Die Totenhand. Band 2 - Dumas - Le Prince - E-Book

Die Totenhand. Band 2 E-Book

Dumas - Le Prince

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Geschichte um den jungen Edmond Dantès, der durch ein Komplott von missgünstigen Neidern aus dem höchsten Glück in den tiefsten Abrgund geschleudert wird und schließlich, nach vierzehn Jahren unverschuldeter Kerkerhaft zurückkehrt, um als mysteriöser Graf von Monte Christo Rache zu üben an seinen Peinigern, ist den meisten bekannt. Doch kaum jemand weiß, dass es eine Fortsetzung dieser Geschichte mit gleichsam umgekehrten Vorzeichen gibt. Hier nun wird der ehemalige Rächer zum Ziel der Vergeltung, denn seine erbarmungslosen Handlungen haben ihrerseits die Schicksale Unschuldiger beeinflusst. Und so setzt sich die Geschichte der Rache fort… Dieses ist der zweite von drei Bänden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 299

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Dumas-Le Prince

 

 

Die Totenhand

 

 

 

Roman

in drei Bänden

 

 

 

 

Neuausgabe

der ungekürzten Übertragung

aus dem Französischen

von K. Walther

 

 

 

Band 2

DIE TOTENHAND wurde zuerst veröffentlicht vom Globus Verlag, Berlin o. J.

 

 

Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von: apebook

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

1. Auflage 2023

 

V 1.1

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

 Band 2

ISBN 978-3-96130-576-6

Buchherstellung & Gestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

Alle Rechte vorbehalten.

© apebook 2023

 

Books made in Germany with

 

 

Dumas Le Prince

 

Die Totenhand

 

 

BAND 1 | BAND 2 | BAND 3 | GESAMTAUSGABE

 

 

Klicke auf die Cover oder auf die Textlinks oben!

 

 

 

 

 

***

 

 

 

Die fünf Bände der Reihe

Der Graf von Monte Christo

im Überblick

 

 

 

BAND 1 | BAND 2 | BAND 3 | BAND 4 | BAND 5

 

 

Klicke auf die Cover oder auf die Textlinks oben!

 

 

 

 

 

***

 

 

 

Bleibe auf dem Laufenden über Angebote und Neuheiten aus dem Verlag mit dem lesenden Affen und

abonniere den kostenlosen apebook Newsletter!

 

Du kannst auch unsere eBook Flatrate abonnieren.

Dann erhältst Du alle neuen eBooks aus unserem Verlag (Klassiker und Gegenwartsliteratur)

für einen kleinen monatlichen Beitrag (Zahlung per Paypal oder Bankeinzug).

Hier erhältst Du mehr Informationen dazu.

 

 

 

Follow apebook!

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Die Totenhand. Band 2

Impressum

Zweiter Band.

I. Das Kolosseum.

II. Die Komödie.

III. Die Komödie verwickelt sich.

IV. Die Entführung.

V. Campi Lugentes.

VI. Gerechtigkeit.

VII. Eine Nacht auf dem Meere.

VIII. Der Schiffbruch

IX. Die Frau ohne Namen.

X. Ein Beistand des Himmels.

XI. Die Schlange.

XII. Zwei unschuldige Opfer einer furchtbaren Rache.

XIII. Das Gasthaus zur Glocke.

XIV. Die Abfahrt.

XV. Venedig.

XVI. Die Träume in der Grotte Monte Christo.

XVII. Nachforschungen.

XVIII. Die Contrebandiers.

XIX. Schrecken.

XX. Giovanni Gradenigo.

Eine kleine Bitte

Buchtipps für dich

Kostenlose eBooks

A p e B o o k C l a s s i c s

N e w s l e t t e r

F l a t r a t e

F o l l o w

A p e C l u b

Links

Zu guter Letzt

Zweiter Band.

 

I. Das Kolosseum.

Das berühmte Amphitheater, in welchem einst zur Belustigung der Römer die Martern der Christen stattfanden, scheint den Namen, unter welchem man es seit einigen Jahrhunderten bezeichnet, von einer riesigen Statue Neros angenommen zu haben, die am Fuße dieses Gebäudes errichtet war.

Benedetto erstieg die Stufen, welche zu den Trümmern der kaiserlichen Tribüne führen und ließ von dort seine Blicke über das weite Amphitheater schweifen, als ob sein Auge die Dunkelheit zu durchdringen vermöchte, welche die Nacht hervorrief und die sich über die Trümmer des römischen Prunkes gelagert hatte.

An den Orten, welche der Mond minder hell beschien, glänzten einige Fackeln in dem Mittelpunkte kleiner Gruppen von Kunstliebhabern, denen ein Cicerone den Bau des prachtvollen, im Verfall begriffenen Gebäudes erklärte. Der Sohn Villeforts stieg die Estrade hinab, welche zu der kaiserlichen Tribüne geführt hatte und vermied dabei das Zusammentreffen mit jenen Gruppen Neugieriger, indem er sich mitten durch die Ruinen hindurch jenem Teile zuwendete, welcher Zirkus der Tiere genannt wird und jetzt ganz verödet zu sein schien. Der Schall von Schritten machte indes, daß er stehen blieb und sich im Schatten einer riesigen Säule verbarg.

Bald darauf zeigte sich ein Mensch, in einen braunen Mantel gehüllt, den Augen Benedettos, beleuchtet durch einen der matten Strahlen des Mondes. Dieser Mensch hatte die Augen auf die rötliche und flackernde Flamme eines der Cicerone gerichtet, die in einer geringen Entfernung brannte.

»Sie ist es,« murmelte der Unbekannte, der mit wirrem Blicke den Bewegungen der Flamme folgte; »sie ist es – das Weib, das ich nicht vergessen kann, selbst nicht einen einzigen Augenblick! Weh mir! Wohin soll ich, durch dieses Fieber verführt, geraten! Ha, Eugenie d'Armilly – Du mußt mein sein!«

»Das ist Vampa!« sagte Benedetto bei sich selbst in dem Augenblick, in welchem der Bandit, ängstlich umherblickend, sein Gesicht den Strahlen des Mondes preisgab, indem er es der Richtung zuwendete, in welcher Benedetto sich verborgen hatte.

Das Licht der Fackel, welches in diesem Teile der Ruinen funkelte, begann sich dem Zirkus der Tiere zu nähern, und Vampa erbebte unwillkürlich, indem er auf die Säule zuschritt, hinter welcher Benedetto stand.

In diesem Augenblicke erschienen an dem Eingange des Zirkus zwei Frauengestalten, denen der unermüdliche Cicerone voranschritt, welcher den Arm mit der Fackel ausstreckte, deren flackerndes Licht seine unsicheren Strahlen in die Tiefe des Zirkus sendete, in welche diese Frauen ihre neugierigen Blicke senkten.

»Sehen Sie hier,« sagte der Cicerone, »dort war der Käfig der Tiere, in welchem sie ihr wildes Geheul der Wut und des Hungers ausstießen, bevor sie in die Arena geführt wurden, aus der sie sich dann zurückzogen, gesättigt durch das Gemetzel, den Rachen mit Blut gefärbt, das Auge feuersprühend und drohend. Weiterhin,« fuhr der Cicerone fort, indem er auf einen Ort deutete, der durch den Mond beschienen wurde, »lag die Tür, durch welche die Verurteilten eintraten, um nicht mehr wieder hinauszugehen. – Da war die Tribüne der Kaiser, von wo sie auf die Wut der wilden Tiere herabsahen und mit kalter Verachtung die flehenden Bitten der Christen und Sklaven vernahmen, die zu diesem kriegerischen und barbarischen Spiel verurteilt waren.«

Der Cicerone schwieg, indem er den Arm mit der Fackel noch erhoben hielt, während die beiden jungen Frauen sich gegenseitig umschlungen hielten und den Gefühlen überließen, welche der Ort, die Szene und die durch den Führer gegebenen Erklärungen in ihnen hervorgerufen hatten.

»Luise,« sagte die jüngere, »ich habe große Lust, dort hinabzusteigen an den Ort, an welchem so viele Opfer in den letzten Qualen der Todesfurcht und unter den Krallen der entsetzlichen Tiere Asiens und Afrikas zitterten; ich will nachdenken, auf dem Boden, benetzt durch das Blut und die Tränen so vieler tausend Weiber, welche sich zum letztenmal umarmten, einen Sohn, eine Tochter, eine Freundin innig an sich schließend, indem sie versuchten, sie gegen den Zahn der wilden Tiere zu schützen. Komm, Luise – komm, meine Freundin!«

Der Cicerone richtete einen fragenden und scharfen Blick auf die beiden Frauen, blieb indes regungslos stehen, den Befehl erwartend, sie zu begleiten; aber die beiden Freundinnen gaben ihm dies Zeichen nicht, und daran gewöhnt, den Launen der Besucher sich zu fügen, begnügte er sich damit, durch die Fackel die Stufen der Treppe zu beleuchten; dann setzte er sich, lehnte die Fackel gegen die Steine und erwartete geduldig die Rückkehr der Damen, indem er die Zeit dazu verwendete, zwischen den Fingern seiner rechten Hand die Perlen eines Rosenkranzes hindurchgleiten zu lassen, während er mit der linken eine Zigarre hielt, die er mit allen Zeichen des vollständigsten Genusses rauchte.

Eugenie Danglars und Luise d'Armilly gelangten zu dem Zirkus, dessen Ausdehnung der entschlossene Blick der ersteren prüfte, während die zweite sich damit begnügte, auf denselben einen flüchtigen und schüchternen Blick zu richten, einen jener Blicke, welche sie außerhalb der Bühne charakterisierten.

»Du zitterst, teure Freundin?« fragte Eugenie, »und weshalb? – Bedenkst Du denn nicht, daß wir ganz allein sind? – Tun die traurigen Erinnerungen dieses Ortes Dir weh? – Ich gestehe, daß ich unrecht hatte, Dir diesen nächtlichen Besuch in dem Kolosseum vorzuschlagen! Ich glaubte, Du wärest minder leicht zu erschrecken, minder schüchtern. Ach, wer hätte denn wohl auch glauben können, daß der Schatten der Nacht und eine gewaltige Granitmasse die Macht hätten, so Deine Seele zu erschüttern? Und ich, die ich die Nacht so lieb habe, fühle mich in der Mitte dieser Trümmer unendlich wohl! Dieses erhabene, feierliche Schweigen, diese majestätischen Schatten, welche die riesigen Säulen des Gebäudes werfen, die von Jahrhundert zu Jahrhundert mit Bewunderung betrachtet wurden – die Erinnerungen, welche jeder dieser Steine, dieser Boden, diese Arena, hervorruft, dieser wahre Schauplatz, wo der Despotismus und die Leiden sich mit ihren unvergänglichen Diademen schmückten – das alles steht in so vollkommener Harmonie zu meiner Seele! – Ach, Luise, wenn Du jemals so geliebt hättest, wie ich liebe, wenn Du nur ein einziges Mal alle Deine Gedanken auf ein Wesen geheftet hättest, welches das Geschick, durch eine seiner Launen mit unserem Geiste verkettet und sozusagen einen wesentlichen Teil von uns selbst bildet – ach ja, dann würdest auch Du die Schatten, das Schweigen der Nacht, die Einsamkeit, lieben!«

Vampa vernahm begierig diese Worte Eugenies. Benedetto hörte deutlich die heftigen schnellen Schläge von dem Herzen des römischen Banditen; denn wie wir bereits sagten, war die Säule, hinter der Benedetto sich verborgen hatte, eben die, an welche der berüchtigte Bandit sich lehnte.

»Eugenie,« sagte Luise, »ich begreife, welches Gefühl dieses Schweigen, diese Schatten, die Einsamkeit, in Deiner Seele erwecken, die, frei von jedem andern Bilde, sich ganz den Betrachtungen dessen überläßt, durch welches es allein erfüllt wird; aber ich, die ich nicht hier unter dem Eindrucke dieses ausschließlichen Gefühls stehe, welches alle Gedanken beherrscht und in sich einschließt, ich, die ich nicht die Kraft und Entschiedenheit Deines Charakters besitze, ich zittere und bebe bei dem geringsten Flüstern der Luft. Jeder Stein flößt mir Furcht ein; aus jedem glaube ich eine unheimliche Gestalt hervorsteigen zu sehen, welche auf uns ihre drohenden Blicke schleudert, wie die der wilden Tiere. – Ja, siehst Du, ich bin furchtsam – ich bin schwach – ich gleiche allen Frauen – ich weiche nur in einem Gefühle von ihnen ab: Ich liebe nicht.«

Ohne auf die Freundin zu hören, schritt Eugenie melancholisch und träumerisch durch den Zirkus; Luise sah sich gezwungen, ihr zu folgen.

»Eugenie! Eugenie!« rief plötzlich Luise, indem sie mit zitternder Hand den Arm Eugenies erfaßte.

»Erschreckt Dich irgend eine Vision, meine Liebe?« fragte Eugenie, indem sie sich von dem Griff losmachte.

»Ach nein,« erwiderte Luise nach einer Pause und indem sie eine Anstrengung machte, um zu sprechen; »es ist nicht eine bloße Vision.«

»Deine Hand ist eiskalt,« flüsterte Eugenie; »solltest Du Dich fürchten?«

»Ich möchte diese Furcht nicht hegen – aber ich kann sie nicht besiegen.«

»Laß hören; was versetzt Dich denn in diese auffallende Unruhe?«

»Sieh nur,« sagte Luise dumpf, indem sie auf eine der Säulen deutete; »dort steht ein Mann.«

»Wo?«

»Da, an der vierten Säule links, vor dem Portikus.«

»Ich sehe nichts,« erwiderte Eugenie, indem sie mit dem Auge der Hand Luises folgte.

»Er wird sich ohne Zweifel verborgen haben. Aber ich habe mich nicht getäuscht, dessen bin ich gewiß. Ich habe dort – dort – das Gesicht eines Menschen gesehen.«

»Ach, es wird nur Einbildung gewesen sein; es war ohne Zweifel der Schatten einer Säule; ich wette, es war ein Riese.«

»Eugenie! Eugenie! Laß uns gehen!«

Luise ergriff aufs neue den Arm Eugenies, wendete sich rasch gegen die Treppe, um dahin zurückzukehren, aber sie wich plötzlich zurück, indem sie einen leisen Schreckensschrei ausstieß.

»O mein Gott!« flüsterte Eugenie.

Luigi Vampa stand vor den beiden Sängerinnen.

Regungslos, als wäre er eine Bildsäule, hielt der Bandit seinen Blick fest auf das Gesicht Eugenies geheftet, seinen scharfen, durchbohrenden Blick, und dieser schien mehr zu sagen, als die beredtesten Lippen auszusprechen vermocht hätten.

Indes machte die Lage einige Worte unvermeidlich, denn Luigi Vampa schien den beiden Freundinnen den Weg zu vertreten. Er zog daher den Hut, ließ den Mantel fallen und sagte: »Signorine, ich habe Ihnen gesagt, daß in dem Schatten und dem Schweigen der Nacht ein Mann existiert, der gegen ein einziges Wort aus Ihrem Munde eine Ewigkeit der Qualen annehmen würde. Sie haben die Schatten und das Schweigen der Nacht aufgesucht – Sie sind mir begegnet. Darf ich nun hoffen, dieses Wort zu vernehmen, oder muß ich für meine Seele eine Ewigkeit der Martern erwarten? – Sprechen Sie!«

Die Furcht hatte Luise d'Armilly für einen Augenblick betäubt, wie dies nervösen Personen leicht geschieht, und das arme Mädchen stützte sich gegen einen Granitblock, das Gesicht in die Hand bergend, ohne den Banditen zu sehen, noch zu hören. Eugenie dagegen sah und hörte ihn, doch nicht mit dem Schrecken ihrer Freundin, sondern mit einem unbeschreiblichen Gemisch der Furcht und des Vergnügens, denn sie erkannte in dem Manne des Kolosseums den geheimnisvollen Zuschauer des Theaters Argentino.

»Mein Herr,« flüsterte sie, »ich benutze nur dieses unerwartete Zusammentreffen, um Ihnen für das schöne Geschenk zu danken, durch welches Sie uns bei unserer letzten Vorstellung der Semiramis geehrt haben. Glauben Sie an meine aufrichtige Dankbarkeit, wer Sie auch sein mögen.«

»Und weiter nichts?« fragte Vampa mit dumpfer Stimme und finsterem Wesen.

»Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe.«

Eugenie trat einen Schritt zurück, um sich Luise zu nähern. Aber der Bandit schritt vorwärts, senkte schnell ein Knie zur Erde und ergriff ihre Hand.

»Signora! Signora!« rief er; »o, Sie vergelten schlecht das innige Gefühl, welches Sie mir einflößen.«

»Vergessen Sie es!« murmelte Eugenie, indem sie ihre Hand den glühenden Lippen Vampas zu entziehen strebte. Aber es fehlte ihr die Kraft, ein solches Opfer zu bringen.

»Wäre es möglich,« fuhr Vampa fort, »kennen Sie wohl das ganze Gewicht des verhängnisvollen Wortes, das Sie soeben sprachen? Sie vergessen? O nein – das vermag ich nicht!«

»Stehen Sie auf – gehen Sie –« sagte Eugenie, »denn dieser plötzliche Impuls des Gefühls, das Sie mir erklären, könnte für Wahnsinn gehalten werden, wenn Sie ihn verlängern wollten.«

»Wenigstens – ein einziges Wort der Hoffnung –«

»Glauben Sie denn, daß Sie ein Recht haben, es zu verlangen?« fragte Eugenie.

»Ich flehe auf meinen Knieen darum!«

»Mein Herr, das würde einem jener unglaublichen Romanabenteuer gleichen. – Ich hoffe, daß in Ihren Gedanken dieses Zusammentreffen ebensowenig eine sichtbare Spur zurücklassen wird wie der Blitz in der Wolke, die er durchzuckt; es wird in den Schatten der Trümmer, die uns umgeben, vergraben bleiben, in denen ohne Zweifel schon tausendmal ähnliche Worte wie die Ihrigen tönten, ohne außerhalb dieses Kreises wiederholt zu werden. – Morgen werden Sie über sich selbst lachen – doch nicht über mich, nein, nicht über mich.«

»Ach ich verstehe Sie!« entgegnete Vampa mit bitterem Lächeln. »Sie können an die Aufrichtigkeit meiner Worte nicht glauben, bevor die Zeit Sie davon überzeugt hat.«

»Sie sprechen die Wahrheit,« erwiderte Eugenie. »Sie sehen wohl, daß ich Sie nicht einmal kenne.«

Bei diesen Worten stand der Bandit auf. Über sein Gesicht zog ein finsterer Schatten und seine glühenden, leidenschaftlichen Blicke schienen die Züge Eugenies zu verschlingen.

»Sie haben recht!« sagte er, »und dennoch werde ich Ihnen überallhin folgen, ja, überallhin.«

Indem er so sprach, warf er den Mantel wieder über die Schultern, hüllte sich in dessen Falten und verschwand unter den Trümmern.

Benedetto, welcher Zeuge dieses ganzen Auftrittes gewesen war, trat ebenfalls aus seinem Versteck hervor und folgte schleichend Vampa, indem er murmelte:

»Ei, ich mache schnelle Fortschritte in meinen archäologischen Studien. Ich erkenne zum Beispiel, daß das Kolosseum ein zuverlässiger Ort für verliebte Abenteuer ist, so zuverlässig, daß die dabei beteiligten Personen nicht einmal nötig haben, ihn im voraus zu bezeichnen. Ich werde mir diese Entdeckung aufschreiben, und sie soll den Gegenstand eines besonderen Kapitels bilden, das den Titel führen wird: » Römische Sitten: Besonderer Charakter des Kolosseums!« –

»Liebe Freundin; – meine Luise,« sagte Eugenie, indem sie den Arm ihrer Freundin schüttelte.

»Ach, der Schreck hat mich erstarrt!« flüsterte diese nach einigen Augenblicken.

»Ich gebe Dir die Versicherung, daß Du das Opfer eines wahrhaft panischen Schreckens gewesen bist.«

»Und der Mann?« fragte Luise, indem sie an allen Gliedern zitterte.

»Welcher?« entgegnete Eugenie. – »Du siehst ja wohl – es ist hier kein Mann; es ist hier nichts als die Nacht, die Dunkelheit und das Schweigen. – Laß uns gehen!«

Die beiden Freundinnen schritten der Treppe zu, auf deren Gipfel der treue Cicerone saß, der sich erhob, um sie mit einem anmutigen Lächeln zu begrüßen, welches ihm aus der Hand Eugenies den doppelten Preis gewann, der für seine Erklärung des Denkmals des Flavius Vespasian bedungen war.

Benedetto beeilte seine Schritte und hatte sehr bald Luigi Vampa eingeholt.

»Ich verzweifelte schon, Euch zu begegnen,« sagte Benedetto mit dem erzwungenen Tone des Verdrusses. »Ich glaubte, Ihr hättet Euch zu irgend einem verliebten Rendezvous begeben, Maestro.«

»Entschuldigen Sie mich,« flüsterte Vampa, »ich irrte zwischen den Ruinen umher und wir haben uns wahrscheinlich gekreuzt, das ist alles.«

»Mir schien indes, als hättet Ihr nicht große Eile, das Zusammentreffen zu bewirken.«

»Ganz im Gegenteil; ich wartete mit der lebhaftesten Teilnahme darauf, denn ich glaube, Sie sind damit einverstanden, mir alle notwendigen Mitteilungen zu machen –«

»Nun, es ist gut; ich will sie Euch geben. Ich empfing aus Euren Händen achttausend Piaster, um damit die Gunst des Schelmes, des Baron Danglars, zu erkaufen. Der Mann nahm das Geld, wird Euch in seinem Hause empfangen und Euch mit aller möglichen Rücksicht behandeln, indem Ihr Euren wahren Namen verbergt. Demzufolge könnt Ihr Euch Eurem ehemaligen Gaste in den Katakomben zeigen; seine Tochter Eugenie wird ihm morgen einen Besuch machen.«

Der Bandit bebte vor Entzücken, als er diese letzten Worte hörte.

Benedetto fuhr fort: »Also sind wir einverstanden. Ihr vollzieht die Entführung Eugenies und richtet die Forderung für ihre Freilassung nach dem Vermögen ein, welches wir ihr zuschreiben, Signor Vampa.«

»Gut!« sagte der Bandit nach kurzem Besinnen, währenddessen sich Benedetto nicht eine seiner Bewegungen entgehen ließ; »sehr gut! Ich werde nach dem Hause des Barons gehen. Indes ist es unerläßlich, einige Befehle an Peppino gelangen zu lassen, und das kann nur durch eine vertraute Person geschehen.«

»Ihr habt sehr recht.«

»Wollen Sie den Auftrag übernehmen?«

»Weshalb nicht? Wo treffe ich Peppino?«

»In den Katakomben des heiligen Sebastian,« erwiderte der Bandit. »Ich darf schon kein Geheimnis mehr vor Ihnen haben. So erfahren Sie denn, daß Sie, wenn Sie der Via Appia folgen, zu Ihrer Linken an die tiefe Höhlung vor dem Zirkus des Caracalla kommen. Dort werden Sie einen gewundenen Fußpfad bemerken, der in den Felsen gehauen ist. In gleicher Höhe mit dem Fußpfade liegt rechts der geheimnisvolle Eingang zu den Katakomben.«

»Ich werde dort vielleicht eine Schildwache finden, die mir den Weg versperrt.«

»Sie sagen das Erkennungswort und gehen ungehindert weiter.«

»Wie heißt dieses Wort?«

» Al su commodo!« entgegnete Vampa.

»Und die Instruktionen für Peppino?«

»Hier sind sie.«

Vampa übergab mit diesen Worten Benedetto ein versiegeltes Papier.

»Rechnet auf meinen Eifer.«

Benedetto entfernte sich schnell aus dem Kolosseum, während Vampa ihm mit finsteren Blicken folgte und vor sich hinmurmelte: »Geh nur! Du wirst nicht zurückkehren! Mein Geheimnis bleibt mit Dir begraben!«

 

*

II. Die Komödie.

Der Leser wird sich leicht denken, daß Benedetto sich nicht nach den Katakomben des heiligen Sebastian begab, wie Luigi Vampa es ihm empfohlen hatte. Vampa, dieser berüchtigte Bandit, der seit vielen Jahren die Umgegend Roms verheerte, Vampa, der berüchtigte Bandit, welcher geheimnisvoll durch die Zivilbehörden selbst beschützt wurde, dieser Mensch von einem ebenso umfassenden wie verderblichen Verstande, glaubte blindlings, daß seine Pläne auf eine solche Art entworfen wären, um ungestraft seine Begierden befriedigen zu können, während Benedetto von der Hand der Banditen an dem Eingange der Katakomben fallen würde, sobald das falsche Erkennungswort, das er ihm gegeben, über seine Lippen kam.

Vampa war buchstäblich einer Hallucination durch das Fieber unterworfen, welches ihn beherrschte; sein Blut, zu einer übermäßigen Temperatur gesteigert, erdrückte seinen Verstand; sein flammendes, irres Auge sah schon nicht mehr durch die Menschen und durchdrang alles mit jenem höheren Scharfsinn, der ihn früher charakterisiert hatte. Dieses Delirium des Banditen glich dem verhängnisvollen Wahnsinn, der dem Tode voran zu gehen pflegt, der dann allmählich verschwindet und den Menschen in einer schmerzlosen Betäubung zurückläßt, die ohne Leiden, ohne Besinnung ist und während welcher die ewige Trennung der Seele von dem Körper stattfindet!

Benedetto dagegen war frei von jedem Gefühl, das ihn verblendete, entwarf mit vollkommener Kaltblütigkeit seine Pläne, berechnete mit großem Verstande, bis zu welchem Punkte er gehen konnte, ohne sich der Gefahr auszusetzen, aus der Charybdis in die Scylla zu fallen, das heißt, in die Hände Vampas zu geraten oder sich in den Augen der Justiz eine Blöße zu geben.

Vor einer dieser Gefahren bewahrte ihn der Umstand, daß Vampa darauf rechnete, seine Genossen würden ihn in dem Augenblicke ermorden, wo er an dem Eingange der Katakomben erschien, und deshalb nicht mehr an Benedetto dachte, und dieser, der schon früher den Intendanten der Polizei besucht hatte, dürfte daher von dieser Seite nichts mehr fürchten.

Vampa verließ also das Kolosseum ungefähr eine halbe Stunde nach den beiden Sängerinnen, hüllte sich dicht in seinen Mantel und begab sich nach dem Hotel von London oder der Weltkugel – denn so wurde das Hotel wechselweise genannt – auf der Via del Corso.

Er suchte Maestro Pastrini auf, der ihn geheimnisvoll in seinem kleinen Kabinett empfing.

»Ah, Signor Luigi!« rief er: »es ist lange her, seitdem ich das Vergnügen und die Ehre hatte, Sie bei mir zu sehen! Che cosa!«

»Einen Wagen mit allem Nötigen versehen, um mich gut zu bedienen,« erwiderte Vampa.

»O, ich glaube, daß der letzte, dessen Sie sich bedienten, alle Ihre Anforderungen erfüllen wird!«

Vampa gab ein Zeichen der Zustimmung. Maestro Pastrini fuhr fort: »Es ist seitdem schon lange her, Signor Luigi, und gleichwohl habe ich noch nichts vergessen. Der Wagen fuhr von hier mit einem Franzosen fort, der in seiner Brieftasche eine ungeheure Summe bei sich trug, die er von dem Hause Thomson und French eine halbe Stunde zuvor empfangen hatte; der Wagen fuhr in gestrecktem Trabe bis nach Aquapendente, wo die Pferde gefüttert wurden; er kehrte dann in einer anderen Richtung nach Rom zurück und machte Halt auf der Straße von –«

»Auf der Straße von –?« unterbrach ihn barsch Vampa, der dieser Erzählung mit sichtlicher Unruhe zugehört hatte.

»Ja, das ist Ihr Geheimnis, und der Kutscher erklärte, daß er es mir, bei der Gefahr, sein Leben zu verlieren, nicht enthüllen könnte,« erwiderte Maestro Pastrini.

»Ganz gut, Maestro Pastrini; und Sie werden sich wohl nicht einfallen lassen, die Neugier so weit zu treiben, daß Sie sich um Dinge bekümmern, die Sie nichts angehen?«

» Sangue di Christo!« rief Pastrini; »glauben Sie so etwas nicht von mir, Signor Luigi. Ich suche gar nichts zu erkunden, das schwöre ich Ihnen: das ist die reine Wahrheit.«

»Nun, ich glaube Ihnen. Halten Sie mir also einen Wagen bereit, wie der, von dem Sie sprachen, mit einem ebenso verständigen Kutscher, wie der, welcher den Franzosen nach seinem Palaste fuhr.«

»Können Wagen und Kutscher dieselben sein?«

»Es wäre das um so besser.«

»Wann bedürfen Sie derselben?«

»Augenblicklich.«

»Der Teufel, Sie haben es ja sehr eilig, Signor Luigi.«

»Schnell, schnell!« wiederholte Vampa mit gebieterischem Tone.

»Indessen werden Sie mir doch wohl zwei bis drei Minuten gewähren, um Ihnen einige Worte über eine gewisse Angelegenheit zu sagen, denn ich glaube, daß sie von der dringendsten Wichtigkeit ist.«

»Sprechen Sie!«

»Zuerst,« sagte Pastrini, »müssen Sie wissen, daß Ihr Leutnant sich nicht bei mir gezeigt hat.«

»Hätte er nur einen einzigen Augenblick unser Hauptquartier verlassen, so würde er gegen meine Befehle und seine Pflichten gefehlt haben,« erwiderte Vampa mit dem Tone übler Laune.

»Da nun aber Peppino nicht erschienen ist, habe ich von dem Agenten des Hauses Thomson und French, das, wie Sie wissen, sich sehr für Sie interessiert, eine wichtige, vertrauliche Mitteilung erhalten.«

»Darin liegt nichts Unmögliches,« rief Vampa. »Oft genug habe ich in die Kasse dieses Hauses gegen einen geringen Gewinn Kapitale zurückfließen lassen, welche seine Gläubiger ihr entzogen hatten! Das Haus Thomson und French verliert bei der Verbindung mit mir nichts.«

»Das ist richtig,« erwiderte Pastrini. »Es ist daher auch stets in alledem besorgt, was Sie betrifft. Der erwähnte Agent kam gestern zu mir, um Peppino aufzusuchen und denselben zu benachrichtigen, daß ein Unbekannter, ein Franzose, bei dem Intendanten der Polizei war, um die ungeheure Prämie zu beanspruchen, die auf Ihren Kopf gesetzt ist.«

»Ah! Also ist dieser Mensch schon Besitzer meines Kopfes?« fragte Vampa, ohne die geringste Unruhe zu verraten.

»Vielleicht hofft er sich zum Herrn desselben zu machen, denn er forderte den Beistand der bewaffneten Macht, indem er versprochen hat, Sie in deren Hände zu liefern.«

»Wo das?« fragte Vampa.

»Das ist das Geheimnis des Verräters.«

»Sein Name?«

»Das ist auch ein Geheimnis zwischen ihm und der Polizei.«

»Und wann soll dieser Überfall stattfinden?«

»In der kürzesten Frist, Signor Luigi; Sie müssen daher auch auf Ihrer Hut sein. Bedenken Sie, daß der Kopf nicht ein Ding ist, welches sich so leicht entbehren läßt wie eine Handvoll Taler!«

Vampa stieß ein schneidendes Gelächter aus, dessen Sinn Maestro Pastrini nicht recht begriff.

»So!« rief Vampa, »der Verräter hat also die Prämie jetzt schon erhalten? Nun, Maestro Pastrini, ich habe Ihnen gesagt, daß ich einen guten Wagen und einen verständigen Kutscher verlange.«

»Aber was ich Ihnen soeben sagte?« fragte Pastrini ganz verwundert.

»Ist keinen Deut wert.«

»Wie so das?«

»Pastrini! Pastrini!« rief Vampa, »Sie sind neugierig; das ist sehr schlimm, denn es mißfällt mir.«

Pastrini murmelte eine Entschuldigung, drehte sich auf dem Absatz herum und verließ augenblicklich sein Kabinett, in welchem der Bandit die Bereitschaft des Wagens erwartete.

Eine halbe Stunde darauf verließ Vampa das Hotel zur Weltkugel, sprang in einen Wagen, der mit guten Pferden bespannt war, und Pastrini näherte sich dem Kutscher und sagte ihm mit leiser Stimme: »Zum Tor hinaus; nicht langsam; Seine Exzellenz wird Dir das übrige sagen.«

Er entfernte sich.

Der Kutscher peitschte auf die Pferde und der Wagen fuhr im raschen Trabe über den Korso.

Es war ungefähr halb zehn Uhr abends.

Um zehn Uhr war der Wagen außerhalb der Mauern Roms, die er sogar schon weit hinter sich gelassen hatte; der Kutscher befand sich an einem Punkte, wo sich drei Wege kreuzten, die nach verschiedenen Richtungen führten. Er hielt die Pferde an und wartete auf die Befehle des Reisenden.

Vampa steckte den Kopf zum Wagenfenster hinaus und sagte: »Die Straße nach Aquapendente!«

Nach diesen Worten setzte der Wagen sich wieder in Bewegung, aber mit der doppelten Schnelligkeit wie bisher.

Und jetzt wollen wir uns anderwärts hinbegeben.

Während Luigi Vampa der kleinen Festung zufuhr, folgte der Baron Danglars einem Bedienten, der einen Leuchter mit brennender Kerze trug, und besichtigte so seine neue Besitzung vom Erdgeschoß bis zum Boden. Er hatte das ganze Gebäude vollständig säubern lassen, um mit allem Anstand am nächsten Tage Fräulein Eugenie und ihre Freundin d'Armilly zu empfangen. Er kontrollierte daher sorgfältig die Arbeit seiner beiden Diener, indem er von Zeit zu Zeit seine geringe Zufriedenheit aussprach.

Endlich sagte er, indem er in den Saal mit den Tapisserien trat und sich mit vornehmer Nachlässigkeit in einen gewaltigen Armsessel von geschnitzter Vergoldung und mit einem violetten Samtüberzug warf, ein Stück, welches durch seinen Geschmack und seinen Zustand verriet, daß es einer weit zurückliegenden Zeit angehörte. »Ich muß Euch sagen, daß meine Befehle zwar vollzogen worden sind, aber auf eine sehr ungenügende Weise.«

»Wir haben getan, was wir vermochten, Exzellenz,« erwiderte der Bediente. »Aber so geräumig diese Säle auch sein mögen, müssen sie doch beständig staubig erscheinen, weil diese Möbel ziemlich verfallen aussehen und die Mauern mit Albernheiten behangen sind. Wäre das alles ebenso verändert worden wie die Vorhänge der Fenster, so sollten Sie sehen, wie diese Zimmer funkelten.«

»Sie sind ein Unwissender, ein Dummkopf, ohne alle Kenntnis!« rief der Baron, »sonst würden Sie mehr Gewicht auf diese altertümlichen Möbel legen, welche die einzigen Überbleibsel von dem Glanze irgend einer berühmten Familie Roms sind. Was die Mauern betrifft, Dummkopf, so müssen Sie wissen, daß sie ein herrliches Bild der ganzen Mythologie bieten. Wissen Sie, was Mythologie ist? Nein! Nun so erfahren Sie denn, daß die Mythologie eine große Sache ist!«

»O, ohne Zweifel besitzen Eure Exzellenz tiefe Kenntnisse,« erwiderte der Diener. »Ich wundere mich deshalb auch nicht, daß Sie diesen Überbleibseln des Altertums so hohen Wert beilegen.«

»Man würde sich gewiß nicht große Mühe zu geben brauchen, um zu beweisen, daß sie vielleicht bis zu der Zeit Alexanders VI. zurückgehen. Daraus können Sie aber sehen, daß diese Möbel, diese Stühle, auf denen vielleicht ehedem ein – Spada z. B. – saß, ein Abkömmling jener fürstlichen Familie, deren Reichtum lange Zeit in Rom sprichwörtlich war – daß diese Stühle, sage ich, nicht zu verachten sind. – Ihre Vergoldungen sind geschwärzt? – Der Samt ist verblichen? – Das alles vermehrt ihren Wert. Nun gut also; ich habe Sie nur noch zu fragen, ob Sie das befolgt haben, was ich Ihnen in Beziehung auf eine alte Frau sagte, die imstande ist, meiner Tochter während einiger Tage, die sie hier zubringen wird, als Kammerfrau zu dienen?«

»Sie ist bereits eingetroffen, Exzellenz. Es ist eine redliche Frau aus der benachbarten Stadt, und ich stehe für sie, wie für mich selbst.«

»Gut; wenigstens haben Sie nicht den Fehler, vergeßlich zu sein.«

»Ich tue alles, was ich vermag, um Ihre Zufriedenheit zu erlangen.«

»Leuchten Sie mir: das Essen muß auf dem Tisch stehen.«

»Ich wollte Sie eben davon benachrichtigen.«

»Gehen Sie voraus!«

Der Baron, dem der Bediente vorleuchtete, verließ das Gemach, ging über einen kleinen Gang und trat in das Speisezimmer, wo ein anderer Diener seiner am Buffet wartete.

Das Abendessen stand auf dem Tische.

Der Baron nahm dem einzigen Kuvert gegenüber Platz und ließ einen Blick der Befriedigung, begleitet von einem Seufzer, umherschweifen.

»Nun, Danglars!« sagte er zu sich selbst, »Du bist allein; aber Du befindest Dich wohl, und binnen hier und kurzer Zeit wirst Du Deine Lage noch verbessern können! Ganz gewiß gibt es in dieser Welt ein unbestimmtes Etwas, dessen Einfluß mich beschützt und das mir große Dienste geleistet hat. Ich glaubte einen Augenblick, dieses gewisse Etwas sei meine Frau, welche mich für die bösen Augenblicke, die sie mir bereitet hat, entschädigen wollte; jetzt ist aber dieser Glaube verschwunden – und ich fange an, zu vermuten, daß –«

Der gellende Schall der Glocke am Eingangstore des Gartens unterbrach plötzlich das Selbstgespräch des Barons Danglars. Die Bedienten machten eine Bewegung, aber sie blieben stehen, indem sie unentschlossen auf den berühmten, sich von den Geschäften zurückgezogen habenden Bankier blickten.

Ehe er die Zeit gehabt hatte, den Mund zu öffnen, wurde das Signal mit einer solchen Heftigkeit wiederholt, daß alle drei glaubten, die Glocke müßte an den Eisenstäben des Gitters zerschellt sein.

»Was ist das?« rief der Baron, indem er aufstand und sich dann mit einer heftigen Bewegung wieder niedersetzte.

»Man klingelt –«

»Man klingelt,« wiederholte der Baron, »aber man klingelt auf eine solche Weise, daß man die Schatten des Lethe in die Flucht jagen könnte. Nun, die Klingel ist nicht zerbrochen, denn da ertönt sie zum dritten Male mit ebenso wenig Umständen. Lauft doch schnell, Ihr Dummköpfe!« fuhr der Baron fort, als wäre er von einem plötzlichen Gedanken ergriffen. »Ich sehe wohl ein, daß ich Euch morgen werde fortjagen müssen, um das Haus rein zu bekommen. Man klingelt und da steht Ihr ganz verdutzt und regungslos, wie Termen! Es ist ohne Zweifel Fräulein Danglars, meine Tochter, welche die schöne Nacht benutzte, um morgen schon in meinem Hause zu erwachen. Ja, sie wird es sein. Nun, das ist wahrlich eine angenehme Überraschung. Rasch! Zwei Kuverts mehr auf den Tisch; zündet alle Kerzen auf diesen Leuchtern an; setzt Armsessel heran; oh, ich werde ihr zeigen, daß das Herz eines Vaters stets zu Gunsten einer einzigen Tochter eingenommen ist!«

Der Baron ging mit großen Schritten und in einer heftigen Aufregung im Zimmer auf und ab und wachte über die Befolgung seiner Befehle durch den Diener.

Inzwischen hörte er das Gartentor kreischen und den Wagen hereinfahren, der an der Treppe halten blieb, welche zu dem Saale mit den Tapisserien führte. Danglars tat einige Schritte nach jener Richtung, aber er begegnete dabei dem Diener, der zurückkehrte.

»Nun?« fragte er.

»Exzellenz,« erwiderte der Bediente, »es ist ein Kavalier, der mir die Versicherung gegeben hat, einer Ihrer vertrauten Freunde zu sein und der mir, sobald ich die Tür geöffnet hatte, befahl, den Wagen augenblicklich in den Garten hineinfahren zu lassen.«

»Ein Kavalier!« sagte der Baron. »Ich hoffe, er wird Ihnen wenigstens seinen Namen gesagt haben.«

»Nein, Exzellenz!«

»Elender! Sie werden doch stets nichts bleiben, als ein Bauerntölpel! – Das ist wirklich unverzeihlich! – Wie – ein Kavalier, der sich einer meiner vertrauten Freunde nennt – und kein Name! Schnell! Man bringe mir einen bessern Schlafrock als diesen – rasch! rasch! Man lasse ihn heraufkommen – man zünde die Kerzen an! Einfältige Tiere, Dummköpfe, ich werde Euch zeigen, was der Dienst ist!«

Indem Herr von Danglars sich so aussprach, hatte er schon einen Ärmel seines Schlafrockes ausgezogen und stand im Begriff, auch den andern auszuziehen, als der erwähnte Kavalier, der ihn zu besuchen kam, plötzlich in der Tür des Speisezimmers erschien, indem er mit sehr ironischem Tone sagte: »Sachte, sachte, Herr Baron: die Kutte macht nicht den Mönch.«

»Ha!« rief der Baron, indem er einen Schritt zurückwich und plötzlich die Farbe wechselte, den einen Arm bloß, den andern noch immer in dem Ärmel des Schlafrockes steckend, den er mit einem glänzenderen hatte vertauschen wollen.

Der Angekommene lächelte, trat mit festem Schritte näher und setzte sich vor einem der Kuverts an den Tisch. Der Baron konnte sich kaum auf den Füßen halten; seine Beine bebten und er wich zurück, um an der Mauer eine Stütze zu suchen.

»Herr von Danglars,« sagte der Kavalier, »fassen Sie doch einen Entschluß, das heißt, ziehen Sie doch den Schlafrock wieder an, den Sie vergessen zu haben scheinen. Sie haben gewiß Ihren Bedienten einige Befehle zu geben, und ich hoffe, Sie werden damit nicht zögern, denn sonst hätten wir die Unannehmlichkeit, ein ganz kaltes Abendessen verzehren zu müssen.«

»Es ist wahr – wir würden diese Unannehmlichkeit haben,« stotterte der Baron mit erstickter Stimme.

»Herr Baron, geben Sie also entsprechende Befehle. – Wahrlich, man sollte glauben, Sie wären von einer Verstandeslähmung betroffen worden.«

»Sie haben recht, mein Herr – Sie glauben also, daß ich einige Befehle zu geben habe? – Ich weiß nicht recht –«

»Nun gut, ich will mich erklären. Haben Sie die Güte, meinen Wagen unterbringen zu lassen; an den Garten stößt ein kleiner Stall – ich möchte nicht, daß sich meine Pferde erkälteten.«

»Also – Sie kennen – wie es scheint, ganz genau dieses Haus? Nicht wahr?« fragte der Baron, indem er das Auge weit aufgerissen auf das Gesicht seines Gastes richtete.

»Sie haben recht, Herr Baron; aber Sie verlieren ganz nutzlos eine kostbare Zeit. Das Abendessen wird kalt und wenn Sie keine Befehle erteilen wollen, so werde ich selbst gehen –«

»Man bringe den Wagen und die Pferde des –«

»So, endlich! – Aber das genügt nicht! Hören Sie,« fuhr der Kavalier fort, indem er sich an den Bedienten wendete, der eben hinausgehen wollte, »der Kutscher möge mit Ihnen zu Abend essen; dann geben Sie ihm eine Laterne, und einen Mantel, um sich damit zu bedecken, während er schläft. Gehen Sie!«

Darauf sich an den andern Bedienten wendend, sagte er:

»Sie können sich entfernen; der Herr Baron erlaubt es Ihnen.«

Der Bediente, welcher sah, daß der Baron diesem Befehle nicht widersprach, verbeugte sich und ging.

Die beiden Männer blieben allein.

»Ich bin überzeugt, mein Herr,« sagte Danglars mit einer gewaltigen Anstrengung, »daß wir uns einander nicht verstehen; Sie schweben ohne Zweifel im Irrtum?«

»Vielleicht! Aber worin?«

»In allem, wie mir scheint.«

»Nun, dann bin ich es, der Sie nicht versteht, mein Lieber. Indes lassen Sie uns essen, denn ich habe dieses unerläßliche Geschäft heute noch nicht vollbracht.«

Der Baron hätte sich sehr gern davon freigemacht, zu Abend zu essen, ohne darüber das geringste Bedauern zu empfinden. Er mußte indes zum bösen Spiele gute Miene machen, näherte sich daher, indem er sich an der Wand forttastete und setzte sich an den Tisch, zwischen sich und seinem improvisierten Gaste ein Kuvert und einen Platz freilassend.

»Wie ich sehe, rechneten Sie nicht bloß auf mich? Haben Sie zufällig etwa geglaubt, ich käme in Gesellschaft?«

»Die Wahrheit zu sagen, erwartete ich weder die eine noch die andere dieser beiden Hypothesen, was so viel sagen will, daß ich daran dachte, diesen Abend ohne Gesellschaft zu speisen.«

»Nun sehen Sie einmal an! Ich habe das Gegenteil beschlossen. Ich liebe es sehr, während der Nacht zu reisen.«