Die Suche hat ein Ende - Mario Walz - E-Book

Die Suche hat ein Ende E-Book

Mario Walz

4,8

Beschreibung

Offen, ehrlich und bewegend beschreibt Mario Walz in diesem Buch die Suche nach dem wahren ICH anhand seiner eigenen Lebens- und Seelenreise. Spannen und selbstironisch, ernsthaft und humorvoll erzählt er von sichtbaren und unsichtbaren Welten, lichten und dunklen Wesen und den unzähligen Wundern, die er auf seinem Weg erlebt. Seine spirituellen Erfahrungen führen ihn aus Fremdbestimmung, Angst und Unsicherheit zu einem Leben in Selbstbewusstsein und Freiheit. Das Buch ist der ideale, inspirierende und ermutigende Begleiter für Ihre eigene Seelenreise.

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Geister

Ihre Mutter hatte ihn gesehen. Einen Mann mit Stock auf der Empore. Herabschauend, stillstehend, nebulös. Seitdem schläft sie unruhig und fühlt sich beobachtet. Seit sie in dem alten umgebauten Bauernhof wohnen, war ihre kreative Phase abrupt unterbrochen. Auf der Empore oben steht ihr Computer, das Buch begonnen und nie zu Ende gebracht. Funkstille. Und jetzt sieht ihre Mutter diesen Geist.

Ich hatte sie bei einem Bühnenjob kennengelernt. Wir arbeiteten beide an der Realisation eines großen Events für die Figur mit den beiden schwarzen Ohren. Der Job war okay, ich konnte meiner Phantasie endlich mal wieder freien Lauf lassen. Thema Schloss, Märchen. Genau das richtige. Sie organisierte, ich beobachtete den Aufbau meines Entwurfes. Wir kommen ins Gespräch und letztlich auf mein anderes berufliches »Standbein«.

Sie erzählte mir von ihrem Problem, und ich wurde eingeladen, den Hof zu begutachten.

Und so sitze ich mit ihr und ihrem Freund im Hof. Die Sonne scheint warm auf uns herab. Das Wasser ist kühl. Sie erzählt. Sie führt mich durch den Hof, in die Räume, in die Ställe und den Garten. Ich spüre es sofort: Todesgeruch.

Ein Gefühl, als würgte sich der Ekel aus meinem Körper in den Hals hinauf. Mir wird schlecht. Und in dieser Ecke befindet sich das Wohnzimmer. Ich beobachte und fühle mich durch den Hof.

Die Energie, wie bei den meisten älteren Häusern, steckend, alt und verbraucht. Obwohl die ganz alten Bauernhöfe – noch im Wissen um die Energien in der Natur – durch die Benutzung von Lehm ein angenehmes Klima erhalten haben. Gestampfter Lehmboden und keine Wasserader kann mehr stören. Lehm in den Wänden und zugige Fenster lassen das Haus atmen. Aber dieses Haus ist renoviert. Dicht gemacht. Abgeschottet und verriegelt.

Hier kommt nichts rein und leider auch nichts mehr hinaus. Alte Energien kleben, bis sie kippen und die Luft vergiften. Ein Energieloch entsteht, saugt an Mensch und Tier, der beste Platz für Wesen, die sich in solcher Umgebung wohlfühlen. Sie lassen mich jetzt allein.

Ich konzentriere mich. In meinem Herzen fühle ich den Lichtpunkt. Er wächst, wird größer und größer. Umschließt mich. Gibt mir Raum zum Atmen, Sicherheit. Licht um mich, ich stehe in einer lichtvollen weißen Kugel. Ich bin sicher. Keine nicht lichtvolle Energie durchdringt diesen Schutzschild. Ich atme tief in mich hinein, werde ruhig, werde groß und rund. Ich verbinde mich mit Babaji, mit Shiva. Die grüne Flamme wächst in mir, füllt mich aus, ich bin die Flamme, ich bin das Feuer. Mein Geist dehnt sich aus, füllt die schützende Kugel aus purem Licht, geht darüber hinaus. Ich ergieße meinen Geist in den Raum, scanne die Umgebung und nehme wahr.

Ich konzentriere mich nicht auf die Matrix des Hauses, dies ist nicht meine Aufgabe. Dennoch nehme ich die energetischen Schwächen wahr, bemerke die Gitterstruktur, verletzt, verbogen, gehe darüber hinaus, andere Strukturen zeigen sich.

Ich begehe die Räume. Ich bin. Pures Sein. Transformierendes Sein. Brennendes Feuer. Langsam, ohne Hektik suchend, wahrnehmend. Die Ecke im Wohnzimmer schreit. Blut. Todesenergie. Ein Schlachtplatz? Tote Tiere, Reste von Schmerz und Reste von Sterben. Tod.

Ich brenne mich durch den Raum. Verändere durch bloßes Sein. Nehme mit, befreie, löse ...

Keine Wesen hier im Haus. Ich geh in den Hof. Der Hund bellt von Weitem. Er steht vor dem Stall. Dort nehme ich ihn wahr. Den alten Mann. Mit Krücke. Er steht nur, kann nicht gehen, will nicht gehen. Ich frage, wer er ist. Zuerst keine Antwort. Kontakt, aber Ruhe. Beobachten, sondieren. Ich gehe auf ihn zu. Er steht, still, ruhig. Wer er denn sei? Dann kommt es, zögerlich, harsch. Ein Besitzer des Hofes. Ein ehemaliger Besitzer des Hofes.

Er will nicht gehen, kann nicht loslassen. Klebt hier. Er erzählt von seiner Frau, die hier war, die er sucht, die er nicht findet, aber sie muss doch hier sein. Wo ist sie, er sucht schon so lang. Er kann nicht gehen, sie ist hier – irgendwo, irgendwann. Ich erkläre ihm, wo er ist, wann er ist, er versteht nicht. Behutsam erläutere ich ihm, dass sein Körper längst nicht mehr lebt. Er wundert sich, kann es nicht verstehen, sucht doch nur. Dies ist sein Hof, viele Fremde, und er findet sie nicht. Ich rede und rede, erläutere, erkläre. Langsam versteht er. Kann es nicht glauben, ist so lebendig in seinem Wahrnehmen. Ich biete ihm an, ihn nach Hause zu bringen, vielleicht an den Ort, wo sie auf ihn wartet. Er will zunächst nicht, aber ich bleibe hartnäckig. Mein Energiekörper hat ihn umfasst, er kann nicht raus, bis er mit mir gehen will.

Ich greife nach oben, verbinde Zeit und Raum mit den hellen Wolken, hinter welchen sich das Tor befindet. Die Wolken öffnen sich, Licht strahlt herab. Engelhafte Wesen, hell, ohne definierte Form schweben herab, umringen den Geist, heißen ihn willkommen, führen ihn. Ich begleite ihn auf dem Weg in die strahlende Helligkeit, in die alles lösende Wärme. Ich sehe Wesen, die den Mann begrüßen, ich sehe die Engel, den weiten Raum.

Das Tor schließt sich. Ich schwebe herab, ganz benommen und sehnsüchtig nach der Liebe und dem Licht. Der Hund bellt wieder. Ich orientiere mich, energetisiere meinen Schutzkörper erneut, werde wieder zur leuchtenden Flamme. Ich bin jetzt vor dem alten Stall. Über mir ein den Stall mit dem Haus verbindendes Dach. Links eine Ecke mit Gerümpel. Müll, altes Zeug. Darüber, oben in die Ecke gedrängt, in glühendem Rot, wütend, mich anfauchend, dämonisch. Ich versuche ruhig zu bleiben. Stehe, wo ich bin. Still. Atmend. Wartend. Was tun? Ich höre in mich, fühle die Kraft in mir, das Feuer, die Macht.

Einatmen – Ausatmen. Ruhe.

Ich dehne mich um den Raum herum aus. Schließe den Kreis. Das Wesen in einer Falle aus waberndem Feuer. Es scheint wütend, aggressiv. Ich versuche den Kontakt, erkläre die Situation, dass es hier stört, und dass es bitte gehen soll. Aber ich dringe nicht durch. Ich fühle keinen Zorn oder Hass. Für mich ist es ein Lebewesen, nur andersartig, weit fort von der Heimat, verlassen. Ich ziehe den grünen Ring zusammen, es kämpft gegen das Licht, gegen das Feuer an, aber es hat keine Chance. Es bläst sich auf, wird größer. Ich reagiere genauso, ich bin nun größer als die Scheune, schaue von oben herab, mitfühlend, muss es aber dennoch hier fortbringen. Kein Dimensionstor, in welches ich das Wesen zurückwerfen könnte. Es bleibt nur eines: Feuer.

Die brennende, transformierende Kraft ist nun überall. Ich spüre wie die fremde Energie mehr und mehr verschwindet, bis nichts übrig bleibt, außer Ruhe und Stille.

Mir ist nicht wohl dabei, ich musste es tun und irgendetwas ist nicht in Ordnung damit. Licht gegen Schatten, Gut gegen Böse? Auf welcher Seite stehe ich? Muss die Welt bereinigt werden von all den Wesen drum herum, nur weil wir Menschen vor ihnen Angst haben, nur weil wir nicht mit den unbekannten Energien umgehen können?

Ich lasse das Feuer in mir kreisen, reinige mich selbst von den Energieresten dieses Erlebnisses. Ich bedanke mich für den Schutz und den Beistand meiner geistigen Begleiter.

Den Kaffee nehme ich dankend an. Ich erzähle meine Erlebnisse. Das Wohnzimmer war tatsächlich an dem Platz, an welchem früher die Tiere geschlachtet worden waren. Blut. Später erfahre ich, dass Ruhe eingekehrt war in dem Hof, die Mutter hatte den Mann nicht mehr gesehen und sie konnte direkt mit dem Buch weiterarbeiten. Die Blockade war verschwunden.

Medium

Hier steh ich nun mit meiner schwere Mappe, Fotos und Zeichnungen. In einer fremden Stadt. Ich hatte mich hier um eine Stelle als Designer beworben und die Chance nutzend, gleich einen Termin bei Frau X gemacht, um mir die Karten, meine Zukunft, lesen zu lassen. Die Mutter einer flüchtigen Bekannten meinte, Frau X wäre ja ganz toll.

Naja, ich steh also nach einer Fahrt mit Zug und Taxi hier vor der Tür eines normalen Fünfzigerjahremehrfamilienmietshauses. Wie alles hier in der Gegend hat auch hier der Zahn der Zeit und eine gewisse Sichnichtdrumkümmernmentalität das Haus verkommen lassen. Ein toller Platz für das Eintauchen in die Tiefen der geistigen Mechanik. Ich nehme wahr, dass ich mich unwohl fühle, schiebe es aber auf den allgemeinen Zustand des Hauses und der Umgebung.

Ich drücke den Klingelknopf. Nichts. Nach mehrmaligem Klingeln ertönt endlich ein summendes Geräusch und mit einem Klack geht die Tür auf. Ich trete ein, schleppe die schwere Mappe hinter mir her. Ich rieche merkwürdige Düfte, steige die Stufen hinan und entdecke im zweiten Stock eine halb offene Tür. Hallo? Ich rufe hinein und eine belegte Stimme ruft, ich solle hereinkommen, sie käme gleich.

Ich betrete die Wohnung. Nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, wie es bei einer Kartenlegerin aussehen sollte. Ich habe keine lilafarbenen Samttücher, Glaskugeln und Berge von Kerzen erwartet. Aber die Einrichtung aus Billigmöbelhäusern, hässlichen Sofas und falschem Holz an der Schrankwand auf verschlissenem Teppich, lassen mein Vertrauen nicht gerade steigen. Ich setze mich etwas unwohl auf ein durchgesessenes Sofa, vor mir ein Couchtisch aus Holz, mit einem halb vollen Glas unbestimmter Flüssigkeit, einem Fernsehheft und einem gut gefüllten Aschenbecher. Endlich kommt sie herein.

Sie hat geschlafen und meint, dass ihr das Treffen gerade gar nicht passt. Toll, dabei hatte ich doch extra einen Termin ausgemacht, das hätte sie ja wohl auch früher sagen können. Ob ich gehen soll, verneint sie, holt irgendwelche Karten aus dem wirklich hässlichen Schrankobjekt und beginnt, diese mit müdem Blick und mürrischer Miene auf dem Tisch zu verteilen. Glas und Ascher werden einfach beiseitegeschoben.

Ich komme mir ziemlich merkwürdig vor, denke aber immer noch, dass die Frau ja wissen muss, was sie tut, sonst hätte ich sie ja nicht empfohlen bekommen. Ich denke mir, manche Menschen sind einfach speziell, und wahrscheinlich wirke ich auch merkwürdig auf so manche. Ich sitze also auf der Kante des Sofas und harre der Dinge, die sich da ankündigen. Aber so lange muss ich gar nicht warten, denn plötzlich stockt sie mit dem Aufdecken der Karten, murmelt etwas und nimmt alle noch einmal in den Stapel zurück.

Sie beginnt nun die Karten in anderer Anordnung zurechtzulegen. Als zwei Reihen auf dem Tischchen liegen, schaut sie in meine Richtung, ohne mich direkt anzuschauen, und erzählt, dass sie mir jetzt unmöglich die Karten legen könne. Da ich in einer unmittelbaren Todesgefahr schwebe. Sie könne das nun nicht tun. Und es wäre wohl besser, ich ginge jetzt.

Paralysiert sitze ich auf meiner Kante und bin erst mal platt. Wie? Das war´s? Und jetzt soll ich schon gehen? Und wie war das: Todesgefahr?

Meinem Nachfragen wird kaum geantwortet. Immerhin muss ich nichts bezahlen. Schnell werde ich hinauskomplimentiert und eh ich mich versehe, stehe ich draußen vor dem Mietshaus in fremder Umgebung mit meiner Mappe in der Hand und einem Todesengel über mir. Fünf Minuten lang stehe ich einfach nur da und muss erst einmal tief Luft holen.

Dunkelheit umnachtet mich. Ängste kommen in mir hoch, verdüstern meinen Blickwinkel. Todesgefahr? Kann das sein? Kann die Frau darüber tatsächlich Bescheid wissen? Kann ich dem Gehörten glauben? Und was tue ich mit dem Erfahrenen? Bleibe ich stehen, bis das Haus über mir zusammenstürzt? Oder gehe ich weiter, um von einem Auto überfahren zu werden? Komme ich überhaupt an die Straße, ohne vorher von einem der hier herumlungernden Gestalten angefallen und ermordet zu werden?

Tausend Varianten, schnell mal zu sterben, schieben sich durch meine Gedanken und dann beschließe ich, dass ich genauso gut gehen kann. Sollte das Schicksal mich jetzt nach Hause befördern wollen, ist es völlig egal, welchen Weg ich geh oder steh. Oder?

Ich komme ohne Verletzung zum Bahnhof, aber ständiges nach oben Blicken und supergenaues Abwarten beim Straßenüberqueren erschöpfen mich. Zumal ich auch noch die überaus schwere Tasche mit meinen gesammelten Werken herumschleppe. Mit dem Zug zurück nach Köln funktioniert, ohne dass der Zug entgleist und mich mit in den Tod reißt.

Obwohl ich scheinbar noch Glück habe, schweben die dunklen Wolken über mir, mächtig und gewaltig drohend. Der Gedanke ist ausgesprochen und quält sich durch meinen Körper: Ja, ich habe Angst. Und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.

Ich entscheide mich, einfach mit dem Leben weiterzumachen. Denn es hat ja keinen Sinn, mich in eine Ecke zu stellen und darauf zu warten, dass etwas passiert. Und vielleicht ist es genau das, was das Schicksal benötigen würde, um mir die letzte Fahrt zu bringen. Andererseits kann das weiter machen mich genau in die Situation führen, die zum finalen Atemzug leitet. Ich gehe meinen Weg. Meine inneres Lichtlein beginnt sich durch den Wust von Erzähltem, Erdachtem und Befürchtetem hindurchzuquetschen und ein dünner Faden von Sicherheit beginnt sich aus einer Ebene, tief in meinem Wesen, hervorzuschlängeln. Eine Sicherheit, die mir Kraft gibt, dass ich es besser weiß, eine Botschaft in aller Dunkelheit, aller Befürchtungen und Überlagerungen gespeicherter Horrorszenarien, die sich in meine Sicht gebeamt hatten.

Wieder zeigt sich, wie sich Bilder aus gesehenen Filmen und Fotos in mein Bewusstsein schieben. Heruntergeladen aus dem Feld des Grauens, um meine Befürchtungen mit schrecklichen Formen nie erlebter Situationen auszufüllen. Bilder, die ich nicht erlebt, aber gesehen und aufgenommen habe, wollen nun meine Ängste zum Leben erwecken.

Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkommt, bin ich zu Hause angekommen. Ich setze mich auf mein Bett. In Sicherheit? Ich weiß es nicht. Ich versuche, mich zu beruhigen, mit solchen Dingen habe ich noch keine Erfahrung, ich sitze einfach da und denke ...

Dann beginne ich zu zeichnen. Das Bearbeiten meiner Gefühle über die künstlerische Auseinandersetzung sollte mir auch später helfen, Gedanken und Ängste loszulassen. Auch jetzt wird der Schrecken einfach auf Papier gebannt. Ich werde sicherer.

Erstaunlich, wie ein Mensch es schaffen kann – nein: erstaunlich, wie ich es einem Menschen gestatte, dass er mein Leben so bestimmen kann.

Ich bedenke die Situation und was sie mir sagen soll. Ich weiß es aber nicht, ich bin nur froh, dass der Schatten so nach und nach aus meinem Umfeld weicht und ich wieder atmen kann. Zwei Tage später lebe ich immer noch.

Intermezzo IV

Nun, da sich all die Erinnerungen in neuem Licht zeigen, in einer mir bis jetzt gar nicht bewussten Verbindung und Parallelität, erscheint der Weg, den ich zurückgelegt habe, gradlinig, gut durchdacht und hervorragend geführt. Nicht, dass alles vorherbestimmt gewesen wäre. Zu genau erkenne ich die Auswüchse meiner eigenen Entscheidungen. Aber all meine Erlebnisse führen zu dem einen Punkt, dem Sinn des Ganzen, zu meiner Lebensaufgabe: Wegbereiter zu sein. Den dunklen, zu oft mehr als steinigen Weg zu gehen, der zur Vereinigung meiner drei wesentlichen Bewusstseinsebenen führt. Der mir die Freiheit einer göttlichen Existenz erlaubt. Und wie viele anderen Menschen und Wesen tue ich das nicht nur für mich persönlich, sondern um ein Vorbild zu sein. Um zu zeigen, dass es für jeden möglich ist, den Weg in die persönliche Freiheit und spirituelle Einheit zu gehen.

Ich war mir schon immer darüber bewusst, dass ich Pioniergeist in mir habe. Das hat sich in meinem äußeren Dasein gezeigt, und in meinem inneren Erleben. Pionier. Trendsetter. Immer vorne weg und an der Spitze die Flagge der Individualität hochhaltend.

Heute kenne die weit greifende Botschaft dieser Flagge. Und mir ist klar, dass ich mein Wissen vorleben muss, um für andere einen Weg zu bahnen. Nur durch das Vorleben kann ich beweisen, wie einfach und genial das Konzept des freien Willens ist. Abgesehen von der Aufgabe, die mir meine Seele mitgegeben hat, ist die Befreiung ja nicht uneigennützig. Denn durch all die Erlebnisse und Erkenntnisse wurde mein Leben leichter, ruhig und sicher.

Heute lebe ich so einfach wie möglich. Nicht aus Zwang, sondern weil ich versuche, im Hier und Jetzt zu bleiben. Um alles, was mir geschehen muss, kommen und wieder gehen zu lassen. Ich erlebe das Jetzt in seiner ganzen Kraft und vielseitigen Möglichkeiten. Sicher, ich bin noch nicht am Ziel angelangt. Weswegen ich auch dieses Buch schreibe, das mir hilft, alles auf einen Nenner zu bringen, alle Erlebnisse zu katalogisieren und noch einmal anzuschauen. Um sie dann endgültig loszulassen. Um dann hoffentlich vollkommen frei zu werden. Frei, um die Verschmelzung mit meinem wahren Selbst in die Wege zu leiten.

Ich erlebe keine Vergangenheit. Was gestern war, verschwindet sofort in einem großen Feld der Erfahrungen, die ich nicht mehr bewusst benötige, da alles ständig in mir geschrieben bleibt. Gestern ist nicht existent. Und das Morgen gibt es für mich nur insoweit, wie es die Termine der Kinder definieren.

Es ist auch ein fantastisches Zeitphänomen, das ich erlebe. An den Kindern sehe ich, dass die Zeit weiterfließt. Ich erlebe auch den rasenden Fluss der kommenden und gehenden Tage, aber ich empfinde mich selbst als außenstehend, nicht involviert. Der Zeitfluss berührt mich nicht. Die vergangenen Tage bleiben in mir wie ein erweitertes Jetzt. Wenn es zwei Tage lang geregnet hat, empfinde ich das so, als ob es nie anders gewesen war. Oder umgekehrt. Scheint die Sonne, hat es noch nie Regen gegeben.

Die Ereignisse, die in der Welt geschehen, scheinen nicht in meiner Welt zu existieren. Es ist, als ob sie ohne mich passieren. Ich beobachte politische und gesellschaftliche Geschehnisse und bin nicht einbezogen, sie haben keine Kraft mehr mich in ihre Welt hineinzuziehen. Ich beobachte nur und sehe nach kurzem, dass sich alles von selbst regelt, als Farce entpuppt oder als aufgeblasene Hülle laut furzend in die Lüfte entschwebt.

Es gibt keinen Grund mehr, mich in das tägliche Informationschaos einzuklinken, denn es ist nur Schein. Ich höre leere Worte oder Angst verbreitende Luftblasen, die nach kurzer Zeit wieder vernebelt und entschwunden sind. Es gibt keinen Grund mehr sich auf diese verwirrende und ablenkende Welt einzulassen. Die Wahrheit liegt hier in mir selbst. Hier finde ich eine Welt, die mir Frieden und Ehrlichkeit bringt, in der es keinen Mangel und keine Angst gibt.

Auch wenn sich immer wieder noch alte Strukturen aufbäumen, um sich wichtig zu machen, bevor sie aus meinem Emotionsfeld entlassen werden, ich fühle die wahre Freiheit in mir.

Und ich habe keine Sorgen. Im Augenblick scheint sich zwar der Geldfluss wieder zu verknappen, aber gedanklich in der Situation bleibend, habe ich alles, was ich brauche. Nur wenn ich in die Zukunft denke und mich darum sorge, dass Rechnungen noch bezahlt werden wollen, oder dass noch keine neuen Aufträge in Sicht sind, könnte ich unruhig werden. Zukunftsgedanken verursachen Angst. Überflüssige Angst. Denn wie es sich immer zeigt: Im Moment des Eintretens befürchteter Situationen gibt es auch eine passende Lösung. Vertrauen ist hier das Schlüsselwort. Schweift mein Geist in eine unsichere Zukunft, dauert es Gott sei Dank nicht lange, um wieder ins Jetzt zurückzufinden. Und hier ist immer alles in Ordnung! Es geschieht mittlerweile automatisch: Ein Blick in eine unsichere Zukunft lässt mich zwar eine eventuelle Befürchtung sehen, zieht mich aber nicht mehr in den Bann, sich als Panik in meinem jetzigen Leben breitmachen zu wollen. Im Hier habe ich alles, was ich benötige.

Und ich habe nicht den Eindruck, dass es meinen Kindern oder Petra anders geht.

Die Erkenntnis des Jetzt löst alle Probleme. Ich fließe auf der Welle des Augenblicks, stets im Vertrauen, dass alles genau richtig ist. Dass alles, was passiert, mich zur absoluten Freiheit führt. Meine multidimensionalen Erlebnisse haben mich zu diesem Vertrauen gebracht. Sodass ich die Kraft des Augenblicks genießen kann. In tiefster Zuversicht Eins mit meiner Seele und dem höheren Selbst zu werden. Und ich weiß, der Tag ist nicht mehr weit, an dem ich alles losgelassen habe, um diesen Moment feiern zu können. Wenn ich die Erinnerungen betrachte, die hier aus meinen Fingern in die Tastatur fließen, wundere ich mich manchmal selbst. Und trotz der Wirklichkeit dieser Erfahrungen erscheint mir alles so weit entfernt.

Allerdings sind die »tatsächlichen« Erlebnisse meines Lebens viel irrealer und merkwürdiger als die Erlebnisse, die gemeinhin als Wahnvorstellung, Realitätsflucht oder Halluzination abgetan werden. Es geht doch darum: Was hat mich weiter gebracht? Welche Lehre ziehe ich aus meinen Erlebnissen? Und wie schaffe ich es, das Gelernte in mein Dasein als Mensch umzusetzen?

Gleichgültig, was zur Glaubwürdigkeit meiner Geschichte gesagt wird: Sie hat mich in ein Land geführt, an dessen Horizont das Paradies gülden leuchtet. Ich spüre jetzt schon die kommende Energie und Großartigkeit der nächsten Jahre. Ich weiß, dass ich – und wir alle – einen riesigen Schritt in unsere innere und äußere Freiheit machen werden. Aber ich renne nicht wie von der Tarantel gestochen und alles von mir werfend (und heimlich in meinem Schatten kleben bleibend), um so schnell wie möglich ans Ziel zu gelangen. War es nicht der Weg, der das eigentliche Ziel ist?

Den Augenblick zu genießen. Zu erleben, wie sich alles löst, auch wenn dabei weitere verborgene Verletzungen aufbrechen. Um dadurch noch tiefer in das Heilsein geführt zu werden. Das ist das große Geschenk, das Leben in all seinen Varianten zu erleben. Darum geht es doch: Gefühle zu erleben. Das hoch und runter in seiner epischen Breite einzuatmen. Um dann alles wieder loszulassen, um das nächste Abenteuer zu erleben.

Alle Begrenzungen und Sicherheiten sind Schein und Trug. Ich beabsichtige nicht mit 65 Jahren, auf einem Abstellgleis dahinvegetierend, auf mein Ende zu warten. Warum soll ich mein Leben beschränken? Ich lebe voller Kraft bis zum letzten Atemzug. Und diesen werde ich mit vollem Bewusstsein einatmen, mich verabschieden und dann einfach aus meinem Körper schlüpfen. Ich beabsichtige nicht, mich krank oder dahinsiechend den Rest meines Lebens in Armut zu begeben. Mein Leben wird voller Energie zu Ende gehen. Und zwar dann, wenn ich es will. In vollem Bewusstsein, in der Einheit von Körper, Geist und Seele.

Dazu benötige ich keine Versicherung. Wenn ich einmal krank sein sollte, was sowieso nicht passiert, heilt sich mein Körper selbst. Oder über mein Auto. Auf keinen Fall gehe ich zu einem normalen Arzt, und alle anderen Heiler muss ich sowieso selbst bezahlen.

Das ganze System ist krank, kaputt, überholt und voller manipulierender Absicht. Sie reden uns ein, krank zu sein oder krank zu werden. Pflanzen Samen der Angst in unser Denken, damit wir unsicher und verzweifelt ihr System füttern. Mit unserem Geld, unserer Energie und unserem Kranksein. Ein teuflischer Kreislauf.

Die Freiheit liegt darin, sich alles vom Halse zu schaffen. Mutig in die Zukunft zu gehen, die nur eine Sekunde vom Jetzt entfernt ist. Werft alles fort. Wer benötigt schon die Krücken einer Absicherung, wenn du mit dir selbst im Reinen bist. Im Kontakt zu dir erlebst du Heilung und die Erfüllung aller Wünsche. Und manchmal sind die Wünsche viel kleiner als man ahnt. Ich brauche kein Haus, große Reisen, Statussymbole, aber ich liebe es zu reisen, in einem tollen Haus zu wohnen und mich mit ästhetischen Dingen zu umgeben!

Aber ich brauche es nicht!!!

Die Freiheit und das Vertrauen, dass alles fließt, bringt das, was sich die Seele und letztlich das tiefste in deinem Wesen wirklich wünscht. Das mag zwar oft erst mal anders aussehen, aber es zeigt sich, dass der Weg des Vertrauens der richtige ist. Vertraue deiner Intuition, immer und ausschließlich.

Und lasse alle Kontrolle los.

Intermezzo Ende

Mondfinsternis

Und morgen Nacht wird es soweit sein.

Jahrtausende hat es gedauert. Viele Wesen haben daraufhin gearbeitet. Morgen Nacht wird sich das Netz der Liebe mit der Erde wieder verbinden und alle Wesen werden mehr Energie, mehr Möglichkeiten die eigene Welt zu erschaffen zur Verfügung haben. Ich kann die Komplexität des Erfahrenen zunächst gar nicht begreifen, es ist zu groß und gewaltig. All die Puzzleteile ergeben einen Sinn, und ich soll darüber Bescheid wissen dürfen? Spinn ich denn voll?

Ich bin hin und her gerissen. Ein Teil von mir sucht die Lüge, die Realitätsflucht in dem Konzept. Und obwohl die Geschichte und das, was nun passieren soll, auch komplett erdacht sein könnte – ich weiß ja, was Indizien anrichten können – bin ich mir so sicher und so klar darüber, was dieser große Schritt für alle Menschen und alle Wesen auf unserem Planeten bedeutet. Das zu bildende Netz – die Verbindung der kosmischen Liebe in die ERDE – wird durch bestimmte Orte in der Natur geführt. Und vor allem auch durch die Herzen jener Menschen, die sich für diese Verbindung zur Verfügung gestellt haben. Wobei man das nicht unbedingt bewusst wissen muss. Da unsere Seele oft etwas regelt, das wir nicht wahrnehmen wollen.

In der Meditation erfahre ich, dass ich ein solches Tor in das Innere der Erde auf der großen Wiese gegenüber mitgestalten kann. Ich bin begeistert, etwas für diesen Moment tun zu können und beschließe nachmittags mit den Kindern einen geeigneten Platz zu erschaffen.

Wir haben gegessen, den Tisch abgeräumt, die Küche aufgeräumt und die Wohnung gesaugt. Alles Überflüssige weggeräumt und die Hausaufgaben gemacht. Jetzt stehen wir draußen auf der Wiese. Es ist schon kalt. November, aber sonnig. Die Restwärme versucht durch den Parka und die drei Pulloverschichten meinen Körper zu wärmen, schafft es aber nur mühsam. Den Kindern scheint das Wetter nichts auszumachen. Der Wind bläst wie üblich über die flachen Hügel zu unserem Hausberg hinan. In der Ferne sehen wir in verschiedenen blaugrünen Tönen das Siebengebirge. Zwei weiße Punkte leuchten in der Sonne. Ich hab keine Ahnung, was das sein könnte. Den Gedanken wieder fallen lassend, drehe ich mich um. Lasst uns den richtigen Ort suchen.

Die Kinder strömen aus, voller Vorfreude. Sie lieben solche Aktionen. Sie sind direkt bei der Sache und verstehen sofort, um was es geht. Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken ... ach nein: in den Gesichtern der Kinder. Überhaupt haben sie wirklich tolle Vorstellungen über Gott und das Leben.

Ich sehe schon, wo der Platz sein sollte. Es sieht so aus, als öffne sich das Herz der Erde, um uns einzuladen. Die Kinder, die überall herumspringen und Löcher in der Erde suchen, brauche ich nur wenig korrigierend in diese Richtung zu bewegen, und schon stimmen sie mit mir überein. War das nun von mir oder von ihnen? Wie auch immer, wir haben unseren Spaß und wir besprechen die Vorgehensweise.

Ich will die vier Eckpunkte festlegen und mit Stöcken und Naturalien markieren. Da wir zu viert sind, übernimmt jeder eine bestimmte Ecke und wir gehen suchend in den Wald. Nach einiger Zeit kommt jeder mit seinen gefundenen Schätzen auf die Wiese zurück. Die kleine Milli hat wieder superspezielle Halme und dünne Stöckchen gefunden. Zenon hat, seinem Naturell entsprechend, wenige, aber schöne Hölzer gefunden, die er nun zu einem Turm bastelt, während Leia mit ihren Künstleraugen aus unterschiedlichen Fundstücken ein wirklich schönes Plätzchen erschafft. Ich lege meine Stöckchen, Federn und Gräser auch zu einem kleinen Kreis und wir stellen uns zu einem – aufgrund unserer Anzahl recht groben – großen Kreis auf.

Da meint Leia, dass die Plätze den Elementen zugeordnet sein müssen. Zuerst bin ich sprachlos, dass sie so etwas bedenkt, und grinse freudig strahlend in mich hinein: tolle Kinder. Ich lasse sie bestimmen, welcher Platz welchem Element zugehört und bin abermals erstaunt: Die Zuordnung entspricht genau meinem Empfinden. Schamanischer Tradition folgend rufen wir die Geister aus den vier Himmelsrichtungen und sprechen ein Gebet.

Der Wind hat nachgelassen und die Sonne verstärkt ihre Kraft. Es wird mir recht warm, und als wir den imaginären Kreis zu umrunden beginnen, fühle ich, wie sich die Erde mit dem Himmel verbindet. Wir erschaffen eben eine transparente Röhre, die aus dem Mittelpunkt der Erde in den strahlend blauen Himmel reicht. Ich nehme Wesen wahr, die sich um uns gesellen und das Om namaha shivaya singend festigen wir die Energie des Kreises.

Dann steht jeder wieder an seinem Platz und wir sind eine Weile ganz still. Ich bin ergriffen, mit welcher Freude und wie intensiv meine Kinder bei dem ungewöhnlichen Tun mitmachen. Sie wundern sich überhaupt nicht. Und als wir später über ihre Erfahrungen sprechen, stelle ich fest, dass vor allem Leia ganz klare Wahrnehmungen hat, die sich mit den meine genau decken. Faszinierend.

Wir bleiben noch eine Weile quatschend und lachend am Kreis stehen und fühlen uns einfach nur wohl. Anschließend gehen wir in den Wald, den Kletterbaum besuchend. Diese Ecke des Waldes ist noch ursprünglich und wild. Lebendiger als die in Reih und Glied angepflanzten Tannen, Birken oder Buchen. Die gezwungen geordnet heranwachsen, um dann radikal abgeholzt zu werden. Dieser Landstrich muss mal fantastische Buchenwälder gehabt haben, übrig blieben nur die traurigen Nutzholzfantasien naturfremder Landbesitzer.

Aber dieser Ort hat etwas magisches, was auch daran liegen mag, dass die gesamte Fläche auf einem riesigen Netz von unterirdischen Wasseradern steht. Dementsprechend sind die Bäume krumm und schief gewachsen, haben sich gezwieselt und sind dadurch hervorragende Kletterbäume geworden. Das Leid des Baumes ist das Glück des Kindes.

Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Bäume wirklich unter der ständig fließenden Wasserenergie leiden. Manche haben sich auch Hilfe aus der Efeuabteilung geholt. Aber die meisten versuchen den Strahlen durch schiefes Wachstum zu entgehen. Hier sieht´s klasse aus. Wir klettern auf unseren Lieblingsbaum, saugen die Luft und Kraft in uns ein. Meine Finger sind eiskalt, und mein Körper schreit nach Kaffee und Kuchen. Ich brauch es nur zu erwähnen, und schon sind wir auf dem Heimweg, wo ein in weiser Voraussicht organisierter Nusszopf auf die Vernichtung wartet.

Ostern

Der Himmel weint Tränen des Abschieds. Regen fällt wie eine nasse Wand des Trauerns. Die Welt erstickt im Schmerz und kann sich nicht entschließen, den neuen Weg zu gehen. Der Neuanfang zieht sich zäh quälend aus dem nicht endenwollenden Winter.

Ostern. Ein perfektes Timing für Tod und Auferstehung.

Die Vergangenheit ist am Siedepunkt, der Neuanfang in den Startschuhen. Beide Seiten stehen sich gegenüber, und warten auf den Zeitpunkt des Loslassens, der Trennung, des Abschieds. Es steht in jedem Moment, in jeder Tat, in jedem Atemzug: Der Augenblick ist gekommen. Die alte Seite will nicht gehen, versucht die Loslösung aufzuhalten. Der Neuanfang mag die Vergangenheit noch nicht wirklich ziehen lassen.

Ein Grau durchdringt das Haus und taucht es in Dunkelheit. Der Tag hat früh begonnen. Der Osterhase war nachts durch die Katzenklappe in das Haus eingedrungen und hat der nächtlichen Nässe ausweichend, in mühevoller Kleinarbeit, das Haus mit Schokoladeneiern und leckeren süßen Häschen geschmückt. Die Kinder waren schon früh aus den Federn und schafften das Durchsuchen des Hauses in Rekordzeit, um Berge von Naschwerk zu sammeln.

Trotz der süßen Freude ist der Tag von Trauer bestimmt. Auch die letzten Tage erlebte ich in merkwürdiger, gedrückter Stimmung. Die Momente zeigten sich zäh fließend, in überflüssiger Zeit, ungenutzter Zeit. Ablenkung meines Gelähmtseins erfuhr ich nur durch Fernsehen und vorösterlicher Marzipanschweinerein. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren. Längst abgelegt gedachte Gedanken füllten meinen unzufriedenen Geist. Ich fühlte Trauer, Leid, Abschied, und überall um mich herum Angst. In der Zeitung, in den Nachrichten, auf der Straße.

Die Menschen rennen herum, gejagt und getrieben. Die Luft schwingt in Erwartung eines eventuellen neuen Ölkrieges, aufgepuscht und übertrieben, erlogen und verdreht. Ein weiteres Aufbäumen von Machtgier und Verzweiflung. Ich spüre die Müdigkeit und ängstlichen Zukunftserwartungen vieler Menschen, mein unumstößlicher Optimismus scheint in Osterferien gefahren zu sein. Abschied und Tod. Überall und in allem.

Wo bleibt der so sehnlichst erwartete Neubeginn? Die Gefühle kochen hoch und Unzufriedenheit fällt in dicken Wassertropfen aus den Wolken. Die Gedanken und Absichten kriechen aus dem Fernsehgerät, dem Radio, der Zeitung, aus der Luft und der verseuchten Erde. Sie bedrängen mich, wollen mich einnehmen, aufsaugen, besetzen.

Durch Massen von betäubenden Zuckereiern benebelt, falle ich in die Fänge Dunkelheit bringender, fremder Angst. Ich fühle die alte Welt, den letzten Versuch, sich aufzubäumen und die Veränderung aufzuhalten. Ich lasse die Gefühle in mich hineinfließen, spüre sie, atme sie, aber ich sehe und weiß, sie sind nicht die meinen, sie gehören zu einer sterbenden Welt.

Aber auch in mir ist eine sterbende Welt.

Ein großer Teil meines Seins steht an der Schwelle des Todes. Eine perfekte Zeit, um abzugehen. Alles ist erledigt. Es gibt keinen Auftrag mehr, nur noch unbekanntes Terrain. Entweder sterben oder in diesem Körper neu geboren werden.

Entscheidung.

Heimat

Ein wahres zu Hause ist für mich auf ewig mit der rötlichen Stadt am silbernen Fluss verbunden. Aus den hohen, beinahe den Himmel berührenden Bergen, mit all den kristallenen Toren zu anderen Orten, entspringt der silberne Fluss aus einer weit oben gelegenen Höhle. Der Blick ins darunter liegende Land ist unbeschreibbar. Die Weite und der fast greifbare Frieden umschmeicheln den Berg und stürzen mit dem glitzernden Wasserfall in die Tiefe. Dort sammelt sich das in den Sonnenlichtern spiegelnde Nass und fließt in einem immer breiter werdenden Strom ins Land hinein.

Je tiefer der Fluss ins Land eindringt, desto breiter, kräftiger, lebendiger wird er. Die das Wasser bewegenden Wesen springen übermütig von Stein zu Stein, schlagen Purzelbäume und Kapriolen und bringen die Gischt des tosenden Wassers zum Sprühen. Deren Lachen ertönt und mit dem Rauschen des Fließens bringt die Bewegung des Stroms einen Gesang der unvergesslich bleibt.

Viele Fernen weiter beruhigt sich das mittlerweile älter gewordene Sein im Wasser und fließt nun gemächlicher, beobachtender durch die jetzt rötlich schimmernde Landschaft. Kristalle stehen an den Ufern. Mannshoch, in allen Farben erfahrbar. Und der feste, steinige Boden ist überzogen von sattem, weichen Moos, in welchem zarte Blüten bunter Formen ihre Köpfe zum Himmel strecken. Dem Mäander folgend wird das fließende Sein wieder schneller, belebter. Es scheint, als freut sich jeder Tropfen in dem belebten Fließen auf ein kommendes Ereignis. In leichten Stromschnellen geht es um bewachsene Felsen herum und stürzt auf ein Plateau, das den Fortlauf des Flusses etwas verlangsamt. Dennoch ist die freudige Erregung spürbar.

Auf dem Plateau, an die dahinter wieder aufragenden Berge gelehnt, steht meine Heimatstadt. Oder besser, die Stadt die mir in dunklen Zeiten düsterer Verzweiflung am nächsten war, die mir größte Hoffnung, aber auch stete Sehnsucht schenkte. Breite, aus rötlichen Steinen gebaute Brücken überspannen den springenden Fluss. Es gibt keine Straßen in unserem Sinne, denn Fahrzeuge sind nicht zu sehen, werden auch nicht benötigt. Überall tummeln sich die Bewohner dieser Stadt. Es ist ein friedvolles Wispern freudiger Stimmen. Das Leben spielt sich vornehmlich auf den Straßen ab. Es ist warm, Kälte ist nicht vorgesehen an diesem Ort.

Die Stadt zieht sich in kleinen übereinander gebauten Wohnquadern, mit unzähligen Treppen und Plätzen, den Blick in die sich ergebende Weite freigebend, die Hänge hinan. Es ist keine städtebauliche Absicht zu erkennen, aber das Durcheinander und die unzähligen, meist offenen kleinen Wohnungen sprechen vertraut miteinander. Die Stadt lebt in sich, und die Bewohner feiern das Leben in einer andauernden Freude. Ich wohne weit oben, den Blick nicht in Richtung der Berge gerichtet, sondern so wie ich es auch heute noch liebe, in den fast nur aus Himmel bestehenden Horizont.

Der silberne Fluss, bevölkert mit kleinen Booten und die am Himmel wachenden Sonnen spiegelnd, rast laut, in Vorfreude brüllend, auf den von der Stadt begrenzten Horizont zu. Um dort mit breitem Grinsen in das viel tiefer liegende Land zu fallen. Die Stadt blickt somit von oben auf die Welt hinunter, eine Welt voller Leichtigkeit und Schönheit.

An Verbindungsleinen schweben runde Wohnkugeln über dem immensen Wasserfall. Eine ganz spezielle Erfahrung des Wohnens und Schlafens, was mir aber immer zu bewegt war. Über den Häusern mit all den Stufen und Treppen, die sich rechts und links des Flusses an die kraftvollen Berge lehnen, sind viele Kristalle zu sehen. Wie auch die wild Gewachsenen, spiegeln sie alles Licht, alle nur erdenklichen Farben. Diese sind jedoch bearbeitet und werden als Energielieferanten und zum Überqueren verschiedenster Entfernungen genutzt. Es sind Tore durch Raum und Zeit, einzeln zu begehen und an viele Orte in dieser und in anderen Welten führend.

Allein der Gedanke an diese Stadt, an die Lebendigkeit und Kraft dieses Ortes macht mein Herz weich und groß. Wir leben hier in einer friedvollen Gemeinschaft, es gibt keinen großen Ärger oder Kriege mehr. Wir haben diese Phase längst schon hinter uns gelassen. Unser Bestreben erfüllt sich durch das Studieren und das Genießen des Lebens. Wir sind auch auf Schiffen im gesamten Universum unterwegs, wo wir unsere Hilfe dem anbieten, der sie haben will.

Die Frage nach Leben und Tod stellt sich uns nicht wirklich. Wir sind verbunden mit unseren Seelen und wissen um die Dinge, die das lebendige Sein bestimmen. Wir sterben auch nicht ungewollt. Es gibt eine freiwillige Möglichkeit, ein anderes Dasein, eine andere Inkarnation zu wählen. Was wir im Einklang mit unserem inneren Wesen bestimmen.

Dennoch werden auch von uns neue Erfahrungen gesucht. Obwohl wir vieles bewusst erleben und sehen können, sind wir uns im Klaren, dass das große Eins–Sein beinahe unerforscht hinter allem liegt. Wir sind aufgrund unserer Schwingung sehr leicht, ja fast nicht fassbar. Das gesamte Sein in unserer Welt, das Berühren und Bewegen, das Fühlen von Gewicht und Schwere ist im Gegensatz zu der menschlichen Realitätserfahrung transparenter, unfassbarer, nebliger. Wir sind circa drei Meter groß, und sehr feingliedrig. Unsere Haut hat eine helle Farbe, und obwohl wir auch das polare Sein erleben und in männlichen oder weiblichen Körpern leben, haben wir nicht diese feste Körperlichkeit, wie ich sie jetzt als Mensch erlebe.

Jetzt

In die Dunkelheit hinein wird mir klar, wie glücklich ich bin.

Der Weckruf meines Mobiltelefons singt ein Vogelgezwitscher in den frühen Morgen. Ich öffne die Augen und sehe als erstes den strahlend blauen Himmel, der endlich den Frühling ankündigt. Ein weiteres, wärmendes Gefühl in mir: Ich hatte genug von dieser ewig währenden Kältephase.

Mit schnellem Griff beende ich den Gesang des virtuellen Vogels in seinem Plastikgehäuse und lege mich noch einmal in mein nachtwarmes Bettzeug. Mit offenen Augen denke ich weiter, denke in den Tag hinein, was er mir bringen wird, und wohin dieses Leben führen mag. Ich erhebe meinen schlaflahmen Körper von der Matratze und steige in die kalten Klamotten.

Ich liebe die Ruhe des Morgens, wenn der Tag sich langsam aus der Dunkelheit schält und in der Stille der Frieden in allem zu spüren ist. Mittlerweile genieße ich es auch, dass ich hier draußen auf dem Land wohne, fernab der »Zivilisation«. Es hat sicher auch einige Nachteile. Ich habe lange damit gehadert, für jeden Schritt in mein Auto steigen zu müssen und wenn ich es geschafft habe, das nächste Dorf zu erreichen, fast nur von Rentnern umgeben zu sein.

Einmal in der Woche muss ich dann in die Stadt, das Pulsieren des Lebens in mich einsaugen, Lebendigkeit sehen und fühlen, das Prickeln des Seins erleben. Was mir weniger gefällt sind all die manipulativen und bedrückenden Energien, die durch den urbanen Raum schwingen: Kauf mich! Nimm mich mit! Schau mich an! Und stumme, aber verzweifelte Hilferufe der dort lebenden und in sich verschlossenen Wesen.

Aber um all meine unterschiedlichen Bedürfnisse auszuleben, gibt es im Augenblick keine andere Möglichkeit. Gleichzeitig an zwei Orten zu leben, scheint mir noch nicht machbar, also lebe ich diese Zwiespältigkeit zeitlich getrennt. Auf jeden Fall liebe ich die Einsamkeit hier. Besonders, wenn sie von Stille begleitet ist, wie in den frühen Morgenstunden. Das Licht strahlt in einer jungfräulichen Frische und Unvoreingenommenheit. Und wenn der Wind keine Wolken hierher treibt, vermischen sich meine Gedanken, Gefühle und körperlichen Empfindungen mit den Strahlen der aufgehenden Sonne.

Der Einsamkeit ist alles zu verdanken.