Die Totenhand. Band 3 - Dumas - Le Prince - E-Book

Die Totenhand. Band 3 E-Book

Dumas - Le Prince

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Beschreibung

Die Geschichte um den jungen Edmond Dantès, der durch ein Komplott von missgünstigen Neidern aus dem höchsten Glück in den tiefsten Abrgund geschleudert wird und schließlich, nach vierzehn Jahren unverschuldeter Kerkerhaft zurückkehrt, um als mysteriöser Graf von Monte Christo Rache zu üben an seinen Peinigern, ist den meisten bekannt. Doch kaum jemand weiß, dass es eine Fortsetzung dieser Geschichte mit gleichsam umgekehrten Vorzeichen gibt. Hier nun wird der ehemalige Rächer zum Ziel der Vergeltung, denn seine erbarmungslosen Handlungen haben ihrerseits die Schicksale Unschuldiger beeinflusst. Und so setzt sich die Geschichte der Rache fort… Dieses ist der dritte von drei Bänden.

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Dumas-Le Prince

 

 

Die Totenhand

 

 

 

Roman

in drei Bänden

 

 

 

 

Neuausgabe

der ungekürzten Übertragung

aus dem Französischen

von K. Walther

 

 

 

Band 3

DIE TOTENHAND wurde zuerst veröffentlicht vom Globus Verlag, Berlin o. J.

 

 

Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von: apebook

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

1. Auflage 2023

 

V 1.1

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

Band 3 

ISBN 978-3-96130-577-3

Buchherstellung & Gestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

Alle Rechte vorbehalten.

© apebook 2023

 

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Dumas Le Prince

 

Die Totenhand

 

 

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Die fünf Bände der Reihe

Der Graf von Monte Christo

im Überblick

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Die Totenhand. Band 3

Impressum

Dritter Band.

I. Die Grotte Monte Christos.

II. Der Ball des Herrn von Gradenigo.

III. Der erste gegen den Koloß geführte Streich.

IV. Der Zigeuner.

V. Das Festmahl der Armen.

VI. Der Brief.

VII. Von Mantua nach Florenz.

VIII. Der Brand.

IX. Von Überraschung zu Überraschung.

X. Die Eitelkeit des Menschen.

XI. Gift.

XII. Das Landhaus der Familie Morrel.

XIII. Die rechte Hand des Herrn von Villefort.

XIV. Letzte Nacht auf der Insel Monte Christo.

XV. Die Rückkehr zu dem Grabe.

XVI. Die Geduld des Lammes Gottes sei mit Dir.

XVII. Nach der Hinrichtung.

XVIII. Der Büßer.

XIX. Die Schwester des heiligen Lazarus.

XX. Der 27. September.

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Zu guter Letzt

Dritter Band.

I. Die Grotte Monte Christos.

Während der Gondolier, den Kopf so niedergebeugt, daß man sein Gesicht nicht sehen konnte, sich, wie wir erwähnten, mit unverkennbarer Ungeschicklichkeit der Arbeit des Ruderns hingab, wendete sich Max gegen Valentine und deutete mit der Hand auf das kleine Handelsfahrzeug.

»Was ist das für ein Schiff, das dort in geringer Entfernung von uns liegt und dem unsere Gondel zuzusteuern scheint?« fragte er sie.

»Ei, ei,« sagte Valentine lachend, »es scheint, als besäße ich mehr Kenntnisse vom Seewesen als Du! – Das ist die Yacht, die Bonace.«

»Es scheint aber, als führe die Gondel gerade darauf zu! – Schon ist das Land weit zurück.«

»Oh, wenn der Gondolier fortfährt, sich die Stirn so zu trocknen wie eben jetzt, so haben wir alle Ursache, zu glauben, daß wir heute abend nicht zu der kleinen Yacht gelangen,« sagte Valentine.

»Solltest Du vielleicht den Gedanken verwirklichen wollen, zu dessen Anerkennung Du mich bestimmt hast?«

»Nun, laß hören! – Was würdest Du sagen, Max, wenn die Nacht uns aus dem Adriatischen Meere hinausbrächte?«

»Ei, ich begreife sehr gut! – Ich sehe, daß ich Dein Gefangener bin,« murmelte Max, indem er ihre Hand ergriff und aufstand, denn schon erreichte der Kiel der Gondel die kleine Yacht.

Der Gondolier schien in diesem Augenblicks sehr in Verlegenheit darüber zu sein, was er zu tun hätte, um auf schickliche Weise anzulegen; aber seine Verwirrung steigerte sich noch, als Max ihm auf die Schulter klopfte, und nachdem Valentine bereits zu der Yacht hinaufgestiegen war, ihn anreden zu wollen schien.

Der Mond, der bisher durch einige Wolken verdunkelt gewesen war, funkelte plötzlich an einem durchsichtigen blauen Himmel und beleuchtete mit seinem melancholischen Lichte alle Gegenstände der Schöpfung.

Max brach in ein lautes Gelächter aus, als er das Gesicht des Gondoliers erkannte.

»Signor Giovanni Gradenigo!« rief er halblaut. »Was soll das heißen, mein Herr? Sie scheinen sehr sonderbare Launen zu haben. Welchem Umstande verdanke ich die unerhörte Ehre, so durch Sie bis hierher gefahren worden zu sein? – Oh, ich will nicht, daß eine solche Gefälligkeit in den Schatten der Nacht begraben bleibe; – ich werde meine Frau bitten, Ihnen ihre Danksagungen darzubringen.«

Bei diesen Worten wollte er Valentine rufen, aber er ließ sich durch die bittenden Bewegungen Giovanni Gradenigos zurückhalten.

»Herr Morrel,« sagte Giovanni ebenfalls mit leiser Stimme, »ich finde mein Vergnügen an allen überspannten Dingen, und wenn ich Sie bis hierher ruderte, so geschah das ganz einfach, um mich in dem Geschäfte des Gondoliers zu üben.«

»Des Gondoliers! – Sie sind also zu Grunde gerichtet, da Sie ein solches Geschäft übernehmen wollen?« sagte Max mit dem Tone des beißendsten Spottes. »Sie tun sehr wohl, mein Lieber, in diesem Falle Ihrem aristokratischen far niente Lebewohl zu sagen. – Ich hatte schon einmal die Ehre, Ihnen zu erklären, wie ein Franzose jeden zu züchtigen wissen würde, der ihn beleidigt; jetzt muß ich Ihnen auch noch zeigen, wie großmütig das Herz eines Franzosen dem fremden Unglück gegenüber ist. – Hier haben Sie meine Börse!«

Damit warf er zu den Füßen Giovannis eine goldgefüllte Börse nieder. Der stolze junge Mensch erbebte vor Unwillen und weinte vor Wut, als hätte er eine Maulschelle bekommen.

Max sagte hierauf mit lauter Stimme:

»Gute Nacht, Signor Gradenigo! St. Antonius möge Sie beschützen!«

*

Nach Verlauf von zwei Tagen der Fahrt hatte die Yacht Bonace die Insel Elba umsegelt und befand sich einigen steilen Felsen gegenüber, deren ausgezackte Gipfel gegen den Himmel, welchen die ersten Strahlen der Sonne röteten, auf eine ziemlich phantastische Weise abstachen.

Es war die Insel Monte Christo.

Valentine stützte sich auf den Arm ihres Max und betrachtete voll Ruhe diese einsamen Felsen, welche allmählich, indem die Nacht ihnen näher kam, riesige Verhältnisse annahmen.

Was jetzt in dem Herzen Valentines vorging, war sicher sehr verschieden von dem, was Max empfand, Ihre Gefühle hatten nichts gemein miteinander.

Max war aufgeregt im Angesicht dieser Felsen, der stummen und regungslosen Hüter eines ungeheuren Schatzes!

Valentine schien sich in dem Gedanken zu gefallen, daß diese Felsen unter ihrer riesigen Leiche schon nichts mehr verbargen als einen Aschenhaufen!«

Als die Yacht den Anker in der kleinen Bucht auswarf, welche eine sichere Zufluchtsstätte für jedes Fahrzeug bot, das die öde Insel besuchte, sprach Max den Wunsch aus, sogleich zu landen. Valentine machte ihn darauf aufmerksam, daß die Dunkelheit bald anbrechen würde, daß der Weg, der zu dem unterirdischen Palast führt, sehr schlecht sei, und daß es deshalb besser wäre, erst am nächsten Morgen an das Land zu gehen.

Max willigte ein, und man brachte die Nacht an Bord zu.

Werfen wir inzwischen einen Blick auf das, was im Innern der Insel vorging.

Am Fuße eines der Felsen im Mittelpunkte des Eilandes war ein Portal angebracht, welches durch zwei prachtvolle Marmorsäulen von jonischer Ordnung getragen wurde. Zu beiden Seiten bildeten die ungeheuren Granitmassen, an die noch kein Meißel gelegt worden war, einen sonderbaren Kontrast zu dem Reichtum und der Eleganz dieses Portales.

Dann folgte eine Treppe, ebenfalls von Marmor, die zu einem unterirdischen Saale führte, in welchem mehrere Verbindungstüren sich zeigten.

Dieser Saal empfing sein Licht durch vier in den Felsen gebrochene Öffnungen, die zugleich auch der freien Luft den Zutritt gewährten. Betrachtete man mit einiger Aufmerksamkeit diesen Raum, so konnte man leicht erkennen, daß ganz kürzlich eine zerstörende Hand hier alles vernichtet hatte, was die Kunst, unterstützt durch den Geschmack und den Reichtum, Schönes und Wunderbares hervorzubringen vermag. Noch standen auf ihren prachtvollen Sockeln die herrlichen Bildsäulen, die wir kennen, rings an den Wänden umher, an denen sich die Überreste einer reichen Tapete von Damast und Brokat zeigten.

Ein schöner persischer Teppich lag zusammengerollt in einer Ecke; weiche Kissen, prachtvolle Ottomanen waren hier und dort umhergeworfen und vollendeten das eigentümliche Bild der Unordnung und des Reichtums, welches das Innere der Grotte Monte Christos zeigte.

Benedetto war der einzige Bewohner dieses Ortes.

Er ging von einem Ende des Saales zum andern auf und nieder, als ein Mensch, der rasch die Treppe herabkam, ihn in seinen Betrachtungen störte.

»Meister,« sagte der Ankommende, »man hat soeben eine kleine Yacht in der Bucht gegen Morgen vor Anker erblickt.«

»Ist das alles, Peppino?« fragte Benedetto.

»Der Name des Fahrzeugs ist bekannt,« entgegnete Peppino. »Pietro, den wir von dem Lido mitbrachten, gab mir die Versicherung, er erkenne in der Yacht Bonace.«

»Und ich kann Dir die Versicherung geben, daß es nicht die Yacht Sindbads, des Seemanns, ist. Also geht alles gut, sind die sämtlichen Ballen eingeschifft?«

»Alle! Unser Fahrzeug liegt, wie Sie wissen, in der Bucht gegen Abend vor Anker; die neuen Ankömmlinge haben daher unser Gehen und Kommen nicht bemerken können, indes wäre es doch wohl klug, wenn Sie sich einschifften, vorausgesetzt, daß Sie hier durch nichts mehr zurückgehalten werden. Die Grotte ist ausgeräumt; was sie Wertvolles enthielt, ist in unseren Händen; was haben wir also noch weiter hier zu tun?«

»Rocca Priori,« sagte Benedetto, nachdem er einige Augenblicke überlegt hatte, »sagtest Du mir nicht, daß der Weg, welcher von hier zu der Bucht gegen Abend führt, viel kürzer ist als der nach der Bucht gegen Morgen?«

»Ohne Zweifel!«

»Nun gut, so bilde aus dem, was hier noch übrig bleibt, in dem anstoßenden Saale einen Scheiterhaufen.«

Peppino, der daran gewöhnt war, zu gehorchen, erfüllte den Befehl Benedettos, während dieser mit eigener Hand zu dem Scheiterhaufen die Bildsäulen trug, welche die Mauern verzierten. Nach wenigen Minuten war das Geschäft beendigt.

»Jetzt,« sagte Benedetto, »tue dieses Pulver hinzu und hilf mir, davon eine Linie zu ziehen.«

Diese Arbeit wurde ebenso schnell verrichtet wie die erste.

»Das Fest ist bereitet, um den Eigentümer dieses wunderbaren Palastes zu empfangen,« rief Benedetto feierlich. »Er komme, wann er will – um bei dem Schein der Flammen die Worte zu lesen, die ich hier in die Mauer schreibe.«

Indem er so sprach, ergriff er ein Stück Holzkohle und schrieb mit großen Buchstaben an die Hauptmauer einige Worte, welche Peppino wegen der Dunkelheit, die schon in dem Innern der Grotte sich verbreitete, nicht zu lesen vermochte.

Am nächsten Morgen gingen Valentine und Max von der kleinen Yacht an das Land und dem Eingang der Grotte zu.

Während sie Arm in Arm vorwärts schritten, schien ein Mann sie zu beobachten, der mit großer Leichtigkeit von Fels zu Fels sprang und sich hinter dem Gesträuch verbarg, während er der Richtung des Weges folgte, den sie einschlugen.

Dieser Mann, dessen Augen funkelten wie die des Tigers, wenn er die Bewegungen seiner Beute belauert, ließ sie, ohne ihnen weiter zu folgen, gehen, sobald er die Überzeugung gewonnen hatte, daß sie der Grotte zuschritten; und als er sie in einer gewissen Entfernung von sich erblickte, machte er einen Bogen, ließ sich an dem Felsen hinabgleiten und eilte auf einem Wege vorwärts, der an einem der fürchterlichsten Abgründe der Insel hinführte.

Hier senkte er seinen glühenden Blick in die Tiefen des Abgrunds und erblickte ein Schiff, das in der Bucht gegen Abend vor Anker lag.

Es war die Yacht: der Sturm.

Ein Boot, mit zwei Matrosen bemannt, lag an dem Ufer, als ob an diesem Punkte jemand erwartet würde.

Benedetto atmete jetzt hoch auf. Sich rechts wendend, schritt er dem Eingange der Grotte zu, der in geringer Entfernung von ihm lag.

Ein frischer Windhauch bewegte die wilde Vegetation der Insel und pfiff durch die Spalten und Risse der Felsen.

Dichte Wolken zogen finster und trübe von Westen gegen Osten und verdunkelten von Zeit zu Zeit die glänzenden Strahlen der Sonne. Dann schien die Insel mit einem dichten geheimnisvollen Schleier bedeckt zu werden, welcher noch den eigentümlichen Zauber dieses Schauspiels wilder Größe steigerte.

Dort unten am Fuße der Felsen hörte man das Meer sich brechen, das melancholische Gemurmel der Wogen wiederholte das Echo der Felsen und stieg in die Lüfte empor, wie ein eigentümlicher Chor menschlicher Stimmen.

Valentine zitterte unwillkürlich immer heftiger, je näher sie der Grotte kam, aber sie strengte sich an, um Max zu verhehlen, was sie beschäftigte und ihren Geist mit Unruhe erfüllte.

Endlich erschien ihnen das schöne Portal der Grotte, als sie um die Ecke eines Felsens bogen.

Valentine blieb stehen.

»Fühlst Du Dich ermüdet, meine teure Freundin?« fragte Max. »Wir brauchen nicht mehr weit zu gehen, um zu dem unterirdischen Palaste zu gelangen. Da ist schon der Eingang.«

»Ja, da ist er! Das ist das Portal! – Weiterhin liegt das Heiligtum unseres ersten Glückes, Max, dort, wo Du das gebrechliche Gebäude des Glückes aufgeführt, dessen wir bis zu dieser Stunde genossen haben! – Laß mich aufatmen – laß mich an den Tag denken, der sich für uns so süß und so heiter erhob nach einer langen Reihenfolge von Qualen! – Ach, wie glücklich fühlte ich mich an jenem Tage! – Wie großartig und schön erschien mir alles, was uns hier umgibt. Mein Geist bekleidete mit Blumen diese Granitmassen – und in jeder dieser Blumen erblickte ich Dein Bild! Aber jetzt sind alle diese Blumen, die lieblichen Schöpfungen meiner Phantasie verschwunden; es scheint mir, als hätte ein eingebildeter Sturm sie für immer hier entwurzelt. Diese nackten Felsen, diese Einsamkeit, dieses Schweigen, kaum unterbrochen von dem Rauschen der Wogen – das alles flößt mir Furcht ein. Max, das Portal der Grotte Monte Christos erscheint mir in diesem Augenblick als der geheimnisvolle Eingang zu einem Grabe!«

»Valentine,« rief Max, »was sollen diese Worte? – Wozu diese Tränen? – Welches Verbrechen haben wir begangen, um das Unglück zu verdienen, das Du träumst?«

»Welches Verbrechen? – Keines!« entgegnete Valentine; »aber wenn der Mann, der uns unser Glück verlieh, nicht berechtigt gewesen wäre, uns das abzutreten, was er uns schenkte? – Glaubst Du, mein Freund, daß wir dann dessen noch lange genießen dürfen?«

»Valentine, Deine Worte, welche ich in Venedig kalt anhörte, bringen in diesem Augenblicke eine eigentümliche Aufregung in mir hervor! – Wir stehen hier allein zwischen dem Meere und dem Himmel, zwischen dem Abgrund und Gott!«

»Leisten wir daher zu diesem Gotte ein Gelübde der Demut, indem wir für immer auf den barbarischen Luxus verzichten, den der Graf von Monte Christo uns mitteilen wollte! – Laß uns von unserer Arbeit leben, laß uns in der Mittelmäßigkeit glücklich sein und zu Gunsten der Armut und des Elends, welche uns in der Welt umgeben, über diese Schätze verfügen, welche der Graf uns übertrug, vielleicht ohne das Recht dazu zu haben.«

Indem Valentine diese Worte beendigte, war sie dem Eingang der Grotte nahe, in die sie unwillkürlich, geführt von Max, hinabstieg.

Sie gingen die Treppe hinunter, und in dem Augenblick, als sie in den Saal traten, entschlüpfte ein Schrei der Überraschung ihren Lippen.

Eine laute Explosion erfolgte in dem unterirdischen Gewölbe, und in dem Augenblick darauf zuckten Flammen rings umher.

»Valentine!« rief Max, und wollte mit ihr zurückweichen.

»Laß uns bleiben!« sagte sie, indem sie ihn mit ihren Armen umschloß. »Laß uns bleiben! Das Feuer brennt! Es verheert den Saal! – Hier war es, wo der Graf von Monte Christo uns diese Grotte mit all den Reichtümern, die sie enthielt, zum Geschenk machte!«

»O, laß uns fliehen, laß uns fliehen, Valentine!« rief Max aufs neue heftig erschüttert. »Siehst Du nicht dort – dort – den entsetzlichen Spruch?«

Er streckte den Arm aus und deutete auf die Hauptmauer, wo die Worte geschrieben standen:

»Den Armen, was den Armen gehört!Die Hand des Toten ist erhoben gegenEdmond Dantès!«

»Was ist denn das für ein entsetzliches Geheimnis?« fuhr er fort, indem er seine Kaltblütigkeit wiedergewann. »Was für eine sonderbare Hand hat diese tückischen Worte auf diese Wand geschrieben, die sie ohne Zweifel vorher gleich einem kecken Dieb bestohlen und verwüstet hat? – Valentine, erkennst Du denn nicht, daß das alles das Werk eines Menschen ist, der Deine Schwäche – die Schwäche eines Weibes, – mißbrauchen will? Er komme und erkläre, wenn er kann, dieses Rätsel! – Wer ist der Verstorbene, dessen Hand, wie er behauptet, gegen Edmond Dantès erhoben sein soll?«

»Ich will es Dir sagen, Max Morrel,« sagte eine Stimme, die aus dem Innern der Grotte ertönte. »Die Hand, welche sich ausgestreckt, um das Blut, die Ruhe und die Tränen des Edmond Dantès zu empfangen, ist die eines Mannes, welchem Edmond Dantès die eingesammelten Zinsen für eine übermäßige Rache schuldet! – Der Tote ist Herr von Villefort!«

»Mein Vater!« rief Valentine entsetzt, indem sie ohnmächtig in die Arme ihres Gatten sank, welcher regungslos und wie zu Stein verwandelt, auf der Treppe stehen blieb und mit dem Blicke die Luft, das Feuer, die Gebirge befragte.

Der Brand machte schnelle Fortschritte, und nach kurzer Zeit blieb von dem fabelhaften Reichtum und dem Glanze der Grotte Monte Christos kaum noch ein Aschenhaufen zwischen den geschwärzten Mauern des Felsens übrig.

Zwei kleine Jachten, die eine auf der östlichen, die andere auf der westlichen Seite von der Insel Monte Christo auslaufend, segelten ruhig in entgegengesetzten Richtungen davon.

Die, welche Italien umsegeln zu wünschen schien, war der Sturm, die andere, welche gegen Porto Vecchio segelte, war die Jacht Bonace.

*

II. Der Ball des Herrn von Gradenigo.

Eine große Neuigkeit setzte alle Gemüter in Venedig in Bewegung.

Es handelte sich um einen Maskenball, aber um einen Ball, der alles verdunkeln sollte, was man bis zu diesem Tage der Art gesehen hatte. Jeder machte in Beziehung darauf seine Glossen; es fehlte nicht an Vermutungen. Inzwischen gingen die Vorbereitungen ihren Gang, und Näherinnen und Modistinnen hatten alle Hände voll zu tun.

Ein Freund, reich wie Krösus, war aus dem Orient bei dem Grafen Gradenigo angekommen, und der Graf öffnete beide Flügel der Türen seines Palastes, beleuchtete seine glänzenden Salons, seine prachtvollen Gärten, bevölkerte sie mit allem, was es in Venedig Schönes, Edles und Reiches gab, und traf Anstalten, in der Mitte dieses Glanzes einer allgemeinen Lustbarkeit den Freund zu empfangen, dessen Name in jedermanns Mund war: Graf von Monte Christo. Aber wer war denn dieser Graf von Monte Christo? Ein übermäßig reicher Mensch, ein Nabob, von Geburt ein Franzose, aber seit langer Zeit schon hatte er den Orient zu seinem Vaterlande gewählt und dort die einzige Tochter eines ehemaligen Paschas von Janina geheiratet.

Jedermann erzählte sich seine Geschichte – und jedermann vervollkommnete die Erzählung seines Nachbars! Es gab einen wahren Strom von Anekdoten, die mehr oder minder wahr, mehr oder minder wahrscheinlich waren.

Von dem Broglio bis zum großen Kanal, von dem öffentlichen Platze bis zu dem Boudoir der schönen Frauen hörte man nichts als die Wiederholung des Namens von dem berühmten Reisenden, dem zu Ehren der Ball gegeben werden sollte und auf den sich die ganze Bewunderung und das ganze Interesse des Augenblicks lenkte. Nicht eines von allen Familienhäuptern, von allen Erben oder Verwandten der besten Familien Venedigs, vergaß, dem Herrn Grafen von Monte Christo die Huldigungen darzubringen, indem sie eine elegante Visitenkarte auf den Präsentierteller von Gold und Elfenbein legten, der zu diesem Zwecke bestimmt war und in einem Salon seinen besonderen Platz auf einem Tischchen von Ebenholz hatte. Denn der Graf von Monte Christo enthob sich der Mühe, persönlich die Besucher zu empfangen, die nicht zu seinem vertrauten Umgange gehörten.

Ehe wir ausführlicher von dem Ball des Grafen Gradenigo sprechen, müssen wir zwei Worte über den Mann sagen, den man Graf von Monte Christo nannte und welcher seinen Namen dem Roman gab, von welchem der vorliegende nur die Fortsetzung ist.

Haben wir irgend einen Menschen einmal gesehen und kennen gelernt, sind wir ihm durch alle Handlungen seines öffentlichen Lebens gefolgt, und dieser Mensch hat in uns auch nur ein einfaches Gefühl der Neugier erweckt – dann empfinden wir stets eine lebhaftere Bewegung, wenn wir ihn nach einer langen Trennung wiedersehen.

Wir finden Gefallen daran, ihn zu beobachten, zu analysieren, alle seine Bewegungen, seine Worte und Handlungen mit den früheren zu vergleichen und sie zu besprechen, weil wir bei jedem Schritte eine Veränderung, eine Umwandlung, einen Unterschied, kurz irgend ein Etwas zwischen dem bemerken, was er damals war und was er jetzt ist.

Das Alter, neue Verbindungen, welche der Mensch anknüpfte, seine Art, zu sehen und zu denken, seine leichtfertige oder ernste Unterhaltung, alles trägt dazu bei, um unsere natürliche Neugier anzuregen.

Der Graf von Monte Christo war einer von jenen Männern, bei denen die Zeit eine wahre Revolution hervorbringt und sie denen beinahe unkenntlich macht, welche sie seit längerer Zeit nicht sahen. Als der Graf von Monte Christo auf der Szene erschien, nahm er, wenn meine Erinnerungen mich nicht täuschen, eine jener Stellungen ein, welche die Natur ganz besonders für ein Wesen geschaffen zu haben scheint, das Entschlossenheit besitzt und in das berühmte Buch der Schicksale eingetragen ist, in welchem wechselweise, oder oft zu gleicher Zeit, Gott, der Mensch und der Teufel schreiben, ausstreichen und verwischen. Der Graf von Monte Christo hatte beinahe noch unter seinen Augen die ganze Vergangenheit des unglücklichen Edmond Dantès vor sich ausgebreitet, wie das furchtbare Leichentuch, das sein langes Märtyrertum verdeckte, und auf welches mit seinem Blute und seinen Tränen die Namen seiner Henker geschrieben waren. Die Stimme des alten Abbé von Faria, diese Stimme, welche ihn lehrte, die Geheimnisse des menschlichen Wesens zu entdecken, tönte noch in seinem Ohr und legte ihm die nichtswürdigen Gesinnungen seiner Henker bloß. Der Graf von Monte Christo besaß Blutdurst! – Als Mensch konnte er seine Philosophie nicht hoch genug steigern, um ihn den unersättlichen Durst vergessen zu machen, der ihn verzehrte; er traf ohne Barmherzigkeit und ohne Mitleid! Er lachte, wenn er weinen Hörte! Er lästerte, wenn er den Namen des Gottes aussprechen hörte, welcher ihn selbst groß und mächtig gemacht hatte! – Es gab in seinem Leben nichts, wodurch der Becher der Bitterkeit versüßt wurde, an den er seine Lippen beständig setzte.

Jetzt aber, wo die Zeit ihren kalten Mantel über dieses Bild gebreitet hatte, wo unter diesem Mantel die Lava der entfesselten Leidenschaft schon nicht mehr rauchte – wo die Liebkosungen einer Gattin und eines unschuldigen Kindes ihm eine neue Existenz boten, so mit Blumen bestreut, daß unter denselben die rauhen Wurzeln verschwanden, die den Weg, welchen wir verfolgen, durchschneiden, den wir von der Wiege bis zum Grabe zurückzulegen haben – jetzt war der Graf von Monte Christo schon nicht mehr derselbe Mensch. Das ruhige Glück, die Häuslichkeit, diese höchste Glückseligkeit, die in den Städten so sehr von denen gering geschätzt wird, welche nie das wahre Unglück kennen lernten, war jetzt sein größtes, ja was noch mehr ist, sein einziges Vergnügen, und wenn nicht in seine ruhige Existenz ein außerordentliches Ereignis eingedrungen wäre, so würde er nimmermehr wieder das tobende Leben der großen Städte Europas aufgesucht haben. Seine Gemahlin Haydee war von einer gänzlichen Erschöpfung der physischen Kräfte befallen worden und litt an den Anfällen eines jener geheimnisvollen und langsamen Fieber, deren Heilung nach dem Ausspruch der Ärzte gebieterisch die Veränderung des Klimas fordert. Der Graf von Monte Christo verließ daher den Orient, um sich nach dem Occident zu begeben, wo er die Wiederherstellung der leidenden Gesundheit seiner Frau zu erlangen hoffte.

Es war Venedig, welches die junge und schöne Haydee vermöge seiner geographischen Lage zuerst besuchen mußte, und da der Graf von Monte Christo sich an seinen Freund, Signor Gradenigo, erinnerte, schrieb er ihm, um ihn auf seinen nahe bevorstehenden Besuch vorzubereiten.

Wie aufrichtig und dringend die Bitten auch gewesen waren, welche der edle Venetianer an den Grafen Monte Christo richtete, um denselben zu bestimmen, in seinem Palaste abzusteigen, so hatte dieser doch, einem alten Gebrauche folgend, nach Venedig einen seiner Diener mit dem Auftrage vorausgeschickt, ein Hotel für ihn in stand setzen zu lassen, und er lehnte daher die Bitten unter Beobachtung der größten Höflichkeit ab.

Der Graf von Monte Christo sollte in der Giudecca, in eben jenem Palaste wohnen, den früher Max und Valentine inne gehabt hatten.

Haydee, die noch immer jung war, hatte nichts von ihrer Schönheit verloren. Auf ihrem Gesichte sprach sich zwar ihre physische Ermattung aus, aber es zeigte doch noch immer jenen milden, sanften Ausdruck, welcher die so innig ergriffen hatte, die sie einige Jahre zuvor in Rom oder Paris sahen.

Sie hatte einen Sohn, der kaum drei ein halb Jahre alt war, bei dem man aber ungeachtet dieses zarten Alters in den kindischen Zügen bereits den Ausdruck der Entschlossenheit und Verwegenheit des Grafen Monte Christo, vereinigt mit der Sanftmut Haydees, erkennen konnte. Der Knabe war in der Tat ein Engel an Schönheit und später sollte er in sich alle Schätze der vollkommensten Erziehung vereinigen. Haydee verließ ihr Kind nicht einen einzigen Augenblick; der Graf hatte daher auch die größte Mühe von der Welt, ihre Einwilligung zu erlangen, ihn auf den Ball des Signor Gradenigo zu begleiten. Da indes ihr Nichterscheinen eine offenbare Beleidigung des edlen Venetianers sein würde, vertraute Haydee ihren Knaben zum ersten Male der Obhut einer Frau an, die aus dem Orient mit ihr gekommen war, und traf Anstalten zu ihrem Eintritt in die Salons des Grafen Gradenigo.

Der Palast sowohl als die Gärten des berühmten venetianischen Grafen waren prachtvoll beleuchtet, die vorzüglichsten Orchester darin zweckmäßig verteilt.

Sobald der Abend anbrach, füllte sich der große Kanal, gegen welchen die Fassade des Palastes lag, mit Gondeln, auf denen Eingeladene und Neugierige sich den Weg streitig machten. Überall, von wo man den Palast und die Gärten sehen konnte, entstanden gewaltige Anhäufungen menschlicher Köpfe, die hin und her wogten wie die Wellen des Meeres, die der Wind vor sich her treibt.

Myriaden von Lichtern funkelten durch die Gebüsche der Gärten; Ströme von Feuer drangen durch die geöffneten Fenster und ergossen sich auf die Menge; es war ein wahrhaft feenhaftes Schauspiel!

Der Ball war, wie wir bereits erwähnten, ein Maskenball.

Der Reichtum und die Mannigfaltigkeit der Kostüms gewährten den prachtvollsten Anblick. Es gab zuerst ein Gewirr und Getreibe sondergleichen – es wich indes einer Art von Windstille, als einer der Gäste mit dem geheimnisvollsten Wesen von der Welt verkündete, der Graf von Monte Christo und seine reizende Gemahlin, die schöne Haydee, seien soeben eingetroffen.

Damen und Kavaliere eilten sogleich den Angekommenen entgegen.

Haydee, welche eine reiche orientalische Tracht trug, gab ihren Arm dem Grafen, der als Beduine gekleidet war.

Seine Haltung, sein natürliches Wesen, die Anmut und die Zartheit Haydees, alles trug dazu bei, die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen.

Der Signor Gradenigo, welcher von der Anwesenheit seines Freundes benachrichtigt worden war, bot Haydee galant die Hand, und nachdem er dem berühmten Beduinen die Hand gedrückt hatte, führte er sie nach den Tanzsälen.

Der Graf blieb allein, und um der Langweile der albernen Gespräche zu entrinnen, die um ihm her begannen, verlor er sich in der Mitte eines Schwarmes maskierter Damen, indem er bemüht war, irgend eine derselben zu erkennen. Bald indes überzeugt, daß ihm die Verwirklichung seiner Absicht unmöglich sein würde, entfernte er sich und ging nach den Gärten, wo ebenfalls getanzt wurde. Hier blieb er neben einem Gebüsch stehen, aus welchem Frauenstimmen ertönten, die ihm zwar vollkommen unbekannt waren, indes von solchen Dingen sprachen, daß dadurch die Aufmerksamkeit des Grafen bald gänzlich in Anspruch genommen wurde.

Er hüllte sich in seinen Burnus, lehnte sich gegen den Stamm eines hundertjährigen Baumes und widmete dem Gespräch seine ganze Aufmerksamkeit.

»Also bist Du überzeugt, daß die d'Armillys in Venedig sind?«

»Ob ich davon überzeugt bin? – Was noch mehr ist –«

»Was denn, Laura?«

»Sie sind hier auf dem Ball.«

»Wie, sie wären hier? Das ist nicht sehr wahrscheinlich nach dem Streite, den der Graf Gradenigo mit meinem Vater über das Altertum gewisser Punkte des Adels unserer beiden Familien gehabt hat. – Wie kann man glauben, daß, wenn er solche Begriffe im Kopfe hat, er die beiden Sängerinnen einladet?«

»Ich habe mir sagen lassen, meine liebe Freundin, daß gegenwärtig die theatralische Laufbahn in großer Achtung steht. Welch ein Übel ist denn allenfalls auch dabei?«

»Keines, Laura; aber es gibt Leute, welche so empfindlich sind! – Was mich betrifft, so fühle ich mich keineswegs verletzt durch die Anwesenheit dieser Damen – indessen –«

»Übrigens gibt es auch einen andern Umstand, der zu Gunsten der d'Armillys spricht. Man sagt und versichert, daß sie sehr guten Familien angehören, besonders die jüngere, welche Eugenie heißt, und die von einer französischen Familie abstammen soll, welche unter dem Namen Servières bekannt ist.«

»Oh, in diesem Falle wollen wir nichts weiter über die Einladung sagen, welche der Graf ihnen zukommen ließ! – Geburtsadel und Adel des Talents vereinigt – das muß selbst die Anspruchvollsten befriedigen.«

»Du sprichst die Wahrheit!«

»Aber wie soll man sie unter so vielen Masken herauserkennen?«

»O, das ist nicht so schwierig!«

»Aber ich denke doch! – Nun, wie denn?«

»Giovanni Gradenigo ist einer von den Anbetern der beiden d'Armillys. Als sie hierher kamen, ehe sie nach Rom gingen, war er unerschöpflich in ihrem Lobe; es war sogar mehr als Lob – Leidenschaft, Wahnsinn! – Du darfst also überzeugt sein, daß er sie diese Nacht nicht einen einzigen Augenblick verlassen wird. Giovanni wirst Du aber gewiß trotz seiner Verkleidung erkennen.«

»Ich denke wohl – ich sehe ihn ja täglich – meinen lieben Vetter!«

»Nun wohl, die Dame, bei der er sich befindet und den Galanten spielt, ist sicher eine der beiden d'Armillys.«

»Sehr richtig geurteilt. – Beeilen wir uns nun, unsere Masken wieder vorzunehmen, meine teure Laura, und gehen wir auf unsere Rekognoszierung aus. Apropos, hast Du von dem Grafen Monte Christo sprechen hören?«

»Er ist hier.«

»Und seine Frau?«

»Ist eine Griechin von hohem Adel, wie man behauptet; ich habe sie noch nicht gesehen.«

»Was ist denn aus jener Französin geworden, die vor kaum einigen Tagen hier in Venedig war, die Frau des Max Morrel, des Herrn und Gebieters über die Insel Monte Christo?«

»Darf man dem Gondolier Giacomo glauben, der jetzt in unserem Dienst steht, so haben der Mann und die Frau Venedig verlassen, um die Einsamkeit ihrer wüsten Insel aufzusuchen, wo sie einen schönen Palast besitzen.«

»Wenn ich Eigentümerin dieser Insel wäre, so sollte sie nicht lange wüst bleiben,« rief lachend die Freundin Lauras, »besonders wenn sie, wie Du sagst, einen schönen Palast enthält. Ich würde mich beeilen, sie mit den glänzendsten und schönsten Kavalieren zu bevölkern – um dort Bälle zu geben. – Dort, in der Mitte wilder Felsen zu tanzen, an deren Fuße das Meer sich tobend bricht, das ist wahrlich, um den Kopf zu verlieren, wenn man nur daran denkt! – Aber einstweilen maskiere Dich, meine liebe Laura, und laß uns die d'Armillys aufsuchen.«

Als die Freundinnen das Gebüsch verließen, war der Graf Monte Christo bereits wieder verschwunden, um seinerseits ebenfalls Giovanni Gradenigo aufzusuchen.

In dem Augenblick, als man ihm den Erben des berühmten italienischen Grafen zeigte, verlor Monte Christo ihn aus dem Auge, da er durch einen Domino aufgehalten wurde, der sich ihm gerade gegenüber in den Weg stellte und durch eine schwarze Larve auf ihn seinen starren Blick richtete, aus dem Flammen zu sprühen schienen.

»Wer sind Sie? Was wollen Sie?« fragte Monte Christo ihn stolz.

»Sie sehen!« erwiderte der Domino mit einer Stimme, deren Klang Monte Christo unwillkürlich erbeben machte.

»Ich danke Ihnen,« entgegnete Monte Christo; »doch, da ich nichts von Ihnen will, mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Sie Ihre Zeit verlieren und mich auch um die meinige bringen.«

Er tat einen Schritt, um sich zu entfernen, aber der Mann stellte sich ihm abermals entgegen.

»Wenn Du auch nichts von mir willst,« sagte er, »so will ich dagegen viel von Dir – denn Du bist ein Mann, von dem man viel verlangen kann – und Du weißt das sehr wohl.«

»O, das artet in Zudringlichkeit aus. Ich bitte Sie, den Ton und das Wesen zu ändern. Wenn Sie mich kennen, so nennen Sie mich bei meinem Namen!«

»Gern! – Aber welchen Namen soll ich Dir geben?«

»Die Frage ist sonderbar! – Nenne den meinigen.«

»In diesem Falle werde ich Dich Edmond Dantès nennen.«

Bei diesen Worten wich der Graf von Monte Christo einen Schritt zurück und maß mit besorgtem Blicke den sonderbaren Redner vom Kopf bis zu den Füßen.

»Erkennst Du an, daß ich weiß, wer Du bist?« fragte der Domino.

»Das ist sehr gleichgiltig,« erwiderte der Graf, indem er sorgfältig seine Unruhe verbarg. »Wenn Sie sich die Mühe nehmen wollen, Ihren Namen zu sagen –«

Der Domino stieß ein gellendes Lachen aus.

»Geben Sie mir nur eine Andeutung, ein Zeichen,« fuhr Monte Christo fort, ohne die Neugier überwinden zu können, welche der Unbekannte in ihm erregte.

»Es sei,« entgegnete der Domino und fügte sogleich hinzu: »Erinnerst Du Dich an Mercedes?«

»Mercedes!« murmelte Monte Christo mit dumpfer Stimme, welche der Widerklang des tiefen und schmerzlichen Echos zu sein schien, das dieser einfache Name in seinem Herzen erweckte. »Wer sind Sie denn? Entfernen Sie sich nicht – sprechen Sie – ich kenne Sie!«

»Wer bin ich dann?«

»Albert von Morcerf.«

»Du irrst; Du mußt Dich daran erinnern, daß er größer ist als ich.«

»Das ist wahr,« sagte der Graf, indem er den Kopf senkte und nachdenklich vor dem geheimnisvollen Manne stehen blieb, der so peinliche Erinnerungen in ihm wach rief.

»Guten Abend, Edmond! Auf baldiges Wiedersehen!«

Und ohne ihm Zeit zu lassen, nur ein einziges Wort an ihn zu richten, verschwand der Domino unter der lärmenden und lustigen Menge der andern Masken.

Der Graf versuchte vergebens, ihm mit den Augen zu folgen; er schien sich unsichtbar gemacht zu haben. Um sich von dem Unwillen zu zerstreuen, den dieses kurze Gespräch ihm verursacht hatte, das zu erwarten er so weit entfernt gewesen war, bemühte der Graf von Monte Christo sich aufs neue, die beiden jungen d'Armillys aufzusuchen.

Nach einem halbstündigen vergeblichen Suchen traf er mit seinem alten Freunde, dem Grafen Gradenigo, zusammen, mit dem er einige alltägliche Worte wechselte, wie sie bei solchen Gelegenheiten üblich sind, um das Gespräch, welches man einzuleiten beabsichtigt, ohne daß der andere den Gegenstand, für welchen man sich interessiert, ahnt.

»Die Gesellschaft ist in der Tat prachtvoll!« sagte Monte Christo, »und wie es scheint, teilt Ihr Sohn mit seinem berühmten Vater das Vorrecht, mit jenem Zartgefühl, das ihn in so hohem Grade charakterisiert, die Honneurs des Hauses gegen die Eingeladenen zu machen.«

»O, Giovanni tut, was er kann,« erwiderte der alte Patrizier. »Er will sich nicht die Mühe nehmen, mehr davon zu wissen – deshalb ist er auch – aber pah! Das Alter wird seine Erziehung vollenden, so hoffe ich wenigstens! Haben Sie ihn schon erkannt?«

»Man zeigte ihn mir, aber ich habe ihn aus dem Auge verloren, und ich glaube, daß ich ihn jetzt wieder mit den andern Masken verwechseln würde.«

»Sehen Sie dort rechts hin,« sagte plötzlich der Signor Gradenigo; »er reicht einer edlen Cirkassierin den Arm.«

Der Graf wollte den Sohn Gradenigos anreden, als sich in demselben Augenblicke eine Maske vor ihn hinstellte und ihm sagte:

»Seien Sie willkommen, Graf von Monte Christo. Sie haben unrecht getan, Ihr Gesicht zu verlarven, weil hier jemand auf Sie wartet.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Für den Augenblick nur wenig, doch eines Tages Werde ich Ihnen viel sagen.«

»Ich kenne Sie nicht und habe nicht die geringste Lust, Sie kennen zu lernen. Guten Abend!«

»Einen Augenblick, Graf! – Es ist nicht Gebrauch, jemanden so zu behandeln, von dem man solange Zeit erwartet wird.«

»Aber wie es mir scheint, besteht durchaus nicht die geringste Verbindung zwischen uns.«

»Für den Augenblick, nein, aber es hat eine bestanden und meine Erinnerung dafür bleibt sich gleich.«

»Sprechen wir nicht von der Vergangenheit, die schon weit hinter uns liegt. Beschäftigen wir uns nur mit der Gegenwart. Wer sind Sie? Sagen Sie dies offen, denn Sie sehen wohl, daß ich nicht die geringste Anstrengung mache, Ihren Namen zu erraten.«

»Das ist alles lächerlich, mein lieber Seemann des Pharao. – Ich bin ein Passagier, durch den Ihnen Herr von Villefort seine Grüße sendet.«

»Ha!« rief Monte Christo, indem er sich mit der Hand über die bleiche Stirn fuhr. »Wer Sie auch sein mögen, haben Sie den Gegenstand Ihres Scherzes sehr schlecht gewählt: Ehren Sie die, welche vielleicht ihren ewigen Schlaf schlafen!«

Kaum hatte der Graf von Monte Christo diese Worte ausgesprochen, als der, an welchen er sie richtete, verschwunden war.

Monte Christo fühlte sich durch dieses grausame Spiel lebhaft erregt; er faßte indes mutig seinen Entschluß und begann von neuem sein Aufsuchen Giovanni Gradenigos. Lange waren seine Bemühungen vergeblich, und endlich bemerkte er, wie derselbe der anmutigen Cirkassierin seinen Arm reichte, und er wollte ihn eben berühren, als wieder eine Maske sich ihm näherte und ihn auf solche Weise intrigierte, daß sie seine Aufmerksamkeit sofort in Anspruch nahm.

Die Maske hatte den vollständigen Anzug eines richterlichen Beamten in der Ausübung seiner Funktion und sprach das Französische mit der ganzen Reinheit und Gewandtheit eines Mannes von Stande.

»Guten Abend, Graf von Monte Christo,« sagte er. »Kommst Du nach Europa in der Absicht zurück, Dich an einigen Familien zu rächen? – Man sollte wirklich glauben, Du wärest von Geburt ein Korse, denn das Wort vendetta hat für Dich eine unwiderstehliche Macht.«

Der Graf von Monte Christo betrachtete mit einem unaussprechlichen Gefühl der Neugier den Gerichtsbeamten, der mit so vieler Vertraulichkeit die Rede an ihn richtete.

»Wie befindet sich Deine schöne Gemahlin Haydee?« fuhr der verkleidete Beamte mit dem reinsten Accent fort. »Bist Du imstande, auf die erhabenen Gesinnungen dieser unschuldigen Seele einzugehen? Arme Haydee! Ich zweifle, daß sie lange glücklich sein wird.«

»Oho!« rief der Graf mit gezwungenem Lachen. »Sie fallen in die lächerliche Rolle eines Unglückspropheten, mein interessanter Gerichtsbeamter: geschähe das vielleicht, um sich von der Langweile zu zerstreuen, welche Ihre ernsten Funktionen Ihnen bereiten?«