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Der PSI-begabte Joshua Lee sitzt an Bord eines Fluges nach Anchorage und sieht vor seinem geistigen Auge Eindrücke aus seiner Kindheit vorbeiziehen, in der er den tragischen Tod seines Bruders Benny miterleben musste. Trotz des festen Willens, die Kontrolle über seine Gedanken zurückzuerlangen, überwältigt ihn eine weitere Vision: Diesmal findet er sich in den Bergen Alaskas wieder, verwickelt in einen bedrohlichen Messerkampf mit Will Travers, einem ehemaligen Mentor, der ihm aufgrund eines Verrats nach dem Leben trachtet.
Nach der Landung kommt es für Joshua zu einer ebenso merkwürdigen Begegnung, als ihm ein mysteriöser Mann eine rote Schachtel überreicht. In ihr findet er eine Miniatur von Wills Kampfmesser, eine zusammengefaltete Botschaft und die Kopie einer Landkarte. Alle drei Dinge erinnern ihn an die Vision während des Fluges, was ihn zu einem Anruf bei Senator Campbell veranlasst ...
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Bilder der Zukunft
Werkstattbericht
Vorschau
Impressum
Rafael Marques
Bilder der Zukunft
An Bord des American Airlines-Fluges AA 7728
Seattle, Washington, 07. September 2023, 16:08 Uhr
Es war ein stiller Kampf, den Joshua Lee mit sich ausfocht. Eine fremde, ihm in dieser Form jedoch auch nicht völlig unbekannte Kraft, versuchte seinen Verstand zu durchdringen und ihn in Sphären zu lenken, in denen er einen Blick auf die nahende Zukunft werfen konnte. Gewöhnlich geschah dies nur bei Gefahr, doch an einen plötzlichen Angriff glaubte er diesmal nicht. Trotz seines Bemühens, die Kontrolle über sein Bewusstsein zurückzuerlangen, konnte er der unheimlichen Macht nicht widerstehen. Im nächsten Moment durchlief ein Schauder seinen Körper und er verspürte den Drang, sich den Kräften seiner Verfolgung zu stellen. Sein Geist führte ihn allerdings nicht zu bevorstehenden Ereignissen, sondern auf eine Reise in seine eigene Kindheit ...
Nahe des Birdseye Creek
Salmon-Challis National Forest, Idaho, 19. August 1986, 17:52 Uhr
»Eines könnt ihr mir glauben, Jungs: Das wird der schönste Ausflug eures Lebens!«
Während Jeong-Min Lee vor Freude über das ganze Gesicht strahlte, malte sich in den Zügen seiner Frau Cathy eine gewisse Resignation ab. Wie immer bei Dads großartigen, amerikanischen Plänen gab sie klein bei und überließ ihrem Ehemann das Ruder, selbst wenn sie ihn stattdessen lieber gefesselt, geknebelt und in eine Kammer gesperrt hätte.
Auch Joshua und sein Bruder Benny teilten seine Begeisterung nicht. Es gab hier draußen in der Wildnis weder einen Fernseher noch Radioempfang, vom fehlenden Komfort einer geräumigen, klimatisierten Unterkunft ganz zu schweigen. Wie gerne wäre der 6-Jährige im Pool schwimmen gegangen oder hätte seinen besten Freund Chris im Nachbarhaus besucht. Stattdessen musste er mal wieder mitten im Nirgendwo gegen Mückenschwärme kämpfen und hoffen, dass sie nicht von Wölfen, Bären oder Pumas angegriffen wurden.
Während Joshua seiner Frustration immer wieder durch lautes Stöhnen Luft machte, blieb Benny stumm und ergab sich wie seine Mutter seinem Schicksal. Sein ein Jahr jüngerer Bruder war sehr introvertiert, und würde er sich nicht so sehr um ihn kümmern und dazu animieren, ihn zu Chris und dessen Zwillingsschwester Patricia zu begleiten, würde er wahrscheinlich die meiste Zeit seines Lebens allein in seinem Zimmer verbringen. Irgendwie fühlte er sich für Benny verantwortlich, was ihm sein Bruder dadurch dankte, dass er, wenn sie zusammen unterwegs waren, nie von seiner Seite wich.
Jeder von ihnen trug einen Teil der Zelt- und Campingausrüstung mit sich, was sich bei Temperaturen von weit über dreißig Grad als ziemlich schweißtreibende Angelegenheit erwies. Hinzu kam, dass das Tal des Birdseye Creek in diesem Bereich eine ziemlich offene Wiesenlandschaft bot, weshalb die warme Nachmittagssonne unerbittlich auf sie herabbrannte. Die Geier, die bereits weit über ihren Köpfen am Himmel kreisten, dachten wohl, in ihnen eine sichere Beute gefunden zu haben, und vielleicht hatten sie damit gar nicht so unrecht.
»Wie lang ist es noch?«, fragte Joshua genervt, der die Kühlbox inzwischen mehr hinter sich herzog, als dass er sie tatsächlich trug.
Sein Dad lachte. »Wir sind doch gerade erst losgelaufen.«
»Quatsch. Wir sind schon Stunden unterwegs.«
»Joshua!«, rief ihm seine Mutter tadelnd, wenn auch mit schwacher Stimme zu. »Sei nicht so frech zu deinem Vater!«
»Aber ...«
»Schon gut, Schatz, ich verstehe ihn ja«, wirkte Jeong-Min Lee beruhigend auf seine Frau ein. »In etwas über einem Kilometer sind wir da.«
Na toll, das kann ja noch dauern, schoss es Joshua durch den Kopf, ohne dass er es aussprach. Sein Vater hatte auf der Fahrt in die Rocky Mountains von einem Tal der Träume gesprochen und damit den Ort gemeint, an dem sie ihr Lager aufschlagen würden. Angeblich war er vor einigen Jahren mit zwei Arbeitskollegen schon einmal in dieser Gegend unterwegs gewesen.
Mit schmerzenden Muskeln kämpfte sich Joshua weiter. Er war nicht gerade der schlankeste Junge in der ersten Klasse der Grundschule von Cabot Springs, ganz im Gegensatz zu seinem sehr zierlich gebauten kleinen Bruder.
»Soll ich dir was abnehmen?«, fragte Joshua, obwohl er schon mit der prallgefüllten Kühlbox überfordert war.
Benny schüttelte kurz den Kopf. »Es geht schon«, antwortete er. Zwei eingerollte Schlafsäcke schien er gerade noch tragen zu können.
»Na, gut.«
»Joshua?«
Er blickte überrascht zu seinem Bruder herüber. Es kam nicht oft vor, dass Benny ihn direkt ansprach, schon gar nicht mit seinem vollen Namen. Meist nannte er ihn nur ›Jay‹ oder ›Josh‹. »Was ist denn?«, fragte er deshalb ein wenig irritiert.
»Irgendwie habe ich ein komisches Gefühl.«
»Was für ein Gefühl?«
Benny zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Mir ist nur irgendwie komisch.«
So war sein Bruder eben – sehr feinfühlig und in seinen Empfindungen oft ein wenig unergründlich. Andererseits zeigte er sich für bestimmte Dinge tatsächlich sehr sensibel, so hatte er schon einige Male trotz klarem Himmel ein aufziehendes Gewitter vorausgeahnt.
Ihr Gespräch erstarb, und so hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Joshua wünschte sich nichts mehr, als dass sie endlich dieses verfluchte Tal der Träume erreichten und er nicht mehr darauf hoffen musste, bald wieder in den kühlenden Schatten einer der vereinzelt wachsenden Kiefern zu treten, um nicht angesichts der Hitze zusammenzuklappen. Von einer entspannten Urlaubsstimmung war er mittlerweile weiter entfernt als die Erde vom Mond.
Einige hundert Meter später erreichten sie endlich ein etwas waldreicheres Gebiet, und als sein Vater nach und nach seine Schritte verlangsamte, verstand Joshua, was ihn an diesem Ort so faszinierte. Nicht nur, dass sich auf der anderen Seite des Bachlaufs eine steile Felswand mehr als zwanzig Meter weit in die Höhe erstreckte, das Sonnenlicht bahnte sich an einigen Stellen auch einen Weg durch die Baumwipfel und ließ das leise gluckernde Wasser wie Diamanten glitzern. An dem Gestein malten sich hier und dort seltsame Schattenspiele ab, als würde ein Heer aus Zwergen über die kleinen Höhlen und Vorsprünge hinwegtanzen.
»Na, was sagt ihr?«, fragte sein Vater.
Als er die Kühlbox abstellte, konnte auch Joshua wieder lächeln. »Gar nicht so schlecht«, gab er zu und ließ sich auf einem flachen Stein nieder.
Nahe des Birdseye Creek
Salmon-Challis National Forest, Idaho, 19. August 1986, 21:32 Uhr
Nur, weil sie ihr Ziel erreicht hatten, war die Arbeit allerdings nicht getan gewesen, wie Joshua und Benny bald leidvoll erfahren mussten. Zum einen wollte das Zelt erst einmal aufgebaut werden, zum anderen plante ihr Dad ein größeres Lagerfeuer, weshalb sie fast eine Stunde lang Brennholz in dem umliegenden Waldgebiet zusammensuchten.
Dabei stieß Joshua auch auf eine kleine, felsige Schlucht, durch die ein kleiner Wasserlauf über mehrere Ebenen dutzende Meter weit in die Tiefe stürzte. Auch in Bennys Augen war ein besonderer Glanz getreten, als er ihm seine Entdeckung gezeigt hatte. Er musste seinem kleinen Bruder sogar versprechen, später noch einmal an diesen besonderen Ort zurückzukehren.
Zunächst blieb es jedoch dabei, dass sie sich mit ihren Eltern zu einem großen Lagerfeuer zusammenfanden. Innerhalb eines Steinkreises loderten die Flammen so intensiv, dass Joshua kaum in der Lage war, seinen Blick abzuwenden. Begleitet vom Schein der untergehenden Sonne schienen die Elemente regelrecht lebendig zu werden, als sein Vater damit begann, Geschichten über die örtlichen Indianerstämme und den Kampf der Europäer um dieses manchmal karge, manchmal sehr fruchtbare Land zu erzählen. Gemeinsam mit Benny schmiegte er sich an seine Mutter, die die Brüder fest in den Armen hielt, während Joshua glaubte, die Geister der Indianer in den seltsamen Schattenspielen tanzen zu sehen.
Irgendwann ergriff die Müdigkeit auch von dem Vater Besitz, und nachdem die Grillwürste und Marshmallows in ihren Mägen verschwunden waren, saßen sie einfach nur noch da und lauschten dem Knistern der langsam verglühenden Äste. Inzwischen hockten die Eltern Seite an Seite und hielten sich so innig in den Armen, dass Joshua angeekelt die Zunge herausstreckte. Benny hingegen lehnte an seiner Schulter und hielt die Augen geschlossen. Hin und wieder hob er ein Lid an, wie um zu beweisen, dass er noch nicht eingeschlafen war.
»Weißt du was?«, flüsterte Joshua seinem kleinen Bruder zu.
»Was denn?«
»Heute Nacht, wenn Mum und Dad schlafen, schleichen wir uns aus dem Zelt und sehen uns den Wasserfall noch einmal aus der Nähe an. Und falls einer der Indianergeister auftaucht, werde ich ihn schon verscheuchen. Bist du dabei?«
Benny zögerte nicht lange mit seiner Antwort. »Na klar«, erwiderte er leise. Sicher nicht nur aus Abenteuerlust und weil er seinen Wunsch erfüllt sah, sondern weil er immer bei seinem Bruder bleiben wollte.
Nahe des Birdseye Creek
Salmon-Challis National Forest, Idaho, 20. August 1986, 00:31 Uhr
Natürlich gelang es Joshua in dieser Nacht nicht, auch nur eine Sekunde Schlaf zu finden. Zu sehr war er von der aufregenden Vorstellung von einem Abenteuer in der Wildnis gepackt worden, wobei sein Bruder und er sich noch nie davongestohlen hatten. Hin und wieder kamen ihm Zweifel, ob sie es auch wirklich durchziehen sollten, immerhin würden sie ihren Eltern einen ganz schönen Schrecken einjagen. Allerdings hoffte er, dass sie davon überhaupt nichts mitbekamen. Und schließlich siegte auch seine Sehnsucht nach dem sicher magischen Anblick des nächtlichen Wasserfalls.
»Pssst«, zischte er, als er Benny anstieß, der ebenso hellwach war wie er.
Gemeinsam schälten sie sich aus dem großen Schlafsack, ohne ihre Eltern dabei aus den Augen zu lassen. So eklig er es auch fand, wenn sie sich küssten, freute er sich doch, sie Arm in Arm schlafend zu sehen. Wenn er daran dachte, wie oft er seine Mutter in den letzten Monaten weinend in der Küche angetroffen hatte, während sein Vater manchmal tagelang wegen der Arbeit nicht nach Hause gekommen war, waren ihm schon Gedanken gekommen, sie könnten sich trennen. Zum Glück erwies sich das offenbar nur als böser Traum.
Gemeinsam gelang es den Brüdern, fast lautlos aus dem Zelt zu kriechen und den Reißverschluss so weit hinter sich zu schließen, dass der Schein des Mondes nur durch einen kleinen Spalt ins Innere sickerte. Ganz zu durfte Joshua ihn aber nicht ziehen, immerhin wollten sie ja wieder zurück ins Zelt. Sollten ihre Eltern sie dabei erwischen, konnten sie immer noch sagen, sie wären nur mal kurz austreten gewesen.
Im Dunkeln bot sich ihnen eine völlig andere Szenerie als noch in der Nachmittags- und Abendsonne. Seltsame Laute hallten durch den von kaltem Licht erhellten Wald, aus dessen Unterholz sich geheimnisvolle, dunkle Kreaturen zu formen schienen. Das Gluckern des Baches hörte sich nun nicht mehr beruhigend an, sondern wie das Säuseln der Geister, die Dads Geschichten lebendig werden lassen wollten. Dass hin und wieder etwas in den Büschen raschelte, trug sein Übriges zu der unheimlichen Stimmung bei.
»Sollen wir wirklich?«, fragte Benny, der sich ängstlich an seinen großen Bruder drängte.
Obwohl Joshua nicht ganz so mutig war, wie er sich in diesen Minuten gab, wollte er nicht zurückstecken. »Keine Sorge, es gibt nichts, wovor wir uns fürchten müssen«, hauchte er ihm zu.
»Na gut.«
»Komm, lass uns gehen.«
Gemeinsam kämpften sie sich über querliegende Stämme, Steine und kleine Erdhügel, die sie am Tage noch leichtfüßig übersprungen hatten. Auch die Büsche und das Gras schienen in den letzten Stunden um ein Vielfaches gewachsen zu sein. Nach einer Weile fragte sich Joshua, ob er sich tatsächlich gut genug orientieren konnte, um später wieder den Weg zurück zum Lager zu finden.
Der Gedanke daran verwischte, als er zum ersten Mal das leise Rauschen des aufgeschäumten Wassers vernahm, das durch den felsigen Bachlauf ins Tal schoss. Durch den Wald selbst lief nur ein unscheinbares Rinnsal, bei dem man kaum glaubte, mit welcher Geschwindigkeit er sich wenige Meter entfernt durch das Gestein wühlte.
Schon bald lichtete sich der Baumbestand etwas, ohne ganz zu verschwinden. Auch in den kargen Hängen krallten sich Kiefern mit ihren kräftigen, dicken Wurzeln fest, als wollten sie die Felsen nie wieder loslassen. Joshua kamen sie in diesen Momenten wie lebendig gewordene Wesen vor, wie Riesen aus einem Märchen, das seine Mutter ihm einmal vorgelesen hatte. Beinahe rechnete er damit, sie könnten sich jeden Moment erheben und ihre dicken Arme nach ihnen ausstrecken, um sie tiefer hinein in die Schlucht zu tragen.
Das geschah nicht, dafür entdeckte Joshua in den Felsen eine Art Trampelpfad, der sogar an mehreren Stellen mit Seilen gesichert war. Der Weg war ihm bei seinem ersten Ausflug an diesen Ort nicht aufgefallen. So würde ihnen die Entdeckungstour auf jeden Fall um einiges leichter fallen, als nacheinander durch das blanke, rutschige Gestein zu klettern.
»Da vorne«, wies er Benny auf den schmalen Kletterpfad hin.
Sein kleiner Bruder wirkte noch nicht so ganz überzeugt. »Gehst du vor?«, fragte er. »Ich traue mich nicht.«
»Na klar.«
Mit steigendem Elan, wenn auch bis zum Hals klopfendem Herzen begann Joshua, die durch unzählige Wurzeln verstärkte Felsentreppe emporzusteigen. Die matte, volle Scheibe des Mondes, die wie ein Wink des Schicksals immer wieder zwischen den Stämmen der Kiefern hindurch ihr Licht abgab, wies ihm den Weg.
Das Rauschen des Wassers schwoll bald noch stärker an, und nachdem sie die ersten Serpentinen überwunden hatten, zeigte sich der Wasserfall erst in seiner vollen Pracht. Über mehrere Stufen schoss der Bach – quasi von Stein zu Stein – in die Tiefe, wobei sich durch das an den Felsen aufschäumende Wasser ein feiner Nebel bildete. Joshua wartete darauf, dass aus den hinter dem Wasserfall gähnenden Höhlen märchenhafte Gestalten wie Elfen oder Trolle hervortraten, doch das geschah nur in seiner Fantasie.
Kurze Zeit später erreichten sie ein kleines Plateau, von dem aus die Kaskaden noch besser zu beobachten waren. Benny war von dem Schauspiel so fasziniert, dass er bis an den Rand der nahezu ebenen Fläche trat und beinahe in die Tiefe gestürzt wäre, wenn Joshua ihn nicht festgehalten hätte.
»Pass auf!«, schärfte er ihm ein, doch seine Worte schienen an seinem kleinen Bruder einfach abzuprallen.
Beide hatten sie in ihrem ganzen Leben noch nie einen so faszinierenden Anblick erlebt, und gerade Benny zeigte sich derart verzaubert davon, dass er quasi über sich hinauswuchs. Wieselflink huschte er die nächsten Stufen der inzwischen kaum noch als solche zu erkennenden Felsentreppe empor. Nur ein einige Meter weiter oben gespanntes Seil deutete noch darauf hin, dass sie sich weiterhin auf dem richtigen Weg befanden.
Joshua wollte seinem Bruder schon hinterhereilen, als etwas geschah, das ihn auf der Stelle in seinen Bann zog. Es begann mit einem monotonen Summen und wandelte sich bald in ein Rauschen, das am ehesten an ein geplatztes Trommelfell erinnerte, mit dem er vor einem Jahr schon einmal zu kämpfen hatte. Genau wie damals erfasste ihn ein starker Schwindel, der ihn zur Seite taumeln ließ. Glücklicherweise bekam er eine dicke Wurzel zu fassen, hätte sich aber beinahe übergeben, so sehr wühlte sich dieses fürchterliche Geräusch durch seine Eingeweide.
Plötzlich legte sich ein Schatten von bestimmt über dreißig Metern Durchmesser über den Mond. Joshua erschauderte, als er zwischen den Bäumen ein kreisrundes, schwebendes Objekt bemerkte, dessen Ränder leicht zu flimmern schienen. Er wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton hervor, und auch dem Impuls, einfach wegzulaufen, konnte er nicht folgen. Es war, als würde der Anblick ihn auf der Stelle fesseln, und vielleicht stimmte das auch.
Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er eine solche Angst gehabt. Um sich und auch um Benny, der einige Meter weiter oben in den Felsen hing und am ganzen Körper zitterte.
Innerhalb der Schwärze erschien plötzlich ein kaltes, grellweißes Licht. Wie ein Scheinwerfer erfasste es Joshua und hüllte ihn völlig ein. Es war so hell, dass er bald nichts anderes mehr sah und glaubte, den Kontakt zur Realität und damit auch zum Boden zu verlieren. Er schwebte durch einen luftleeren Raum ohne Decke und Boden, während das Licht durch jede Faser seines Körpers drang und ihn zugleich von innen zu verbrennen schien. Stumme Schreie kamen daraufhin aus seinem Mund, auch da noch, als das Licht schlagartig erlosch.
Entgeistert blickte Joshua hinauf in den Bereich zwischen den Bäumen. Die schwarze Scheibe war verschwunden, dafür sandte der Vollmond wieder seinen kräftigen Schein auf die Erde hinab. Es war, als wäre nie etwas geschehen, wenn man einmal von den Schmerzen absah, die immer noch durch seinen Körper rasten.