Die verbotene Geliebte des Scheichs - Kate Hewitt - E-Book

Die verbotene Geliebte des Scheichs E-Book

Kate Hewitt

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Beschreibung

Die Pflicht verlangt es, aber Kalilas Herz droht zu zerbrechen: An ihrem 12. Geburtstag wurde sie mit dem König von Calista verlobt, jetzt, zehn Jahre später, soll sie ihn heiraten. Niemand fragt, wie es in ihrer Seele aussieht, als Scheich Aarif kommt, um sie zu seinem Bruder zu bringen. Doch ausgerechnet Aarif weckt Kalilas Liebe! In einer zärtlichen Nacht schenkt sie ihm voller verbotener Leidenschaft, was dem König vorbehalten war … Jetzt bleibt der schönen Wüstenprinzessin nur eins: das flehentliche Gebet, der Richtige möge vor dem Altar auf sie warten!

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Seitenzahl: 192

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© 2023 für die deutschsprachige Ausgabe by MIRA Taschenbuch in der Verlagsgruppe Harper Collins Deutschland GmbH, Hamburg © 2009 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: »The Sheikh's Forbidden Virgin« Erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. / SARL Covergestaltung von Deborah Kuschel / Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH Coverabbildung von Annartlab / Getty Images ISBN E-Book 9783745753400

Die verbotene Geliebte des Scheichs

Cover

Impressum

Inhalt

Die verbotene Geliebte des Scheichs

Titel

Adamas

Vermächtnis

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

Guide

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Contents

1. KAPITEL

Wieder hielt ihn der Albtraum in seinen Fängen. Ein nicht zu stoppender Ansturm verdrängter Gefühle und Erinnerungen. Ein Wirrwarr bedrückender Bilder, von greifenden Händen, einer aufgewühlten See …

Aarif Al’Farisi schlief mit fest zusammengepressten Lidern, die Hände auf dem Bettlaken zu Fäusten geballt. Auf seiner Stirn glänzte kalter Schweiß.

Helft mir …! Hilfe … Aarif!

Der verzweifelte Schrei hallte in seinem Kopf wider. Ein nicht enden wollendes Echo, durch die dunklen Korridore von Zeit und Erinnerung.

Abrupt wachte er auf, öffnete die Augen und versuchte, sich in der Dunkelheit seines Schlafzimmers zu orientieren. Ein fahler Mond warf schwaches silbriges Licht auf den kühlen Marmorboden. Aarif holte mühsam Luft, kam hoch und schwang die Beine über die Bettkante.

Er wartete einen Moment, bis sich sein Herzschlag beruhigte. Jeder tiefe Atemzug half ihm dabei, sich zu regenerieren und die dunklen Schatten der Vergangenheit zu verdrängen. Wenigstens für den Moment. Mit der Hand fuhr er sich durch das vom Schlaf zerzauste Haar und erhob sich von der Bettkante.

Auf dem Balkon des königlichen Palastes atmete er tief durch und schaute auf die mondbeschienene Wüste hinab. Sie erstreckte sich bis zum Ufer des Flusses mit seinen kostbaren Diamanten. Sorgsam verborgen unter trügerischem Schlick und Schlamm, waren sie Calistas Lebensblut.

Langsam normalisierte sich Aarifs Atem, und der kühle Wüstenwind trocknete den Schweiß auf seiner bronzenen Haut.

Er hasste diese Albträume. Selbst heute noch, zwanzig Jahre später, ließen sie ihn nach einer Nacht voller Qual und Schmerz erschüttert, angsterfüllt und hilflos zurück.

Instinktiv schüttelte er den Kopf, als könne er den Traum damit ungeschehen machen. Oder besser gesagt, die grausame Realität. Denn Tatsache war, dass er damals seinen kleinen Bruder im Stich ließ und nicht hatte retten können. Und deshalb war es ihm bestimmt, die schrecklichen Geschehnisse in seinen Träumen immer und immer wieder zu erleben.

Seit Monaten war er davon verschont geblieben und hatte deshalb angefangen, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Sicher heit! Die würde es nie wieder für ihn geben! Wie konnte man seiner selbst oder vor sich selbst sicher sein? Oder vor den Folgen seiner Fehler, die man immer wieder aufs Neue beging?

Aarif stieß einen frustrierten Seufzer aus, kehrte in sein Schlafzimmer zurück und griff nach seinem Laptop, der in Bettnähe auf dem Schreibtisch stand. In dieser Nacht würde er keinen Schlaf mehr finden, das stand für ihn fest. Und anstatt weiter nutzlos zu grübeln, wollte er die Zeit lieber mit konstruktiver Arbeit verbringen.

Er ließ das Notebook hochfahren und zog sich bequem geschnittene, leichte Baumwollhosen über. Brust und Füße blieben nackt. Als er flüchtig sein Konterfei im Spiegel über dem antiken Schreibtisch sah und darin immer noch die Spuren von Angst und Schrecken des Albtraums, die die harten Linien seines Gesichts noch zu vertiefen schienen, schnitt er eine angewiderte Grimasse.

Angst! Immer noch! Und das nach all den Jahren!

Wieder schüttelte er den Kopf und wandte sich dem Computer zu. Als Erstes checkte er seine E-Mails. Die meisten kannte er bereits. Sie waren von Klienten, mit denen er in der nächsten Woche verabredet war. Sie zu beantworten erforderte Fingerspitzengefühl und vollste Konzentration. Calistas Diamanten gehörten zu den exquisitesten und kostbarsten der Welt, doch das kleine Inselkönigreich verfügte nicht über so reichhaltige Ressourcen wie Afrika oder Australien. Deshalb galt es, die potenziellen Käufer sorgfältig auszusuchen … und zu behandeln!

Offenbar war inzwischen nur eine neue E-Mail gekommen. Und zwar von seinem Bruder Zakari, dem König von Calista. Aarif schob die dunklen Brauen zusammen, während er die Nachricht las.

Ich muss unerwartet das Land verlassen, um einer neuen, viel versprechenden Spur, den verschwundenen Diamanten aus Ari sto betreffend, nachzugehen. Deshalb musst Du für mich nach Zaraq reisen und Kalila nach Calista holen. Auf ewig Dein Bru der … Zakari.

Das verschwundene Juwel … der Stefani-Diamant!

Er war das Herzstück der Krone von Adamas, dem damals noch ungeteilten Reich unter König Christos, wurde aber ebenso wie Adamas geteilt, weil der König seinen zerstrittenen Kindern, Aegeus und Anya, je eine Insel und einen halben Diamanten als Vermächtnis hinterlassen wollte.

Nach Aegeus’ Tod stellte sich heraus, dass der Aristo-Diamant eine Fälschung war. Und da König Christos’ Vermächtnis besagte, dass, wer in den Besitz beider Hälften des Stefani-Diamanten gelangt, Herrscher über Aristo und Calista wird, startete eine erbitterte Jagd auf das verschollene Juwel.

Aegeus’ Schwester, die selbst keine Kinder bekommen konnte, heiratete Aarifs verwitweten Vater, Scheich Ashraf Al’Farisi. Bei einem tragischen Flugzeugunglück kamen beide ums Leben. So trat jetzt Zakari, als neuer König von Calista, mit Prinz Sebastian Karedes, dem Thronfolger in Aristo, in direkte Konkurrenz um die Gesamtherrschaft.

Aarif wusste sehr gut, wie verbissen Zakari darauf aus war, dabei den Sieg davonzutragen und ein neues Adamas zu schaffen. Man sah es schon daran, dass er sich nicht einmal scheute, seinen Bruder zu bitten, an seiner Stelle nach Zaraq, dem Geburtsland ihrer Mutter, zu reisen, um seine Braut nach Calista zu begleiten.

Prinzessin Kalila Zadar und König Zakari waren einander von Geburt an versprochen, und ihre Hochzeit sollte bereits in vierzehn Tagen stattfinden.

Der Einzug einer Braut in ihre zukünftige Heimat war eine feierliche, sensible Zeremonie, basierend auf alten Traditionen. Aarif wusste, dass er sehr diplomatisch und mit Bedacht vorgehen musste, um zu verhindern, dass sich Kalila womöglich brüskiert, beleidigt oder gar verletzt fühlte. Ganz abgesehen von ihrem Vater, König Bahir, oder der Bevölkerung Zaraqs.

Calistas politische und wirtschaftliche Allianz mit Zaraq war sehr wichtig. Bisher zeigte sie sich als ausgesprochen erfolgreich und zufriedenstellend und war damit ein sehr ernstzunehmendes Thema.

Aarif presste die Lippen zu einer harten Linie zusammen, ehe er die Finger auf die Tastatur legte. Seine Antwort war knapp und eindeutig: Ich werde Deinem Wunsch folgen. Immer Dein Diener, Aarif.

Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, Zakaris Forderung abzulehnen oder auch nur zu hinterfragen. Verantwortungsgefühl und Gehorsam gegenüber Familie und Königreich standen für ihn an erster Stelle. Grundsätzlich!

Aarif schaute vom Bildschirm auf. Langsam begann der Morgen zu dämmern, und als er zufällig noch einmal sein Gesicht im Spiegel erblickte, zuckte er überrascht zusammen. Im fahlen Licht traten seine herben Züge noch prominenter hervor … und damit auch die Narbe. Instinktiv fuhr er mit dem Finger die gezackte Linie nach, die von der Braue bis hinunter zum Wangenknochen lief.

Ein ewiges Mahnmahl dafür, dass er vor langer Zeit in Hinsicht auf seine Verpflichtung, Familie und Königreich gegenüber, versagt hatte. Das durfte nie wieder passieren. Er würde es unter keinen Umständen zulassen!

Als die frühe Sonne durchs Fenster direkt auf ihr Bett schien, schreckte Kalila im Palast von Zaraq aus einem unruhigen Schlaf hoch. Noch etwas benommen schaute sie um sich. Die luftigen Vorhänge bauschten sich in einer leichten Morgenbrise, doch die Intensität der hereinfallenden Sonnenstrahlen verhieß einen heißen Tag.

Kalilas Magennerven begannen nervös zu flattern. Automatisch legte sie beschwichtigend eine Hand auf ihren Leib, als könne sie damit ihre aufgescheuchten Gedanken und Ängste stoppen, die zu ihrem Unwohlsein führten.

Aber das war wohl etwas zu viel verlangt, an einem Tag wie diesem. Denn heute würde sie ihren Ehemann treffen!

Abrupt warf sie die leichte Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Auf bloßen Füßen durchquerte sie ihr Schlafzimmer und trat ans Fenster. Am blauen Himmel zeigte sich kein Wölkchen. Darunter erstreckte sich heller Sand bis zum Meer, das sie in der Ferne als türkisblaues Band sehen konnte. Davor ein grüner Streifen fruchtbarer Felder. Der Rest des kleinen Königsreiches Zaraq war Wüste.

Trocken, öde und unproduktiv … bis auf einige Kupfer- und Nickelminen – die inzwischen zu den Haupteinnahmequellen des Landes geworden waren.

Und genau das war der Grund, warum sie heiraten musste. Zaraq brauchte Calista. Ihr Vater war neben Calistas Diamantminen auch auf Handelswege und Absatzmärkte für seine Rohstoffe angewiesen. So wie Calista auf die Stabilität Zaraqs, resultierend aus einem Jahrhundert ununterbrochener, autonomer Herrschaft.

Kalila seufzte und lehnte die brennende Stirn gegen den immer noch nachtkühlen hellen Sandstein des Fensterbogens.

Wie Zakari wohl nach all diesen Jahren aussehen mochte? Was würde er über sie denken? Dass er sie liebte, war unmöglich. Er hatte sie unter Garantie noch als mageres, schlaksiges Mädchen mit ungezähmter dunkler Haarmähne vor Augen. Sie selbst erinnerte sich ja auch kaum an ihn. Und wenn sie es versuchte, dann tauchten verschwommene Bilder von jemand auf, der groß, bestimmend und sehr selbstbewusst war.

Charismatisch würde sie es inzwischen vielleicht nennen. Er hatte sie angelächelt, ihr den Kopf getätschelt, und das war alles.

Und heute sollte aus dem Fremden von damals ihr Bräutigam werden.

Ob er über die Veränderung seiner zukünftigen Frau entzückt sein würde?

Und würde er das Bild ihres Traumprinzen erfüllen?

Nach einem kurzen Klopfen wartete Juhanah, Kalilas ehemaliges Kindermädchen, gar nicht erst auf eine Antwort, sondern drückte mit dem Ellenbogen die Türklinke hinunter und trat gleich darauf ins Zimmer.

„Sehr gut! Du bist also schon wach. Ich habe dir ein Frühstückstablett mitgebracht, damit wir keine Zeit verlieren. Immerhin müssen wir dich noch ein wenig zurechtmachen für diesen besonderen Tag. Seine Hoheit könnte bereits gegen Mittag hier eintreffen, wie man mir gesagt hat. Also … husch, husch …“

Kalila unterdrückte ein Seufzen und wandte sich nur widerwillig vom Fenster ab. Erst gestern hatte ihr Vater sie nachdrücklich instruiert, was für eine Art von Empfang Scheich Zakari gebührte.

„Er kann erwarten, eine nach alter Tradition wohlerzogene, königliche Braut vorzufinden. Du darfst ihn weder direkt anschauen und erst recht nicht ansprechen, es sei denn, er fordert dich dazu auf“, warnte König Bahir und versuchte, seine harschen Worte mit einem väterlichen Lächeln zu entschärfen. Doch der besorgte Ausdruck in seinen müden Augen war nicht zu übersehen.

„Verstehst du das auch, Kalila? Das morgige Zusammentreffen mit Scheich Zakari ist von immenser Wichtigkeit, und deshalb musst du den bestmöglichen Eindruck auf ihn machen. Juhanah wird dir helfen, dich darauf vorzubereiten.“

Nicht anschauen und noch weniger ansprechen …?

Kalilas wacher Geist und ihr Selbstverständnis als moderne junge Frau mit westlicher Prägung bäumte sich instinktiv gegen derartig mittelalterliche Bräuche auf.

„Warum kann Scheich Zakari mich nicht als das akzeptieren, was ich bin?“, protestierte sie und versuchte, ihre Stimme nicht rebellisch, sondern nüchtern und ruhig klingen zu lassen.

Mit ihren vierundzwanzig Jahren verfügte sie über eine ausgezeichnete Universitätsbildung und war reif genug, um zu heiraten. Warum fühlte sie sich in Gegenwart ihres Vaters nur immer wie ein unartiges Kind. „Hör zu, Vater, ich denke, es ist wichtig, dass er als mein zukünftiger Ehemann mein wahres Wesen kennt. Wenn wir ihm einen falschen Eindruck vermitteln …“

„Ich bestimme, welcher Eindruck falsch ist“, schnitt König Ba hir seiner Tochter brüsk das Wort ab. Wie immer, wenn er sich ihr gegenüber im Hintertreffen und damit hilflos fühlte, flüchtete er sich in Grobheit. „Und wie du dich ihm jetzt gegenüber zu benehmen hast. Wenn er daran interessiert sein sollte, dich später besser kennenzulernen, wird er nach der Eheschließung reichlich Zeit dazu bekommen.“

Kalila biss sich auf die Lippen, aber als sie zu ihrem Vater aufschaute und den Mund öffnete, streckte er die Hand aus wie zum Segen, doch seine Tochter interpretierte die herrische Geste als Warnung oder sogar Drohung.

„Morgen geht es nicht um dich, Kalila. Ja, nicht einmal um die geplante Hochzeit. Es ist ein offizielles Zusammentreffen, eine Allianz der Länder und Königshäuser, nach alter Tradition. So, wie es von jeher gewesen ist.“

Kalila fühlte, wie ihre Wangen vor Empörung brannten. „Auch für meine Mutter?“

Die strenge Miene ihres Vaters verfinsterte sich noch mehr. „Ja, auch was deine Mutter betrifft. Sie war eine sehr moderne Frau, aber nicht störrisch.“ Er seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Ich habe dir doch nachgegeben und dich nach Cambridge gehen und studieren lassen … inklusive Universitätsdiplom! Du durftest deine eigenen Interessen verfolgen und dein eigenes Leben führen. Nun ist es an der Zeit, der Familie und dem Land gegenüber deine Pflicht zu tun. Und die beginnt mit dem morgigen Tag.“

„Ja, ich weiß, Vater …“, murmelte sie und versuchte, nicht allzu verdrießlich zu klingen. Er hatte von Interessen gesprochen, aber nicht von Träumen. Und selbst eigene Interessen waren nutzlos, wenn man sie auf dem Altar der Pflicht opfern musste, oder? Und was wurde jetzt aus ihren Träumen?

Diese Frage verdrängte Kalila vorsichtshalber, um sich nicht völlig deprimiert zu fühlen. So blieben sie konturenschwache Schatten. Nebulöse Visionen von Freude, Vergnügen, Glück … davon, eine Bedeutung und Berufung in ihrem Leben zu sehen und … Liebe.

Das Wort tauchte immer wieder ungebeten in ihren Gedanken auf. Ein magisches Samenkorn, gepflanzt in den fruchtbaren Boden ihrer Fantasie, das gegen ihren Willen starke Wurzeln ausgebildet hatte.

Liebe … aber nicht in dieser Zweckverbindung zwischen zwei Menschen, die sich völlig fremd waren. Es gab keinen Funken von Leidenschaft zwischen ihnen, und Kalila bezweifelte ernsthaft, ob das unter den gegebenen Umständen je anders sein würde. Würde Zakari sie lieben? Oder es lernen? Wollte er das überhaupt?

Und würde sie ihn lieben können?

„Hör auf zu träumen und iss jetzt, Kind“, befahl Juhanah mit gespielter Strenge und stellte das Tablett auf einem flachen Tisch ab.

Ergeben ließ Kalila sich auf ein weiches Polster sinken und bekam eine Schale mit dickem, cremigem Joghurt zugeschoben. Daneben stellte die treue Dienerin eine Tasse starken, süßen Kaffees. „Du wirst deine Kraft noch brauchen. Vor uns liegt ein anstrengender Tag, und es gibt eine Menge zu tun.“

„Und was genau gibt es für uns heute zu tun?“, fragte Kalila gedehnt.

Augenblicklich plusterte sich Juhanah auf wie eine eifrige Glucke. „Dein Vater wünscht dich so herausgeputzt zu sehen wie die Mädchen früher, nach altehrwürdigem Vorbild, aus der Zeit, als Traditionen noch etwas zählten.“

Weder die unterschwellige Warnung noch das schwache Bedauern über die veränderten Umstände waren zu überhören. Kalila wusste nur zu gut, was Juhanah von ihrer westlich orientierten Einstellung hielt, die neben den ererbten Genen ihrer englischen Mutter hauptsächlich auf vier Jahre freies Leben in Cambridge zurückzuführen war.

Als sie von dort zurückkam und ihr ehemaliges Kindermädchen eine Jeans auf dem Boden neben dem Bett fand, hob sie den Stein des Anstoßes angewidert mit spitzen Fingern hoch, als sei das Lieblingskleidungsstück ihres Schützlings kontaminiert. In Erinnerung an jenen Tag lächelte Kalila breit.

„Dein Vater, König Bahir, will dich als sittsame Braut sehen!“, mahnte Juhanah, als könne sie Gedanken lesen.

Das Lächeln wurde noch breiter, und in Kalilas Augen blitzte ein mutwilliger Funke auf. „Wann darf ich meinen zukünftigen Mann eigentlich mit Zakari anreden?“, fragte sie harmlos, obwohl sie die Antwort bereits vorausahnte. Und Juhanah enttäuschte sie auch diesmal nicht.

„Wenn er in deinem Bett liegt!“, erwiderte die alte Frau unverblümt. „Zeig dich bloß nicht zu offen und fortschrittlich, Kind! Männer mögen keine vorlauten Frauen.“

„Ah, Juhanah …!“, neckte Kalila. „Woher willst ausgerechnet du das wissen? Du bist doch noch nie über die Grenzen Zaraqs hinausgekommen. Zakari hat ebenso wie ich die Universität besucht und ist ein Mann von Welt.“

Zumindest hoffte sie, dass die Artikel über ihn in der Zeitung und den internationalen Hochglanzmagazinen der Wahrheit entsprachen.

„Phhh!“ Das alte Kindermädchen blies beleidigt die runden Wangen auf. „Und nur, weil ich nicht gern verreise, soll ich nicht wissen, wie es draußen zugeht? Was zählt, ist das Hier und Jetzt! Lass dir das gesagt sein! König Zakari erwartet einer hübschen, bescheidenen Prinzessin zu begegnen und nicht einem modernen … Ding mit unnötigem Diplom in der Tasche!“ Ihre rollenden Augen zeigten einmal mehr, was sie von den überflüssigen Jahren in England hielt.

Und während Kalila lustlos den cremigen Joghurt löffelte, dachte sie wehmütig, dass Juhanah damit gar nicht mal so unrecht hatte. Was nützten ihr Ausbildung und Abschluss, wenn sie ohne gefragt zu werden mit einem Mann verheiratet wurde, den sie kaum kannte und schon gar nicht liebte?

Was allein zählte, waren ihre Abstammung, ihre königliche Kinderstube und ein gesunder Körper, um ihrem Gatten die gewünschten Erben gebären zu können. Was Zakari wollte, war eine Art Allianz, aber ohne Alliierte. Er suchte keine Geliebte, keine Partnerin und schon gar keine Seelenfreundin …

Um Kalilas Mund zuckte es schmerzlich. Sie wusste all dies und hatte trotzdem jeden Tag aufs Neue versucht, sich einzureden, sie könne eine derartige Ehe eingehen – zum Wohl ihrer Familie und ihres Landes. Doch jetzt, da der Tag gekommen war, fühlte sie sich ängstlicher und unsicherer denn je.

„Bist du denn gar nicht hungrig, Liebes?“, fragte Juhanah und kehrte instinktiv zum vertrauten Ton ihrer Kindertage zurück.

Kalila schüttelte den Kopf und schob die Joghurtschale von sich. Jeder Nerv in ihrem Körper vibrierte, und sie befürchtete ernsthaft, sich übergeben zu müssen, wenn sie auch nur einen weiteren Bissen zu sich nahm. „Mir reicht der Kaffee.“

Die Vorbereitungen dauerten den ganzen Vormittag, wie Kalila es bereits befürchtet hatte. Natürlich lag auch ihr daran, den besten Eindruck auf ihren zukünftigen Gatten zu machen, trotzdem fühlte sie sich inmitten der Cremes, Puder, Düfte und Farben wie ein Festtagsbraten, der dem wichtigen Gast möglichst knusprig und verlockend präsentiert werden sollte!

Außer Juhanah war nur noch ein junges Küchenmädchen anwesend, das mit der Nanny zusammen als eine Art Brautausstatterin fungierte. Nach dem Tod ihrer Mutter war das Palastpersonal deutlich dezimiert worden.

Zuerst wurde ein warmes Milchbad in den Quartieren der Frauen bereitet. Eine alte Tradition, von der die Braut nicht besonders angetan war. In erster Line, weil speziell frischer Ziegenmilch besondere Hautpflegequalitäten nachgesagt wurden … ebenso wie ein ziemlich intensiver, herbsäuerlicher Geruch.

„Ich könnte mir doch genauso gut ein medizinisch-kosmetisches Ölbad einlaufen lassen …“, murrte sie, aber vorsichtshalber nicht laut genug, als dass Juhanah und ihre willige Helferin es hören konnten. Verstanden hätten sie es ohnehin nicht.

Während Kalila von ihrem ehemaligen Kindermädchen unter zärtlichem Gemurmel mit einem angewärmten Tuch trocken gerubbelt wurde, verspürte sie eine unverhoffte Sehnsucht nach ihrer Mutter. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, sie für den zukünftigen Ehemann vorzubereiten. Aber Amelia, eine kühle englische Schönheit, war kurz nach dem siebzehnten Geburtstag ihrer einzigen Tochter verstorben.

Sie hätte meinen Wunsch nach einem blumig duftenden Badeschaum verstanden, dachte Kalila mit wehem Herzen. Sie hätten sich gegenseitig geneckt, herumgealbert und selbst im Schatten der drohenden Pflicht, der sie sich als Mitglieder des Herrscherhauses zu unterwerfen hatten, noch ihren Spaß gehabt.

Aber die Hoffnung auf ein normales , befreites Leben wollte die widerspenstige Braut auch so nicht aufgeben. Später werde ich wieder ich selbst sein, versicherte sich Kalila ein ums andere Mal. Wenn Zakari und sie erst allein und ohne kritische Zuschauer waren.

Die Aussicht auf einen derart intimen Zustand ließ ihren Mund ganz trocken werden und ihre Nerven nur noch mehr vibrieren.

Heute würde es auf keinen Fall dazu kommen! Zunächst war das formale Kennenlernen unter den Augen des Königs, ihres Vaters, anberaumt … eine Art historisches Theaterstück, in dem sie kaum mehr als ein Requisit war.

„Keine Falten auf der Stirn!“, mahnte Juhanah. „Heute wollen wir nur dein bezauberndes Lächeln sehen, Prinzessin.“

Fügsam zwang Kalila ihre Mundwinkel nach oben, während sich eine namenlose Bedrückung wie ein Leichentuch über sie senkte. Vor ihr lag eine düstere und ungewisse Zukunft. Eine gewundene Straße, die in unbekanntes Terrain führte.

Nach ihrer Verlobung hatte es Briefe und Geburtstagsgeschenke gegeben, sorgsam ausgewählt und möglichst unpersönlich, wie die Tradition es erforderte.

Heute würden sie sich als Braut und Bräutigam gegenüberstehen und in zwei Wochen verheiratet sein.

Es war absurd, absolut archaisch und … ihr Leben. Oder besser gesagt, der Rest davon. Kalila schluckte trocken.

„Schau dich an“, forderte Juhanah mit weicher Stimme und schob sie vor den mit prachtvollen Mosaiken verzierten Spiegel. Selbst nach den ermüdenden Stunden der Vorbereitung hatte Kalila eine so radikale Verwandlung nicht erwartet. Sie sah aus wie eine Fremde.

Der rotgoldene Kaftan schien ihre grazile Figur förmlich zu verschlucken. Die üppigen Locken waren streng aus dem Gesicht genommen und zu einem raffinierten Flechtwerk auf dem Kopf festgesteckt worden. Am Hals und um die Hüften glänzten schwere goldene Ketten, und ihr Gesicht …

Kalila fiel es schwer, die vollen, fast wollüstig wirkenden scharlachroten Lippen als ihre zu identifizieren, ebenso wie die riesigen mit schwarzer Kohle umrandeten Augen, die ihr entsetzt entgegenstarrten. Die fleischgewordene Fantasie eines jeden Mannes, dachte sie in einem Anflug von Bitterkeit.

„Wunderschön, nicht wahr?“, versuchte Juhanah ein Lob für ihre Mühen einzuheimsen, das ihr zumindest das begeisterte Küchenmädchen willig spendete. „Und jetzt folgt der letzte Schliff!“

Juhanah drapierte das Zeichen jungfräulichen Stolzes auf dem Haupt der stummen Braut … den hijab . Er bedeckte das hochgesteckte Haar und wurde noch mit einem durchsichtigen weißen Schleier gekrönt, dessen Rand Gold- und Silbermünzen zierten, und der so vor Kalilas schmalem blassem Gesicht befestigt wurde, das allein die kohlschwarzen Augen freiblieben.

„Perfekt!“ Juhanah ließ einen Seufzer höchster Befriedigung hören.

Während Kalila ihr Konterfei anstarrte, konnte sie sich nur schwer vorstellen, dass es noch kein Jahr her war, seit sie in Cambridge mit ihren Kommilitonen über Philosophie debattiert oder auf der Straße eine Pizza aus der Hand gegessen hatte. Unverschleiert und ohne Bodyguard oder Anstandsdame, in Jeans und Sweatshirt. Gewohnt, ihre Meinung frei heraus zu sagen, kontroverse Ansichten zu vertreten und Spaß am Leben zu haben.

Eine Option, die ihr plötzlich fremd und unerreichbar schien.

Wer war sie denn nun wirklich? Die lachende, flirtende Studentin aus Cambridge, die mit Vorliebe über Politik diskutierte, oder dieses fremde, verschleierte Geschöpf mit den unergründlichen dunklen Augen?

Vor acht Monaten war König Bahir persönlich nach England gekommen, führte seine Tochter groß zum Essen aus und lauschte geduldig ihrem begeisterten Geplauder. Die ganze Zeit über hatte Kalila versucht, sich selbst davon zu überzeugen, dass es ein rein väterlicher Besuch war, weil er sie vermisste .

Das wollte sie ihm auch jetzt nicht absprechen, während sie sich zurückerinnerte, aber sein Anliegen war natürlich viel umfassender und ernsterer Natur, wie immer. Als wäre es erst gestern gewesen, sah sie sein Gesicht vor sich, wie es sich verdunkelte und er ihrem Geplapper mit einer brüsken Geste Einhalt gebot.

„Was …?“, hatte sie damals bedrückt gewispert, obwohl sie ahnte, was als Nächstes kommen würde. Im Grunde hatte sie es gewusst, seit sie zwölf war. Seit dem Tag ihrer Verlobungsparty …

An die eigentliche Zeremonie konnte Kalila sich nicht mehr erinnern, aber Zakari und sie hatten Ringe getauscht und galten seitdem als Verlobte. Es war wie ein buntes Kaleidoskop von Eindrücken, Gerüchen nach süßem Jasmin, das Gewicht des schweren Goldringes, mit dem kostbaren Diamanten aus Calista, der gleich wieder hinuntergefallen wäre, hätte sie nicht die Finger verschränkt.

Seit jenem denkwürdigen Tag ruhte das unbezahlbare Stück in ihrer Schmuckschatulle.

Vielleicht sollte ich ihn herausholen und tragen … wenigstens heute, überlegte Kalila.