Dämon gegenüberzutreten?«

»So bereit, wie ich nur sein kann.«

»Sobald wir mit ihm in einem Raum sind, nehmen Sie das Heft in die Hand.«

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, begehrte Nadia auf. »Ich weiß ja überhaupt nichts über den Kerl.«

»So geht es jedem. Er ist ein Gespenst. Wir kennen nicht einmal seinen richtigen Namen, jedenfalls nicht mit Sicherheit.«

»Das habe ich nicht gemeint. Ich weiß weder, weshalb wir hier sind, noch, was ich ihn fragen soll. Sie haben mich vollkommen im Dunkeln gelassen.«

»Das hat einen guten Grund: Ich möchte hören, was Sie ganz unvoreingenommen, ohne jede Vorabinformation, für einen Eindruck von dem Mann haben. Wenn ich Ihnen sagen würde, wonach Sie Ausschau halten sollen, würde es den Zweck verfehlen, denn meine Erwartungen hätten Ihre Wahrnehmung beeinflusst.«

»Sie reden über den Kerl, als wäre er der schwarze Mann«, entgegnete Nadia, »erwarten von mir aber, dass ich dort hineingehe und Small Talk mit ihm mache? Benutzen Sie mich als Köder? Soll ich dafür sorgen, dass er ausrastet? Oder bin ich sein Typ oder so was?«

Grinsend zwinkerte Ackerman ihr zu. »Meine Liebe, Sie sind jedermanns Typ. Aber nein, ich habe für Ihre Interaktion kein spezielles Spiel im Sinn. Stellen Sie ihm einfach die üblichen Bullshit-Fragen, die Sie bei der Verhaltensanalyseeinheit des FBI gelernt haben: nach seiner Kindheit, Haustieren, Bettnässerei, Beziehungen zu seinen Eltern, seinen Gefühlen vor und nach seinen Verbrechen, nach Reue. Dieses Zeug eben.«

Nadia schwieg kurz, aber Ackerman registrierte, dass ihre Atemfrequenz sich erhöht hatte. »Ich verstehe Ihr Zögern nicht«, fuhr er fort. »Ihnen dürfte der Umgang mit gefährlichen Serienmördern doch so vertraut sein wie das Binden der Schnürsenkel. Immerhin arbeiten Sie jetzt fast anderthalb Jahre lang Seite an Seite mit dem gefährlichsten Mann auf der ganzen Welt.«

»Ich betrachte Sie nicht als Mörder. Nicht mehr.«

Er lachte leise. »Ich weiß Ihr Vertrauen zu würdigen. Leider kann der Tiger seine Streifen nicht ablegen. Ganz egal, wie viel Gutes ich tue, wie vielen Menschen ich das Leben rette, wie viele Fälle ich aufkläre und wie viele Mörder ich hinter Gitter bringe, meine Vergangenheit vermag ich nicht auszulöschen. Ich kann niemals ändern, was ich getan habe. Uns definieren die Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben, und ob es uns passt oder nicht, dazu gehören auch unsere Fehler. Ich werde immer ein Killer bleiben, und nichts, was ich tue, wird daran etwas ändern.«

»Sie sind für mich kein Killer, Frank.«

»Was bin ich denn dann für Sie?«

Sie deutete ein Lächeln an. »Sie sind mein Partner.« Sie schwieg einige Sekunden. »Ob es mir gefällt oder nicht.«

Er lächelte zurück. »Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über dieses Interview. Nehmen Sie die Dinge, wie sie kommen, und alles ist gut. Ich erwarte nicht, dass Sie besonders viel von ihm erfahren. Außerdem haben Sie Ihre Arbeit über mich geschrieben, also kennen Sie jeden schmutzigen Trick, den ein abartiger Verstand einem arglosen Interviewer so spielen kann.«

Nadia runzelte die Stirn. »Während Ihrer vielen Inhaftierungen haben Sie Interviews und Untersuchungen stets verweigert. Wieso? Ihnen ist es gelungen, jede Sitzung in ein Machtspiel zu verwandeln, und Sie haben sich nur zu gern als das Monster gezeigt, das Ihr Gegenüber zu sehen erwartete.«

Ackerman blickte auf die Stahltür, hinter der Demon wartete. »Warum nicht das Monster sein? Mir stand ein Leben hinter Gittern bevor oder der Tod, wäre die Auslieferung an die entsprechenden Staaten genehmigt worden. Ich hatte nichts Besseres zu tun. Ich sagte mir, ich könnte mit meinen Wohltätern doch genauso gut ein bisschen Spaß haben, und Sie wissen ja, meine Liebe, wie sehr ich ein gutes Spielchen genieße.«

2

Sergeant Elliott Cole vom New York Police Department fand sich in einer Finsternis wieder, die so vollkommen war, dass er mehrmals blinzeln musste, bevor er glaubte, dass er die Augen wirklich geöffnet hielt. Der Boden, auf dem er lag, bestand aus einer unebenen Steinfläche unter einer hohen Schlammschicht, die mehrere Zoll hoch war. Elliott wartete darauf, dass seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, aber die Schwärze blieb absolut. Wie er hierhergekommen war, konnte er nicht einmal ansatzweise sagen. Jemand hatte ihn auf den Hinterkopf geschlagen, und er erinnerte sich an das Gefühl zu fallen, ganz vage sogar daran, wie er weggezerrt wurde. Die Erinnerungen waren undeutlich und formlos, und seinen Kopf füllte nur eine nebulöse Vorstellung dessen, was ihm zugestoßen war. Nachdem er vergeblich abgewartet hatte, dass die stygische Finsternis sich aufhellte, konzentrierte sich Elliott darauf, seine verschwommenen und unvollständigen Erinnerungen zu ordnen.

Allmählich klärte sich sein Brummschädel, und Elliott fiel ein, dass er vor dem Schlag, der ihn getroffen hatte, tief unterhalb von New York City gewesen war. Er hatte aufgegebene U-Bahn-Tunnel der Metro Transit Authority untersucht, in denen sich oft Obdachlose verkrochen, die ein Leben unter der Erde den Straßen über ihnen vorzogen. Dafür gab es eine ganze Reihe guter Gründe. Die Obdachlosen auf den Straßen konnten sich an Asyle wenden, aber in diesen Notunterkünften lief man Gefahr, im Schlaf bestohlen zu werden. Das Underfolk, wie Elliott sie gerne nannte, fand hingegen in den Hunderten von Gängen unterhalb von New York oft unbenutzte versteckte Nischen, die längst in Vergessenheit geraten waren.

Er entsann sich, in einem der aufgegebenen alten U-Bahn-Tunnel der J Line gewesen zu sein, aber … wieso? Wieso war er hinter seinem hübschen Schreibtisch hervorgekommen, von dem aus er normalerweise die Arbeit der untergeordneten Streifenbeamten koordinierte? Was hatte ihn verleitet, sich selbst die Finger schmutzig zu machen?

Wenige Augenblicke später war sein Geist dem natürlichen Gedankengang gefolgt, und er kannte die simple Antwort. Elliott war oft der einzige Cop seines Reviers, der sich in die Tunnel vorwagte und sich mit dem Underfolk abgab. Wenn Abschnitte gesäubert wurden und die Obdachlosen weichen mussten, halfen die anderen Officers nur widerwillig der MTA. Elliott gehörte hingegen zu den wenigen Polizisten in der Stadt, die sogar gern in das unterirdische Gewirr der Tunnel vorstießen und die weite und meist vergessene Welt erkundeten, die sich unter einer der größten Metropolen der Welt ausbreitete.

Schon als Kind hatte Elliott es geliebt, verlassene Orte zu erkunden. Er war in Brooklyn aufgewachsen und das einzige schwarze Mitglied eines Clubs gewesen, der sich die Brooklyn Pathfinders genannt hatte – nicht, dass den fünf Jungen und zwei Mädchen, die die Liebe zur Stadterkundung vereinte, die Hautfarbe in irgendeiner Weise wichtig gewesen wäre. Der Anführer hatte Elliott sofort das Gefühl gegeben, willkommen zu sein, wie er es seither nur selten empfunden hatte. Obwohl dieser Marcus Williams ein paar Jahre älter gewesen war als Elliott, hatte er den Jüngeren unter seine Fittiche genommen und ihm letzten Endes sogar den Anstoß gegeben, ins NYPD einzutreten. Als Sergeant Cole dachte Elliott heute oft an seinen alten Freund Marcus Williams, und obwohl sie über die Jahre hinweg sporadischen Kontakt gehalten hatten, war Marcus stets sehr vage geblieben, wenn sie auf seine Arbeit zu sprechen kamen. Elliott wünschte oft, dass er einen Ermittler wie Marcus in seiner Abteilung hätte.

Je mehr Einzelheiten in sein Gedächtnis zurückkehrten, desto klarer wurde Elliott, dass er in die Tunnel gegangen war, um einen Zeugen bei einer Mordermittlung zu finden.

Ein Obdachloser, den jeder nur als Jersey kannte, hatte beobachtet, wie vier Menschen vor einem Nachtclub an der Fifty-First Street niedergeschossen wurden. Die Verkehrsüberwachungskameras hatten das Gesicht des Täters nicht aufgefangen, und das Fahrzeug, aus dem die Schüsse gekommen waren, hatte sich als gestohlen erwiesen. Die Überwachungsvideos zeigten jedoch einen Obdachlosen, wie er eine Stelle in den Schatten verließ, von der aus er den Schützen ganz klar gesehen haben musste. Als die ermittelnden Beamten sich bei ihren üblichen Informanten nach Jersey erkundigten, erfuhren sie zu ihrem Leidwesen, dass der Zeuge in die Tiefen der Undercity entflohen war. Elliott hatte sich widerstrebend bereiterklärt, zwei seiner Officers bei einer Suche unterhalb der Forty-Second Street zu begleiten, eine Zone, von der es hieß, dass Jersey sich dort aufhalte.

Sie hatten Jersey jedoch nicht gefunden, und je länger Elliott darüber nachdachte, desto schlimmer erschienen ihm die Umstände. Umso mehr Fragen gingen ihm durch den Kopf. Was war aus den beiden Kollegen geworden, die ihn begleitet hatten? Von wem waren sie angegriffen worden?

Als er wieder das Bewusstsein erlangte, hatte er sich als Erstes gefragt, ob er vom Underfolk niedergeschlagen worden war, das ihn ausrauben oder einfach nicht entdeckt werden wollte. Je mehr er über seine Situation nachdachte, desto mehr erschien es ihm aber, als wäre hier etwas am Werk, das sehr viel finsterer war.

Elliott tastete sich ab. Vor dem Angriff hatte er seine Uniformjacke getragen. Man hatte ihn jedoch bis auf das Unterhemd ausgezogen. Seine Hose und seine Schuhe waren noch, wo sie hingehörten, aber sein Koppel mit dem Pistolenholster fehlte. Als er seine Taschen abklopfte, stellte er fest, dass sie bis auf etwas Hartes, Viereckiges leer waren. Er griff mit der Hand in die Tasche und ertastete, dass der Gegenstand aus Metall ihm nicht gehörte, aber genau das war, was er im Augenblick benötigte. Er zog ihn heraus, und als er die Kappe wegschnippte, strahlte die Flamme des Zippo-Feuerzeugs auf und erhellte seine Umgebung.

Elliott war in einem Tunnel aus Beton und Stein, teils feucht und schlammig, teils sauber und trocken. Einige Wände bestanden aus alten Ziegeln und strotzten vor Graffiti, andere Abschnitte wirkten neu. Er bemerkte vom Alter rostige Stahlstützen. Der Steinboden war uneben und ließ an einen Felsstrand oder an ein Kopfsteinpflaster denken. Für U-Bahn-Waggons war dieser Gang nicht gedacht, im Gegensatz zu dem Tunnel, in dem er sich vor dem Überfall befunden hatte. Je länger Elliott seine Umgebung betrachtete, desto rätselhafter erschienen ihm die ursprüngliche Funktion des Tunnels und der Zweck, dem er jetzt diente.

Er richtete das Licht direkt vor sich und konnte bis zu einem Punkt sehen, an dem der Tunnel scharf nach rechts abbog. Er versuchte das Gleiche in die andere Richtung, aber der blasse Schein des Feuerzeugs reichte nicht weit genug, und seiner Einschätzung nach konnte der Tunnel jenseits davon endlos weitergehen. Elliott entschied, als Erstes den abknickenden Weg zu versuchen, und richtete sich auf. Seine Beine zitterten, und er musste sich an einem Stück Tunnelwand abstützen, das nicht feucht und schimmelig war. Waren der plötzliche Schwindel und die Übelkeit, die ihn überfielen, eine Folge des Schlags auf den Kopf, oder hatte man ihn auch unter Drogen gesetzt? Der Gedanke warf weitere Fragen auf. Wer würde so etwas tun und weshalb? Leider half ihm das wenige, was er wusste, bei der Beantwortung seiner Fragen kein bisschen.

Er hielt das Feuerzeug vor sich wie einen Talisman, der Böses abwehren sollte, während er voranging und dabei die Finsternis vertrieb. Als er noch anderthalb Meter von dem Knick entfernt war, hörte er dahinter ein seltsames Schlurfen, als bewegte sich jemand im Tunnel vor ihm. »Hallo?«, rief er. »Ist da jemand? Ich bin vom NYPD!«

Aber seine Antwort bestand aus Stille. Niemand sagte etwas, und das Schlurfen war verstummt.

Elliott neigte nicht dazu, sich blind in unbekannte Situationen zu stürzen. Er hatte ausreichend Jahre als Streifencop auf den Straßen verbracht, um zu wissen, wie leicht man dabei ums Leben kommen konnte. In seiner gegenwärtigen Lage blieb ihm aber kaum eine andere Wahl, als weiterzugehen. Als er um die Ecke trat und beleuchtete, was dahinter war, traf ihn ein jäher Luftzug. Licht umwaberte sein Gesicht, als der Wind die Feuerzeugflamme auf ihn zurückwarf und fast ausblies. Sie erlosch jedoch nicht, und gleich vor sich entdeckte er drei Menschen, darunter einen der größten Männer, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Und dieser große Kerl stürmte gerade auf ihn zu, das Gesicht zu einem Ausdruck schierer Mordlust verzerrt.

3

Der Drang, ihren Partner mit einem stumpfen Gegenstand niederzuschlagen, war FBI Special Agent Nadia Shirazi alles andere als unvertraut. Gewöhnlich befiel der Wunsch sie aus einem von zwei Gründen: Entweder hatte Ackerman in aller Öffentlichkeit etwas Unhöfliches oder Arrogantes getan und sie in Verlegenheit gebracht, oder er warf sie in kaltes Wasser, in das sie bis über den Kopf untertauchte, während er ihr einen Betonstein hinterherwarf und erwartete, dass sie damit schwamm. Ackerman war in vielerlei Hinsicht ihr Lehrer und Mentor, aber sie würde niemals zulassen, dass er erfuhr, welche Gedanken sie manchmal in Bezug auf ihn hegte. Bei seinem Ego hätte ihn ihre Offenheit nur weiter angespornt. Zugleich aber war er auch ein Befürworter des Konzepts, durch praktische Erfahrung zu lernen. Jedes Mal, wenn er sie in eine Situation brachte, in der sie beinahe getötet wurde, stellte er es als einzigartige Lektion hin. Hinterher lobte er sie für ihre Leistungen und behauptete, dass er die ganze Zeit größtes Vertrauen in sie gesetzt habe; er habe sie nur deswegen so weit getrieben, damit sie Selbstvertrauen fand. Manchmal bekam Nadia auch irgendeinen anderen mistigen Glückskeksspruch zu hören, der in ihr den deutlichen Verdacht weckte, er diene zu gleichen Teilen der Manipulation wie der Irreführung.

Sie hatte sich bei ihrem Vorgesetzten beschwert, der das Black-Ops-Programm des FBI leitete, aber Deputy Director Samuel Carter hatte sie nur wissend angelächelt und gesagt: Bei Ackerman können Sie keine Wünsche anmelden. Wenn er jemals lernt oder wächst, dann nur zu seinen Bedingungen. Glauben Sie niemals auch nur einen Augenblick lang, Sie könnten ihm etwas beibringen. Wenn er etwas nicht weiß oder versteht, dann gewöhnlich, weil er es bereits als überflüssig eingestuft hat.

Vermutlich hätte sie von einem der berüchtigtsten Irren der Geschichte auch nichts anderes erwarten dürfen, auch wenn er, wie sich erwiesen hatte, gar nicht so irre war. Doch wie Ackerman ihr gern ins Gedächtnis rief, hing die Definition von Wörtern wie Irrsinn und Wahn stets von der eigenen Perspektive ab.

Der halslose Gigant in der hautengen Uniform eines Gefängniswärters sah zu einer Überwachungskamera im Gang hoch, blickte einen anderen Officer an, der weit entfernt in einer Kammer saß, und bat darum, dass die Stahltür geöffnet wurde. Sie summte und klickte. Der große Mann drehte den Knauf und winkte sie in eine große Betonkammer von etwa vier mal sechs Metern Grundfläche. Über dem Zentrum des Hofes war eine Dachöffnung, durch die man blauen Himmel sah, aber sonst nichts. Nadia erkannte es als eine Freizeitzone von ADX Florence, in der Häftlinge ihre eine Stunde »Körperertüchtigung« am Tag erhielten.

Im Zentrum der Kammer stand ein großer Metallquader, der Nadia an einen Beichtstuhl aus Stahl denken ließ. Er war mit einer Vielzahl von Vorhängeschlössern versehen, und jede Öffnung in den massiven Wänden war von Stahlgeflecht überzogen, das jeden erdenklichen Kontakt verhinderte. In der Frontseite befand sich nur ein einziger ungesicherter Schlitz, durch welchen dem Häftling kleine Gegenstände oder Papiere zugeschoben werden konnten. Der Mann jedoch, der in der Häftlingstransportbox saß, war mit einer Zwangsjacke fixiert und an den stählernen Sitz gekettet; er konnte von seinen Besuchern nichts entgegennehmen.

Der Mann, der als Demon bekannt war, drehte augenblicklich den Kopf hin und her und öffnete den Mund, um die Kiefermuskeln zu dehnen. Er hatte lange, leicht ergraute schwarze Haare, die ihm ins Gesicht hingen. Narben von Messerschnitten übersäten alles, was von seinem Gesicht zu erkennen war. Unter den Verstümmelungen sprang sein Glasgow-Lächeln ins Auge – eine Wunde, die entstand, indem man dem Opfer die Mundwinkel einschnitt und es dann folterte. Sobald das Opfer schrie oder auch nur die Miene verzog, riss das angeschnittene Fleisch auseinander. Demons Glasgow-Lächeln reichte fast von einem Kiefergelenk zum anderen. Allerdings bildete es keinen geraden Strich, und es war auch nicht aufwärts gekrümmt wie ein Lächeln. Es sah mehr danach aus, als wäre Demons Gesicht schräg von unten mit einer riesigen Axt zerhackt worden.

Demon schaute Ackerman an. »Hallo, alter Freund. Hatten Sie Sehnsucht nach mir?« Er sprach mit schottischem Akzent, und seine Stimme klang wie ein leises Knistern, schwach und zerbrechlich wie das Rascheln toten Laubs.

Ackerman trat auf den stählernen Beichtstuhl zu und erwiderte mit leisem Lächeln: »Eigentlich nicht. Aus den Augen, aus dem Sinn, würde ich sagen. Meine Kollegin, Agent Shirazi, möchte Ihnen ein paar Fragen stellen. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass Sie ihr mehr entgegenkommen als mir oder meinem Bruder, aber ich lasse mich gern überraschen. Allerdings gelingt das nur sehr selten jemandem.«

Mit einem Nicken wies er Nadia an, mit ihrer Befragung zu beginnen. Sie arbeitete nun beinahe ein Jahrzehnt lang für das Federal Bureau of Investigation, aber den Großteil dieser Zeit hatte sie in der Abteilung für Cyberkriminalität vor einer Tastatur verbracht. Schon damals hatte sie angestrebt, was sie jetzt hatte: einen Platz am Tisch der berühmten Behavioral Analysis Unit des FBI, der Verhaltensanalyseeinheit BAU, die sich mit dem Profiling von und der Jagd nach Serientätern befasste.

Mit ihren Aufgaben arbeitete sie allerdings nur im Keller der BAU.

Nadia rief sich ihre Ausbildung ins Gedächtnis. Sie sollte wissen, was sie in einer Situation wie dieser zu tun hatte. Einen Straftäter zu vernehmen entsprach den Aufgaben einer BAU-Agentin weit mehr als die meisten Dinge, die Ackerman von ihr verlangte – welche oft nicht einmal legal waren.

Sie schaute ihren Kandidaten an und versuchte, ihm in die Augen hinter der herunterhängenden grau-schwarzen Haarmähne zu sehen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er keine Augenbrauen hatte. Sie waren von Narbengewebe verdrängt, was ihn beinahe wie ein Wesen aus einer anderen Welt wirken ließ. Nadia versuchte, herzlich und höflich zu sein, aber sie lächelte den Mörder im Stahlkasten nicht an. »Mr. … Demon, ich bin FBI Special Agent Nadia Shirazi und würde Ihnen gern einige Fragen stellen. Nur um Sie ein wenig besser kennenzulernen. Soweit ich weiß, halten Sie Ihre wahre Identität geheim und weigern sich, den Behörden persönliche Informationen zu geben. Die Fragen, die ich Ihnen stellen möchte, sind mehr empirischer Natur, und Sie haben jede Freiheit, sie zu beantworten, ohne Einzelheiten preiszugeben, mit denen Sie eventuell verfängliche Informationen offenlegen. Meine Fragen sind darauf abgestimmt, Sie besser zu verstehen, Ihr Leben zu beleuchten und herauszuarbeiten, wie wir zu dem Punkt gelangt sind, an dem wir stehen. Wäre das für Sie akzeptabel?«

Der Mann, der als Demon bekannt war, sah zu Ackerman, zwinkerte und richtete den Blick auf sie. »Ich will dich fressen, während du noch lebst. Na ja, wenigstens zuerst. Danach will ich dich fressen, wenn du tot bist.«

Nadia reagierte nicht auf den Kommentar. Sie nickte nur, öffnete ihr iPad Mini, nahm den Apple Pencil von der Magnethalterung und machte sich in einer App Notizen, indem sie mit dem Stift auf dem Bildschirm schrieb. »Interessant«, sagte sie. »Ich werde heute ein großes saftiges Steak essen, wenn wir hier fertig sind. Wie lang ist es her, dass Sie so etwas bekommen haben?«

Demons Augen wurden mit einem Mal glasig. Mehrere Sekunden lang schien er sich in einem traumartigen Zustand zu befinden, und der Effekt schien weniger von ihrem Statement herzurühren als vielmehr von irgendetwas, das in dem Mann vorging. Übergangslos wisperte er: »Sie wollten mir doch Fragen stellen?«

Nadia machte eine Notiz auf ihrem iPad. »Fangen wir mit etwas Einfachem an. Was ist Ihre früheste Erinnerung aus Ihrer Kindheit?«

Demon spitzte die Lippen und kniff die Augen zusammen, als dächte er darüber nach, dann antwortete er: »Es war in unseres Lebensweges Mitte, als ich mich fand in einem dunklen Walde; denn abgeirrt war ich vom rechten Wege.«

Nadia wusste, dass er etwas zitierte, aber sie war sich nicht sicher, ob er wirklich etwas zu sagen versuchte und in metaphorischen Wendungen sprach, die sie nicht zu entschlüsseln vermochte, oder ob er sie nur auf den Arm nahm. Statt weiter auf der ersten Frage herumzureiten, änderte sie die Taktik. »Was ist mit Ihren Eltern?«, fragte sie. »Was können Sie mir über sie sagen?«

Wieder hielt Demon inne, als überlegte er sich sorgsam seine Antwort. »Wie Blümlein, die der Nachthauch schloss und senkte, sobald die Morgensonne sie erleuchtet, sich auf dem Stiel aufrichten und erschließen, so kräftigte sich mein gesunkner Mut.«

Diesmal war Nadia sich sicher, dass es nichts zu entschlüsseln gab. Sie sah Ackerman um Unterstützung an, aber er schüttelte nur fast unmerklich den Kopf und forderte sie mit einer Handbewegung auf weiterzumachen.

»Was ist mit Haustieren?«, fragte sie. »Hatte Ihre Familie einen Hund, oder hatten Sie als Kind ein Tier für sich?«

Demon lächelte. »Das hätte ich gern gehabt … Wie Phantome, scheuende Tiere, wenn die Schatten sich senken.«

Nadia erkannte allmählich, was Ackerman gemeint hatte, als er sagte, er rechne nicht damit, dass sie bei Demon große Fortschritte erziele. Wie es schien, würde ihr der Mann ihre Fragen nicht klar beantworten. Dennoch fühlte sie sich genötigt weiterzumachen, vielleicht aus einer sturen Hoffnung heraus, dass sie Demon doch noch zum Straucheln bringen konnte.

»Wie wäre es, wenn wir über etwas mit mehr Substanz sprechen würden? Was können Sie mir über Ihren ersten Mord erzählen? Wenn Sie keine spezifischen Einzelheiten preisgeben möchten, dann nennen Sie mir doch die Gedanken und Gefühle und unwillkürlichen Reaktionen, die mit der Tat in Verbindung stehen; auch das wäre nützlich.«

Demons Gesicht war völlig ausdruckslos. »Ich weinte nicht, und so ward ich innerlich zu Stein.«

Nadia versuchte, ihn weiter in die Richtung zu drängen, andere Themen anzusprechen, aber er gab nur immer weiter kryptische Antworten.

»Was ist Ihre früheste Erinnerung an die Schule?«

»In jedem Feuer ist ein Geist. Ein Jeder ist in das gehüllt, was ihn verzehrt.«

»Haben Sie als Kind andere Kinder oder Tiere misshandelt?«

»Sie sehnen sich nach dem, was sie fürchten.«

»Erzählen Sie mir von Ihrem ersten sexuellen Erlebnis.«

»In die ewige Dunkelheit, in Feuer und in Eis.«

»Wann haben Sie das erste Mal erkannt, dass Sie anders sind?«

»Mein Kurs trägt mich in unbekannte Gewässer.«

»Welche Schritte haben Sie ergriffen, um Ihre Verbrechen zu verbergen?«

»Durch mich gelangst du in eine Stadt der Tränen. Durch mich gelangst du in ewige Pein. Durch mich wandelst du zwischen den Verlorenen.«

»Haben Sie je Reue wegen etwas verspürt, das Sie getan haben?«

»Je perfekter ein Ding ist, desto mehr empfindet es Wonne und Schmerz.«

Auch wenn seine Antwort genauso nebulös blieb wie die anderen, zeigte Demon bei dieser Frage zum ersten Mal eine Regung und schien beinahe den Tränen nah zu sein. Nadia bat ihn: »Beschreiben Sie sich mir.«

»Der Teufel ist nicht so schwarz, wie man ihn zeichnet«, war seine Antwort.

Nadia gelangte an ihre Grenzen, sah Ackerman an und sagte: »Ich glaube, ich habe hier genug gehört. Wenn Sie so weit wären …«

»Ich habe nur zwei Fragen, alter Freund«, sagte Ackerman. »Sie haben meiner Kollegin gegenüber Dante Alighieri zitiert, aber ich bin neugierig. Wann haben Sie den Autor das erste Mal gelesen, und welches seiner Werke mögen Sie am liebsten? Ich glaube, Sie haben Ihr Geschwafel aus dem Inferno und anderen Teilen der Göttlichen Komödie zitiert und vielleicht auch aus anderen Schriften.«

Das Gesicht, mit dem Demon nun Ackerman bedachte, gehörte nach Nadias Einschätzung zu den aufrichtigsten Mienen, die er während der gesamten Vernehmung gezeigt hatte, und es war ein Ausdruck vollkommener Verwirrung. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, wenn ihr nicht vollkommen klar gewesen wäre, dass Demon nur mit ihnen spielte, so hätte sie vermutet, dass er weder wusste, wer Dante Alighieri war, noch, von welchem Buch Ackerman überhaupt sprach.

Nachdem er die Frage gestellt hatte, ohne eine Antwort zu erhalten, starrte Ackerman noch einen Moment lang Demon an, und obwohl Nadia in Ackermans grauen Augen kalte Wut entdeckte – eine Regung, an die sie sich schon gewöhnt hatte –, spürte sie mehr. Hätte sie es nicht besser gewusst und wäre ihr nicht bekannt gewesen, dass Ackerman wegen der Schädigung seiner Amygdala unfähig war, Furcht zu empfinden, hätte sie schwören können, dass er sich vor der Erkenntnis fürchtete, die er gerade gehabt hatte. Und obwohl sie nicht einmal ansatzweise begriff, was vorging, wusste Nadia nur zu gut, dass alles, was ihrem Partner leises Unbehagen einflößte, das Potenzial besaß, sie zu Tode zu erschrecken.

4

In seinem Leben war Elliott Cole schon in vielen Kämpfen gewesen. Die meisten hatte er gewonnen, wenn man als »Gewinnen« bezeichnete, dass man in besserer Verfassung aus dem Kampf hervorging als der Gegner. Elliott wusste, welchen Zoll diese sogenannten Siege seinem Körper abverlangt hatten, und betrachtete sie nicht als solche. In diesen Fällen hatte er keineswegs solch einem Koloss gegenübergestanden wie dem, der gerade versuchte, ihm den Kehlkopf zu zerquetschen.

Im flackernden Licht der Zippoflamme sah Elliott, dass der Angreifer schinkengroße Fäuste und wurstdicke Finger hatte. Die massigen Pranken hatten sich nun um Elliotts Hals geschlossen, und weil die Hände mit Armen verbunden waren, die um mehrere Fuß länger wirkten als Elliotts Arme – welche im Vergleich winzig erschienen –, hatte der große Mann ihn mühelos gegen die schleimige Mauer gepresst, die die Wand des Tunnels bildete. Die Mammut-Ellbogen waren durchgedrückt, und Elliott sah keine Hoffnung, den Koloss mit seinen Fäusten zu erreichen, während ihm die Luft abgedrückt wurde. Er versuchte zu treten, aber sein Gegner war kampfgeübt und lenkte die Tritte ab, ohne dass sie etwas trafen, das von Bedeutung gewesen wäre. Elliott merkte, wie die Welt dunkler wurde, und beschloss, die Taktik zu ändern. Er hob die Hände an die Finger des Mannes. In dem Moment begriff er, dass er das Instrument seiner Rettung die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. Das Zippo-Feuerzeug war noch in seiner Linken, und es brannte noch immer. Elliott nahm an, dass ein unterbewusster Überlebensinstinkt ihn veranlasst hatte, das Feuerzeug festzuhalten, als er angefallen und zurückgedrängt wurde.

Er hob das Zippo an eine Stelle direkt unter dem rechten Unterarm des Giganten. Der Mann musste in echtem Kampfrausch sein, denn es dauerte mehrere Sekunden, bis er begriff, dass sein eigenes Fleisch die Quelle des Brandgeruchs war, der ihm in die Nase stieg. Als er es erkannte, ließ der Koloss sofort Elliotts Hals los und sprang anderthalb Meter zurück. Dort nahm der Riese eine Boxerhaltung ein und holte mit der rechten Faust aus, um sie Elliott gegen den Schädel zu rammen.

Elliott zog den Kopf ein und rollte sich ab, aber der große Kerl war bereits in der Bewegung und knallte seine ansehnliche Faust gegen die glänzende Schwärze der Mauer. Sie kam mit einem hörbaren Schlag auf, aber der große Mann bellte nur vor Wut und zeigte umso größere Lust, seinen Gegner zu vernichten.

Elliott wich zwei weiteren Hieben aus, rollte sich auf die Seite und trat dem Hünen mit einem kräftigen Tritt gegen die Waden die Beine unter dem Leib weg. Der Gigant landete in einer Pfütze aus Wasser und wer weiß was noch. Als er versuchte, sich aufzurichten, rutschte er aus und fiel wieder in den Schlick.

Während des ganzen Kampfs hatte Elliott versucht, nicht auf die beiden anderen Gegner zu achten. Er hatte mit dem großen Kerl alle Hände voll zu tun und konnte sich nur einem Problem auf einmal widmen. Am Rande seiner Wahrnehmung hatte er aber bemerkt, dass die anderen seit dem Angriff ihren Kameraden angebrüllt hatten. Jetzt, wo er ein wenig Abstand zwischen sich und seinen Hauptgegner gebracht hatte, hörte er, wie eine weibliche Begleiterin des Behemoths rief: »Verdammte Scheiße, Bruce! Aufhören, hab ich gesagt! Bei Dinesh hast du das Gleiche versucht. Vielleicht ist der Kerl ja auch einer von uns.«

Elliott hatte sein Feuerzeug in dem Getümmel verloren, das gefolgt war, nachdem er dem großen Kerl den Arm verbrannt hatte. Er sah sich hastig um, suchte nach dem Zippo, wollte aber die Augen nicht für mehr als einen Sekundenbruchteil von den anderen nehmen, die er im Licht der Taschenlampen, die sie hielten, schwach erkennen konnte.

»Jetzt hält sich alles mal schön zurück, okay?«, rief er. »Ich bin Sergeant Elliott Cole vom NYPD. Ich weiß nicht, was hier los ist, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich definitiv nichts damit zu tun habe.«

Die Frau, bei der es sich um die Wortführerin des Trios zu handeln schien, trat Schlamm in Bruce’ Richtung. »Siehst du? Was hab ich dir gesagt von wegen erst schießen und später Fragen stellen? Du hättest fast einen verdammten Cop umgebracht!«

Der große Mann verstand eindeutig alles, aber es schien ihn nur noch wütender zu machen. Er kniff die Augen zusammen und maß Elliott mit einem Blick voll Hass und Bösartigkeit.

»Ich entschuldige mich für meinen Freund, Sergeant Cole«, fuhr die Frau fort. »Ich heiße Lauren. Ich bin Krankenschwester im Bayview. Dieser Mann hier«, sie wies auf den männlichen Begleiter, der nicht versucht hatte, Elliott zu töten, »ist Dinesh Ishanpara …«

»Corporal Dinesh Ishanpara, United States Army.« Der Mann trug eine schwarze Tarnhose und ein ehemals weißes, jetzt aber vor Schmutz starrendes T-Shirt über einem kleinen, aber muskulösen Körper. Obwohl sein Teint auf eine indische oder mittelöstliche Herkunft hindeutete, war sein Akzent reinstes Brooklyn.

»Und unser großer Freund hier – den Sie ja schon näher kennengelernt haben – heißt Bruce. Er ist Türsteher bei einem Club im Village.«

Er nickte der Gruppe zu. »Sie können mich Elliott nennen.«

Dabei schaute er sich wieder rasch nach seinem Feuerzeug um und entdeckte es zwischen zwei der unebenen Steinplatten, aus denen der Boden des Tunnels bestand. Er hob es auf und richtete seinen argwöhnischen Blick wieder auf die Neuankömmlinge, die sich noch klar als Freund oder Feind zu erkennen geben mussten. »Ich bin erst vor fünf Minuten in diesen Albtraum geraten, wenn also jemand von Ihnen ein wenig Licht in die Sache bringen könnte, wäre ich dafür sehr dankbar.«

Laurens Miene verschloss sich, als ihr offenbar der Ernst der Lage erneut bewusst wurde. Alle Erleichterung und Aufregung, die sie gezeigt hatte, weil sie auf ein anderes Opfer dessen gestoßen war, was immer hier vorging, verflog sehr schnell. Ihr Blick zuckte von einer Seite des Tunnels zur anderen und wieder zurück. »Mir gefällt es hier nicht. Wir sind hier exponiert. Wir wollten in diese Richtung gehen. Warum schließen Sie sich uns nicht an, und wir reden weiter, sobald wir eine Stelle finden, an der meine Gänsehaut nachlässt?«

»Na, kommen Sie, Lady«, drängte Elliott, »irgendwas müssen Sie mir schon sagen. Sind wir hier allein? Sind Sie überfallen worden? Wissen Sie, wer das getan hat?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich erkläre bald mehr. Aber nein, allein sind wir hier nicht.«

5

Während Ackerman das Büro von Deputy Warden Westgate musterte, fiel ihm sofort ins Auge, dass der Raum genauso aussah wie ein Büro von jemandem, der für eine Verwaltungsbehörde arbeitete und echte Arbeit leistete. Die Wände waren weiß gestrichenes Mauerwerk und verschwanden unter einem Sammelsurium von Sportpostern, diversen Mitgliedschaften und Belobigungen sowie Fotos von klassischen Straßenkreuzern. Ackerman fiel auch auf, dass es keine Familienfotos gab, was er darauf zurückführte, dass die meisten Personen, die er in dieses Büro führte, nicht dem Personenkreis angehörten, dem Westgate auch nur verraten wollte, dass er eine Familie hatte. Die Möbel bestanden aus billigen Pressspanplatten mit einem Furnier aus Holzimitat. Der Sessel jedoch sah aus, als wäre er teuer und ergonomisch; vermutlich hatte Westgate ihn von seinem eigenen Geld gekauft. Ackermans Erfahrung nach gab es nur eines, was die Steuerzahler noch weniger interessierte als die Zustände in Haftanstalten: die Zustände in psychiatrischen Krankenhäusern. Westgate wies auf eine Sitzgruppe links von seinem Schreibtisch, die aus zwei Zweiersofas und einer Couch bestand; in der Mitte des Tischchens davor stand eine kleine Schale mit Äpfeln und Bananen.

Mit schnarrender Stimme sagte der große Stellvertretende Direktor: »Hier können Sie warten, bis wir im Konferenzraum alles für Sie vorbereitet haben. Sollte nur ein paar Minuten dauern.«

Ackerman sah auf die Uhr, die er einem Killer abgenommen hatte, dem er in einer Anlage begegnet war, die ADX Florence sehr stark ähnelte. Die Uhr war einmal Eigentum des Judas-Killers gewesen, und wenn man an der Krone zog, kam ein herausziehbarer Würgedraht zum Vorschein.

Kaum hatte Westgate den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen, ging Ackerman an Sofas und Couch vorbei zum Schreibtisch des Deputy Warden.

Nadia zog die Brauen hoch. »Was zum Teufel machen Sie da?«

Ackerman ließ sich in den teuren Sessel fallen, klappte die Rückenlehne zurück und legte die Kampfstiefel auf die Schreibunterlage des Stellvertretenden Direktors. »Ach, ich sage unserem Freund nur Hallo«, antwortete er dann. »Er sieht sich die Videos an, sobald wir weg sind.« Ackerman schaute zu der Überwachungskamera in der Ecke des Raumes und winkte dem Westgate der Zukunft zu.

»Ihnen ist aber schon klar, weshalb die Leute Sie hassen?«

Ackerman lächelte. »Nicht deshalb, meine Liebe. Es gibt viel schlimmere Gründe, weshalb Leute mich hassen. Das hier ist nur ein kleiner Ulk.«

Er hob die Arme, verschränkte die Hände im Nacken, sodass er fast die Form einer Kobra annahm, und fläzte sich noch tiefer in den Sessel.

»Ist Ihnen denn klar, dass Sie wie ein absolutes Arschloch wirken, wenn Sie vor anderen Leuten derart rumflegeln?«

Ackerman lachte leise. »Auf dem Gebiet der Kinesik, meine Liebe, zeigt die Darstellung der Kobra, dass sich jemand den anderen im Raum überlegen vorkommt oder in einem Zustand der Entspannung befindet, in dem ihm vollkommen behaglich ist und er die Herrschaft über seine Umgebung innehat.«

Nadia schnalzte mit der Zunge. »Wow, wie schon gesagt, nur Arschlöcher räkeln sich so vor anderen. Wissen Sie, wir sind gar nicht irgendwo am Strand. Und ganz offensichtlich müssen Sie sich mir überlegen fühlen.«

Ackerman schwieg einen Moment, aber er spürte Nadias hitzigen Blick auf sich. Am Ende antwortete er: »Ich bin mir sicher, dass es zahlreiche Gebiete gibt, auf denen Sie weit über meine Möglichkeiten hinaus brillieren.« Er sah sie von der Seite an. »Mir fällt nur gerade keines ein.«

Zwar kniff sie die Augen zusammen, aber ein kleines Lächeln krümmte ihre Lippen. Sie lachte stillvergnügt in sich hinein. »Sie sind wirklich ein Ekelpaket, ist Ihnen das klar?«

»Ich halte nichts von Etiketten, meine Liebe.«

Sie prustete verächtlich. »Was reden Sie da? Sie etikettieren andere Leute doch ständig als Idioten und ›Normale‹. Sie sehen jemanden an und stecken ihn binnen eines Sekundenbruchteils in eine Schublade.«

»Im Kampf vielleicht. Dort sind solche Einstufungen und Entscheidungen lebensrettend. Sie haben jedoch recht. Auf unseren Reisen treffen wir auf viele Menschen, bei denen ich feststellen muss, dass ihnen die grundlegende Intelligenz fehlt, die nötig ist, um ihre Körperfunktionen zu beherrschen, geschweige denn allein im gesellschaftlichen Umfeld zu funktionieren. Was also Etiketten angeht, mag ich es wohl bloß nicht, wenn sie auf mich angewendet werden.«

»Dann geben Sie also zu, ein Heuchler zu sein?«

»Absolut. Sind wir das nicht alle?«

Er ließ die Stille einen Moment lang wirken, wie er es gern tat. Seine kleine Zurschaustellung an Westgates Adresse, das Posieren, das Geplänkel – alles diente einem bestimmten Zweck. Hier wollte er Nadia beruhigen und sie in einen Zustand versetzen, in dem sie bereit war, die anstehende Angelegenheit zu diskutieren. Als er spürte, dass er durch die Anspannung gedrungen war, die sie bis vorhin im Griff gehalten hatte, sagte er: »Also, was halten Sie von dem Dämon?«

Nadia lächelte ihm zu, und damit vermittelte sie irgendwie den Eindruck, dass sie genau im Bild gewesen war, was er die ganze Zeit versucht hatte. Vielleicht kannte sie ihn bereits zu gut. »Ich wusste, dass Sie darauf hinarbeiten«, sagte sie. »Ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es war merkwürdig. Ich meine, er war definitiv so gruselig, wie man erwarten sollte. Er hat bei allen Kästchen ein Kreuz gemacht, die auf irgendeine Art von Massenmörder hinweisen, aber es war irgendwie … hohl.«

Ackerman änderte seine Haltung. Er stellte die Füße flach auf den Boden und beugte sich vor. »Nur weiter, meine Liebe. Hat er ein Spiel getrieben? Hat die Zeit in der Isolationshaft seinen Verstand zerrüttet?«

»Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll«, antwortete Nadia. »Es war, als wäre er ganz fern oder vielleicht in einem traumartigen Zustand. Er war jedenfalls nicht richtig bei uns. Eindeutig ist in ihm etwas zerbrochen, aber das war eigentlich nicht das, was mir an unserem Gespräch am merkwürdigsten erschien. Es …« Nadia hielt inne und schien nach den passenden Worten zu suchen oder wenigstens nach einer Formulierung, die Ackerman verstehen konnte. Schließlich sagte sie: »Es war beinahe so, als wäre er ein NPC in einem Videospiel.«

Ackerman zog eine Braue hoch. »Ich fürchte, jetzt haben Sie mich abgehängt. Die einzigen Spiele mit Videos, die ich kenne, haben entweder mit Lösegeldforderungen zu tun, oder ein anderer Meister der morbiden Künste möchte mir eine Nachricht zukommen lassen.«

Nadia nahm eine Banane von Westgates Couchtisch und schälte sie, während sie weitersprach. »Eine nichtspielbare Figur. Non-playable character. NPC. Im Grunde heißt das, er ist nicht real. Er hat keine eigene Intelligenz, weder künstlich noch sonst wie. Es war, als hätte Demon eine Reihe von vorprogrammierten Antworten, und wenn wir ihn etwas fragten, guckte er in seine Antworten und zitierte eine aus dem Gedächtnis, als ob … Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass ich jetzt schon genug gesehen habe, um mehr darüber zu sagen. Er war definitiv seltsam.«

»Sie bestätigen meine eigenen Beobachtungen«, sagte Ackerman. »Zuerst hielt ich es für eine Art Trick, eine Technik zur Aufrechterhaltung von Distanz, wie ein Kriegsgefangener sie anwendet, um während seiner Gefangenschaft seine geistige Gesundheit zu bewahren, oder dass er ein kleines Spiel mit uns trieb. Es war gar nicht unähnlich den Tricks, mit denen ich in meinen dunklen Jahren meinen Interviewern gekommen bin. Je mehr ich aber mit ihm kommunizierte, desto mehr war ich überzeugt, dass hier etwas Größeres im Spiel ist, und ich glaube, heute könnten wir ein weiteres Puzzlestück entdecken.«

»Hat das etwas mit dem zu tun, was immer Westgate für Sie im Konferenzraum vorbereitet?«

Ackerman sah auf die Uhr. »Ja, wir haben eine Videokonferenz mit Schottland.«

Nadia blinzelte. »Mit dem ganzen Land, oder was?«

Die Tür öffnete sich, und Westgate steckte den Kopf herein. »Alles ist für Sie bereit. Leider ist der Konferenzraum auf der anderen Seite der Anlage. Ich begleite Sie.«

Während Ackerman und Nadia aufstanden, sagte Westgate nichts dazu, dass Ackerman auf seinem Sessel war, aber als sie auf dem Korridor standen, flüsterte der Deputy Warden: »Wenn Sie Ihre verfluchten Kampfstiefel noch einmal auf meine Möbel legen, Frank, haben wir ein echtes Problem miteinander.«

6

Sie stießen in einen Bereich vor, der wie die Speiche eines Rades geformt war. Die Decke des Tunnels senkte sich ab, bis sie kaum noch aufrecht stehen konnten. Auch hier bestand das Bauwerk zum Teil aus alten Mauersteinen, die von Schmutz und Schimmel bedeckt waren, und teils aus neuem Beton. Elliott bemerkte weitere Stahlstützen, die vom Alter Rost angesetzt hatten. Seiner Schätzung nach war die Nabe des Rades weit genug, um aus allen Richtungen einen Gegner so frühzeitig kommen zu sehen, dass man reagieren konnte, und er ertrug immer schlechter, im Dunkeln gelassen zu werden – sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinn.

»Diese Stelle ist genauso gut wie jede andere«, sagte er. »Ich benötige ein paar Antworten.«

Der Gigant, der Bruce hieß, versetzte verächtlich: »Du hast hier aber nicht das Sagen, Bulle.« Er wich jedoch zurück, als Lauren ihm die Hand auf die Brust legte.

»Lass mich das machen, Bruce.« Sie bedachte ihn mit einem Blick, der fest war, aber auch beruhigend. Während sie sprach, bemerkte Elliott zum ersten Mal, wie schön Lauren in der Welt draußen aussehen musste. Sie hatte Schmolllippen und hohe Jochbeine in einem kantigen, V-förmigen Gesicht und lange kastanienbraune Haare. Sie war wohl gewöhnt, dass Männer taten, was sie ihnen sagte. Ihre Haare waren nun fettig und schlaff, ihr attraktives Gesicht blass und schmutzverschmiert. Sie wandte sich Elliott zu. »Sie haben recht, Sergeant. Wir müssen zusammenarbeiten, wenn wir hier lebendig herauskommen wollen, aber ich weiß ganz ehrlich nicht, wie viel Licht jemand von uns in diese Sache bringen kann.«

»Fangen wir damit an, wie lange Sie schon hier sind.«

»Es muss wenigstens zwei Tage her sein, seit ich hier aufgewacht bin.« Laurens große grüne Augen glitzerten. »Aber das lässt sich nur schwer sagen. Es könnte auch sein, dass noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen sind, und mir kommt es vor wie eine Woche. Wir haben keine Uhren und kein Sonnenlicht. Bruce habe ich ziemlich bald getroffen. Ein paar Stunden lang waren wir beide allein, dann begegneten wir Dinesh. Mehrere Stunden später stießen wir auf Sie. Wie schon gesagt, es ist schwer, hier unten die Zeit zu bestimmen.«

»Also haben Sie sich die ganze Zeit durch die Tunnel bewegt? Das Labyrinth muss ja riesig sein.«

Lauren schüttelte den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Wir haben entdeckt, dass die Wände anscheinend ihren eigenen Willen haben.«

»Was soll das denn heißen?«

»Sie bewegen sich. Sie bleiben nicht, wo sie sind.«

Elliott zog die Brauen hoch, aber er verkniff sich einen Kommentar. Solche komplizierten Vorrichtungen deuteten darauf hin, dass dieser Albtraum einen größeren Umfang hatte, als er zunächst angenommen hatte. »Okay. Sie sagten, wir sind hier nicht allein. Bis auf uns vier, wen haben Sie noch gesehen?«

Seine Frage veranlasste Lauren, sich erneut umzuschauen. »Es geht nicht um das, was wir gesehen haben, sondern mehr um das, was wir gehört haben.«

»Zum Beispiel?«

»Seltsame Geräusche. Vor allem Bewegung. Aber auch … Manchmal klingt es, als würden Kinder lachen, manchmal summen Stimmen Kinderreime oder Schlaflieder oder so etwas. Richtig gruselig. Als würde jemand uns beobachten und mit uns spielen. Wir fingen an, Licht zu sparen …« Elliott hatte bemerkt, dass seinen drei Gefährten Taschenlampen überlassen worden waren, während er nur ein Feuerzeug mit begrenztem Benzinvorrat hatte. Er hatte das Thema nicht anschneiden wollen, weil der Umstand ihn von den anderen unterschied. »Aber einmal, als wir uns im Dunkeln hinsetzten und ein paar Minuten lauschten … Na ja, als das Licht wieder anging und ich losgehen wollte, entdeckte ich, dass mir die Schnürsenkel zusammengebunden worden waren.« Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. »Wer immer das gemacht hat, er war mir so nahe, er hätte mir auch die Kehle durchschneiden können, und ich habe nichts gehört oder gespürt, kein bisschen.«

Bruce legte Lauren seine massigen Hände auf die Schultern, und sie schmiegte die Wange an einen Handrücken. Erneut staunte Elliott über die Absurdität und den Irrsinn ihrer Lage, aber sein Training half ihm, es unkommentiert zu lassen. Stattdessen fragte er: »Von diesen Vorfällen abgesehen: wirklich gesehen haben Sie sonst niemanden?«

»Niemanden, der nicht einer von uns ist. Wenigstens noch nicht.«

Elliotts Gedanken wandten sich dem Umstand zu, dass er nicht sagen konnte, wer von diesen Leuten wirklich Opfer war und wer vielleicht in Wahrheit zu den Tätern gehörte. Gewiss war dieser Gedanke schon jedem seiner drei Gefährten durch den Kopf gegangen. »Also, wie sind Sie hier gelandet?«

Lauren antwortete als Erste. »Ich hatte Schichtende im Bayview und war auf dem Weg zu meinem Auto. Jemand muss mich von hinten niedergeschlagen haben. Ich bin hier wieder aufgewacht.«

Als Nächster berichtete Dinesh, der angebliche Army-Corporal, in seinem abgehackten, nüchternen Brooklyner Akzent. »Ich hab mich in meinem Apartment schlafen gelegt. Aufgewacht bin ich hier.«

Bruce sah ihn nur drohend an. Elliott entschied, im Moment nicht auf seiner Geschichte zu bestehen und später auf die Fragen zurückzukommen, die er an die einzelnen Personen hatte.

»Niemand von Ihnen hat also gesehen, wer uns hergebracht hat«, sagte er. »Ist Ihnen in den Tagen vor der Entführung jemand gefolgt? Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Irgendwelche Personen, die ein merkwürdiges Interesse an …«

Mitten im Satz wurde Elliotts Frage unterbrochen. Von den Steinmauern der Gänge hallte eine gellende Alarmsirene wider, deren Ton geeignet war, vor einem bevorstehenden Atomschlag zu warnen. Nachdem er einen Augenblick lang den entsetzlichen Lärm erduldet hatte, begriff er, dass das Geheul von allein nicht aufhören würde, und rief: »Wir müssen rauskriegen, wo das herkommt.«

Der Lärm war nicht laut genug, um von einer Alarmanlage mit mehreren Lautsprechern oder einem Beschallungssystem zu stammen. Vielmehr schien er aus einer einzelnen Quelle irgendwo in einem der Tunnel zu kommen, die in die Nabe mündeten. Die Gruppe ging die Tunneleingänge ab und horchte, ob sie feststellen konnte, aus welchem Gang das Sirenengeheul kam. Nachdem sie an vier der sechs Tunnel gehorcht hatten, wusste Elliott noch immer nicht, was den Lärm verursachte. Vielleicht war sein Gehör nicht mehr so gut wie früher, denn er schien nichts Nützliches aus der Kakophonie von Schall und Widerhall herausfiltern zu können.

Dinesh ging jedoch zu dem zweiten Tunnel zurück, an dem sie schon gewesen waren, und sagte: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es von hier kam.«

Elliott entschied, dem Gehör des jüngeren Mannes zu trauen, und nickte. »Gehen Sie voran, Corporal.«

Sie gelangten aus dem Tunnel in einen Bereich mit neuen gemauerten Wänden und alten Rosten, die neu vergittert waren. Man sah Leitern und andere Zeichen, die bewiesen, dass dieser Tunnel einmal einem anderen Zweck gedient hatte, als New Yorker Bürger zu terrorisieren. Schließlich erreichten sie eine große Kammer, in der vier Tunnel aufeinanderstießen.

Die Quelle des Lärms stand auf einem Tisch mitten in dem Raum. In dieser Umgebung wirkte der Tisch völlig fehl am Platz. Kunstvolle Schnitzereien liefen an seinen Beinen hinauf, und die Oberseite war mit Gold und Samt belegt. Auf diesem gespenstisch unpassend erscheinenden Tisch stand ein iPad, aus dessen Lautsprechern der Lärm tönte. Der Aufbau erinnerte Elliott an den Abendmahlstisch, der in der St. Patrick’s Cathedral verwendet wurde, wo er manchmal die Messe besuchte.

Der Bildschirm des iPads zeigte einen großen roten Knopf, auf dem Drück mich stand. Elliott trat näher und streckte die Hand nach der Schaltfläche aus, aber Lauren ergriff ihn beim Handgelenk.

»Warten Sie«, sagte sie. »Sie wissen doch gar nicht, was dann passiert.«

»Ich glaube kaum, dass uns groß eine Wahl bleibt«, entgegnete er, und als sie nachgab und seine Hand losließ, tippte er mit dem Finger auf das Tablet. Ein Videoclip startete und zeigte einen in Schwarz gehüllten Mann, der mit verzerrter Stimme sprach. »Ich fürchte, ich muss euch informieren, dass ihr die Welt der Sterblichen verlassen habt und in der Hölle erwacht seid. Aber sorgt euch nicht, junge Gäste. Schon bald werdet ihr die Ketten eures alten Lebens abschütteln und zu Jüngern des Feuers werden. Was ihr wart, gibt es nicht mehr. Was ihr sein werdet, erfahrt ihr in den Tunneln, die vor euch liegen.«

Das Video ging abrupt zu Ende, und der Bildschirm des iPads wurde dunkel. Elliott werkelte an dem Gerät herum, um zu sehen, ob er es auf eine Weise zum Arbeiten bringen konnte, die von ihrem Entführer nicht vorgesehen war, aber er hatte kein Glück.

Als Elliott wieder zu seiner Gruppe blickte, rannen Lauren die Tränen herunter. Bruce hatte die Zähne zusammengebissen und versuchte wie ein steinerner Wasserspeier an einer Kirche auszusehen. Dinesh hingegen flüsterte in einem fort Obszönitäten vor sich hin, immer wieder unterbrochen von Gebeten. Elliott legte Lauren eine Hand auf die Schulter. »Wir werden hier schon durchkommen«, sagte er. »Wir müssen nur zusammenhalten.«

Bruce knurrte, und entweder aus Eifersucht oder Frustration stieß er Elliott zurück. »Du hast ja keine Ahnung, Bulle! Du kommst hier gerade erst an und willst schon das Kommando übernehmen? Stimmt doch, Bulle? Du bist vielleicht ’ne große Nummer, wo du herkommst, aber da bist du nicht mehr. Du hast das Video gehört. In der Hölle sind wir, hat er gesagt. Ob es jetzt stimmt oder nicht, es läuft auf das Gleiche hinaus. Wir müssen …«

Der Koloss verstummte mitten im Satz, als ein traurig gesummtes Schlaflied aus der Dunkelheit der Tunnel hallte.

Elliott lauschte kurz auf das Summen, und obwohl er sich nicht sicher war, weil so viele Schlaflieder gleich klangen, glaubte er es als ein besonders gruseliges Beispiel aus Schottland zu erkennen. Obwohl er sich weder an den Namen des Liedes erinnern noch sagen konnte, wo er es gehört hatte, wusste er, dass es etwas mit einer Frau zu tun hatte, die ihr Baby verlor; eventuell wurde es ihr von Feen gestohlen.

Elliott sah Bruce in die Augen, ohne einen Zoll zurückzuweichen. »Wie wär’s, wenn wir nachschauen, wer uns da in den Schlaf wiegen will, und danach machen wir uns Gedanken über den ganzen Müll, den Sie so abgesondert haben.«

Bruce kniff die Augen zusammen, aber er nickte zustimmend. Mit seinem rauen Bariton sagte er: »Ist gut, Bulle. Aber vorbei ist es noch nicht.«

Während Elliott sich zu dem Tunnel in Bewegung setzte, aus dem seiner Ansicht nach das Summen kam, sagte er nicht laut, sondern dachte: Das ist das Klügste, was du bisher gesagt hast, Bruce. Denn wenn ich eines mit Sicherheit weiß, dann das: Was immer hier los ist, vorbei ist es noch lange nicht.

7

Sie folgten einem Korridor aus weißem Mauerwerk, der so hell erleuchtet war, dass er keimfrei wirkte wie ein Krankenhaus oder ein Reinraum. »Verraten Sie mir, mit wem in Schottland wir reden?«, fragte Nadia.

»Es tut mir leid, dass ich Ihnen Dinge verschwiegen habe, aber ich wollte, dass Sie Demon unvoreingenommen vernehmen, bevor ich Sie in weitere Einzelheiten einweihe. Nachdem mein Bruder und ich Demon festgenommen und den Judas-Killer besiegt hatten, fanden wir in Judas’ Dateien einen Eintrag, der darauf hindeutete, dass Demon mit richtigem Namen Damon Walker heißen könnte. Sein Spitzname Demon Welkar wäre dann entstanden, indem er die As und Es vertauschte. Nachdem wir davon erfahren hatten, kontaktierten wir alle internationalen Polizeibehörden und auf Grundlage von Demons Akzent besonders Schottland, aber niemand hatte einen offenen Fall, in den ein Damon Walker oder jemand, der sich der Dämon Welkar nannte, verwickelt war.«

»Aber dabei kam es zu einem Fehler oder so etwas?«

»Nicht unbedingt einem Fehler. Es war nur so, dass nach aktiven Fällen gesucht wurde, und in den Augen der schottischen Behörden hat sich der Gangsterboss, der nur unter dem Namen Welkar bekannt ist, bereits seit einiger Zeit in Gewahrsam befunden.«

Nadias Stirnrunzeln vertiefte sich, während sie weitergingen. »Also hat unser Demon einen fremden Namen gestohlen?«

»Das werden wir bald herausfinden. Wir bekommen eine Videokonferenz mit Welkar.«

»Was haben Sie mir sonst noch verschwiegen? Ich weiß, dass Sie eine Theorie haben. Sie haben immer eine Theorie.«