Die Taktgeber von Nesbor - Thomas Höding - E-Book

Die Taktgeber von Nesbor E-Book

Thomas Höding

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Beschreibung

"Die Taktgeber von Nesbor" ist ein spannender Science Fiction-Roman über die unglaublichen Ereignisse auf einem abgelegenen Planeten, der gerade dadurch in den Blick der galaktischen Regentschaft gerät. Die Nivi, jene unerklärlichen Relikte aus den zur interstellaren Navigation genutzten Dwarstunneln, spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Abgründe menschlicher Intrigen und der gewaltige Rohstoffreichtum des Planeten Nesbor.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 286

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Thomas Höding

Die Taktgeber von Nesbor

Phantastischer Roman

© 2023 Thomas Höding

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

ISBN

 

Softcover:

978-3-347-98679-4

Hardcover:

978-3-347-98680-0

E-Book:

978-3-347-98681-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

In Hinsicht auf unser Wohl und Wehe

kommt es in letzter Instanz darauf an,

womit das Bewusstsein erfüllt und beschäftigt sei.

Arthur Schopenhauer

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Hallo Sie,

Kapitel - 1 -

Kapitel - 2 -

Kapitel - 3 -

Kapitel - 4 -

Kapitel - 5 -

Kapitel - 6 -

Kapitel - 7 -

Kapitel - 8 -

Kapitel - 9 -

Kapitel - 10 -

Kapitel - 11 -

Kapitel - 12 -

Kapitel - 13 -

Kapitel - 14 -

Kapitel - 15 -

Die Taktgeber von Nesbor

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Hallo Sie,

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Die Taktgeber von Nesbor

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Hallo Sie,

ja Sie, Sie Leser! Gerade haben Sie dieses Buch aufgeschlagen und da möchte ich Ihnen noch ein paar Worte mit auf den Weg geben. Ich habe es nämlich selbst gerade ausgelesen und zugeschlagen und fand es ganz phantastisch (sic!). Insbesondere, und genau das ist für meine eigene Arbeit ganz wichtig, habe ich mich davon überzeugt, dass das ganze Gerede vom besseren Menschen der Zukunft ziemlicher Unsinn ist. Das Leben wird sich nicht so einfach und konfliktlos abspielen, wie wir uns das gern vorstellen. Es bleibt dabei, dass die Leute in ihrer Selbstsucht und ihrem Ehrgeiz ihren Nächsten lieber weiter über’s Ohr hauen werden, als die strahlenden Ideale einer leuchtenden Zukunft zu verwirklichen. Und genau deshalb bin ich ja in meiner jetzigen Funktion und kann gar nicht genug auf alles ringsum aufpassen, ob es meinen Leuten nun gefällt oder nicht.

Diese Annika auf Nesbor hat mir in dem Buch natürlich besonders gut gefallen, das können Sie wohl nachvollziehen. Leider ist sie mir nie begegnet. Sie hatte das beneidenswerte Privileg, in der Frühphase der Entwicklung eines Planetengemeinwesens dabei gewesen zu sein, in der sich die Verhältnisse besonders kristallklar zu gestalten pflegen. Ich dagegen lebe auf einem Planeten, der schon seit Generationen besiedelt ist.

Sehr interessant fand ich es auch, einige Neuigkeiten über die Nivi-Forschung zu erfahren. Wir sind ja hier auf Weener etwas abgeschnitten vom Geschehen in der Galaxis und derartige Informationen benötigen ihre Zeit, bis sie zu uns gelangen. Meine ersten Erkenntnisse über diese merkwürdigen Erscheinungen in den Dwarstunneln, die vielleicht wirklich eine uns fremde Art von Leben darstellen, gewann ich aus dem Buch „Nivigrains“. Sie kennen es sicher und wissen daher ganz gut Bescheid über die Entdeckung der Nivi und ihrer bewundernswerten Fähigkeiten. Falls Sie es jedoch nicht kennen, keine Sorge, ein paar Basics können Sie auch auf den vor Ihnen liegenden Seiten finden. Aber ich wette, dass Sie sich in diesem Fall demnächst dann doch auch die „Nivigrains“ besorgen werden, die ebenfalls aus der Feder meines verehrten Schöpfers Thomas Höding stammen.

Ach so, wer ich bin? Ich bin Jasper Zwadzich, Senator auf dem Planeten Weener. Derzeit jedenfalls. Mal sehen, was noch alles so auf mich zukommt… Wenn Sie mich nicht kennen, ist das nicht weiter verwunderlich. Weener ist ja wie gesagt etwas abgelegen und wir haben in den letzten hundert Jahren keinen Besuch mehr bekommen. Mein Schöpfer wird Ihnen gelegentlich sicher noch einiges von mir erzählen. Wenn Sie dann aber mal hierher nach Weener kommen sollten, werden wir uns bestimmt kennenlernen. Und dann werden Sie meinen Namen nie wieder vergessen, da können Sie ganz sicher sein!

Jetzt aber erstmal viel Vergnügen auf Nesbor und halten Sie immer die Augen auf! Vieles sieht äußerlich ganz anders aus, als es seinem Wesen nach ist.

Ihr Jasper Zwadzich

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Es war ein Mittwochnachmittag und in der Bar ohne Namen so wenig Betrieb, dass Nesbor-Radionics, der planetenweite Informationsfunk, die eindeutig vorherrschende Geräuschkulisse darstellte.

Selbst Elsa, die einzige hier anwesende menschliche Servicekraft, begann die Slogans der scheinbar ewig gleichen Werbespots des Planentenfunks mitzusummen, da ihr alles andere noch langweiliger erschien. Gerade war auf dem Bildschirm von Radionics ein dunkler ungemütlicher Raum zu sehen, in dem ein offensichtlich verzweifelter Mensch den Spruch „… Steinchen rein, ich möchte gern auf Lagora sein.“ in eine Wasserschüssel hineinhauchte – sonderlich stimmungshebend war das auch nicht.

Die drei oder vier Pärchen, die im Halbdunkel des Raumes an den schmucklosen runden Tischen saßen, waren mit sich selbst beschäftigt. Zwei weitere Gäste hatten nur ihre Minicomps im Blick und keine Augen für ihre Umgebung.

Da die Bestellungen und die Serviervorgänge über Servicerobots liefen, blieb für Elsa nichts zu tun. Ihre Aufgabe bestand ohnehin lediglich in der regelmäßigen routinemäßigen Kontrolle, ob Technik und Logistik in der Bar funktionierten oder sich das Serviceprogramm der Bar wieder mal selbst in seinen Routinen verfangen hatte.

Heute gab es keinerlei Beanstandungen, hatte sie nach dem Programmcheck festgestellt und sich danach zu „Testzwecken“, wie sie wörtlich es ins Manual eingegeben hatte, einen großen Cocktail servieren lassen. Ein solcher Test war doch eine gute Gelegenheit, die Kosmogs für das Getränk zu sparen. Selbst das Serviceprogramm schien dies zu akzeptieren und hatte ihr heute mal nicht vorgeschlagen, den Test mit Hilfe eines Glases Wasser durchzuführen! Siehe da, auch Maschinen sind lernfähig, dachte Elsa zufrieden. Sie kontrollierte im Spiegel ihres Minicomps, ob ihre Frisur richtig saß und widmete sich ihrem Cocktail.

In ihren Gedanken war sie schon unterwegs zum nächsten Kontrollpunkt, den sie auf ihrem Inspektionsgang durch die unterirdischen Räumlichkeiten von Nesbor zu absolvieren hatte, da betraten zwei neue Gäste die Bar.

Voran schritt ein großgewachsener Mann mit selbstsicherem Blick, der zielstrebig auf einen Tisch in der hinteren Ecke der Bar zusteuerte, an dem die Geräusche des Planetenfunks wie auch das Flimmern der drei in die Wände eingelassenen Monitore sicher am wenigsten störend waren. Ihm folgte eine bemerkenswert gutaussehende Frau, der unübersehbar ein amüsiertes Lächeln im Gesicht stand. Beide trugen die hellgrauen Overalls mit verschiedenen silbernen Applikationen, die sie als Führungskräfte in der Nesbor-Hierarche auswiesen. Der Mann bot seiner Begleiterin sehr zuvorkommend einen Stuhl an dem von ihm ausgewählten Tisch an und setzte sich dann selbst.

Hui, sagte sich Elsa, nun wird es hier ja doch noch ein bisschen lustig! Da versucht doch Frederic Larson garantiert schon wieder, ordentlich Süßholz bei der unnahbaren Annika zu raspeln.

Frederic Larson war niemand anders als der Bevollmächtigte Direktor der Station Nesbor, der für den zügigen Ausbau ausnahmslos aller Anlagen auf dem gleichnamigen Planeten Nesbor zuständig war. Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass die Station in absehbarer Zeit in den nächsthöheren offiziellen Status, den einer „Ansiedlung“, aufrücken konnte.

Alle Voraussetzungen für ein solches Aufrücken waren gegeben. Gut erkundete und stabile Dwarstunnel gewährleisteten den Raumschiffsverkehr zwischen Nesbor und anderen von Menschen besiedelten Planeten, Ansiedlungen und Stationen, der Planet selbst war unbewohnt und schien nach allen Untersuchungen mittelfristig terraformbar zu sein. Und er bot das notwendige Rohstoffinventar, um dauerhafte Siedlungsanlagen und Industrien auf ihm rechtfertigen zu können.

Frederic Larson war erst der zweite Bevollmächtigte Direktor auf Nesbor seit der Errichtung einer ersten, noch nicht dauerhaft besetzten Station auf dem Planeten, aber er konnte beim Ausbau der Station schon auf eine Reihe von Erfolgen verweisen, die höheren Ortes durchaus Anerkennung fanden.

So verfügte Nesbor inzwischen nicht nur über ein gut ausgebautes und ausgedehntes Tunnelsystem mit Wohn-, Forschungs- und Produktionsstätten, sondern auch über erste große lichtdurchflutete Kuppeln, die durch seine Oberfläche brachen und attraktive Wohn- und Aufenthaltsräume darstellten. Nesbor war im Laufe der letzten Jahre für die hier lebenden mehrere Hundert Menschen nicht nur eine Arbeitskolonie geblieben, die sie bald wieder verlassen wollten, nachdem sich ihre Tätigkeit in genügend Kosmogs ausgezahlt hatte. Nein, Nesbor hatte inzwischen eine gewisse Lebensqualität aufzuweisen, die manchen zum Hierbleiben bewegte.

Beredtes Zeugnis dieser aufstrebenden Entwicklung war der Raumschiffhafen, der für die immer häufiger ein- und ausfliegenden Raumschiffe schon zu klein geworden war und eines dringenden Ausbaus bedurfte.

„Ich freue mich ja so sehr, dass ich Dich mal wieder zu einem kleinen Drink nach Feierabend einladen kann, liebe Annika.“ begann Frederic Larson überschwänglich das Gespräch, nachdem beide Platz genommen hatten. „Wir haben sehr wichtige Dinge miteinander zu besprechen.“

„Soso, wichtige Dinge – da bin ich ja gespannt, lieber Frederic. Da hättest Du doch auch schon vorhin im Pladz darüber reden können.“ gab Annika abwartend zurück.

„Für manches braucht man ein bisschen Ruhe und nicht die übliche Hektik des Pladz.“ fuhr er eifrig fort. Offenbar beherrschte ihn ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis, das er kaum zu beherrschen imstande war, denn er redete ohne Unterlass drauflos, während Annika zunächst ausführlich das Angebot der Bar studierte, das ihr jedoch zweifellos bereits gut bekannt war.

Dabei ließ er sie keinen Moment aus den Augen. Annika war eine schlanke sportliche Frau, der Overall der Station schien ihr fast wie auf den Leib geschneidert und verbarg nichts von ihren außerordentlich stimmigen Proportionen. Sie hatte ein leichtes Makeup aufgelegt, das ihre ebenmäßigen Züge unterstrich. In ihren ausdrucksstarken blauen Augen blitzten Intelligenz und Humor. Es dürfte nur wenige Menschen geben, auf die sie nicht auf den ersten Blick einen vertrauenerweckenden und sympathischen Eindruck machte.

Oder war es etwa soeben nur eine Täuschung gewesen, dass alle Anwesenden bei ihrem Eintritt abrupt zu ihr hingeschaut hatten? Sicher nicht! Und hatte sich nicht sogar Nesbor-Radionics an einem seiner Werbespots regelrecht verschluckt, als sie durch die Bar zu dem von Larsen ausgesuchten Tisch schritt?

Elsa jedenfalls hing mit ihren Blicken an Annika. Absolut neidlos konstatierte sie, dass Annika ganz sicher die beeindruckendste Frau auf ganz Nesbor war. Sie selbst hielt sich auch nicht für unattraktiv, aber es war ihr klar, dass Annika in einer anderen Liga spielte. Sowohl als Frau als auch in der Nesbor-Hierarchie. Annika gehörte zum Führungszirkel auf Nesbor und das hatte sie nicht etwa durch ihr Aussehen erreicht. Obwohl es vielleicht auch ein bisschen nützlich dabei gewesen war.

Ist doch ganz verständlich, dass der Gockel Larson da verrückt spielt, dachte Elsa bei sich, schlürfte einen großen Schluck aus ihrem Cocktailglas und wartete gespannt darauf, wie die Begegnung der beiden weitergehen würde… Frederik Larsons ausholende Gestik sagte ihr dabei genug über das Gespräch der beiden, da hatte sie es gar nicht nötig, sich näher heran an die beiden auf eine Lauscherposition zu begeben. Insgeheim war sie sich sicher, dass Annika auch heute ihrem inoffiziellen Beinamen „die unnahbare Annika“ gerecht werden würde.

Annika bestellte schließlich über den Touchscreen am Tisch einen sehr gesunden vitaminreichen Molekularnektar, ohne erkennen zu geben, ob sie viel von Larsens Worten vernommen hatte.

„… Du vergräbst Dich so sehr in Deine Arbeit, dass ich Dich kaum einmal zu Gesicht bekomme.“ Das klang richtig vorwurfsvoll. Frederic bestellte ohne große Umstände für sich selbst einen vermutlich wesentlich ungesünderen alkohol- und kalorienlastigen Cocktail und fuhr sogleich fort: „Wie mir erzählt wurde, bist Du meist bis spätabends bei den Kuppelbaustellen?“

„Danke für die Einladung, Frederic“, erwiderte sie nach seinem Redeschwall. „Aber weshalb wunderst Du Dich? Stammt die Aufforderung zur Beschleunigung des Kuppelbaus nicht von Dir selbst? Wie könnte ich diese Aufgabe also nicht ernst nehmen?“

„Gewiss, gewiss“, beeilte sich Frederic, ihr zuzustimmen. „Die Wohnkuppeln sind ein wichtiges Projekt. Wenn wir neue Bewohner für Nesbor anwerben wollen, dann geht das in erster Linie über komfortable Wohnverhältnisse. Über sowas eben, was sich die Leute auf anderen Planeten nicht leisten können… Jeder wünscht sich doch, in einer eigenen komfortablen Glaskuppel wohnen zu können, den Sternenhimmel oder die ungetrübte Sonne über sich, und angeschlossen an alle Versorgungssysteme, die er zum Leben braucht. Das ist ja unser großer Vorteil, dass wir solche Wünsche erfüllen können. Jedenfalls jetzt noch, wo Nesbor lediglich den Status einer Station hat und quasi ein Geheimtipp ist.“

„Na siehst Du, Du sagst es selbst“, erwiderte Annika und ihre Worte wurden wieder begleitet von diesem amüsierten Lächeln, mit dem sie schon die Bar betreten hatte. Weiterer Worte wurde sie enthoben, da ein Servicerobot jetzt die Drinks servierte und sie sogleich ihr Glas in die Hand nahm. Frederics Blick hing an ihren vollen Lippen, als sie ihren Strohhalm zwischen diese führte und den ersten Schluck kostete.

Er fand nicht nur ihr Lächeln unwiderstehlich, dessen Amüsiertheit ihm vollständig zu entgehen schien, sondern auch diese Bewegung. Und da schwieg selbst er für einen Moment… Erst als sie das Glas wieder absetzte, kam Bewegung in ihn und er stürzte hastig einen großen Schluck seines eigenen Drinks hinunter.

„Aber da wir nun schon hier sitzen, möchte ich Dir auch gern eine Überlegung mitteilen“, hub Annika nun ihrerseits an. Frederic hing geradezu an ihren Lippen… „Ich habe in den letzten Tagen mal eine Optimierungsrechnung durchgeführt. Dabei habe ich die einkommenden Frachtvolumen zum Tempo des Baugeschehens ins Verhältnis gesetzt. Wenn wir einige unserer Ressourcen für fünf Wochen vom Kuppelplateau abziehen und stattdessen den Raumschiffhafen weiter ausbauen, dann könnten in kurzer Zeit auch Frachtraumschiffe bis zur E-Klasse auf Nesbor landen. Die könnten viel schneller und viel mehr bestelltes Baumaterial nach Nesbor bringen als die B- und C-Raumer, für die der Raumhafen jetzt ausgelegt ist.“

Frederic war anzusehen, dass er mit Annika lieber andere, im wahrsten Sinne näher liegende, Themen erörtert hätte. Er getraute sich aber nicht, sie zu unterbrechen.

„Nach meiner Rechnung“, fuhr Annika sachlich fort, nachdem sie ihren Minicomp aus einer Tasche ihres Overalls hervorgeholt hatte, „hätten wir die Bauverzögerung bei den Wohnkuppeln nach spätestens drei Monaten aufgeholt, Materialbestellung und Transport bereits eingerechnet. Wir könnten dann mit viel größerem Tempo an den Kuppeln weiterbauen.“

Frederic Larson hatte ihre Worte wohl vernommen, in irgendeinem hinteren Winkel seines Gehirns war er eben doch noch der Bevollmächtigte Direktor von Nesbor. Aber jetzt gerade nur in einem sehr weit hinten liegenden Winkel… alle anderen Partien beschäftigten sich ausschließlich mit Annika – und zwar nicht gerade in ihrer Eigenschaft als Chefin seines Baudepartments.

„Ich habe auch schon darüber nachgedacht, liebe Annika. Aber ebenso könnten wir auch zuerst unsere Bergbauvorhaben intensivieren. Wir hätten dann mehr Exportware und könnten eindrücklich belegen, dass Nesbor eine wertvolle Station ist, die verdient, mit aller Kraft ausgebaut zu werden. Aber wir können immer nur eines von vielen notwendigen Projekten forcieren.“

Jaja, das alte Problem, dachte sich Annika. Die Ressourcen, die die Sternenmeer-Regentschaft zur Erschließung von Planeten zur Verfügung stellte, waren nicht unbegrenzt. Die Erschließung musste im Sinne der Gesamtkonzeption der Regentschaft erfolgen und sie musste sich auch irgendwann rechnen. Die Regentschaft hatte auch schon Stationen und sogar ganze Planeten aufgegeben, wenn sie nach einer gewissen Zeit nicht den erwarteten Nutzen brachten. Da waren die höheren Ebenen ganz leidenschaftslos.

Aber was die nächsten Schritte auf Nesbor betraf, war sie davon überzeugt, dass sie recht hatte. Ihre Optimierungsrechnung hatte es gezeigt: zuerst den Raumschiffhafen massiv ausbauen, um den Import und Export zu steigern. Das würde Ressourcen für alle anderen Vorhaben freisetzen. Die Zahlen auf ihrem Minicomp, die sie Larson zeigte, bestätigten eindeutig ihre Ansicht.

Leider gab es keine Blaupausen für die Erschließung von neu zu besiedelnden Planeten, höchstens für die Vorerkundung und für das Anlegen erster einfacher Stationen. Ab einem gewissen Entwicklungsstand entwickelten sich die jeweils angewandten Erschließungsmethoden auseinander. Schließlich war ja auch jeder Planet anders und einzigartig.

Dummerweise sah das Frederic Larson völlig anders. „Ich möchte Deine Berechnungen nicht anzweifeln, liebe Annika. Aber diese setzen natürlich voraus, dass alles so zu realisieren ist, wie Du es modelliert hast. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass es immer unvorhergesehene Schwierigkeiten gibt. Gerade beim Bau des Raumschiffhafens sind wir auf Importteile angewiesen. Es nützt uns ja nichts, wenn wir beispielsweise die Landefläche verdoppeln, aber die elektronischen Leitsysteme auf dem jetzigen Stand bleiben. Dann haben wir Ressourcen verbraucht, ohne ein messbares Ergebnis zu bekommen.“

„Ja sicher, Überraschungen gibt es immer“, erwiderte Annika. „Wenn welche beim Kuppelbau auftreten, ist das doch aber ganz genauso: Ressourcen verbraucht, und die Sternenmeer-Regentschaft ist nicht begeistert…“

„Eben darum habe ich Dir ja die Leitung des Kuppelbaus anvertraut. Ich weiß, dass ich mich hundertprozentig auf Dich verlassen kann. Nach meiner Optimierungsrechnung“ – er zog das Wort „meiner“ theatralisch in die Länge – „sind die Risiken beim Kuppelbau am geringsten, zumal wie gesagt Du dieses Projekt leitest. Kommen wir da vorwärts, werden viele Fachkräfte nach Nesbor gezogen, die wir für die übrigen Projekte dringend brauchen.“

Und auf Anikas zweifelnden Blick setzte er hinzu: „Und eine dann von den Leuten so begehrte Station läuft auch nicht mehr in Gefahr, aufgegeben zu werden, sondern wird umso eher eine Ansiedlung. Machen wir also weiter wie bisher!“

Annika zog die Stirn ein wenig in Falten, und signalisierte damit, dass sie nicht überzeugt war. Ohne einen erweiterten und gut funktionierenden Raumschiffhafen lief nichts, das sollte doch jedem verständlich sein, selbst einem Frederic Larson. Aber okay, er war schließlich der Bevollmächtigte Direktor. Sie würde schon Mittel und Wege finden, die Arbeiten am Raumschiffhafen zu beschleunigen, als Leiterin des Baudepartments hatte sie da auch ihre Möglichkeiten. Und Xaver Corinth, der Chef des Raumschiffhafens war in dieser Angelegenheit ein zuverlässiger Verbündeter. Überdies kannten sich die beiden schon viele Jahre.

Sie nahm einen Schluck ihres Getränks zu sich und wechselte das Thema.

„Das war also das wichtige Problem, wegen dem Du mich hier in diese schummerige Bar bestellt hast? Das hätten wir doch auch im Pladz besprechen können.“

Im Pladz, dem Planetaren Administrativen Zentrum, das im Mittelpunkt der Station lag, liefen alle Fäden der Station zusammen. Hier befand sich auch der Arbeitsplatz des Bevollmächtigten Direktors Frederic Larson. Unterstützt wurde er dort von mehreren Assistenten. Aber auch die Leiter der einzelnen Departments, so wie Annika, hatten dort fast täglich etwas zu erledigen.

Larson war etwas überrascht von diesem abrupten Wechsel und gewann ein paar Augenblicke, indem er auch erstmal seinen Drink zu Rate zog. „Nicht ganz, meine liebe Annika. Es ist so wie ich sagte. Ich vertraue Dir und Deinen Fähigkeiten ganz und gar. Und dass Du Dir solche Gedanken machst, wie wir sie eben diskutiert haben, verstärkt diese Meinung. Auch wenn Du diesmal nicht richtig liegst mit Deiner Liebe zum Raumschiffhafen. Ich wüsste niemanden, bei dem der Kuppelbau in besseren Händen wäre. Aber das ist trotzdem keine Aufgabe, die Dich ganz ausfüllen kann.“ Er druckste ein wenig herum und fuhr dann entschlossen fort: „Ich möchte, dass Du meine Stellvertreterin wirst. Das würde Deinen Fähigkeiten entsprechen. Und ich möchte Dich in meiner Nähe haben.“

Der Posten des Stellvertretenden Stationsdirektors war tatsächlich seit einiger Zeit vakant, seit sein bisheriger Inhaber, der Dwarstunnelspezialist Yunus Flynn, in die Sektorenzentrale berufen worden war. Es stand Frederic Larson durchaus zu, jemanden neu auf diesem Posten einzusetzen, ohne irgendwo Rücksprache zu nehmen.

Ach Frederic, Du bist so leicht zu durchschauen, dachte Annika bei sich. Es kommt Dir doch hauptsächlich darauf an, dass Du weiter um mich herumscharwenzeln kannst…

Aber nachdem er ihren Vorschlag mit dem Raumschiffhafen so nüchtern abgelehnt hatte, wollte sie ihn wenigstens bei diesem Thema ein bisschen zappeln lassen. „Also ich glaube, ich bin mit dem Kuppelbau schon voll ausgelastet. Da muss ich mich voll reinknien. Ich will ja irgendwie auch Dein Vertrauen in meine Fähigkeiten rechtfertigen.“ Paff, da hatte sie ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen und das Vergnügen blitzte nur so aus ihren Augen.

„Ja, aber das ist doch ein perfekter Grund, mein Angebot anzunehmen“, sprudelte es aus Larson hinaus. „Als meine Stellvertreterin entdeckst Du doch sicher noch viele Ressourcen, die Du dann in Deine Bauaktivitäten lenken kannst.“

„Oh, Du willst mich wohl bestechen?“ fragte Annika ganz sachlich zurück.

„Ach was, Bestechung…“, brummte er. „Annika, Du weißt genau, was ich gern möchte. Wir beide haben zusammen so viel Willen, Geschicklichkeit und Fähigkeiten, wir beide zusammen machen richtig was aus Nesbor!“

„Machen wir doch…“

„Jaja, sicher, aber wir beide gehören noch mehr zusammen, noch viel enger. Als Paar, verstehst Du?“

„Jetzt verstehe ich Dich, Frederic.“ Natürlich hatte sie ihn schon vorher verstanden! Eine direkte Antwort gab sie aber nicht gleich, sondern widmete sich wieder ihrem Getränk. Diese kleine Pause dehnte sich über die Spanne von zwei Werbespots von Nesbor-Radionics, nach Frederics Zeitempfinden aber über mindestens zehn Spots. Sie ließ ihn zappeln, während der Sender erst einmal etwas über Chrysisfasern zu berichten hatte.

„Chrysis-Chrysis-Chrysis…!“ ertönte eine Melodie, Larsen rutschte auf seinem harten Sitz nur noch ungeduldiger hin und her. Dann ein Dialog zwischen einem kleinen Mädchen und seiner Mutter: „… Ich will bei Oma bleiben! – Komm nach Hause, ich hab dort süße Strawberries für Dich. – Ich will aber nicht! – Warum denn nicht? – Oma hat so eine kuschelige Couch. Unsere dagegen ist hart und kratzig.“ Eine Stimme aus dem Off schaltet sich ein: „Ja, das merkt doch jedes Kind: Sitzmöbel aus Chrysisfasern sind etwas ganz Besonderes! Kuschelig, flauschig, wohlig, verlockend, idyllisch! Chrysisfasern vom Planeten Selgo! Nehmen Sie Chrysisfasern von Selgo und Ihre Familie ist begeistert!“

Als sie das Glas absetzte, lächelte sie Frederic mit dem schönsten Lächeln an, das man sich nur vorstellen konnte. Und bewies gleich darauf, warum viele auf Nesbor sie die „unnahbare Annika“ nannten:

„Ich denke mal, das würde uns beide sehr von unseren eigentlichen Aufgaben ablenken. Das wäre nicht so gut für uns. Lass uns weiter ganz professionell zusammenarbeiten. Das mit dem Posten als Stellvertreterin überlege ich mir, falls Du das Angebot aufrecht erhältst.“

Elsa, deren Kontrollaufgaben in der Bar ohne Namen schon längst beendet waren, hatte von weitem das Mienenspiel der beiden verfolgt, vornehmlich das von Frederic Larson. Da brauchte sie gar nicht viel zu raten, was er sagte. Es war fast so, als hätte er unmittelbar zu ihr gesprochen.

Aus Annikas Miene konnte sie weniger ablesen, dort fand sie die ganze Zeit jenes freundliche, aber offensichtlich ablehnende Lächeln. Trotzdem musste Elsa dauernd auch zu ihr hinsehen. Annika war einfach eine Frau, die auf alle wirkte… Und auch Elsa konnte sich der Faszination dieses Lächelns nicht entziehen.

Einfach phantastisch. Ich glaube, nun sind sie fertig, dachte Elsa. Und Larson hat sich wieder mal die Zähne an der unnahbaren Annika ausgebissen. Hihi, also so wie immer. Kann gar nicht anders sein. Aber er gibt wohl auch nach dem heutigen Tag nicht auf, unser Direktorchen.

Frederic Larson musste sich vorerst mit Annikas Antwort zufriedengeben. Aber er war schon am Grübeln, wann und wie er den nächsten Versuch starten könnte, um sie endlich von sich zu überzeugen.

Sie verließen nacheinander die Bar und Elsas Blick hing auch dabei an Annika. Selbst deren Gang strahlte eine Anmut aus, wie sie ihre ganze Persönlichkeit beherrschte. Etwas, das von innen kam und das man weder erlernen noch vorspielen konnte. Und deshalb verspürte Elsa auch keinerlei Neid oder Groll gegenüber der schönen und distanzierten Annika, sondern wünschte sich insgeheim, sie würde Frederic Larson weiterhin widerstehen und damit so etwas wie das reine und unnahbare Sinnbild Nesbors bleiben.

Dies umso mehr, als ihr Annika beim Hinausgehen noch ein freundliches „Tschüss Elsa! Du hast die Bar gut im Griff. Wir sollten ihr nur mal einen schönen Namen geben.“ zugerufen hatte. Oh, sie kennt mich sogar, dachte sie erfreut. Das hätte ich gar nicht gedacht, dass sie mich überhaupt wahrnimmt. Ganz anders als unser Direktorchen! Und während sie ihren Gedanken nachhing, bei welcher Gelegenheit denn Annika schon einmal auf sie aufmerksam geworden sein könnte, bemerkte sie den Mann nicht, der fast im selben Moment die Bar verließ.

Er hatte nach dem Weggang der beiden schnell seinen Minicomp eingesteckt und folgte ihnen eilig. Aber selbst wenn Elsa ihn bewusst wahrgenommen hätte, wäre ihr an ihm nur wenig Besonderes aufgefallen. Der Mann war etwas mehr als mittelgroß, von normaler Statur und trug einen einfachen blauen Overall wie die meisten Stationsangehörigen, nur dass die darauf befestigten Laufbahnlogos fehlten. Er gehörte also nicht zur Stammbesatzung von Nesbor. Das Auffälligste an ihm war eine transparente Wundheilauflage, die sich auf seiner rechten Gesichtshälfte vom Haaransatz bis zum Kinn hinunterzog. Offensichtlich musste er vor Kurzem eine Verbrennung oder einen ähnlichen Unfall erlitten haben. Wie passend dazu war auch der sichtbare Teil seiner rechten Gesichtshälfte von frischen Blutergüssen gezeichnet.

Frederic und Annika verabschiedeten sich schon an der nächsten Weggabelung des unterirdischen Gangsystems der Station Nesbor voneinander. Während er noch einmal ins Pladz ging, strebte Annika ihrem Quartier zu, das wie alle Wohnquartiere an der Peripherie der Station lag.

Im Kernbereich der Station konnte man derzeit noch alle Wege zu Fuß zurücklegen. So groß waren die Entfernungen nicht. Die unterirdischen Hauptverbindungsachsen waren aber vorsorglich bereits breiter als nur für Fußwege notwendig angelegt worden. Hier sollten bei der abzusehenden weiteren Flächenausbreitung der Station bald magnetisch betriebene Transportkabinen eingesetzt werden. Die ersten derartigen Verkehrsmittel waren bereits im Einsatz, um die vom Kernbereich der Station weiter entfernten Module erreichen zu können wie den Raumschiffhafen, die Bioversuchsflächen und die Bergbau- und Aufbereitungsstätten.

Annika hing ihren Gedanken nach. Dass dieser Frederic aber auch nicht aufgeben will, seufzte sie in sich hinein. Andere finden ihn sicher ganz nett. Zum Beispiel diese Elsa, die ihn eben die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hat. Warum versucht er es nicht mal bei ihr? Für mich reicht nett sein eben nicht, und ich finde ihn auch ein wenig zu angeberisch. Und nach dem Angebot, seine Stellvertreterrolle zu übernehmen, geht eine Beziehung erst recht nicht. Wie sieht denn das aus? Der Direktor und seine Stellvertreterin ein Paar? Na da würde ja die Gerüchteküche brodeln, wie ich wohl zu dieser Stellung gekommen wäre…

Der Bereich der Wohnquartiere wurde durch ein Netz von Gängen erschlossen, von denen die unterschiedlich großen Wohneinheiten abgingen. Hier dämpften, im Gegensatz zu den technischen Bereichen der Station, textile Fußbodenbeläge den Schritt. Die Wände dieser wesentlich schmaleren Gänge waren mehrfarbig und zeigten wechselnde abstrakte Muster. Die Erbauer der Station hatten Wert darauf gelegt, dass sich der Wohnsektor auch visuell von den technisch-funktionalen Teilen der Station abhob und bereits bei seinem Betreten Ruhe und Erholung vermittelte.

Nach Ruhe sehnte sich Annika jetzt auch. Sie hatte einen anstrengenden Arbeitstag auf einer der Kuppelbaustellen hinter sich und dann noch das Gespräch mit Frederic Larson, bei dem sie ebenfalls alle Aufmerksamkeit aufbringen musste. Erleichtert hörte sie das leise Klicken der Tür ihrer Wohneinheit, als der persönliche Minicomp in einer Tasche ihres Overalls berührungslos das Öffnungssignal sandte.

Sie trat mit einem Schritt in ihre Wohneinheit ein – und erhielt im nächsten Augenblick einen so kräftigen Stoß in den Rücken, dass ihr ganzer Körper nach vorn flog und sie mit einem erschrockenen Aufschrei der Länge nach auf dem Fußboden landete. Dann geschahen drei Dinge fast gleichzeitig: sie hörte die Tür mit einem lauten Schlag zuknallen, sie drehte sich geistesgegenwärtig um, und spürte im selben Moment wie sich jemand auf sie warf und sie festhielt. Der Mann war schwer und viel stärker als sie. Er blieb einfach auf ihr liegen und hatte im nächsten Augenblick ihre Hände gefesselt.

„Was fällt Ihnen ein? Lassen Sie mich sofort los!“ schrie sie ihn an, nachdem sie einige Augenblicke lang vor Überraschung unfähig gewesen war, zu reagieren. Dass laute Hilfeschreie nichts helfen würden, war ihr sofort klar; die Schallisolierung der Wohneinheiten war zu gut. Sie versuchte, ihm Fußtritte zu versetzen, sie versuchte ihren Oberkörper aufzurichten, aber er hielt sie ohne große Anstrengung nieder.

„Sei ruhig, Täubchen, ich hab Dich fest und Du kommst hier nicht weg.“ antwortete er in aller Seelenruhe und machte sich daran, sie auch an den Fußgelenken zu fesseln.

„Sie sind wohl völlig verrückt geworden! Wie können Sie es wagen, mich anzugreifen? Was denken Sie denn, wo Sie hier sind?“

„Ich bin bei vollem Bewusstsein, Täubchen. Was für Dich gleich nicht mehr der Fall sein wird.“ Seine Stimme war völlig emotionslos und er verfrachtete die wehrlose Annika bei diesen Worten in eine halb aufrecht sitzende Position vor der Sitzgarnitur im Zimmer.

„Was wollen Sie von mir? Es ist Ihnen doch klar, dass Sie damit nicht durchkommen!“

Gleichzeitig kroch jetzt Angst in ihr hoch. Gewaltverbrechen waren auf den besiedelten Planeten sehr selten geworden, so etwas hörte man eigentlich nur noch von der überbevölkerten Erde und den inneren Planeten des Sonnensystems. Auf Weltraumstationen mit ihren übersichtlichen und handverlesenen Personalbesetzungen gab es sehr selten Verbrechen, aber manchmal gab es sie eben doch noch, meist waren diese Täter geistig krank…

Was wollte dieser Mann ihr antun? Während er sie zur Sitzgarnitur schleifte, hatte sie einen Moment, um ihn zu mustern.: etwas mehr als mittelgroß, von normaler Statur und seine rechte Gesichtshälfte war durch eine große Wunde entstellt, die er mit einer transparenten Wundheilauflage abgedeckt hatte. Sollte er etwa schon irgendetwas anderes verbrochen haben und drehte jetzt vollends durch? Und er war ihr völlig unbekannt, gehörte sicher nicht nach Nesbor… Also was wollte er? Und warum hatte er sie ausgesucht?

„Ich werde schon durchkommen, verlass Dich drauf, Täubchen! Hat bisher ja auch alles ganz gut geklappt. Ich würde gern noch ein paar andere Dinge mit Dir anstellen, aber da bekomme ich dann leider Ärger. Es interessiert sich nämlich jemand ganz anderes brennend für Dich. Der möchte Dich unbeschädigt erhalten. Also hab mal keine Angst! Und unsere Unterhaltung beenden wir jetzt besser auch.“

„In wessen Auftrag handeln Sie? Was hat Ihnen derjenige befohlen? Versuchen Sie doch mal selbst zu denken, Mann! Sie fangen sich gerade eine Menge Ärger ein. Und machen Sie mich sofort los!“ Sie zerrte an den Fesseln, soweit es ihre Bewegungsfähigkeit zuließ. Aber da war nichts zu machen. Hände und Füße waren fest gebunden, nur ihr Oberkörper rutschte zur Seite.

„Jajaja“, brummte der Mann offensichtlich ganz vergnügt vor sich hin und richtete sie an der Lehne der Sitzgarnitur wieder auf. Dann ging er daran, Annika nun auch noch zu knebeln.

Sie konnte ihn nur noch mit großen angstgeweiteten Augen ansehen. Was passierte hier? Wer steckte dahinter? Gab es jemanden auf Nesbor, der ihr Übles wollte? Frederic Larson etwa? Wollte er sich mit Gewalt holen, was er durch sein Werben nicht bekam? Sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Sicher nicht! Frederic war ein aufrichtiger und integrer Mann. Aber wer dann?

Seelenruhig entnahm der Unbekannte seinem Rucksack ein kleines Gerät und widmete sich ganz diesem. Es war nicht viel größer als eine Packung dieser allgegenwärtigen Tagesrationen, die für die Ernährung auf Raumschiffen und Stationen üblich waren. Sie reckte den Hals und erkannte, dass es tatsächlich eine solche Verpackung war, in die allerdings irgendein Mechanismus eingebaut war. Es sah aus wie ein Spielzeug Marke Eigenbau. Also doch ein Verrückter, der irgendein selbst gebasteltes Gerät an mir ausprobieren will, dachte Annika entsetzt und zog und zerrte noch fester an ihren Fesseln.

Das Gerät gab einen hohen Piepton ab, den der Unbekannte langsam herunterregelte, bis eine Interferenz mit einer anderen Quelle eintrat, von der vorher nichts zu hören war. Das hohe Piepsen ging in ein tieferes stotterndes Geräusch über. Zufrieden nickte der Mann und griff nochmals in seinen Rucksack, dem er jetzt ein medizinisches Besteck entnahm. Annika zerrte mit aller Kraft an ihren Fesseln und versuchte zu schreien. Der Knebel ließ jedoch nur ein lautes Stöhnen zu.

„So Täubchen, nun sitz mal ganz ruhig, sonst verletze ich Dich noch mit der Spritze.“ Völlig unbeeindruckt ging er zu Werke, schlitzte mit einem scharfen Messer den Ärmel von Annikas Overall bis zur Schulter auf und setzte die Spritze an. Sie dachte jedoch nicht daran, stillzuhalten, warf sich hin und her und prallte wieder auf dem Fußboden auf. Der Anblick einer großen Menge giftgrüner Flüssigkeit, die er ihr offenbar injizieren wollte, verstärkte ihre Kräfte, so dass sie ihm einen heftigen Stoß versetzte. Dem Unbekannten wäre beinahe die Spritze entfallen.