Die ungewöhnlichen Untersuchungen des Doktor Yao - Ludger Gausepohl - E-Book

Die ungewöhnlichen Untersuchungen des Doktor Yao E-Book

Ludger Gausepohl

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Beschreibung

Die Erzählungen spielen in der Zeit der Ming Dynastie im alten China. Doktor Yao ist ein Arzt der traditionellen chinesischen Medizin, der aber in vieler Hinsicht im Rahmen seiner Zeit ein freier Geist ist und seinen Weg entsprechend seiner persönlichen Philosophie geht. Die erste Geschichte ereignet sich am kaiserlichen Hof in Peking. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Arzt für die weiblichen Angehörigen des Hofs klärt Yao den Mord an einer kaiserlichen Nebenfrau auf. Von Pekin zieht es den Arzt in seine alte Heimat im Süden und so führt der Arzt noch in manchen Kriminalfall seine Untersuchungen durch.

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Seitenzahl: 273

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Die ungewöhnlichen Untersuchungen des

Doktor Yao

Ludger Gausepohl

9 Kurzgeschichten

Die ungewöhnlichen Untersuchungen des Doktor Yao,

9 Kurzgeschichten von Ludger Gausepohl

1. Ausgabe 2015

Überarbeitete Neuausgabe, Berlin 2018

Copyright Text & cover by Ludger Gausepohl

Ludger Gausepohl (geb. 1954) stammt aus Münster und lebt seit 1987 in Berlin. Er war Chemiker, Heilpraktiker und vieles andere. Als Erstes veröffentlichte er die Kurzgeschichten „Die ungewöhnlichen Untersuchungen des Doktor Yao“. Es folgte der Roman: „Die heimliche Liebe der Friedensboten zu Münster“.Aus dem Niederländischen übersetzte er: von Capelle, van de Bovenkamp, „Berlin unter Hitler“ und teilweise von denselben, „Der Berghof“, beide Tosa, 2007

von Bernardus Gewin (Vlerk): „Die Reiseabenteuer des Joachim Polsbroekerwould und seiner Freunde “

Daneben schreibt er einen Reiseblog (Ludgers Reisen) und einen Blog zu verschiedenen Themen (Ludgers Ideen und Träume). Neuestes Buch Ist unter dem Titel „Soziotopia – oder eine andere Wende 1989“ erschienen.

Tod einer kaiserlichen Konkubine

Vor wenigen Tagen hatte Yao Ziyang1 in einer feierlichen Zeremonie der kaiserlichen medizinischen Akademie zu Peking sein Diplom als gelehrter Arzt erhalten.

Wegen seiner hervorragenden Kenntnisse der medizinischen Klassiker hatte ein hoher Beamter des Hofes ihm angeboten, an der Neuherausgabe eines grundlegenden Werkes der Heilkunde2 mitzuwirken. Daneben sollte er eine Stelle als Arzt für die zahlreichen kaiserlichen Hofdamen und niederen Nebenfrauen versehen. Da er noch unentschlossen über seinen weiteren Weg war, stimmte der junge Arzt zu.

Der zierliche junge Mann mit feinen Gesichtszügen war äußerst wissensdurstig. Er hoffte auf eine Anstellung, die es ihm ermöglichte, seine Kenntnisse zu erweitern und Menschen zu helfen. Es war ihm aber klar, dass diese Position für seine Ziele nur eine vorübergehende Lösung war. Er hatte schon gehört, dass es in der Verbotenen Stadt, den Palästen des Kaisers und seines Hofstaats wenig Bewegungsfreiheit gab. Man hatte sich einer strengen Hofetikette zu unterwerfen. Aber andererseits gab es kaum Stellen, bei denen er sich auch so intensiv der Fachliteratur widmen und erste berufliche Fertigkeiten sammeln konnte. Nur wenige adelige oder sehr reiche Familien stellten einen eigenen Arzt ein. Krankenhäuser gab es nicht und ansonsten hätte er nur die Möglichkeit gehabt, sich selbständig niederzulassen. Dazu fehlten ihm aber noch Erfahrung und Geld.

Die meisten kaiserlichen Beamten und Bediensteten arbeiteten im äußeren Teil der Verbotenen Stadt. Im inneren Teil, in dem die kaiserliche Familie und der Hofstaat lebte, hatten im Allgemeinen neben den Majestäten und hohen Würdenträgern nur weibliche Bedienstete und Eunuche Zutritt.

Nachdem Yao seine Stelle angetreten hatte, bekam er ein Zimmer im Haus der niederen Beamten zugewiesen. Dieses lag am äußeren Ring der roten Mauern der Verbotenen Stadt. Er konnte die kaiserliche Stadt wohl verlassen, stand aber ständig unter der Kontrolle seiner Vorgesetzten. Wenn er einen oft ermüdenden Tag mit seinen Kräuterstudien oder mit Behandlungen von Hofdamen hinter sich gebracht hatte, begab er sich öfters abends in ein kleines Teehaus außerhalb der kaiserlichen Mauern. Dort traf er Freunde, die er am Hof oder während seiner Studien kennen gelernt hatte. Unter ihnen war auch der kleine Beamte Song, den er häufiger in der kaiserlichen Bibliothek traf und mit dem er sich im Laufe der Zeit angefreundet hatte. Song hatte das Ziel, die Beamtenleiter hinaufzusteigen und studierte fleißig die Klassiker, um die nächst höheren Prüfungen zu bestehen. Im Teehaus besprachen sie die Vorfälle des Tages sowie philosophische Fragen und die Lage am kaiserlichen Hof. Neben dem Studium der Heilpflanzen anhand der vorhandenen Literatur in der kaiserlichen Bibliothek besuchte Yao mehrere Male pro Woche am Vormittag die kaiserlichen Damen. Da diese ein oft recht eintöniges Leben führten und nur äußerst selten die Gunst hatten, mit seiner himmlischen Majestät zusammen zu sein oder andere Verpflichtungen auszuführen hatten, verspürten sie oft das Bedürfnis nach Abwechslung und dazu gehörte auch der Besuch des jungen Arztes. Doktor Yao wurde dann von einem Eunuchen zum Palast des fortgesetzten Glücks, dem Wohnsitz der Damen, geführt. Dort saß dann in einem kleineren Saal hinter einem Vorhang die betreffende Hofdame, deren Schatten das einzige war, was der Arzt normalerweise zu sehen bekam. Die jeweilige Patientin klagte dann über dieses oder jenes Leiden. Um genauere Kenntnis über den Gesundheitszustand der Konkubine oder der höheren Hofdame zu erfahren, war es dem Doktor nur erlaubt, Fragen über den Ort von Schmerzen zu stellen. Die Dame zeigte dann diesen auf einer Porzellanfigur, die dann von einem der Eunuchen zum Arzt gebracht wurde. Der wiederum zeigte dem Arzt, welche Stelle, sie angegeben hatte. Dann reichte die Nebenfrau3 ihren Arm durch den Vorhang und der Doktor durfte den Puls der Dame prüfen. Dieser war somit sein wichtigstes und präzisestes Untersuchungsinstrument. Fast täglich musste der Yao in diese Halle kommen, um einer oder mehreren Hofdamen und Nebenfrauen Kräutermischungen oder Pillen zu verschreiben. Meistens waren es sanft wirkende Mittel, die süß schmeckten oder die die Stimmung etwas verbesserten. Die Damen litten hauptsächlich unter Langeweile, aber auch oft unter melancholischen Stimmungen, ja manche wurden in dieser abgeschirmten Welt geistig verwirrt. So hatte er gestern noch die Dame Liang Chanbao untersucht, die sich darüber beklagte, dass ständig Ameisen über ihren Rücken krabbelten. Er hatte den Puls geprüft: Er deutete auf geschwächte Nieren, einen Mangel an Yin-Energie im Herzen und einen unruhigen Geist. Die Dame redete sehr viel und war dabei recht wirr. Er verschrieb ihr beruhigende Kräuterpillen und empfahl ihr, Karpfen zu essen und gekochte Lotoskerne. Sie solle auch täglich an religiösen Zeremonien teilnehmen oder ihre Hände mit Handarbeiten oder Tuschmalerei beschäftigen, um dem Geist wieder ein Ziel zu geben. Er war sich aber nicht sicher, ob diese Ratschläge die Dame überhaupt erreicht hatten und ob ihre Diener sie dazu anhalten würden. Auf dem Weg zurück begleitete ihn der Eunuch Sun. Er redete ununterbrochen auf den Doktor ein und beklagte sich über die anderen Diener des Palastes der Hofdamen. Die Eunuchen lenkten wegen ihrer Kastration ihre Begierde auf den Erwerb von Reichtum, auf gutes Essen und auf die Steigerung ihrer Macht. Manch einer von ihnen wollte von dem Arzt Mittel, die die Schönheit der Frauen förderten. Damit wollten sie den Kaiser stimulieren, sich der von ihm betreuten Nebenfrau zuzuwenden. Denn, wenn diese erwählt wurde, konnte dies mehr Einfluss und Wohlstand für ihn bedeuten. Es bestand ein ständiger Wettbewerb unter ihnen. Einigen war es durch vielerlei Intrigen gelungen, einflussreiche Posten zu bekommen und sich in die Politik des Reiches einzumischen. Doktor Yao war klar, dass die meisten von ihnen ein elendes Leben am Hofe führten. Sie waren von ihrer Familie getrennt, ihres Geschlechtstriebs beraubt und hinter den Mauern der Verbotenen Stadt mehr oder weniger gefangen. Viele waren ziemlich wohlbeleibt. Sie starben oft früh, da durch die Kastration Krankheiten hervorgerufen wurden, die nach Jahren schwerwiegend wurden. Auch litten sie oft unter dem Abgeschnittensein von der Außenwelt, an Langeweile, Einsamkeit und Melancholie. Als Yao nun am Eingang zur inneren Verbotenen Stadt angekommen war, verabschiedete er sich von dem Eunuchen. Er war erleichtert, endlich dessen Wortschwall zu entkommen und begab sich zu seinem Zimmer im Haus der Beamten. Ein halbes Jahr arbeitete der Arzt nun schon im kaiserlichen Palast und es erschien ihm so, als wären Jahre vergangen. Er hatte das Gefühl, es läge eine bleierne Schwere über der kaiserlichen Stadt. Auch wenn in regelmäßigen Abständen pompöse Feste, Empfänge für ausländische Gesandte und religiöse Zeremonien gefeiert wurden, nichts veränderte sich wirklich, alles folgte den strengen und steifen Regeln der himmlischen Dynastie. In Kürze würde wieder einmal die feierliche Verleihung der höchsten Auszeichnungen des Reiches in der Halle der höchsten Harmonie stattfinden. Der ganze Hofstaat fieberte dem entgegen. Viele hofften, eine Auszeichnung zu erhalten, sei sie auch noch so unbedeutend, um damit ihre Position am Hofe zu festigen oder zu verbessern. Und natürlich war so ein Fest die Möglichkeit, einen Tag dem alltäglichen Einerlei zu entkommen, sich herauszuputzen und zu präsentieren.

Heute hatte die Dame Mao Anli um seinen Besuch gebeten, da ihr in letzter Zeit öfters übel war. Die Dame war eine Nebenfrau seiner himmlischen Majestät und hatte Doktor Yao bisher nur selten in Anspruch genommen. Da der Arzt ohnehin nur wenig mit den Damen sprechen konnte, wusste er wenig über sie. Als er nun von dem Eunuchen Zhao abgeholt wurde, erzählte dieser ungefragt alles, was es über diese Dame zu erfahren gab. Sie war als Kind armer Eltern einem hohen Beamten aufgefallen. Dieser kaufte sie im Alter von vierzehn Jahren von ihren Eltern, welche so ihre Schuldenlast verringern wollten, und brachte sie an den Hof. Als sie dem Kaiser vorgestellt wurde, war dieser ganz entzückt von ihr und nahm sie zu seiner Nebenfrau. Dies war eine hohe Ehre. Normalerweise wäre sie zunächst nur einfaches Mitglied des kaiserlichen Harems geworden. Dies verschaffte ihr natürlich gleich sehr viele Neider. Das Leben im Haus der Nebenfrauen war nicht leicht für sie, zumal der Kaiser, der sehr flatterhaft war, sie auch schnell wieder vergaß. Damit sank sie auch wieder in der Rangfolge weit nach unten. Sie war aber eine kluge Frau, die sich mit Hilfe privater Lehrer bildete und sich mit Seidenstickerei und Kalligrafie beschäftigte und so ihr Leben bereicherte. Auch besuchte sie regelmäßig den buddhistischen Tempel des Palastes, um dort zu beten und zu meditieren. Sie versuchte sich dem Wettstreit unter den Damen des Palastes fern zu halten.

Als der Arzt und sein Begleiter nun zum Empfangsraum des Palastes des fortgesetzten Glücks kamen, der Wohnstätte der hohen kaiserlichen Damen in den sogenannten Westlichen Palästen, humpelte ihnen ein alter Eunuch entgegen und rief aufgeregt:

„Die Dame Mao ist zusammengebrochen und hat sich übergeben. Sie ist ohnmächtig geworden. Schnell, schnell!“ Er geleitete eilig, ganz entgegen den üblichen Gepflogenheiten, den Arzt hinter den Vorhang, wo die Nebenfrau neben dem Stuhl verkrümmt auf dem Boden lag. Ein Dienstmädchen reinigte ihr das Gesicht und klatschte immer wieder mit den Fingern auf ihre Wangen, die völlig blass waren. Der Arzt ergriff den Puls der Liegenden und stellte fest, dass sie noch lebte. Der Puls4 zeigte ihm toxische Hitze an, giftige Substanzen mussten sich im Körper befinden und die Energie der Dame schwächen. Außerdem gab es Hinweise, dass die Dame schwanger war. Yao sagte zu der Dienerin:

„Offensichtlich hat die Dame eine Vergiftung erlitten. Bringen Sie schnell einen Becher Wasser mit einem Löffel Salz darin. Sie soll sich nochmals übergeben und dann viel frisches Wasser oder kalten Tee trinken. Danach sollte sie ruhen. Ich schaue später noch mal nach ihr. Und bitte verwahren Sie die Reste des Erbrochenen in einem verschließbaren Krug.“ Er roch noch an Mund und Nase und fühlte die Temperatur des Gesichts.

„Seit wann ist die Dame schon in diesem Zustand?“ fragte er den alten Eunuchen.

„Sie ist erst kurz bevor Sie kamen zusammengebrochen, hat sich übergeben und sich vor Schmerz gewunden. Dann zuckte sie nur noch ein paar Mal und lag plötzlich ruhig da.“

„Hat sie kurz vorher etwas gegessen oder getrunken?“

Der Beschnittene überlegte kurz und entgegnete:

„Vor Kurzem hat sie einen kleinen Imbiss genommen, ich glaube, es war etwas Reisbrei mit Bohnen und eine Schale Tee.“ Doktor Yao war nun sicher, dass hier eine Vergiftung vorlag. Nachdem das Salzwasser gebracht worden war, flößte er es langsam der Dame ein. Dann presste er auf einen Akupunkturpunkt unter der Nase und am kleinen Finger, sodass sie wieder zu sich kam. Sogleich musste sie sich übergeben. Die Dienerin hielt ihr den Kopf, sodass das Erbrochene direkt in den Krug floss. Der Arzt nahm dann den Krug an sich und beauftragte den Eunuchen, die Dame nicht aus den Augen zu lassen. Er solle ihn benachrichtigen, sobald sich ihr Zustand veränderte. Yao ging dann mit dem Krug zu einem Müllhaufen. Dort hielten sich verwilderte Katzen und Ratten auf. Er schüttete den Krug aus, zog sich etwas zurück und wartete ab. Schon bald kam eine Ratte angelaufen und machte sich gierig über das Erbrochene her. Schon nach kurzer Zeit begann sie zu zucken und fiel um. Wenig später schon rührte sie sich nicht mehr und als er sie mit einem Stöckchen anrührte, war sie völlig leblos. Dies bestätigte seine Vermutung. Er rief einen Diener und forderte ihn auf, das Erbrochene und die Ratte tief zu begraben. Dann ging er nach Hause und dachte darüber nach, wer der Dame wohl nach dem Leben trachten könnte. Es würde fast unmöglich sein herauszufinden, wer das Essen oder ein Getränk vergiftet hat. Es gab so viele Menschen im Palast und zahlreiche Möglichkeiten zur Manipulation. Aber vielleicht konnte die Dame Mao selbst etwas zur Aufklärung der Angelegenheit beitragen, da sie ja glücklicherweise den Anschlag überlebt hatte. Er würde am frühen Abend nochmals zu ihr gehen.

Als er dies zur neunten Stunde5 tun wollte, teilte ihm der diensthabende Eunuch mit, dass es der Dame schon sehr viel besser ginge. Sie wünsche ihn zurzeit nicht zu sehen. Der Doktor war nun doch sehr verwundert. Konnte die Frau den Giftanschlag so schnell überstanden haben? Das schien ihm aufgrund seiner Untersuchungen schwer möglich. Es war ihm nicht erlaubt, ohne die Begleitung eines Eunuchen den inneren Palastbezirk zu betreten, er konnte also die Dame nicht spontan aufsuchen. Wie konnte er trotzdem zu ihr gelangen? Da fiel ihm ein, dass die alte Dame Li, die schon sehr lange in diesem Palast lebte, aber den Sohn des Himmels noch nie von nahem gesehen hatte, sicher schon sehnsüchtig auf seinen Besuch wartete. Sie spielte aufgrund ihres Alters im Intrigenspiel am Hofe keine Rolle mehr. Im Grunde war sie nur eine bessere Dienerin, die sich ein wenig um jüngere Hofdamen kümmerte und ihnen Ratschläge gab.Zusätzlich sorgte sie für die Weiterverbreitung von Klatsch und Tratsch. Trotz der langen Zeit, die sie am Hofe war, hatte ihre Seele scheinbar noch keinen Schaden genommen. Sie war allseits beliebt, da sie sich nicht einmischte und sich immer im Hintergrund hielt. Ihre Kunst war es, nirgendwo anzuecken und niemandes Feind zu werden. Sie bewohnte ein kleines Zimmer im Haus der kaiserlichen Damen. Aufgrund ihres Alters litt sie an rheumatischen Beschwerden und ihre verkrüppelten Füße machten ihr das Laufen immer schwerer. Sie hatte den Doktor in ihr Herz geschlossen und freute sich immer darauf, ihn zu sehen. Er ließ anfragen, ob er sie besuchen könne. Sie sandte ihm bald schon einen noch sehr jungen, sehr verschüchterten Eunuchen, der froh war um jeden Dienst, den er für eine der Damen tun konnte, um so der Langeweile zu entfliehen. Mit ihm eilte Doktor Yao ins Haus der kaiserlichen Konkubinen, um die edle Frau Li aufzusuchen. Frau Lis kleines Zimmer war mehr eine Abstellkammer, was offensichtlich ihrer Stellung am Hofe entsprach. Aber sie musste sich noch glücklich schätzen: Viele ältere Damen wurden vom Hofe vertrieben und mussten dann noch im hohen Alter um ihren Lebensunterhalt kämpfen oder ihn erbetteln. Normalerweise hätte der Arzt das Zimmer einer Dame auch gar nicht betreten können. Aber da sie schon alt war und sehr schlecht laufen konnte, wurde in ihrem Fall eine Ausnahme gemacht. Genau dies war das Ziel des Arztes: So würde er vielleicht auch unbemerkt zu Dame Mao vordringen können. Dies war allerdings mit einem hohen Risiko verbunden und könnte ihn den Kopf kosten, wenn es aufgedeckt würde. Als er das Zimmer der alten Dame betrat, lag diese auf ihrem Bett. Neben ihr saß eine Dienerin mit recht hübschem Gesicht, die aber wohl eher eine Freundin der alten Frau als ihre Bediente war. Die Dame Li begrüßte den Arzt freudig:

„Oh ehrenwerter Doktor, Sie haben mich nicht vergessen, wie es jeder hier tut. Die alte Frau Li ist ja nichts mehr wert. Meine Füße schmerzen heute wieder sehr. Haben Sie nicht eine Medizin für mich?“ Wie viele Frauen im alten China, waren ihr von Kindheit an die Füße verkrüppelt worden. Kleine Füße und ein trippelnder Schritt bei Frauen galten als besonders reizvoll und das bereitete ihr nun immer wieder Schmerzen beim Laufen. Der Arzt begrüßte die alte Dame:

„Guten Tag, edle Dame Li, ich bringe Ihnen eine schmerzlindernde Salbe und ich werde Ihnen jetzt noch ein paar Moxa-Kegel ansetzen. Danach wird es Ihnen sicher schon viel besser gehen.“

Er nahm aus seiner Tasche ein Tütchen mit Moxa-Kraut und formte daraus winzige Kegelchen. Diese setzte er auf verschiedene Punkte an den Füßen und zündete sie mit einem Räucherstäbchen an. Sie glühten durch und er schnippte sie weg, wenn es der Dame zu heiß wurde, um aber gleich ein neues anzuzünden. Dann gab er der Dienerin die Salbe und wies sie an, diese zweimal am Tag aufzutragen. Diese lächelte ihn freundlich an und verneigte sich. Ihre Haltung und ihre freundliche Zuwendung gegenüber der alten Dame beeindruckten Doktor Yao. Er bat dann den jungen Eunuchen, etwas Ingwer, Zimtrinde und Eisenhutwurzel aus der Palastapotheke zu holen. Das war aber nur ein Vorwand, ihn zu entfernen. Dann wandte er sich an die Dame:

„Ältere Dame Li, haben Sie etwas von der Dame Mao gehört, ihr ging es heute Morgen sehr schlecht.“

„Oh ja, jeder sagt, dass sie etwas Vergiftetes gegessen haben muss. Sie liegt noch in ihrem Zimmer und niemand darf zu ihr, sagte ihre Dienerin. Diese ist sehr besorgt und versteht nicht, warum man nicht nach Ihnen gerufen hat. Aber der Obereunuch Siao hat es abgelehnt. Die Dame brauche angeblich nur Ruhe,“ entgegnete Frau Li, „aber ich habe das Gefühl, das wieder einmal etwas vertuscht werden soll. Die Dame Mao hatte vor sieben Monaten eine Begegnung mit dem Sohn des Himmels und offensichtlich wurde ihr durch seine himmlische Majestät neues Leben eingepflanzt. Sie hat versucht, dies geheim zu halten, aber irgendjemand muss davon Wind bekommen haben. Es gibt hier einige Damen, die Angst haben, dass ihre Position am Hof durch einen möglichen Sohn der Dame Mao gefährdet würde. Möglicherweise galt das Gift in erster Linie dem Ungeborenen. Hoffentlich hat es keinen Schaden genommen!“

„Dann wäre es dringend nötig, dass ich die Dame aufsuche, aber dies wird nicht leicht möglich sein ohne eine offizielle Erlaubnis.“

„Nun, sie wohnt in diesem Haus und meine Freundin Mu hier könnte Sie zu ihr bringen. Doch dies muss ohne Wissen der Eunuchen geschehen. Der jüngere Mu, der der Bruder meiner Freundin ist, würde wohl nichts verraten, aber er würde schwer bestraft werden, wenn etwas bekannt würde. Ich werde ihn woanders hin schicken, falls er zu schnell zurück ist und ihm sagen, der alte Huang werde sie zurück geleiten.“ Die freundliche Dienerin Mu war für Reinigungsarbeiten im Hause der Damen eingeteilt. So lief sie zur edlen Frau Mao, um die Erlaubnis zum Besuch des Arztes zu erhalten, sie sollte dabei vermeiden, den Obereunuchen Siao zu treffen. Kurz darauf kam sie zurück und zog den Doktor am Ärmel seines grauen Gelehrtengewandes und er folgte ihr zu dem Zimmer der Konkubine. Deren Dienerin öffnete ihnen, nachdem sie leise zwei Mal geklopft hatten. Dienerin Mu verneigte sich und verschwand dann geräuschlos. Der Doktor, der bezaubert war von der jungen Frau, sah sich noch einmal kurz nach ihr um, bevor er den geschmackvoll eingerichteten Raum betrat.Dort sah er die Dame auf ihrem Bett liegen. Sie war völlig reglos und sehr blass. Yao trat hinzu und fühlte ihren Puls. Er war oberflächlich groß, aber in der Tiefe nicht mehr zu fühlen. Das Qi verflüchtigte sich sichtlich aus dem Körper. Er versuchte belebende Punkte zu drücken, aber das bewirkte nichts. Als er wieder den Puls zu tasten suchte, war er völlig verschwunden. Auch atmete sie nicht mehr und das Herz war nicht mehr zu hören. Das Leben hatte die Dame verlassen. Der Körper fühlte sich bereits kühler an. Er war zu spät gekommen. Beim Fühlen des Pulses entdeckte der Arzt im Ärmel der Frau einen Fetzen Papier. Diesen nahm er an sich und verbarg ihn in seinem eigenen Ärmel. Neben dem Bett fand er eine Tasse, die nicht völlig leer getrunken war. Es sah aus wie normaler Tee, aber roch seltsam süßlich. Doktor Yao bat die Dienerin der Dame Mao, die Flüssigkeit in ein kleines verschließbares Gefäß zu füllen. Er fragte die Dienerin, ob etwas in dem Zimmer fehle. Sie schaute sich in dem Zimmer um und meinte dann:

„Hier an der Wand hing eine Kalligrafie, die die edle Dame vor einiger Zeit als Geschenk bekommen hat. Ich weiß aber nicht, von wem. Leider bin ich des Lesens nicht mächtig. Jemand muss sie mitgenommen haben.“

„Und wie erging es der Dame nach meiner letzten Behandlung?“

„Sie hat das Kind, das sie in ihrem Leib trug, verloren und wir haben es auf ihren Wunsch heimlich bestattet. Es war schon recht weit entwickelt.“

„Hatte denn Frau Mao selbst den Wunsch geäußert, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden?“

„Nein, keinesfalls. Ich durfte mit niemandem über die Schwangerschaft reden und sie versuchte sie durch weite Kleider möglichst unsichtbar zu machen, aber sie wollte das Kind unbedingt.“

„Was wissen Sie über einen möglichen Vater?“

Die Dienerin zuckte mit den Schultern. Sie sagte, sie wisse nichts über Kontakte der Dame, außer ihren letzten Besuch bei der kaiserlichen Majestät vor etwa sieben Monaten. Yao bat die sie, den Obereunuchen zu rufen und ihn über das Ableben der Hofdame zu informieren, sobald er das Haus verlassen hätte. In diesem Moment klopfte es an der Tür und beide zuckten heftig zusammen. Wer mochte das sein, vielleicht der Obereunuch? Das wäre das Ende von Doktor Yao gewesen. Die Dienerin öffnete vorsichtig die Tür. Es war aber nur Fräulein Mu, die nachsehen wollte, ob der Doktor sie noch benötigte. Er begleitete sie schleunigst wieder ins Zimmer der alten Li. Der junge Eunuch kam kurz danach aus der Apotheke und der Arzt bat ihn, ihn wieder zu seinem Quartier zu bringen. Eine Stunde später tauchte dort der Obereunuch Siao auf.

„Kommen Sie schnell, ehrenwerter Doktor, die Dame Mao liegt völlig regungslos auf ihrem Bett, ich fürchte, sie ist plötzlich und unerwartet verstorben!“

Doktor Yao folgte ihm zum Palast des fortgesetzten Glücks. An der Tür zum Zimmer der Nebenfrau Mao standen die Dienerin der Dame sowie die alte Dame Li und Dienerin Mu versammelt. Sie schauten betroffen in das Zimmer. Dieses sah schon leicht verändert aus. Die Tasse war verschwunden und jemand hatte die Dame geschminkt. Der Arzt untersuchte sie nur zum Schein, da er den Tod ja bereits festgestellt hatte. Er hätte nun dem Eunuchen mitteilen können, dass der Tod erst vor kurzem eingetreten war und diesem die ganze Angelegenheit weiterhin überlassen können. Aber wenn jemand die Dame vergiftet hatte, dann musste dies aufgeklärt werden und der Täter bestraft werden. Solche Morde ereigneten sich am Hofe immer wieder mal. Es wurde schon als etwas Natürliches angesehen, dass eines der Mittel der höfischen Intrigen die Ermordung eines Gegners oder auch eines diesem Nahestehenden war. Es würde allerdings schwer sein, etwas zu unternehmen und eine genaue Untersuchung der Angelegenheit würde nur mit Erlaubnis der Hofverwaltung möglich sein. Er forderte daher Siao auf, die Palastwache zu benachrichtigen. Der zögerte zunächst, verließ dann aber den Raum. Yao verabschiedete sich von den Frauen. Besonders verneigte er sich vor Dienerin Mu und eilte dann zurück zu seinem Gemach. Dort wollte er den Zettel, den er im Ärmel der Nebenfrau gefunden hatte, lesen. Es war ein Stück, das vermutlich von einer Kalligrafie abgerissen war. Darauf war nur ein Teil des Namensstempels des Verfassers zu sehen: Libao. Yao konnte diesen Namen niemandem, den er kannte, zuordnen. Hatte er etwas mit der Tat zu tun? Wer konnte überhaupt ein Interesse an diesem Mord haben. Das Gift sollte vermutlich Mutter und Kind töten. Da er beim ersten Mal zu schnell gewesen war, hatte man noch einen zweiten, nun erfolgreichen Versuch mit einem anderen Gift unternommen (nach dem Geruch der Flüssigkeit war es eine Essenz aus bitteren Mandeln). Die Angelegenheit musste unbedingt untersucht werden. Es bestand die Gefahr, dass alles vertuscht wurde. Auch die bereits benachrichtigte Palastwache würde kaum etwas unternehmen. Mit dem Zettel und der in ein Porzellanfläschchen gefüllten Flüssigkeit machte er sich auf den Weg zur Hofverwaltung. Dort forderte er, den kaiserlichen Obermandarin Lin Zhidao sprechen zu dürfen. Dieser ließ ihn zunächst fast eine Stunde warten, bis er ihn in seinem Büro empfing. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich zahlreiche Schriftrollen, alles Eingaben und Beschwerden an den Hof. Einige Diener schrieben Dokumente ab oder versiegelten fertiggestellte Schreiben. Im Gegensatz zu manchem anderen Büro am Hofe wurde hier also tatsächlich gearbeitet. Der Doktor konnte auch nirgendwo kostbare Geschenke sehen, die andere Hofbeamte wie Trophäen ihrer Macht ausstellten. Er hatte den richtigen Beamten ausgewählt.

„Willkommen, ehrwürdiger Arzt. Welche Ehre für mein bescheidenes und unwürdiges Büro. Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein?“ begrüßte der Obermandarin mit der bei Hofe üblichen Höflichkeit Doktor Yao.

„Ich habe Ihnen einen Todesfall im Haus der Hofdamen zu melden. Die Palastwache habe ich bereits benachrichtigen lassen. Es scheint mir aber notwendig, die Angelegenheit gründlich zu untersuchen, da ich Anlass zu der Vermutung habe, dass die Dame Mao vergiftet wurde. Alle körperlichen Zeichen deuten darauf hin. Ich bin gerne bereit, bei der Aufklärung des Verbrechens behilflich zu sein,“ antwortete ihm der Angesprochene.

„Dies ist ein äußerst bedauerlicher Vorfall. Eigentlich gehört es nicht zu meinem Aufgabengebiet, solche Angelegenheiten zu verfolgen. Dies obliegt dem General der Palastwache Tang. Ich werde ihm aber nahelegen, sie in seine Untersuchungen einzubeziehen. Er hat ja meistens damit zu kämpfen, dass ähnliche Fälle von interessierten Dienern und Beamten vertuscht. Eine Untersuchung ist so nicht mehr möglich, da alle Spuren bereits beseitigt sind.“

Er nahm ein Blatt Papier, schrieb darauf etwas nieder und rollte es zusammen. Dann ließ er es versiegeln und übergab es seinem Mitarbeiter, Yaos Freund Song, mit dem Auftrag, den Doktor zu dem General Tang zu begleiten. Auf dem Weg zum General berichtete der Doktor dem Beamten, was passiert war. Song meinte:

“Das ist ja leider kein so seltener Vorfall in diesen hohen Gemächern. Ich könnte dir so viele Geschichten von Intrigen, Diebstahl und Mord erzählen, die sich im kaiserlichen Palast abspielen. Ich zweifele langsam, ob meine angestrebte Karriere wirklich wünschenswert ist. Mein Ziel war es, dem Land zu dienen. Vielleicht kann man das doch besser an anderer Stelle tun, ohne sich dabei die Hände zu beschmutzen oder selbst in die Räder dieser Mühlen zu geraten.“

Doktor Yao schaute sich um, ob ihnen niemand folgte und entgegnete:

„Ja, es braucht wohl eines besonderen Charakters, um hier nicht zu versteinern.“

Dies war schon eine recht rebellische Äußerung, die jemand anderes möglicherweise an höhere Stellen gemeldet hätte. Sein Begleiter nickte nur. Yao fragte seinen Freund dann noch:

„Hast du mal hier am Hof den Namen Libao gehört? Es ist wohl der Vorname des Verfassers einer Kalligrafie.“ Sung überlegte eine Weile und meinte dann:

„Es könnte der Vorname eines höheren Beamten in der Behörde der Riten sein. Das wäre der Einzige, den ich mit diesem Namen kenne: Wang Libao. Aber wie sollte er mit der Dame in Kontakt gekommen sein, er hat sicher keine Erlaubnis den Palast der hohen Damen zu betreten.“

„Wo ist seine Behörde?“ Song beschrieb Yao die Lage des Amtes im Außenbereich der Verbotenen Stadt und gab ihm einige Ratschläge, wie er vorgehen sollte. Schließlich kamen sie zum Sitz der Palastwache an der äußeren Umfassungsmauer des Palastbezirks und baten an der Pforte zum General Tang vorgelassen zu werden. Song übergab der Wache sein Schreiben und diese hieß sie in der Vorhalle warten. Dann kam der Wachmann zurück mit einem Soldaten, der die beiden aufforderte, mit ihm zu kommen. Der Soldat führte sie in einen großen Raum, in dem der General der Palastwache residierte. Der Raum war relativ schmucklos. An einer Seite saßen eine Reihe von Soldaten, die wohl auf neue Befehle warteten, während der General an einem großen Tisch saß und einige Dokumente unterzeichnete. Er war ein recht großer und kräftiger Mann und im Gegensatz zu vielen Militärs nicht ein Uigure oder Tatare, sondern ein Chinese. Die Sicherheit des Hofes wollte man wohl doch lieber nicht Söldnern aus den unruhigen Minderheiten im Norden des Landes anvertrauen. Als die beiden Männer zögernd am Eingang stehen blieben, erhob er seinen Blick und winkte sie heran. Song blieb zurück und Doktor Yao trat zum Tisch von General Tang und sagte:

„Hoch geehrter Herr General Tang, ich komme aus einem unerfreulichen Anlass zu Ihnen. Vor kurzem wurde ich zur ehrenwerten Dame Mao gerufen und konnte leider nur noch ihren Tod feststellen. Ich habe Anlass zu der Vermutung, dass sie vergiftet wurde, da sie bereits einmal einen Anschlag auf ihr Leben erleiden musste. Ich bin sehr gerne bereit, Ihnen bei der Aufklärung behilflich zu sein.“

„Hochgelehrter Doktor Yao, soeben habe ich bereits vom Obereunuchen Siao diese Mitteilung erhalten. Dieser glaubt aber, es handele sich um einen Tod durch Schwäche,“ entgegnete ihm der General.

„Ja, sicher war die Dame durch den vorherigen Giftanschlag noch geschwächt. Außerdem war sie schwanger, aber ansonsten bei guter Gesundheit und hätte deswegen nicht sterben müssen. Es ist bedauerlich, dass ich nicht früher zu ihr geschickt wurde, aber ich habe eindeutige Hinweise, dass ihr Gift eingeflößt wurde. Der Tee, den sie zuletzt trank, enthielt eine Essenz aus giftigen Bittermandeln und eventuell Eisenhut. Dies wirkt schnell und ich konnte leider nichts mehr tun. Auch das Ungeborene ist durch den ersten Giftanschlag getötet worden, welches möglicherweise ein Kind seiner himmlischen Majestät sein kann. Es wurde leider heimlich begraben.“ Der General schaute sehr betroffen. Denn handelte es sich bis jetzt für ihn um eine normale Hofintrige, wurde die Angelegenheit nun unter Umständen zu einer Staatsaffäre. Lieber hätte er gar nichts davon erfahren, wie es ja auch meistens der Fall war, denn dahinter steckte sicher noch jede Menge Ärger. Nun konnte er sich der Sache nicht mehr entziehen, da auch die Hofkanzlei bereits informiert war. Er ordnete an, das Zimmer der Dame gründlich zu untersuchen. Der Arzt ließ sich, ohne lange zu warten, von zwei Palastwachen zum Frauenhaus bringen, wo er vom Obereunuch Siao in Empfang genommen wurde. Dieser war in hellem Aufruhr, als er erfuhr, dass eine amtliche Untersuchung ins Haus stünde.

„Oh Weh, das wird den Frieden der hohen Damen sehr stören und ist es überhaupt notwendig? Die Dame wird doch durch die Untersuchung auch nicht wieder zum Leben gebracht,“ klagte er. Als Doktor Yao das Zimmer der Dame Mao mit den Palastwachen betrat, war ihm aber sofort klar, dass hier schon jemand begonnen hatte „aufzuräumen“. Er fragte die herbeigerufene Dienerin der edlen Frau, ob sie an dem Zimmer etwas verändert habe. Sie verneinte dies und meinte, man habe sie weggeschickt und mit anderen Arbeiten betraut. Der Arzt fragte sie dann:

„Können Sie erkennen, ob in diesem Raum seit dem Tod der Dame Mao etwas verändert worden ist?“

Sie schaute sich eine Weile um und nickte:

„Ja, auf dem Schreibtisch fehlen Papierrollen und die Kleidung der Dame liegt woanders.“

„Hat die Dame denn irgendwelche brieflichen Nachrichten in letzter Zeit bekommen und wo bewahrt sie die immer auf?“

„Nun, sie liegen in einer roten Lackschachtel, die sie meistens unter ihrem Bett verwahrte.“

Sie schaute unter das Bett und konnte dort aber nichts finden.