Die UFO-AKTEN 58 - Rafael Marques - E-Book

Die UFO-AKTEN 58 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Cliff und Judy sind gerade in Fort Meade eingetroffen. Einen großen Auftrag haben sie nicht, sie sollen sich nur beim Hauptsitz der NSA umsehen, da Senator Campbell zu Ohren gekommen ist, dass Jeremy McKay nicht mehr Leiter seiner Spezialabteilung sein soll. Als sie sich dem Militärkomplex nähern, werden sie von einer NSA-Eskorte aufgegriffen und zu einem Agenten namens Cameron Dillinger gebracht, der tatsächlich McKays Platz eingenommen hat. Er spricht offen darüber, dass sein Vorgänger auf der Fahrt zu seiner Wohnung spurlos verschwunden ist. Da ihm die Bundesmarshals wenig weiterhelfen können, lässt er sie - wenn auch nicht ganz ohne Hintergedanken - bald gehen.
Wieder zurück beim Winnebago entdecken Cliff und Judy einen USB-Stick mit einem Video, das offenbar die Entführung von McKay zeigt, und sind mittendrin in ihrem nächsten Fall ...


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Seitenzahl: 144

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Inhalt

Cover

Free PSI

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Rafael Marques

Free PSI

Unbekannter Ort, unterhalb von Manhattan

New York, 23. November 2023, 23:22 Uhr

Der Scheinwerfer riss ihn ins Leben zurück!

Selbst durch seine Augenlider hindurch brannte sich das grelle Licht in seine Netzhaut. Etwas in seinem Kopf schien zu explodieren, als hätte jemand einen Laserstrahl auf seine Großhirnrinde abgefeuert. Sein Geist war noch immer eingetrübt, sei‍ne Bewegungen matt und behäbig, de‍n‍n‍o‍ch folgte er einem Urinstinkt und öffnete die Augen.

Schon im nächsten Moment bereute er seine unbedachte Reaktion. Der gleißende Schein blendete ihn so sehr, dass er nur noch bunte Figuren über die Netzhaut tanzen sah, selbst da, als er die Augen längst wieder ge‍schlossen hatte ...

Er hörte ihr Gemurmel, wie sie miteinander flüsterten und wohl beratschlagten, was sie mit ihm machen sollten. Da er an Händen und Füßen gefesselt war, stellte er ein leichtes Opfer dar. Der Mann, der die Stimmen seiner Peiniger hörte, zeigte keine Reaktion, weder Angst noch Wut. Er war darauf trainiert, seine Emotionen herunterzuschlucken, und genau das tat er auch in dieser Situation. So leicht ließ sich ein Jeremy McKay nicht aus der Reserve locken ...

Anderen Menschen wäre in einer solchen Situation ein Film vor dem geistigen Auge abgelaufen. Die Sorge um das eigene Leben hätte bei ihnen dazu geführt, selbiges noch einmal Revue passieren zu lassen. Bei ihm wären das wohl Erinnerungen an seine Kindheit und seinen Freund Boy-Boy gewesen, an die von ihm selbst initiierte Trennung seiner Eltern und jene lebensverändernde Wanderung durch die Rockies, die letztendlich den Startpunkt für seine Karriere bei der NSA gebildet hatte. Doch er war kein normaler Mensch, das sagten ihm zumindest einige Kollegen nach, die ihm schon einmal gegenübergetreten waren und von seiner perfekten Contenance und der wechselnden Farbe seiner Pupillen irritiert, ja geradezu geängstigt wurden. Deshalb kamen auch derartige Gedanken gar nicht erst in ihm auf.

Ohne einen Laut von sich zu geben, wartete er ab und analysierte gleichzeitig die Situation. Ihm fehlten Erinnerungen, entscheidende Minuten und vielleicht sogar auch Stunden, die erklärten, wie er von seinem in Fort Meade geparkten Wagen an diesen kühlen und zugleich auch feuchten Ort geraten war. Die Luft roch nicht rein, sondern eher, als stamme sie aus einer Klimaanlage oder einem anderen Belüftungsgerät, zudem war sie von Rost- und anderen Metallnoten belastet. Da er keinerlei Luftzug wahrnahm, legte das den Schluss nahe, dass er sich in einem künstlich angelegten Bereich unter der Erde befand, was auch das grelle Scheinwerferlicht und die leisen Echos der immer wieder ertönenden Flüsterstimmen erklärt hätte. Möglicherweise handelte es sich um ein Labor, eine Psychiatrie, einen Bunker oder ein Gefängnis. Die Varianten waren so vielfältig, dass ihn weitere Spekulationen nicht weiterbrachten.

Noch einmal dachte er daran zurück, was vor seiner Erinnerungslücke geschehen war. Da war dieses Treffen mit den anderen Abteilungsleitern gewesen, reine Zeitverschwendung, die von höherer Stelle angeordnet worden war, um Grundlagen für Synergieeffekte innerhalb der NSA auszuloten. Die Tatsache, dass sein Bereich eigentlich autark agierte, schien einigen höhergestellten Persönlichkeiten nicht zu schmecken. Heiße Luft – etwas anderes fiel ihm zu dieser Konferenz nicht ein, zumal die Gespräche mehr als nur inhaltsleer gewesen waren. Arrogante Karriereagenten wie dieser Cameron Dillinger konnten ihm gut und gerne gestohlen bleiben, McKay verließ sich lieber auf seine handverlesenen Leute wie Sam Powell. Sein Bereich war nicht ohne Grund von all den anderen innerhalb der NSA getrennt und erforderte eine höhere Sicherheitsfreigabe. Über was hätte er also mit seinen Kollegen reden sollen?

Danach war der Tag noch nicht vorbei gewesen. Er hatte sich von Sam Powell über den aktuellen Stand diverser Projekte informieren lassen, allen voran natürlich ›Pandoras Box‹, das seit dem Auftauchen des mysteriösen Würfels und der spektakulären Flucht von Professor Al-Hadary einiges an Schwung aufgenommen hatte1. Seine Kontaktperson, Dr. Wilkes, würde ihn weiterhin auf dem Laufenden halten. Daneben lag das Projekt ›Romero‹ nach der kurzfristigen Evakuierung des Stützpunktes nahe Gareth Falls vorerst auf Eis, obwohl durchaus großes Interesse an einer Fortführung bestand2. Allein das Budget sprengte alle zur Verfügung stehenden Dimensionen. Neben der Sache mit den Delfinen gab es da noch das Projekt PSI-Pilot, kurz PP genannt, das nach dem aufwendigen Neuaufbau der Anlagen in Mount Vernon und hoffentlich erfolgreichen Training, dem Joshua Lee gerade unterzogen wurde, bald einen Neustart versuchen würde.

Gut, daran erinnerte er sich also noch. Anschließend war er in seinen Wagen gestiegen, der – mehr oder weniger unauffällig – stets von einem zweiten Fahrzeug verfolgt und unter Beobachtung gehalten wurde. Er hatte wohl das Gelände verlassen, war sicher über die einsame Landstraße gefahren und ...

Von da an fehlte ihm jegliche Erinnerung. Immerhin war er der Wahrheit schon einmal einige Minuten näher gekommen als noch in dem Moment, als er erwacht war. Alles andere wurde von einem grellen Licht überlagert, ähnlich jenem, das man gerade jetzt auf sein Gesicht richtete. Schön und gut, man hatte ihn also entführt, aber was war mit seinen Leibwächtern geschehen? Waren sie diesen Leuten auch zum Opfer gefallen? Es existierten genug Feinde, die über Leichen gehen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen, da musste er nur an die mysteriösen Grauen denken und jene, die hinter ihnen standen. Aber hätten sie sich auf diese Art direkt vor ihm unterhalten, in der steten Gefahr, dass es ihm gelang, einige Wortfetzen aufzufangen?

Selbst wenn McKay sich noch so sehr das Hirn zermarterte, er trat auf der Stelle. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf seine jetzige Situation zu konzentrieren. Er stand aufrecht und war an Händen und Füßen gefesselt. Einzeln, nicht Hand an Hand oder Fuß an Fuß, was ihn an eine Art Streckbank denken ließ. Kaltes Metall drückte auf seine Gelenke, er tippte auf Handschellen. Aus alter Gewohnheit trug er immer einen entsprechenden Schlüssel bei sich, eingenäht im rechten Ärmel seines Anzugs, nur vermutete er längst, dass er nicht mehr seine normale Kleidung trug. Nackt war er allerdings nicht, sonst hätte ihn die hier vorherrschende Kälte weitaus stärker angegriffen.

Jemand drehte den Scheinwerfer von ihm weg, sodass sich vor seinen geschlossenen Lidern lediglich ein nicht identifizierbares Zwielicht abzeichnete. Etwa eine Minute lang wartete er darauf, dass etwas geschah, und als er immer noch nichts von seinen Entführern hörte, öffnete er die Augen.

Es dauerte nicht lange, bis sich der NSA-Agent an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatte. Zumindest sah er sich in seiner Vermutung bezüglich seines Aufenthaltsortes bestätigt. Den kahlen, von Metall geprägten Wänden und den teilweise verrosteten Rohren nach zu urteilen, handelte es sich wohl wirklich um eine Art Bunker oder einen Teil eines Kanalisationssystems.

Sicher nicht ganz zufällig hatte man seinen Blick auf eine offen stehende Tür gerichtet, die in so etwas wie eine Druckkammer oder einen Sicherheitsraum führte. In der offenen Tür, eingerahmt von diversen Rohren und Leitungen, hockte eine düstere Gestalt, entweder ein Mann oder eine maskuline Frau in einem dunkelbraunen Hemd, einer hellbraunen Hose und Springerstiefeln. Der Kopf war für ihn nicht zu erkennen, nicht einmal die Haare, da die Person eine leuchtend rote Brille trug. Eine perfekte Methode, die Identität zu verschleiern, das musste McKay zugeben.

Er kannte die Spielregeln nur zu gut: Nichts von dir selbst preisgeben, abwarten, bis die andere Seite reagierte, um mit deren Nervosität zu spielen. Wer den ersten Schritt machte, war meist der psychisch Unterlegene. Deshalb stand er einfach nur da, beobachtete den Unbekannten und ließ die Zeit verstreichen.

»Jeremy McKay«, sprach ihn die Gestalt mit einer leicht verzerrten, wenngleich eindeutig männlichen Stimme an.

Der Angesprochene sagte nichts, wartete weiterhin nur ab. Aus den Augenwinkeln nahm er weitere Schattenrisse wahr, die von dem zur Seite gedrehten Licht des in Kopfhöhe stehenden Scheinwerfers aus der Dunkelheit gerissen wurden. Sie schienen ebenfalls auf Zeit zu spielen und dem Kerl mit der Brille das Feld überlassen zu wollen.

Sein Instinkt sagte ihm, dass er keinen wirklichen Profis gegenüberstand, sondern lediglich Mitgliedern einer Gruppe, die sich für mehr hielten, als sie tatsächlich waren. Niemand, der ihn kannte oder vor der Entführung eingehend analysiert hatte, hätte ernsthaft angenommen, ihn mit derart billigen Tricks zum Reden bringen zu können. Andererseits war es diesem Personenkreis gelungen, ihn zu entführen und seine Leibwächter auszuschalten. Etwas passte da nicht so ganz zusammen.

»Wollen Sie nicht wissen, warum Sie hier sind?«, sprach ihn der Mann mit der leuchtenden Brille erneut an. Dabei richtete er sich auf, krampfte seine Hände zusammen und kam langsamen Schrittes auf den NSA-Abteilungsleiter zu. Auch die beiden anderen Gestalten, die ihre Gesichter mit Skimasken verdeckten, verließen ihre Positionen und schlossen sich dem Wortführer an.

McKay erkannte eine Frau mit langen, wasserstoffblonden Haaren sowie einen leicht übergewichtigen Mann, der so etwas wie einen Elektroschocker in der Hand hielt. Erneut blieb er ihnen eine Antwort schuldig. Es lag auf der Hand, dass er sich nicht spielerisch leicht aus den Fesseln befreien und seine Entführer mit wenigen Handgriffen ausschalten würde. Sie mochten keine ausgemachten Profis sein, aber sie waren immerhin schlau genug, ihn nicht zu unterschätzen.

Der Mann mit der rot leuchtenden Brille legte seinen Begleitern seine Hände auf die Schultern, was sie dazu brachte, in der Bewegung zu verharren. Er wollte die Führung übernehmen, nicht nur verbal, sondern auch physisch. Man ließ ihn gewähren, sodass der Unbekannte immer näher kam und sich schließlich wenige Meter von McKay entfernt aufbaute.

»Wir werden noch sehr viel Zeit miteinander verbringen, dann werden Sie uns schon die Antworten geben, die wir uns von Ihnen erwarten.«

Zum ersten Mal zeigte Jeremy McKay eine Reaktion, indem seine Mundwinkel leicht zuckten. Es stellte die Andeutung eines Lächelns da, seine Antwort auf die unterschwellige Drohung, ihn notfalls auch zu foltern oder andere, noch nicht greifbare Dinge mit ihm anzustellen.

Ein weiteres Mal ergriff der Mann mit der Brille das Wort. »Sie wollen sicher wissen, was wir von Ihnen wollen, nicht wahr?«, glaubte er, die Gedanken des NSA-Agenten erraten zu können. »Ich werde es Ihnen sagen: Wir wollen von Ihnen alle Verstecke erfahren, in denen Sie und Ihre Organisation PSI-Begabte gefangen halten.«

Nahe ›Buchanhans‹ Farm

Mount Vernon, Virginia, 30. November 2023, 14:22 Uhr

Der Mann, der mit stoischer Miene im Fond der Limousine saß und beiläufig die Landschaft betrachtete, war nur noch eine menschliche Hülle. Das, was er in den vergangenen Wochen und Monaten durchmachen musste, wurde von seinen Betreuern stets als Training bezeichnet, mit Lernplänen, Aufbauprogrammen, Tests und kosmetischen Operationen.

In der Anfangszeit hatte er noch verzweifelt versucht, sich gegen all das zur Wehr zu setzen, was ihm bevorstand, doch mit der Zeit war ihm die Aussichtslosigkeit seiner Situation drastisch vor Augen geführt worden. Sein bröckelnder Widerstand und die physischen wie psychischen Folgen dessen, was er durchmachen musste, trugen ihr Übriges dazu bei, dass er sich inzwischen wie ein Roboter fühlte.

Man hatte ihn reprogrammiert. Aus dem ehemaligen U.S. Army-Captain Joshua Lee, dem Leiter einer speziellen Reconnaissance-Einheit, der später als freischaffender Soldat oder Söldner für die NSA und speziell Jeremy McKay gearbeitet hatte, war ein williger Sklave dessen geworden, was auch immer ihm bevorstand. Die Erinnerungen an sein einsames Leben, seine Schuldgefühle angesichts des frühen Todes seines Bruders, die schwierige Beziehung zu seinem in einem Heim lebenden Vater sowie sein Verrat an der NSA und die Kontaktaufnahme mit einem gewissen Senator Campbell existierten quasi nicht mehr, sie waren lediglich noch als trübe Schattenrisse vorhanden, mit denen er nichts anzufangen wusste.

Schon seit Stunden transportierte ihn der kleine Convoy durch einsame Hügel und Wälder und vorbei an abgelegenen Farmen, bei denen die Zeit seit hundert Jahren stillzustehen schien. Manche Traktoren sahen aus, als gehörten sie eigentlich in ein Museum. Und auch die Männer und Frauen, die in sein Blickfeld gerieten, gehörten selten zur jüngeren Generation. In der nahen Großstadt verdiente man natürlich viel mehr Geld, und wer blieb, musste harte Arbeit akzeptieren, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Mehrmals durchquerten sie beeindruckende Canyons, die jahrtausendelang durch tosende Wasserläufe, tektonische Verschiebungen und starke Winde in das Gelände gegraben worden waren. Hier, in der Tiefe, war es so einsam, dass ihnen über dutzende Kilometer nicht eine Menschenseele begegnete.

Keiner seiner Begleiter sagte ein Wort. Drei Männer und eine Frau saßen mit ihm im Wagen und ließen ihn nie ganz aus den Augen. Joshua war nicht nur ein wichtiger Proband, in den die Wissenschaftler sehr große Hoffnungen setzten, sondern auch ein Sicherheitsrisiko. So perfekt sein Training auch verlaufen und so außerordentlich seine Werte auch ausgefallen sein mochten, niemand war in der Lage, einen Blick in seine Gedankenwelt zu werfen und zu überprüfen, ob alles, was er von sich gab, wirklich der Wahrheit entsprach. Lügendetektoren, an die man ihn immer wieder anschloss, ließen sich austricksen, wenn man verstand, seinen Herzschlag zu kontrollieren – und genau so etwas beinhalteten auch einige der Untersuchungen, denen man ihn unterzogen hatte. Also entschied man sich offenbar dafür, Sicherheit vor Vertrauen walten zu lassen.

Joshua saß in der mittleren der drei Limousinen, die in den nächsten Sekunden ihr Tempo merklich drosselten, um in einen deutlich schmaleren Feldweg einzubiegen. Ohne die zahlreichen Warn- und Verbotsschilder wäre der Kies- und Sandweg weit weniger auffällig gewesen, so keimte sicher auch in allen unbedarften Autofahrern der Verdacht, dass sich am Ende dieser Strecke ein wichtiges, womöglich streng geheimes Bauwerk befand.

Wenn er erwartet hatte, dass die Fahrt bald ihr Ende fand, sah er sich getäuscht. Noch einmal fuhren sie eine halbe Stunde über die von Schlaglöchern und Wildwuchs geprägte Strecke, bis sie ein von mehreren Zäunen und zwei Wachhäuschen gesichertes Gelände erreichten. Eine Farm hatte man ihm angekündigt, doch was er zu Gesicht bekam, war eher mit einem modernen Ärztezentrum vergleichbar. Inmitten einer recht engen Schlucht erhob sich ein strahlend weiß angestrichenes, zweistöckiges Gebäude mit verspiegelten Glasfenstern. Daneben befand sich noch eine hohe Lagerhalle mit mehreren Rolltoren, deren Zweck sich ihm noch nicht ganz erschloss.

Die insgesamt vier Wachmänner ließen sie passieren, und obwohl die Fenster der Limousine abgedunkelt waren, glaubte Joshua, ihre misstrauischen Blicke auf sich lasten zu spüren. Er hatte keine Freunde hier, niemanden, der ihm wirklich vertraute oder an die Hand nehmen würde, wenn er versagte. Sein einziger Lebenszweck bestand darin, zu funktionieren, und genau das würde er auch tun.

Die drei Fahrzeuge rollten auf einem asphaltierten Platz aus, von dem aus sich ein eindrucksvoller Blick über ein Tal bot. Abgesehen von der unwegsamen Straße, war dieser Ort eine Oase für die heimische Flora und Fauna.

Ein Ort, an dem dich niemand schreien hört, flüsterte ihm plötzlich eine Stimme zu, als hätte sich einer der Agenten an seine Seite gelehnt und ihm diese Worte ins Ohr gehaucht. Tatsächlich waren sie bereits ausgestiegen und zeigten sich verwundert, dass er ihnen nicht folgte. Um keinen weiteren Verdacht zu erregen, schnallte er sich los und begab sich zu seinen Bewachern nach draußen.

Vor dem an ein Krankenhaus erinnernden Bau erwarteten ihn nicht nur eine kühle, spätherbstliche Luft und ein aus abgefallenen Blättern bestehender Luftwirbel, sondern auch eine Gruppe von Männern und Frauen, die die sogenannte Farm verlassen hatte, um ihn in Empfang zu nehmen. Die meisten trugen weiße Ärztekittel, manche waren sogar mit Elektroschockern bewaffnet, nur eine Person trug wie Joshuas Begleiter einen schwarzen Anzug. Der Mann war hochgewachsen und breitschultrig, eine wahre Kampfmaschine, wenn es sich bei ihm nicht um einen Agenten der NSA gehandelt hätte.

Sam Powell nickte ihm mit einem zufriedenen Lächeln zu. Es war ein Gruß unter zwei Bekannten, denn dies stellte nicht ihre erste Begegnung dar. Dieser Mann war dafür verantwortlich, dass Joshua überhaupt erst in die Gewalt der NSA geraten war – durch ein Intrigenspiel, das sein Vorgesetzter Jeremy McKay als Feldversuch bezeichnet hatte. Mittels eines mit PSI-Kräften aufgeladenen Totenschädels und durch die Unterstützung seines einstigen Ausbilders und späteren Todfeindes Will Travers hatte die NSA Joshuas PSI-Fähigkeiten testen wollen. Seit seiner Kindheit besaß er die Gabe, in besonderen Gefahrensituationen kurze Blicke in die nahe Zukunft zu werfen. Durch die Ausstrahlung des Schädels waren diese Fähigkeiten um ein Vielfaches potenziert worden und hatten ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben. Und nicht nur das, beinahe wäre er auch von Travers getötet worden3.

Die Wunden waren inzwischen glücklicherweise verheilt. Über die exzellente medizinische Versorgung, die Joshua zuteilgeworden war, konnte er sich jedenfalls nicht beschweren. Nur noch einige Narben erinnerten ihn an seinen letzten Kampf, der so etwas wie das finale Kapitel seines alten, freien Lebens darstellte. Erst durch die Verletzungen war Powell überhaupt in der Lage gewesen, ihn mit Leichtigkeit zu überwältigen. Und nun sahen sie sich wieder, diesmal nicht als Feinde, sondern gewissermaßen sogar als Kollegen und Verbündete, obwohl dieser Vergleich weit hergeholt war.

»Sie erinnern sich an mich, Captain Lee?«, fragte Powell ohne einen Hauch von Hohn und Arroganz. Offenbar wollte er von Beginn an einen respektvollen Umgang mit ihm pflegen, zumindest, um den Schein zu wahren. Joshua nahm es hin, mit einer Gleichgültigkeit, die ihm früher einen Schauder über den Rücken gejagt hätte.

»Ja, ich weiß noch, wer Sie sind.«

»Sind Sie wütend auf mich?«

»Nein.«