Die UFO-Akten 22 - Rafael Marques - E-Book

Die UFO-Akten 22 E-Book

Rafael Marques

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

US State Maximum Security Prison
Nashville, Tennessee, 07. Juli 2022, 19:35 Uhr
Der Schein der untergehenden Sonne wärmte Francis Crawfords blasses Gesicht. Nach einem Jahr Isolationshaft war dieser Anblick alles, was ihn noch am Leben hielt. Sein Körper war abgemagert, die Augen waren rot unterlaufen. Seit Monaten kämpfte er darum, das spartanische Dasein in der knapp sieben Quadratmeter großen Zelle zu ertragen. Einen Kampf, den er nur verlieren konnte, schließlich sollte er diesen Ort nie mehr verlassen.
Zumindest nicht, wenn alles seinen normalen Verlauf nahm. Doch das änderte sich gerade. Etwas Außergewöhnliches würde mit ihm geschehen, dessen war sich Crawford gewiss. Er spürte es mit jeder Faser seines Körpers - seit er beobachtete, wie sich ein pechschwarzes, rundes Objekt vor den grellen Sonnenball schob ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Schwarze Sonnen

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Rafael Marques

Schwarze Sonnen

US State Maximum Security Prison

Nashville, Tennessee, 07. Juli 2022, 19:35 Uhr

Der Schein der untergehenden Sonne wärmte Francis Crawfords blasses Gesicht. Nach ei‍nem Jahr Isolationshaft war dieser Anblick al‍les, was ihn noch am Leben hielt. Sein Körper war abgemagert, die Augen waren rot unterlaufen. Seit Monaten kämpfte er darum, das spartanische Dasein in der knapp sieben Quadratmeter großen Zelle zu ertragen. Einen Kampf, den er nur verlieren konnte, schließlich sollte er diesen Ort nie mehr verlassen.

Zumindest nicht, wenn alles seinen normalen Verlauf nahm. Doch das änderte sich gerade. Etwas Außergewöhnliches würde mit ihm ge‍schehen, dessen war sich Crawford gewiss. Er spürte es mit jeder Faser seines Körpers – seit er beobachtete, wie sich ein pechschwarzes, rundes Objekt vor den grellen Sonnenball schob ...

US State Maximum Security Prison, Isolationstrakt

Nashville, Tennessee, 07. Juli, 20:39 Uhr

Es gab wohl keinen unheimlicheren Ort auf der Erde als den langen Flur des Zellentrakts, in dem ausschließlich Isolationshäftlinge untergebracht waren. Zumindest vertrat Paul Hensley diese Ansicht, seit er vor drei Jahren die Nachtschicht übernommen hatte. Da er als Officer der vom Dienstgrad und -jahr her am niedrigsten eingestufte Vollzugsbeamte war, zog er jede Nacht das kürzeste imaginäre Streichholz.

Sein Atem ging stoßweise, als er in den langen Flur trat. Zwanzig Zellen, zehn auf jeder Seite, schalldicht, ausbruchsicher. Nichts, wovor man sich fürchten musste, wenn man einmal davon absah, dass hier einige der gefährlichsten und brutalsten Kriminellen der Vereinigten Staaten von Amerika eingeschlossen waren. Keine Terroristen, dafür zumeist Serienmörder und Vergewaltiger. Der Abschaum der Gesellschaft sozusagen, eingepfercht in je dreieinhalb mal zwei Meter große Kammern, und das für den Rest ihres verfluchten Lebens.

Komm, beruhig dich wieder, Pauly, sprach er in Gedanken beruhigend auf sich ein. Dass er dabei ausgerechnet die Verniedlichungsform seines Namens benutzte, mit der ihn seine Schwester in seiner Kindheit immer geärgert hatte, ließ ihm einen zusätzlichen Schauder über den Rücken rinnen. Auf diese Art würde er seine innere Anspannung auf keinen Fall loswerden.

Mit seinen zweiundfünfzig Jahren sollte er wirklich Besseres zu tun haben, als den Geistertrakt –wie seine Kollegen diesen Bereich des Gefängnisses nannten – zu kontrollieren. Andere in seinem Alter schoben gemütlich Schreibtischdienst oder genossen bereits ihre frühzeitige Pension. Wahrscheinlich läge er auch längst auf Hawaii am Strand, hätte er nicht zehn Jahre lang die Flaschen kreiseln lassen, bis er auf dem Weg zum Dienst beinahe einen schweren Unfall verursacht hätte. Damals war er noch Sergeant bei der normalen Polizei gewesen. Man hatte ihn degradiert und ihm anschließend nahegelegt, die Sparte zu wechseln, und so war er eben in dem Hochsicherheitsgefängnis gelandet, um dort jede Nacht die sprichwörtliche Arschkarte zu ziehen. Zumindest so lange, bis in einigen Wochen ein neuer Officer hier seinen Dienst antrat, und er selbst in Ruhe dessen Kontrollgänge von einem Bildschirm aus betrachten konnte.

Natürlich war es in dem minimal beleuchteten Gang wie an jedem Abend totenstill. Immerhin blieben ihm das übliche Geschrei, die dummen Sprüche und Pöbeleien erspart, die ihn in anderen Gefängnissen erwartet hätten. Doch die allumfassende Ruhe lastete nur noch mehr auf seinen Nerven. Dabei wusste er nicht einmal genau, warum, schließlich lag der schlimmste Teil des Abends noch vor ihm.

Leider bestand seine Aufgabe nämlich nicht nur darin, durch den Gang zu spazieren und pfeifend mit seiner Dienstwaffe zu wedeln. Da der neue Gouverneur es anscheinend als menschenunwürdig ansah, diese abartigen Gestalten den Rest ihres Lebens von der Außenwelt abzuschneiden, hatte er eine Regelung eingeführt, laut der das Gefängnispersonal einmal am Tag mit den Insassen in Kontakt trat – wenn auch nur für wenige Sekunden. Hensley sollte sich über einen an den Zellen angebrachten Kommunikator bei dem Häftling melden, und sobald dieser ihm antwortete, die Kommunikation wieder einstellen.

Genau das tat er auch, wenn auch äußerst widerstrebend. Um den Kontakt zu aktivieren, musste er einen schwarzen Knopf neben dem Lautsprecher drücken. In diesem Fall war die Zelle von Hector Ramirez belegt, der unter anderem wegen siebenfachen Bankraubes einsaß. Während seiner Überfälle war zwar nie ein Mensch zu Schaden gekommen, dafür war seinen Komplizen stets ein kurzes Leben beschieden gewesen.

»Ramirez?«, rief er nach dem Gefangenen.

Keine Antwort.

»Du weißt, was passiert, wenn du nicht antwortest.«

Ein Stöhnen erklang. »Ja, ja, Boss, ich lebe noch.«

Hensley atmete tief durch, als er die Kommunikation wieder abbrach. Schlimm genug, dass er sich in der Nähe dieser Ausgeburten der Hölle aufhalten musste, er war auch noch gezwungen, mit ihnen zu sprechen. Wenn es nach ihm ginge, würde er jede Zelle öffnen und den Gefangenen eine Kugel in den Kopf jagen. Aber das Leben war nun einmal kein Wunschkonzert, das hatte er schon in seiner Zeit als Streifenpolizist akzeptieren müssen.

Kurz blickte er zu einer der an der Decke angebrachten Kameras. Sicher saßen seine Kollegen allesamt hinter den Bildschirmen und amüsierten sich köstlich über ihn, wie er mit weichen Knien von Tür zu Tür schritt und einen seiner dummen Sprüche aufsagte. Meist erhielt er sofort eine Antwort, die nicht selten aus einem Schrei oder Rülpser bestand. Antworteten die Gefangenen nicht, wurde ihnen für einige Zeit das letzte Stück Lebensfreude genommen, was meist in der Versiegelung des kleinen Fensters, dem Abschalten des Fernsehers oder sogar in der ausbleibenden Würzung ihres Essens bestand.

So gelang es Paul, sich glücklicherweise recht zügig weiter vor zu arbeiten, bis er nach einiger Zeit an die Zelle eines Mannes gelang, der im Gegensatz zu den anderen Insassen nur wegen eines einzigen Verbrechens einsaß. Vor drei Jahren hatte Francis Crawford in Houston auf offener Straße eine Senatorin erschossen und anschließend einem zufällig anwesenden Journalisten in die laufende Kamera gesagt, eine schwarze Sonne hätte ihm den Auftrag zu dem Mord gegeben und zugleich die Erinnerung an sein früheres Leben genommen.

Die Überzeugung, mit der der Mann die Worte ausgesprochen hatte, ließen ihn noch heute erschaudern. Ein völlig normaler Kerl, der gerade von seiner völlig normalen Arbeit gekommen war, verlor schlagartig den Verstand und wurde zum Mörder. Was, wenn ihm das eines Tages auch passierte? So etwas konnte wohl jeden treffen.

Was ihn nur wunderte, war, dass Crawford vor knapp einem Jahr aus der geschlossenen Psychiatrie nahe Houston in dieses Gefängnis verlegt worden war. Niemand konnte sich darauf einen Reim machen, nicht einmal der Direktor des Staatsgefängnisses. Aber er war nun einmal da, und Paul musste damit zurechtkommen, ihn anzusprechen. Dass seine Antwort seit jeher lediglich aus einem schlichten ›Ja‹ bestand, machte die Angelegenheit nicht weniger unheimlich.

Paul drückte den Knopf und sprach den Gefangenen an: »Crawford!«

Nichts regte sich, was schon einmal unnormal war. Bisher hatte Crawford stets sofort geantwortet, nur diesmal blieb er stumm. Schlief er vielleicht? Unmöglich, angesichts dessen, wie laut seine Stimme durch die kleine Zelle schallte.

»Crawford? Hör zu, du weißt, was passiert, wenn du dich nicht meldest.«

Wieder nichts. Paul seufzte und aktivierte das Funkgerät an seiner Brust. »Officer Hensley an Zentrale.«

»Hier Sergeant Winslow«, meldete sich die Stimme seines direkten Vorgesetzten. »Sieht aus, als würde dir jemand die kalte Schulter zeigen.«

»Witzig. Was macht Crawford gerade?«

Da auch die Zellen mit Überwachungskameras ausgestattet waren, wurde jede Bewegung, jeder Atemzug des Insassen aufgezeichnet.

»Er liegt im Bett. Wie es aussieht schon seit einer Stunde, seit ... Moment.«

»Was ist, Sergeant?«

»Verflucht, da stimmt etwas nicht. Um 19:37 Uhr stand er noch vor seinem Fenster, dann lag er plötzlich im Bett und hat sich nicht mehr gerührt. Das war genau bei Schichtwechsel, deshalb ist es wohl niemandem aufgefallen.«

Hensleys Herz schlug automatisch schneller. »Wie soll das möglich sein? Ein Hackerangriff? Oder ein Bildaussetzer?«

»Beides ist eigentlich unmöglich. Ich entsperre den Sichtriegel, dann kannst du einen Blick auf Crawford werfen.«

»Na super. Darauf habe ich mich den ganzen Abend gefreut.«

Ein lautes Knacken schallte durch den Flur. Nun war Paul in der Lage, die etwa zehn Zentimeter breite Sichtklappe zu öffnen. Er zögerte jedoch. Etwas sagte ihm, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte und er mal wieder das ärmste Schwein war, das den Schlamassel ausbaden musste.

Trotzdem zog er das Sichtfenster schließlich auf – und zuckte überrascht zurück. Francis Crawford schlief nicht, er stand direkt an den Gitterstäben und presste sein Gesicht gegen das Metall. Das Schlimmste an dem Anblick waren die weit aufgerissenen Augen des Mörders, die ihm pechschwarz entgegenfunkelten.

»Was zum ...«, stieß Paul hervor, als ihm etwas aus den Augen entgegenschoss. Es traf sein Gesicht, ließ ihn schreiend einige Schritte zurücktaumeln und beinahe zusammenbrechen. Für wenige Sekunden hatte er das Gefühl, ein glühendes Brenneisen würde sich durch seine Wangen und die Hände wühlen, die er gegen sein Gesicht presste. Dann wurde ihm schwarz vor Augen und es schien fast so, als würde er das Bewusstsein verlieren.

Einen Moment später blickte er auf. Es kam ihm so vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen. Seine Armbanduhr offenbarte aber etwas anderes. Es konnte sich bloß um zwei Minuten gehandelt haben, in denen er nicht ganz bei Sinnen war.

Sein nächster Blick galt Francis Crawford, der nun mit entrücktem Gesicht hinter den Gitterstäben stand und grüßte. »Ja«, sagte er nur und senkte die Hand. Seine Augen waren wieder völlig normal, als er zurück zu seinem Bett trat und sich wieder hinlegte.

Das Piepen des Funkgeräts riss Hensley aus seiner Schockstarre. Geistesabwesend drückte er den Knopf an der Seite, um die Verbindung herzustellen.

»Paul! Paul, verdammt, was ist da gerade passiert?«

»Ich ... ich ... habe keine Ahnung«, presste er hervor. Ihm war speiübel, am liebsten hätte er sich sofort übergeben. Was hatte dieser verfluchte Crawford nur mit ihm gemacht?

Apartmenthaus, 275 Newberry Street

Nashville, Tennessee, 07. Juli, 21:59 Uhr

Was hatte Crawford mit ihm angestellt?

Diese Frage beschäftigte ihn selbst da noch, als er seinen Wagen in die Tiefgarage des Apartmenthauses rollen ließ, in dessen drittem Stock sich seine Wohnung befand. Was war nur mit ihm passiert? Und mit diesem Crawford? Eine Antwort hatte er darauf noch nicht gefunden.

Seit dem Moment, als ihm dieses schwarze Zeug ins Gesicht gespritzt war, hatte er sich dreimal übergeben müssen. Zudem litt er immer wieder unter unerklärlichen Schwindelanfällen und Schüttelfrost, weshalb er kurz nach dem Vorfall zu dem Entschluss gekommen war, sich für den Rest der Nacht krankzumelden.

Erschwerend kam hinzu, dass seine Kollegen seiner Version der Geschehnisse keinen Glauben schenkten. Kein Wunder, immerhin gab es keinen physischen Beweis dafür, dass ihm wirklich eine Substanz ins Gesicht gespritzt war. Nicht nur in Crawfords Zelle hatte es einen Bildaussetzer bei der Videoüberwachung gegeben, auch auf dem Flur – genau in dem Moment, als er getroffen worden war. Merkwürdig, ja, aber noch mysteriöser war der Umstand, dass sich weder in seinem Gesicht noch auf seinen Händen Spuren der schwarzen Masse fanden. Als wäre sie durch die Haut in Pauls Körper geschlüpft. Oder als hätte er es sich nur eingebildet, denn genau diese Vermutung hatte er in den Gesichtern von Sergeant Winslow und den anderen Männern und Frauen ablesen können.

Der Gedanke daran, ins Krankenhaus zu gehen und sich untersuchen zu lassen, hatte sich schon nach kurzer Zeit wieder verflüchtigt. Wenn ihm seine Kollegen schon nicht glaubten, was würden dann wohl die Ärzte sagen? Nein, auf weitere ungläubige Blicke oder dämliche Kommentare konnte er wirklich verzichten.

Wie ein Zombie schleppte er sich aus dem Auto und zum Fahrstuhl. Normalerweise wäre es für ihn kein Problem gewesen, die Treppe zu nehmen, doch im Moment fühlte er sich einfach nur schwach und ausgezehrt.

Erst als er die dritte Etage erreichte, die wenigen Schritte über den weichen Teppichboden zurücklegte und an seine Tür gelangte, fühlte er sich etwas besser. Seine Finger zitterten, während er versuchte, den Schlüssel ins Schloss einzuführen, und erst als er beiläufig über sein Gesicht fuhr, bemerkte er den Schweiß auf seiner Haut. Was, verflucht nochmal, war nur mit ihm los?

Nachdem es ihm endlich gelungen war, die Tür zu öffnen, schlurfte er durch den langen Flur und vorbei an dem mannsgroßen Spiegel. »Mein Gott«, stieß er hervor, als er sich selbst in die geröteten Augen und sein, von einem Schweißfilm bedecktes Gesicht blickte. Vielleicht hätte er doch ins Krankenhaus fahren sollen, aber dafür war es jetzt zu spät. Er fühlte sich nicht nur unheimlich ausgelaugt, die Müdigkeit drängte ihn sogar dazu, endlich ins Bett zu gehen.

Er hatte nicht einmal die Kraft, die Jacke auf den Bügel zu hängen. Stattdessen ließ er sie einfach fallen, schlüpfte aus den Schuhen und lief durch das vornehmlich aus einer großen Couch und dem an der Wand hängenden Flachbildfernseher bestehenden Wohnzimmer. Eilig schritt er in Richtung Bett.

Wie so oft kam ihm dabei der Gedanke, dass er sich diesen Luxus bald nicht mehr würde leisten können. Die Miete für das Apartment war eher etwas für das Gehalt eines Sergeants und nicht eines kleinen Officers. Noch zehrte er von seinen Ersparnissen, aber die würden bald aufgebraucht sein.

Paul war mit den Gedanken so weit weg, dass er zunächst gar nicht merkte, wie er auf das Bett glitt, sich dort auf den Rücken legte und die Augen schloss. Er wünschte sich so sehr, einfach einzuschlafen und am nächsten Morgen aufzuwachen, als wäre nichts geschehen. Als hätte er sich nur unwohl gefühlt und nichts weiter.

Doch was immer mit ihm geschehen war, er fand keine Ruhe. Etwa eine halbe Stunde lang wälzte er sich von einer Seite zur anderen und zog auch sein Hemd aus, weil ihm so furchtbar heiß war.

Der erste Krampf traf ihn wie ein Stromschlag. Es war, als würde eine glühende Lanze von der Mitte seiner Brust bis hinauf in seine Stirn fahren. Er schrie seinen Schmerz hinaus, presste beide Hände gegen den Kopf und zog seine Beine an, bis er in einer Art Embryonalstellung auf dem Bett lag. Doch nicht einmal in dieser Position ließ der Schmerz nach. Etwas pumpte durch seine Adern, nicht nur im Gesicht, sondern durch den ganzen Körper.

Eine ansteckende Krankheit! Crawford hat mich mit einer Seuche infiziert!, kam es ihm in den Sinn.

Blitzartig war er davon überzeugt, dass es so gewesen sein musste. Nur, wie war es dem in absoluter Isolationshaft sitzenden Mörder gelungen, einen solchen Erreger in das Staatsgefängnis einzuschleppen? Er hatte keine Kleidung oder persönlichen Gegenstände aus der Psychiatrie mitnehmen dürfen, war gründlich durchgecheckt und für kerngesund befunden worden, so wie alle anderen Gefangenen. Da blieb eigentlich keine Möglichkeit, ein Virus oder etwas dergleichen in sich zu tragen.

Der Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Er musste wieder aufstehen und die Behörden alarmieren, bevor es zu spät war. Paul besaß zwar nicht mehr so viele soziale Kontakte wie früher, doch früher oder später würde er wieder mit anderen Menschen zusammenkommen. Spätestens dann, wenn man seine Leiche fand ...

Nein, er wollte nicht sterben. Und genau deshalb schob er sich langsam an die Bettkante und ließ seine Füße zu Boden gleiten. Beinahe war es ihm, als würde er glühende Lava unter den Socken spüren, so sehr tat ihm das Auftreten weh. Ein leiser Schrei drang über seine Lippen, während zugleich ein weiterer Krampf dafür sorgte, dass sich seine Brust zusammenzog.

Es kostete ihn unwahrscheinlich viel Kraft, sich noch einmal in Richtung Flur zu schleppen. Auf dem Schuhschrank und direkt neben dem Spiegel stand das Telefon. Sein Handy steckte noch in der Jacke, also direkt daneben.

»Komm schon, Paul«, murmelte er mit bebender Stimme. »Komm schon!«

Ein seltsamer Geschmack legte sich auf seine Zunge. Er war mit nichts zu vergleichen, was er in seinem bisherigen Leben gegessen oder getrunken hatte. Nicht bitter, nicht süßlich, nicht sauer – er fand nicht einmal in seinen Gedanken die richtigen Worte dafür. Lediglich das Gefühl, dass dieser Geschmack sich seinen Weg durch seine Kehle bis in die Nase und die Augen bahnte.

Er schwitzte, er stöhnte und weinte sogar. Nach und nach schien er die Kontrolle über seine Sinnesorgane zu verlieren. In seinen Ohren rauschte es unaufhörlich, während sich schwarze Schleier in sein Blickfeld schoben. Jeder Griff, jeder Schritt und jeder Atemstoß, alles war mit Schmerzen verbunden, dennoch gelang es ihm, sich noch bis in den Flur zu bewegen.

Wie schon vor wenigen Minuten – oder waren es Stunden? – verharrte er vor dem Spiegel. »Nein«, stieß er diesmal hervor, taumelte zurück und prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Seine Züge waren noch blasser geworden, aber das war es nicht, was ihn erschreckte.

Über seine Wangen rannen schwarze Tränen!

Der Moment der Erkenntnis war auch der Zeitpunkt, als Paul endgültig die Kontrolle über sich selbst verlor. Er klatschte beide Hände gegen die Wangen und sah, dass sich die Substanz nun auch auf seinen Fingern abzeichnete. Kurz darauf schrie er hysterisch, schlug um sich und traf dabei auch den Spiegel, der klirrend zerbrach.

Blut schoss aus unzähligen kleinen Wunden an seinen Fäusten hervor. Stöhnend wankte er in Richtung Tür, ohne das Telefon noch eines Blickes zu würdigen. Er musste raus, weg von hier, einfach weg. Wohin, wusste er selbst nicht, er wünschte sich nur, irgendwie seinem eigenen Körper entfliehen zu können.