Die UFO-AKTEN 75 - Rafael Marques - E-Book

Die UFO-AKTEN 75 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Judy Davenport erwacht nach längerer Bewusstlosigkeit in einem sterilen, hell erleuchteten Raum mit Metallwänden. Erinnerungen an die letzten Tage oder wie sie dorthin gelangt ist, hat sie keine. Überdies denkt sie, sie sei noch immer Polizeipsychologin in Houston und mit Paul Batista liiert. Doch als sie versucht, sich Pauls Gesicht vorzustellen, wird es plötzlich vom Antlitz eines anderen, ihr fremden Mannes überlagert.
Zur selben Zeit kommt auch Cliff zu sich. Er befindet sich im Superior National Forest, genauer gesagt am Ima Lake, den Judy und er bereits vor einigen Monaten schon einmal besucht hatten, um das Verschwinden verschiedener Menschen aufzuklären. Als er sich nun so umsieht, entdeckt er plötzlich mehrere Leichen und erinnert sich wieder an die dramatischen Ereignisse, die sich hier zugetragen haben ...

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Am Ende aller Tage

Impressum

Rafael Marques

Am Endealler Tage

Unbekannter Ort

26. Juli 2024, 21:39 Uhr

Als sie die Augen aufschlug, glaubte sie im ersten Moment, erblinden zu müssen. Alles war so grell und gleißend, als würde sie sich mitten durch die Strahlen der Sonne bewegen. Nur die unbarmherzige Hitze fehlte, die ihren Körper innerhalb weniger Sekundenbruchteile zum Schmelzen gebracht hätte.

Dieses Gedankenspiel zerfaserte, als ihr langsam bewusst wurde, dass sie noch lebte. Immerhin atmete sie, spürte den sanften Druck der Kleidung auf ihrer Haut und auch eine gewisse Neugier, als sich ihr Blick nach und nach zu klären begann.

Sie befand sich gerade in einem Raum, dessen Wände und Boden vollständig aus fugenlosem Metall bestanden ...

Das Licht, das aus einer unbekannten Quelle an diesen Ort drang, wurde von diesem Material dutzendfach reflektiert, weshalb sich ihre Augen nur schwer an die neue Umgebung gewöhnten.

Neue Umgebung?

Sie versuchte, sich zu erinnern. An alles, was geschehen war, bevor man sie in diesen seltsamen Raum gebracht hatte. So sehr sie sich auch bemühte, ihr fiel allerdings nichts weiter ein als ihr Name: Judith Sabitha Davenport.

Wer bin ich?

Eine einfache Frage, trotzdem fiel es ihrem Bewusstsein unglaublich schwer, sie zu beantworten. Minuten schienen wie in Zeitlupe zu vergehen und sich in der Ewigkeit zu verlieren, während sie immer verzweifelter nach ihren Erinnerungen zu suchen begann. Sie schluchzte sogar, presste sich die zu Fäusten geballten Hände gegen den Kopf und schrie ihren geistigen Schmerz heraus.

Warum? Warum erinnere ich mich nicht?

»Lieutenant Davenport.«

Wessen Stimme sie da gerade vernahm, blieb ihr ein Rätsel. Es war, als wäre eine körperlose Erscheinung an ihre Seite getreten und hätte ihr diese Worte ins Ohr geflüstert. Vielleicht handelte es sich auch um eine schemenhafte Erinnerung, einen Fetzen aus ihrer Vergangenheit, den sie vergeblich festzuhalten versuchte. Er verblasste allerdings schneller, als sie in der Lage war, dessen Existenz zu begreifen.

»Judy.«

Dass sie plötzlich lächeln musste, verunsicherte sie noch mehr. Besonders, weil es sie insgeheim mit Schmerz erfüllte. Die Qualen einer bis jetzt vorherrschenden Liebe, zerbrochen in tausend Scherben, die sich nie wieder zusammenfügen ließen. Diesmal erinnerte sie sich zumindest an einen Namen: Paul Batista. Ein breitschultriger Mann mit vollen, dunklen Haaren und braungebrannter Haut, nur sein Gesicht wollte ihr nicht mehr in den Sinn kommen.

Sie betrachtete ihre Hände. Sie waren zart und schmal, nicht von harter, körperlicher Arbeit zerschunden. Ihre Waffe war der Verstand, besser gesagt die messerscharfen Analysen der menschlichen Psyche, zu denen sie dank eines Psychologiestudiums und ihrer langjährigen Praxiserfahrung in der Lage war.

Ihre Finger zuckten. Sie glaubte, Fragmente ihrer Existenz wie Scherben von der Decke regnen zu sehen. Verzweifelt versuchte sie, sie aufzufangen, fest zu umschließen und in ihr Herz oder ihren Kopf zu führen, um endlich zu erfahren, wer sie war und warum sie nicht verstand, wie sie in diese Situation geraten war.

Präzise wie ein Uhrwerk, nein, eher wie ein Computer, sammelte sie vor ihrem geistigen Auge die Fakten, die nach und nach ihr Bewusstsein füllten.

Judith Sabitha Davenport.

Zwölf Semester Psychologiestudium.

Arbeitet beim Houston Police Department als Polizeipsychologin.

Name des Freundes: Paul Batista. Arbeitet für die NASA.

Jetzt erinnerte sie sich auch daran, dass es seine Stimme gewesen war, die sie ›Judy‹ genannt hatte. Das war also ihr Name, mit dem sie jeder ansprach, der sie gut kannte. Nur, warum verspürte sie einen Stich ins Herz, wenn sie an Paul dachte? Sie führten immerhin eine glückliche Beziehung, wenngleich ihre Berufe es oft nicht zuließen, dass sie sich regelmäßig trafen. Doch ihr war das eigentlich nur recht, denn so konnte sie sich nämlich weiterhin ihre Unabhängigkeit bewahren. Trotzdem wünschte sie sich manchmal, dass sich aus dieser Beziehung noch etwas mehr entwickelte. Und weil dies bisher nicht geschehen war, spürte sie diesen Stachel in ihrem Herzen ... oder? War das nicht eine einleuchtende Erklärung? Und wenn ja, warum erinnerte sie sich dann nicht an sein Gesicht?

Plötzlich fiel es ihr wieder ein. Schlanke Züge, dunkelbraunes Haar, graue Augen und eine hübsche Nase, der man immer noch ansah, dass sie vor sehr langer Zeit einmal gebrochen gewesen war. Das war ... nicht Paul!

Ein stummer Schrei hallte durch ihren Kopf. Sie hatte sich erinnern wollen, geglaubt, einen Teilsieg errungen zu haben, doch stattdessen wurde ihr schnell bewusst, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmte. Das Gesicht passte nicht, denn Paul hatte schwarze Haare. Warum erinnerte sie sich dann an diese fremden Züge, ohne dass es ihr gelang, diesen einen Namen zuzuordnen?

Ihre Gedanken verwischten, als ein bizarres, kaum in Worte zu fassendes Geräusch an ihre Ohren drang. Sie assoziierte es mit Fingernägeln, die jemand in der Schule über die Tafel schleifen ließ. Die Laute gingen ihr durch Mark und Bein, ließen sie erschaudern und erschrocken aufblicken.

Als würde jemand ein magisches Messer durch Metall ziehen, schnitt eine unsichtbare Kraft eine rechteckige Form in die Wand, woraufhin Funken aus der so entstehenden Öffnung stoben. Nach wenigen Sekunden bildete sich so eine Form heraus, bei der es sich wohl um eine Tür handelte. Statt nach innen oder außen zu schwingen, löste sie sich einfach auf.

Judy sah sich nun erneut mit einem gleißenden Licht konfrontiert, das sie zwar blendete, dessen Kraft sie sich aber dennoch nicht entziehen konnte. Es war, als würden die Strahlen ihre Pupillen bannen und dazu zwingen, mitten in diesen unbarmherzig ihre Netzhaut verbrennenden Schein hineinzustarren.

Zunächst glaubte sie an ein Trugbild oder eine Illusion, als sie in dem Licht eine Bewegung ausmachte.

Eine schlanke, durchsichtige Gestalt, die sie um mindestens einen Kopf überragte, streckte ihre Hände nach ihr aus und griff nach ihrem Kopf.

Sie wollte schreien, sich wehren oder zumindest etwas sagen, nur blieb ihr jeder erdenkliche Laut im Halse stecken.

Etwas berührte ihre Stirn, und nur Sekundenbruchteile später verlor sie das Bewusstsein.

Nordwestufer des Ima Lakes

Superior National Forest, Minnesota, 26. Juli 2024, 21:50 Uhr

Mit einem leisen Seufzer rollte sich Cliff Conroy zur Seite. Sein Kopf fühlte sich an, als hätte jemand eine Abrissbirne durch sein Gehirn rotieren lassen, entsprechend glaubte er auch, er würde bei jeder weiteren Bewegung zerbrechen. Natürlich war das nicht der Grund für seinen Zustand, etwas anderes musste dazu geführt haben, dass er hier am Boden lag und darum kämpfte, nicht erneut das Bewusstsein zu verlieren.

Sein Wille, sich wieder aufzurichten, galt nicht allein seinem Wohlergehen. Vielmehr als an sich selbst, dachte er an seine Partnerin Judy. Nach und nach kehrten die Erinnerungen zurück und damit auch sein unbedingter Wille, sie mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu retten. Niemals würde er sie aufgeben, koste es, was es wolle. Nicht, nachdem sie so viele Abenteuer erlebt und wie durch ein Wunder auch überlebt hatten.

Erst nach einigen Minuten waren seine Sinne so weit wiederhergestellt, dass er in der Lage war, langsam die Augen zu öffnen. Die letzte Helligkeit des Tages kämpfte gerade aussichtslos gegen die über das Land hereinfallende Nacht, wenngleich keine Sonnenstrahlen mehr über den mit Gras bewachsenen Boden strichen. Vor einigen Monaten war er schon einmal hier gewesen, als dieser Ort unter einer dicken Schneedecke begraben gelegen hatte. Dass er sich nun von Gräsern und Blüten umgeben sah, zeigte wieder einmal, wie wandlungsfähig die Natur im Laufe der Jahreszeiten war.

»Judy ...«

Cliffs Kopf ruhte auf dem Boden. Mit einer müden Bewegung drückte er die Grashalme zur Seite, die sein Blickfeld einschränkten. Etwas gefror in seinem Inneren, als er einen nur knapp einen Meter neben ihm liegenden, leblosen Körper entdeckte. Er gehörte nicht seiner Partnerin, sondern einem Mann, in dessen Stirn sich ein hässliches Loch abzeichnete, aus dem weiterhin Blut floss. Dessen Tod konnte also nur wenige Minuten zurückliegen.

»Verdammt nochmal«, murmelte er, schloss die Augen und rollte sich auf den Rücken. Inzwischen erinnerte er sich auch wieder, wie dieser Mann gestorben war und dass es gar nicht sein konnte, Judy neben sich liegend zu finden. Sie war nämlich vor seinen Augen verschwunden, und dass er noch lebte, glich einem Wunder. Nach allem, was geschehen war, hätte er eigentlich genauso enden müssen wie der ganz in Schwarz gekleidete Mann neben ihm, der selbst im Tod noch die Maschinenpistole fest umklammert hielt.

Als er die Augen wieder öffnete, starrte er in Richtung Himmel. Wolkenfrei war dieser, blau, mit einem Stich ins Rötliche, da die Sonne nun endgültig hinter den Wipfeln der Tannen versank. Auch sonst entdeckte er keine fremden Objekte, die sich über ihn hinwegbewegten. Damit zerbrach auch seine letzte Hoffnung, dass sich Judy noch in der Nähe befand.

Noch während er sich in die Hocke wuchtete, wurde sein Kopf von Erinnerungen an die vergangenen Ereignisse überflutet.

Mimis Diner

Ely, Minnesota, 26. Juli 2024, 20:02 Uhr

Cliff seufzte, als er sich über den Bauch rieb. »Ein wenig schade ist es schon, dass wir dieses Lokal bei unserem ersten Besuch in Ely völlig übersehen haben. Sonst hätte ich mich viel mehr über diese Reise gefreut.«

»Ich habe das Schild gesehen, aber wenn ich mich richtig erinnere, hatten wir damals ganz anderes im Sinn, als Steaks zu verputzen«, warf Judy ein, die ebenso wie er mehr als nur satt war.

Tatsächlich lag ihr letzter und bis zu diesem Tag einziger Besuch in dem beschaulichen, am Rande des Superior National Forests gelegenen Städtchens Ely etwas mehr als ein halbes Jahr zurück. Kurz vor Weihnachten waren sie – gemeinsam mit Andrej Garbatschow – von Senator Campbell losgeschickt worden, um das rätselhafte Verschwinden mehrerer Wissenschaftler sowie einer Journalistin und eines Privatdetektivs aufzuklären. Beide arbeiteten ebenfalls als Ermittler für die Wächter, wenngleich sie sich in der Informations-Rangfolge wesentlich weiter unten als Cliff und Judy befanden und deshalb nur wussten, dass sie Aufträge für einen mysteriösen Senator ausführten.

Im Laufe ihrer Ermittlungen waren sie schließlich auf eine Anlage außerirdischen Ursprungs gestoßen, die eine Sphäre erzeugen konnte, in der die geisterhaften Essenzen auf der Erde verstorbener Außerirdischer aufgefangen und für alle Zeiten bewahrt wurden. Eine Gruppe Grauer hatte sie wieder in Betrieb genommen, allerdings war die Energieversorgung nach einem Feuer irreversibel zerstört worden. Was mit den Geistern geschehen war, blieb wohl für immer ein Rätsel1.

Jedenfalls waren sie davon ausgegangen, da sie im Anschluss – wie so oft – nichts mehr von dieser geheimnisvollen Sphäre hören würden. Anscheinend war dies ein Trugschluss gewesen, denn am Morgen waren sie von einem von Senator Campbell an sie weitergeleiteten Anruf überrascht worden, in dem sie darüber in Kenntnis gesetzt wurden, dass sich ausgerechnet Jeremy McKay am Ufer des Ima Lakes mit ihnen treffen wollte.

Laut seiner Aussage ging es um neue Erkenntnisse bezüglich der Sphäre, die insbesondere sie beide beträfen. Warum sie dazu noch einmal nach Minnesota reisen sollten, war sein Geheimnis geblieben, und auch der Senator stand angesichts der seltsamen Umstände vor einem Rätsel. Es war nicht unbedingt McKays Art, sie auf diese Art in eine Falle zu locken, dennoch wollte der Gedanke an ebendiese Möglichkeit nicht weichen.

Scheinbar würde ihr neues Leben als Bundesmarshals wohl nie zur Ruhe kommen, wenngleich ihre letzte lange Reise zu diversen Pazifik-Inseln schon ein paar Tage zurücklag.2 Immerhin war es ihnen dabei gelungen, eine Kommunikationsantenne der Außerirdischen sicherzustellen, die sich nun in der Obhut von Campbells Organisation befand. Seitdem waren sie schon in mehreren anderen Fällen tätig gewesen, wenngleich sich am Ende nie ein Bezug zu extraterrestrischen Lebensformen nachweisen ließ. Alles ging eben weiter seinen gewohnten Gang.

Um genau 21:30 Uhr sollten sie sich nun am Ufer des Sees mit McKay treffen. Normalerweise gingen sie dem NSA-Agenten bevorzugt aus dem Weg oder standen sich sogar als Feinde gegenüber. Immerhin war er es auch gewesen, der ihr altes Leben als NASA-Mitarbeiter beziehungsweise Lieutenant beim Houston Police Department durch falsche Anschuldigungen zerstört und sie so zum Untertauchen gezwungen hatte. Ihre Anklagen waren inzwischen längst vom Tisch, dennoch blieb ihnen nichts anderes übrig, als weiter als Bundesmarshals zu arbeiten und Fälle mit paranormalem Hintergrund aufzuklären – nicht nur in den Staaten, sondern inzwischen auch auf der ganzen Welt.

Die Wut über McKays Methoden war nie verraucht, und das würde sich auch bei diesem Treffen nicht ändern. Gleichermaßen sah der Agent auf sie herab und betrachtete sie als lästige Störenfriede, selbst, nachdem sie ihm schon einige Male das Leben gerettet hatten und eine Art Burgfrieden mit dem Senator im Raum stand. Immer wieder zeigte sich allerdings, wie wenig die NSA das Leben von Einzelpersonen wertschätzte und unter dem Vorwand, ein höheres Ziel – wie etwa die Sicherheit der Nation – zu verfolgen, über Leichen ging.

War das auch diesmal McKays Ziel? So sehr Cliff auch darüber nachgrübelte, er fand keine Antwort. Was immer er mit ihnen besprechen wollte, er hätte dies sicher genauso gut am Telefon machen können. Stattdessen mussten sie eine lange Reise mit dem Winnebago in Kauf nehmen, nur um noch einmal zum Ima Lake zu gelangen. Zudem sollten sie unbedingt allein kommen, nicht in Begleitung ihrer Verbündeten, wie etwa Andrej Garbatschow oder Ruth Sekada. Etwas war faul an dieser Einladung, das stand fest, nur würden sie dieses Rätsel nicht ergründen können, wenn sie sich vor dem Treffen drückten.

Im Sommer bot der Superior National Forest ein völlig anderes Bild als noch im schneereichen Winter. Die topfebene Landschaft, die vor vielen Jahrtausenden durch mächtige, sich verschiebende Gletscher gebildet worden war, wies unzählige Seen und Flüsse auf, sodass sie dutzende kleine Brücken auf ihrem Weg überqueren mussten. In der Gegend um Ely fanden sich etliche kleine Lodges, die eigens zur Beherbergung abenteuerlustiger Touristen eingerichtet worden waren. Ein Urlaub in der Wildnis zog nun einmal viele Städter an, zumal die Seen auch zum Eintauchen in das kristallklare, von der prallen Sonne aufgewärmte Wasser einluden.

Wieder einmal wirkte Judy ein wenig verträumt, während Cliff den Winnebago durch das unübersichtliche Wegenetz lenkte. Das klobige, schwere Wohnmobil war für eine derartige Piste nicht wirklich geeignet, trotzdem transportierte es zuverlässig ihre gesamte Ausrüstung, die sie in der Vergangenheit schon viel zu oft zurücklassen mussten. Häufig hatten sie ihn in die Obhut des Senators gegeben, in diesem Fall war dies aus logistischen Gründen nicht möglich gewesen, weshalb sie sich für die naheliegendste Lösung entschieden.

Cliff ahnte bereits, was seiner Partnerin durch den Kopf ging. In letzter Zeit dachte sie öfter an das Haus ihres verstorbenen Großvaters in Hidden Place, Connecticut, zurück. Es lag ebenfalls mitten im Wald an einem kleinen See und bildete so etwas wie einen Zufluchtsort in ihrer von einem unsteten Leben geprägten Kindheit. Als Diplomatentochter musste sie es hinnehmen, dass ihr Vater immer viel auf Reisen gewesen war. Ihre Mutter starb kurz nach der Geburt, woraufhin sie zumeist in Boston aufwuchs, nur um später als Polizistin in Texas zu arbeiten.

Wie oft hatten sie beide nun schon überlegt, zu dieser Hütte zu fahren und dort einige schöne Tage zu verbringen? Obwohl es sich einige Male angeboten hätte, war es nie dazu gekommen. Nur, warum eigentlich nicht? Wollte Judy die magischen Erinnerungen ihrer Kindheit bewahren und nicht mit dem Anblick des mutmaßlich verfallenen und überwachsenen Blockhauses konfrontiert werden? Oder fürchtete sie, dass ein solcher Urlaub an einem traumhaften, für sie persönlich sehr wichtigen Ort ihre Partnerschaft auf eine andere Ebene bringen würde?

Wenn das der Fall war, konnte Cliff ihre Bedenken durchaus nachvollziehen. Auch dafür, statt einer platonisch-freundschaftlichen eine romantische Partnerschaft einzugehen, hätte es in den vergangenen fast drei Jahren einige Gelegenheiten gegeben. Da musste er nur an jenen besonderen Moment während ihres Agenten-Abenteuers in Tschechien denken, als Judy ihn zum Abschied vor einer gefährlichen Konfrontation auf die Lippen geküsst hatte3. Anschließend war dieser Vorfall nie wieder ein Thema zwischen ihnen gewesen, als fürchteten sie beide sich vor den Konsequenzen, die ein echtes Gespräch darüber nach sich ziehen würde. Meist dachte Cliff dann, dass es so besser war, da sie sich im Notfall immer aufeinander verlassen mussten und sonst zu viel Rücksicht genommen hätten.

Fast war er versucht, diese Situation jetzt und hier zu ändern, doch er brachte kein Wort über die Lippen. Eigentlich wusste er nicht einmal, was er sagen sollte oder sich davon überhaupt versprach. Andererseits wurden sie auch nicht jünger, irgendwann würde diese aufregende wie gefährliche gemeinsame Zeit enden, das stand fest. Wobei es wahrscheinlicher war, dass dies gewaltsam geschah und nicht, weil sie merkten, dass ihre Körper nicht mehr mitspielten.

So verstrich die Zeit trotz der bezaubernden Landschaft in betretenem Schweigen. Das gab Cliff die Möglichkeit, sich noch einmal an die Ereignisse im Dezember des vergangenen Jahres zurückzuerinnern. Dabei dachte er auch an die schemenhaften Geistwesen und daran, dass eines von ihnen menschlichen Ursprungs gewesen war. Es gehörte nämlich zu einem gewissen Captain Joshua Lee, der eigentlich für die NSA gearbeitet hatte, sich aber später, aus Angst, zu einem menschlichen Versuchskaninchen zu werden, auf Campbells Seite stellte. Offenbar war er in McKays Gefangenschaft geraten und zu fürchterlichen Experimenten missbraucht worden, bevor er von den Außerirdischen in den Selbstmord getrieben wurde. Anschließend hatte er sich in dieser rätselhaften Sphäre am Ima Lake wiedergefunden. Er war es auch gewesen, dem sie verdankten, heute noch einmal an diesen Ort zurückkehren zu können. Ob sie ihn nun wiedersehen würden?