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Eine Gruppe NSA-Agenten hat den Auftrag, in einem abgeschotteten Waggonabteil des California Star einen sargähnlichen Behälter zu bewachen.
Nahe Harvard gerät der Zug allerdings in ein Unwetter, was seltsame Folgen hat: Alle elektronischen Geräte fallen aus, die Inneneinrichtung vibriert, und Übelkeit und Schwindel befallen die Agenten.
Und dann beobachtet David Adams, der Leiter der Gruppe, wie inmitten des Regenschauers schemenhaft ein unbekanntes Flugobjekt auftaucht und dafür sorgt, dass sich der isolierte letzte Waggon vom Rest des Zuges löst. Im nächsten Augenblick entgleist der Wagen; Adams verliert das Bewusstsein.
Als er wieder erwacht, liegen überall um ihn her Trümmer, und er muss feststellen, dass der Metallsarg leer ist ...
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Dunkle Vorahnung
UFO-Archiv
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Impressum
Rafael Marques
Dunkle Vorahnung
An Bord des California Star
Westlich von Hastings, Nebraska,09. Juli 2023, 17:23 Uhr
Missmutig blickte David Adams aus dem Fenster des Zuges, in dem er nun schon seit mehreren Stunden saß. Was ihn zwar nicht besonders forderte, jedoch sein Auftrag war. Er hatte aber auch kein Recht, sich über seinen Job zu beklagen, schon gar nicht als Einsatzleiter, der mehrere Agenten bei der Überwachung eines hochsensiblen Objektes beaufsichtigte.
Deshalb behielt er diese Gedanken für sich, während er die vorbeiziehende Landschaft Nebraskas betrachtete, die ihn zutiefst langweilte. Er hatte viel dafür geopfert, um sein altes Leben in dieser Einöde hinter sich zu lassen und Karriere bei der NSA zu machen, doch ausgerechnet hier sollte sich nun sein Schicksal in eine potenziell tödliche Richtung wenden ...
Dass er nun für die NSA arbeitete, war um einiges mehr, als ihm jeder aus seiner Familie zugetraut hätte, als er zunächst auf die beste High School von Omaha ging und später dank eines Stipendiums nach Harvard gewechselt war. Eine exzellente Karriere bescheinigte man ihm, die nun in diesem Auftrag kulminierte, von dem er nicht einmal selbst wusste, was er beinhaltete.
Alles drehte sich um ein metallisches Objekt in Form eines Sarges, der so fest verschlossen war, dass er ihn nicht mal mit aller Waffengewalt öffnen könnte, die den anderen Agenten und ihm zur Verfügung stand. Eine Leiche schien jedoch nicht in dem Behälter zu stecken, sonst würde sich an ihm kein Sauerstoff-Generator befinden. Andererseits drangen aus dem Sarg auch keinerlei Geräusche, die darauf hinwiesen, dass dort drinnen wirklich ein lebender Mensch lag.
Egal, es war nicht seine Aufgabe, über den Inhalt der Metallkiste zu sinnieren. Auch nicht, warum seine Behörde einen derartigen Aufwand betrieb und einen ganzen Waggon des zwischen Emeryville und Chicago operierenden California Star mieten musste, um diesen zu einer geheimen Basis nach Iowa zu transportieren. Es sollte ihn nur kümmern, dass er dort auch heil ankam. Andererseits ließ der Umstand, dass vier Agenten einen vermeintlichen Metallsarg in einem von den restlichen Fahrgästen abgesonderten Waggon bewachen sollten, durchaus einige weitere Frage in David Adams hochkochen.
Man hatte sogar mehrere Tische und Stühle ausgebaut, um die wertvolle Fracht an einem zentralen Punkt des Abteils zu transportieren. Zwei der Agenten saßen neben dem Sarg, ein dritter stand vor einem anderen Fenster, um Ausschau nach wie auch immer gearteten Gefahren zu halten.
Doch davon war dort draußen absolut nichts zu sehen. Nur eine endlos weite Graslandschaft, unterbrochen von versprengten Höfen, auf denen entweder Getreide angebaut wurde oder um die riesige Rinderherden grasten. Hier gab es sie noch, die echten Cowboys – oder solche, die sich dafür hielten. David konnte davon ein Lied singen, von einem anderen Leben, das ihm heute so fremd vorkam, ihn aber dennoch weiterhin verfolgte, wie er nun zugeben musste.
Die tief hängenden Wolken und der seit wenigen Minuten unerwartet auf die flache Landschaft niederprasselnde Regen gaben der Aussicht etwas besonders Tristes. Beinahe hätte der Agent nach der Zigarettenpackung gegriffen, die er immer mal wieder heimlich mit sich führte. Schließlich unterdrückte er den Drang, die Gedanken an seine Vergangenheit mit ein wenig brennendem Tabak zu betäuben. Nur keine Schwäche zeigen, keine Emotionen, dann war ihm der Respekt der ihm untergeordneten Agenten gewiss. Jeremy McKay, der Leiter einer speziellen NSA-Abteilung, duldete keine Gefühlsausbrüche, schon gar nicht, wenn sie allein auf Selbstmitleid basierten.
Als ohne Vorwarnung ein Blitz über die Wolkenwand zuckte, sich vielfach verästelte und nur wenige Sekunden später in unheilvolles Donnergrollen überging, sah David für eine Sekunde lang sein Spiegelbild in der Scheibe. Die Falten und Grübchen stießen ihn ab, er erkannte sich inzwischen schon selbst nicht mehr. Er hasste nicht nur den Ausblick, sondern auch die Tatsache, dass man ihm die zweiundvierzig Jahre nur allzu deutlich ansah.
»Agent Hastings, wo befinden wir uns gerade?«, sprach er seinen an einem anderen Fenster Wache haltenden Kollegen an.
»Wir erreichen in etwa dreißig Sekunden Hastings und damit auch die größte Stadt in der näheren Umgebung. Luftlinie befinden wir uns noch etwa hundertdreißig Kilometer von Omaha und damit auch der Grenze zu Iowa entfernt. Benötigen Sie weitere Informationen, Sir?«
»Nein, das genügt mir zunächst. Irgendwelche auffälligen Beobachtungen?«
»Nein.«
Was für eine Überraschung, dachte sich David Adams, sagte aber nichts. Stattdessen sah er auf seine digitale Armbanduhr, stellte jedoch fest, dass sie um exakt 17:25 Uhr stehen geblieben war. Seltsam war das schon, immerhin hatte man die anderen Agenten und ihn noch eigens mit diesen Uhren ausgerüstet. Die NSA arbeitete normalerweise nicht so schlampig, dass man ihnen Arbeitsutensilien mit fast leerer Batterie zur Verfügung stellte.
Sie passierten auch Hastings ohne besondere Vorkommnisse. Der Ort bot für ihn keine Auffälligkeiten, abgesehen davon, dass ihm die Aussicht deutlich besser gefiel als jene auf die wenigen, verstreut liegenden Farmen. Einzig die unzähligen Gewerbe inklusive eines Golfplatzes, die sich auf einem im Zweiten Weltkrieg als Munitionsdepot der U.S. Army genutzten Geländes befanden, ließen ihn kurz eine Augenbraue heben.
Bald schon erreichten sie wieder die triste Eintönigkeit, die David so gerne aus seinen Erinnerungen gestrichen hätte.
Das Wetter hatte sich inzwischen deutlich verschlechtert. Aus den dichten Wolkenbändern peitschten vom Westwind getragene Regengüsse an die Fenster des Zuges, in die sich hin und wieder auch Hagelkörner mischten. Innerhalb weniger Minuten war aus einer so harmlos wirkenden Wolkenfront ein mächtiges Gewitter entstanden, das den gesamten Himmel zu verfinstern schien. Blitze zuckten nicht nur am Horizont entlang, sondern auch über den Waggon selbst hinweg.
David Adams war nie ein besonders wetterfühliger Mensch gewesen, doch dieser plötzliche Umschwung ging auch an ihm nicht spurlos vorbei. Es war, als würden Wellen über den Boden laufen und ihn so ins Schwanken bringen. Zugleich erfasste ihn auch ein heftiger Drang, sich augenblicklich zu übergeben.
Mit einem Seitenblick stellte er fest, dass es den anderen Agenten ebenso erging. Hastings, mit dem er gerade noch gesprochen hatte, klammerte sich am Rahmen eines Fensters fest, während er würgend in die Knie sackte.
Etwas hatte für eine extreme Veränderung der Atmosphäre gesorgt, was nicht nur auf seine Agenten und ihn beschränkt blieb. Alle Lichter, die durch die plötzliche Veränderung der Umgebung automatisch angesprungen waren, begannen gleichzeitig zu flackern und fielen schon nach wenigen Sekunden komplett aus.
David hielt sich noch auf den Beinen, indem er in eine Ecke des Raumes wankte und sich dort mit dem Rücken gegen die Wände drückte. Mit zitternden Fingern zog er sein Handy hervor, doch auch das kleine, dank der NSA hochtechnisierte und abhörsichere Gerät hatte völlig seinen Geist aufgegeben.
Aber wieso fuhr der Zug dann noch?
Diese Frage brachte den Agenten dazu, sich noch einmal aufzuraffen und gegen eines der Fenster zu werfen, das er mit aller Kraft zur Seite schob. Sofort peitschten ihm unzählige Regentropfen und Hagelkörner ins Gesicht, dennoch hielt er seinen Kopf ins Freie und sah, dass sich der Zug in einer leichten Kurve befand. So konnte er auch erkennen, dass sich ihr Waggon vom Rest des California Star abgekoppelt hatte, der langsam in einem Schleier aus Regen und Nebel verschwand. Wieso der Waggon trotzdem noch weiterfuhr, blieb ein Rätsel.
Eigentlich wollte sich der Agent schon abwenden, als er innerhalb der Wolken etwas sah, das ihm einen leisen Schrei entfahren ließ. Weit oben, zwischen den Wolkenbergen und inmitten eines Netzes aus Blitzen, zeigte sich ein Teil eines riesigen, metallischen, runden Objektes, das sich unentwegt um die eigene Achse drehte. Dieses Bild blieb allerdings nur wenige Sekunden bestehen, dann verschwand der Flugkörper auch schon in den Wolken.
»Ein GhostRider ...«, ächzte David und klammerte sich verzweifelt am geöffneten Fenster fest, wohl wissend, dass hier weit höhere Kräfte am Werk waren, als dass er sie selbst mit einem wachen Bewusstsein hätte kontrollieren können.
Als hätte eine andere Kraft seine Gedanken erraten, rann ein unheilvolles Zittern durch den Waggon. Noch einmal blickte er sich zu den anderen Agenten um, die inzwischen das Bewusstsein verloren hatten oder zuckend und stöhnend am Boden lagen. Kein Handy, kein Licht, keine Bordanzeigen funktionierten mehr, nur das autark agierende Sauerstoffversorgungssystem des metallischen Sarges tat noch seinen Dienst, als wäre nichts geschehen.
Intuitiv griff David Adams nach seiner Waffe, obwohl es kein Ziel gab, auf das er sie hätte richten können. Gleichzeitig wurde der Waggon von einem heftigen Schlag getroffen, der nicht nur alle Fensterscheiben zerspringen ließ, sondern auch dafür sorgte, dass er aus den Gleisen kippte.
David schrie – und verlor das Bewusstsein.
Jede Faser seines Körpers schien zu schmerzen, als der NSA-Agent aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte. Wenigstens bedeutete das, dass er noch lebte, auch wenn dieser Umstand nur ein schwacher Trost war.
Stöhnend griff er um sich, ohne zu wissen, nach was er eigentlich suchte. Noch war er nicht in der Lage, seine Augen zu öffnen, so sehr dröhnte sein Schädel. Ihm war, als hätten sich die Vibrationen des Zuges auf seinen Körper übertragen, jedenfalls hatte er in seinem gesamten Leben noch nie eine derart plastische Unsicherheit verspürt.
Wieder entfuhr ihm ein leiser Schrei, als es ihm endlich gelang, die Augen zu öffnen. Angesichts dessen, dass unablässig Regen auf ihn herabprasselte und seine Kleidung völlig durchnässt war, wurde ihm erst das Ausmaß der Ereignisse bewusst. Überall um ihn herum lagen die Trümmer des in zwei Teile gerissenen Waggons, der von dieser gewaltigen, unheimlichen Kraft erfasst worden war. Einer Kraft, die ihren Ursprung weit oben im Himmel hatte, möglicherweise sogar in den Tiefen des Alls.
»McKay«, flüsterte er, als er an seinen Vorgesetzten dachte. Hatte er gewusst, dass so etwas geschehen könnte? Wenn ja, zeigte das nur, was für ein kleines Licht David immer noch war, dass der Leiter einer Spezialabteilung innerhalb der NSA ihm derartige Dinge nicht anvertraute. Zumindest war er über die GhostRider-Thematik informiert, allerdings war dies das erste Mal gewesen, dass er mit einem derartigen Objekt direkt konfrontiert worden war.
Stöhnend richtete er sich auf, schwankte einige Schritte zurück und stützte sich an der aufgerichteten, querliegenden Achse des Zuges ab. Sein Blick glitt über die direkte Umgebung und damit auch über die Leichen, die in seiner unmittelbaren Nähe lagen. Hastings hatte es am schlimmsten erwischt. Ein großer Glassplitter hatte sich in seine Kehle gebohrt und auf diese Weise zumindest für einen schnellen Tod des jungen Agenten gesorgt. Auch Kellogg und Fernandez, die neben dem Sarg zusammengebrochen waren, lagen mit verkrümmten Gliedern und weit aufgerissenen Augen zwischen einigen vertrockneten Büschen.
Nur er lebte ... warum?
David wusste, dass er funktionieren musste. Deshalb nahm er sein Schicksal als Glück hin, als reinen Zufall. Genauso gut hätte er jetzt auch dort liegen können. Doch da er noch lebte, musste er auch seine Aufgabe durchziehen, und die beinhaltete eben, das sargähnliche Metallobjekt mit seinem Leben zu verteidigen.
Mehr schwankend als normal gehend durchquerte David das Trümmerfeld und passierte dabei auch die Leichen der ihm unterstellten Agenten. Es war nicht das erste Mal, dass er mit Toten konfrontiert wurde, nur hatte er diese Personen zuvor nicht gekannt. Sein Job war gefährlich, ja, aber dieser Anblick ging ihm dennoch an die Nieren.
Durch den Regen und den Nebel war er kaum in der Lage, mehr als zehn Meter weit zu sehen. So erkannte er den Metallsarg auch erst, als er direkt vor ihm stand. Leer und mit aufgeklapptem Deckel lag er auf dem immer schlammiger werdenden Untergrund, wobei direkt neben ihm eine grauhaarige Frau stand und kopfschüttelnd in das Innere starrte.
»Wer sind Sie?«, rief David und richtete seine Waffe auf die Fremde.
Die Angesprochene erstarrte nur für einen Moment, dann drehte sie sich um. Feingeschnittene Wangen, eine deutlich hervortretende Stubsnase, für das Alter überraschend straffe Haut, ein durchtrainierter Körper und stechend blaue Augen – die Beschreibung der Frau war ihm durchaus bekannt, ebenso ihr Name und der Umstand, dass sie brandgefährlich war.
»Keine Bewegung!«, brüllte er der Frau zu, die nicht auf ihn hörte und langsam auf ihn zuging. Sein Finger lag bereits auf dem Abzug, trotzdem war er nicht in der Lage, ihn auch durchzudrücken. Die Waffe in seiner Hand vibrierte und wurde ihm schließlich von einer immensen Kraft aus den Fingern gerissen.
Kaum, dass er sich dieser Tatsache richtig bewusst wurde, hatte ihn die Frau auch schon erreicht und hämmerte ihm ihren Ellenbogen gegen die Stirn.
Interstate 80
Nahe Kearney, Nebraska, 10. Juli, 09:42 Uhr
»Weißt du, von was ich gerade geträumt habe?«
»Nein. Sag es mir.«
»Von einem saftigen Steak.«
»Ach, du alter Romantiker. Du weißt genau, was eine Frau hören will.«
»Tja, so sieht es aus.«
Dass er in Wahrheit nicht von einem derartigen Leckerbissen geträumt hatte, sondern von einem Elitesoldaten, der bei einem Geheimprojekt namens Pandoras Box mutmaßlich in eine andere Dimension geraten war und sich anschließend zu einem Serienmörder entwickelt hatte, musste Cliff Conroy seiner Partnerin nicht unbedingt unter die Nase reiben. Judy kämpfte sicher ebenso mit den Erinnerungen an den vergangenen Fall, bei dem Pronger eine blutige Spur durch die Rotlichtviertel der Westküstenmetropole Los Angeles gezogen hatte*. Die Bilder der Leichen hingen ihm ebenso nach wie der Umstand, dass sie wieder einmal von der NSA ausgetrickst worden waren und, abgesehen von ihrem oberflächlichen Wissen über ein weiteres Geheimprojekt, mit leeren Händen dastanden.
Inzwischen lag dies alles einige Tage zurück, in denen glücklicherweise nichts annähernd so Spektakuläres oder Gefährliches geschehen war. Mehrmals hatte Senator Campbell sie auf vermeintliche UFO-Sichtungen und außergewöhnliche Phänomene im Westen der Vereinigten Staaten angesetzt, doch statt auf einen GhostRider waren sie unter anderem auf eine illegale Giftmülldeponie gestoßen, während sich die Berichte über sprechende und auf zwei Beinen gehende Großtiere in einem Wald bei Fort Collins – unter anderem sollen ein Puma und ein Krokodil dabei gewesen sein – als Massenhysterie einer Wandergruppe entpuppt hatten, die auf eine leckgeschlagene Gasleitung getroffen war.
Mit dem Anruf ihres alten Bekannten Andrej Garbatschow war es dann wohl mit der Ruhe vorbei. Der Doppelagent, der in den Staaten unter anderem als Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften auftrat und nach einiger Zeit zurückgekehrt war, um weitere Maulwürfe in den Reihen von Campbells Vertrauten ausfindig zu machen, hatte sie gebeten, sich mit ihm in einem Restaurant in Hastings, Nebraska, zu treffen. Abgesehen davon, dass sich in Hastings der Sitz des Adams Countys befand, war über die 25.000-Einwohner-Stadt nichts wirklich Bedeutendes herauszufinden gewesen.
»Du siehst ehrlich gesagt nicht so aus, als hättest du wirklich von einem Steak geträumt«, las Judy ihrem Partner die trüben Gedanken im Gesicht ab, als er sich aus dem Wohnbereich des Winnebagos auf den Beifahrersitz bugsierte.
Cliff seufzte. »Vor einer studierten Psychologin kann man wohl nichts verbergen«, gab er zu. »Sagen wir einfach, dass ich davon träume, mal wieder von einem Steak zu träumen.«
»Das klingt schon mal ein wenig ehrlicher.«
»Und wie sieht es bei dir so aus?«
Judy tippte entspannt auf dem Lenkrad herum. »Um ehrlich zu sein, knurrt mein Magen wirklich ein wenig. Aber da Andrej uns ja in einem Restaurant treffen will, warte ich gerne noch ein wenig und lasse mich einladen.«
»Ob Andrej das wirklich im Sinn hat?«, fragte Cliff mit einem gequälten Lachen.
»Was sonst?«
Der ehemalige IT-Sicherheitsexperte der NASA seufzte überlaut. Was führte Andrej wohl wirklich im Schilde? Dass er nicht allein angereist war, um sich wieder einmal persönlich mit seinen alten Freunden zu treffen, lag auf der Hand. Nur zu gut erinnerte er sich noch an ihre letzte Begegnung, die auf einem verlassenen Flugfeld nahe San Diego ihren Anfang genommen hatte. Verfolgt von mysteriösen Killern waren sie dort von Andrej und einer Gruppe Elitesoldaten in Empfang genommen worden, wobei es dem Russen gelungen war, mit Deputy William Hollister einen Lebenden Toten zu erschießen, der offenbar als tickende Zeitbombe auf sie angesetzt worden war*.
Wie so vieles in diesem Fall waren auch Hollisters wahre Motive und der Hintergrund seiner Handlungsweise im Dunkeln geblieben. Offenbar handelte es sich bei den Vorgängen in Gareth Falls um Auswüchse eines großangelegten Projektes, um mit außerirdischer Technologie Tote zum Leben zu erwecken und sie auf irgendeine Art fernzusteuern. Zumindest hatte dies Lydia Jones ihrer alten Freundin Ruth Sekada mitgeteilt, kurz bevor sie über einen Geheimgang aus einer verlassenen Hochsicherheitsanlage nördlich von Gareth Falls entkommen war.
Noch immer schüttelte es ihn, wenn er an die Komplexität dieses Falles dachte. Das Projekt Romero, wie die NSA es laut Lydias Aussagen sinnigerweise bezeichnete, war an sich schon ein starkes Stück, doch wie es überhaupt dazu gekommen war, dass McKays Leute, Tote zum Leben erwecken konnten, stand noch auf einem ganz anderen Blatt. Alles hing mit Jenna Garland zusammen, einer PSI-begabten jungen Frau, die vor Jahren gemeinsam mit ihrem Bruder Carter in die Fänge der Schwarzen Sonnen geraten war – kugelförmige, pechschwarze Objekte, die von Wirtskörpern Besitz ergriffen und diese quasi in mordende Marionetten verwandelten. Jenna und Carter waren durch die Unterstützung von Lydia Jones, einem ebenfalls über PSI-Kräfte verfügenden Bundesmarshal, sowie ihrer besten Freundin Ruth Sekada, einer Sioux und Besitzerin eines Drugstores aus Uncton, diesem höllischen Kreislauf entkommen und vom Einfluss der Sonnen befreit worden.
Doch das war für die Geschwister nicht das Ende gewesen, sondern vielmehr erst der Anfang. Einige Zeit später wurde Carter, nachdem er sich von seiner Schwester gelöst hatte, beim Anschlag eines UFOs auf ein Linienflugzeug getötet. Monate später baten Lydia und Jenna – scheinbar auf der Flucht vor der NSA – Judy und ihn um Hilfe, wobei Lydia kurz darauf bei einem fingierten Schusswechsel mit Agenten scheinbar ums Leben gekommen war. Nach einer Konfrontation mit dem Massenmörder Robert David Jackson war Jenna endgültig in die Gewalt der NSA geraten, ein Umstand, der offenbar von langer Hand von der verräterischen Lydia Jones eingefädelt worden war*.
Doch wie Cliff und Judy inzwischen wussten, war alles nur Teil eines größeren, von James Victor Campbell selbst inszenierten Plans gewesen, um mit Lydia einen eigenen Maulwurf in den Reihen der NSA zu platzieren. Offenbar wollte diese weiterhin ihre schützende Hand über Jenna ausbreiten, nur war ihr Vorhaben schließlich völlig nach hinten losgegangen. Ohne ihr Wissen hatte die NSA Jenna dazu gebracht, als eine Art Medium einen außerirdischen Energiekristall zu aktivieren. Dies war ihr auch gelungen, allerdings mit dem Preis, dass Jenna ins Koma gefallen war. Die Energie des Kristalls war schlussendlich für die nächste Stufe des Projekts Romero genutzt worden, während Lydia sich gegen die NSA gestellt hatte und nun nicht nur offiziell als tot galt, sondern auch ganz oben auf McKays Fahndungsliste stand.