Die vier Liebhaber der Artemis Silber - Christian Mauck - E-Book

Die vier Liebhaber der Artemis Silber E-Book

Christian Mauck

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Beschreibung

Durch den Stream-of-Consciousness-Stil gehört das Herausfinden worum es geht zum Reiz des Buches selbst, aber Themen, die immer wieder angerissen werden, sind Selbstunsicherheiten, vor Allem von Menschen im Alter von 20-30 (aber nicht nur), Aufmerksamkeitsökonomie und Veränderungen der eigenen Weltordnung. Den unterschiedliche Umgang mit Ängsten der Protagonisten und in welche Abgründe sie sich durch sie Hinreißen lassen, spielt auch eine besondere Bedeutung. Die Welt, in welcher der Roman spielt, ist zudem leicht fantastisch/dystopisch - die Ozeane sind angestiegen, einige Städte sind untergegangen, kleinere Wasserflächen sind vertrocknet und Städte, die untergegangen sind, werden neu aufgebaut und neu konzipiert; eine allzu passende Kulisse für das emotionale Labyrinth, in dem sich die Charakter befinden.

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EPUB
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Seitenzahl: 347

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Christian Mauck

Die vier Liebhaber der Artemis Silber

© 2023 Christian Mauck

ISBN Softcover: 978-3-347-67563-6

ISBN Hardcover: 978-3-347-67575-9

ISBN E-Book: 978-3-347-67576-6

ISBN Großschrift: 978-3-347-67580-3

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Umschlaggestaltung: Christian Mauck

Der Handlung des folgenden Romans ist rein fiktiv.

Sie bezieht sich weder auf Äußerungen, noch auf Eigenschaften oder Handlungen real existierender Personen.

Es wurden keine Tiere beim Schreiben dieses Romans verletzt.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Layer 1/100 (Das Ende stiller Tage)

Layer 2/100 (Inzident)

Layer 3/100 (Ein Leben als Gast bei Artemis Silber)

Layer 4/100 (Die Stadt Marina hat nicht nur Vorzüge)

Layer 5/100 (Morning Sunshine)

Layer 6/100 (Die letzten Menschen Kölns)

Layer 7/100 (Die Wärme und sonst keiner)

Layer 8/100 (Nur wenige verstehen den Sommer)

Layer 9/100 (Porto Medina)

Layer 10/100 (Sedna und der Mönch)

Layer 11/100 (Sonntagsblues)

Layer 12/100 (Knochenerinnerungen)

Layer 13/100 (Das Hotel in Südamerika)

Layer 14/100 (Idyll)

Layer 15/100 (Drink)

Layer 16/100 (Stunt)

Layer 17/100 (Sonntage bei Artemis Silber)

Layer 18/100 (Marius vor Artemis Silber's Haustür)

Layer 19/100 (Irgendwann am Rande des Jahrmarktes)

Layer 20/100 (Am Saltout-Park)

Layer 21/100 (Conchas/Ankunft)

Layer 22/100 (Bungalow des Fernsehteams)

Layer 23/100 (Artemis Bude / Erinnerung an den Hexensabbat)

Layer 24/100 (Larsa's Tage in Köln)

Layer 25/100 (Conchas/Der Bungalow)

Layer 26/100 (Unbequeme Morgen in der Wüste)

Layer 27/100 (Die Feier im Wüstenbungalow)

Layer 28/100 (Larsa bei Annette in Köln)

Layer 29/100 (Party am Rand der Wüste, fortgeschritten)

Layer 30/100 (Delirium am Rande der Wüste)

Layer 31/100 (Das Labyrinth)

Layer 32/100 (Sedna / Kopfschmerzen)

Layer 33/100 (Der Wald der andauernden Enthauptungen)

Layer 34/100 (Neben der Spur)

Layer 35/100 (Versuche nachzudenken)

Layer 36/100 (Paradigmenwechsel)

Layer 37/100 (Zwei)

Layer 38/100 (Dreckiger Morgen)

Layer 39/100 (Die zwei Blinden in der Rue de Merico)

Layer 40/100 (Der Kotzstrahl)

Layer 41/100 (Morning Time)

Layer 42/100 (Julia; eine Komparsin)

Layer 43/100 (Crash)

Layer 44/100 (Am Rande des Hexensabatt)

Layer 45/100 (Einkauf in Medina)

Layer 46/100 (Köln: Weg zur Party)

Layer 47/100 (Das anstößliche Poster)

Layer 48/100 (Sedna's Abend auf der Party am Wüstenrand)

Layer 49/100 (Marius' schwere Tage)

Layer 50/100 (Geht vorbei)

Layer 51/100 (Marius Kopftage)

Layer 52/100 (Switch off)

Layer 53/100 (Concha/Bungalow Tag danach)

Layer 54/100 (Interviewpartner)

Layer 55/100 (Das Handbuch)

Layer 56/100 (Ooze / Die Rätsel der Erde)

Layer 57/100 (Im Café)

Layer 58/100 (Briefing im Café)

Layer 59/100 (Larsa's Frust und Hirnstrom)

Layer 60/100 (Concha / Die Tote)

Layer 61/100 (Folgen)

Layer 62/100 (Das Amporphino)

Layer 63/100 (Die zwei Blinden in der Rue du Merico)

Layer 64/100 (Der Durchgang)

Layer 65/100 (Zugang)

Layer 66/100 (Geister)

Layer 67/100 (Artemis, Marius, Larsa fahren hinaus)

Layer 68/100 (Conchas / Marius' Flucht)

Layer 69/100 (Marius und Sedna fahren hinaus)

Layer 70/100 (Marius und Sedna unterwegs)

Layer 71/100 (Vor Marina, bevor)

Layer 72/100 (Vor Marina)

Layer 73/100 (Projektionen)

Layer 74/100 (Welt-Küsschen-Tag)

Layer 75/100 (Draußen/Sonnentage)

Layer 76/100 (Die sonnigen Tage)

Layer 77/100 (Tage abnehmender Sonne)

Layer 78/100 (Interstice)

Layer 79/100 (Vor Marina, danach)

Layer 80/100 (Die Männerfiguren)

Layer 81/100 (Larsa's Abreise nach Marina)

Layer 82/100 (Draußen/Larsa nach Bajika's Flucht)

Layer 83/100 (Die Seepferd-Fischer)

Layer 84/100 (Bruch)

Layer 85/100 (Fahrt ins Krankenhaus)

Layer 86/100 (Artemis wacht auf)

Layer 87/100 (Ginger Escapes)

Layer 88/100 (Ein lebendiger Abend)

Layer 89/100 (Sprengung des Hafens)

Layer 90/100 (Flora)

Layer 91/100 (Die Rettung)

Layer 92/100 (Draußen/Ginger Escapes 2)

Layer 93/100 (Verloren in der Vergangenheit)

Layer 94/100 (Ungute Tage)

Layer 95/100 (Goodbye, Sunshine)

Layer 96/100 (Goodbye, Horror)

Layer 97/100 (Der Tote)

Layer 98/100 (Merico)

Layer 99/100 (Abschied und Neuanfang)

[EPILOG] (100/100)

Die vier Liebhaber der Artemis Silber

Cover

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Urheberrechte

Layer 1/100 (Das Ende stiller Tage)

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Die vier Liebhaber der Artemis Silber

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Layer 1/100(Das Ende stiller Tage)

Was ist das? Und vor Allem: was ist das mit ihnen? Wer sind diese Gespenster deren halber das Herz nicht offen und die Welt zur Nacht nicht frei?

Es ist ein fauliger Sommer; ein Gewitter erwacht, indem es einem Gähnen gleich durch die Gläser drückt, und die Gewitterfliegen schlüpfen zu mehr noch als einem Dutzend in seine Kammer hinein. Ein klar formuliertes Gefühl entsteht in ihm, dass er da stünde und nach draußen blickend einsähe, dass er und die Insekten aneinander vorbei geboren sind. Er fühlt sich, als hätte er einen guten Freund verloren, obwohl er eben außer diesem alles und eben auch nicht viel verloren hatte; nichts außer einer Anhäufung grinsender Phantome, blutleerer und konsumierter Geister, raue und harte Blumen, die ihm nun aus den Händen gelegt wurden.

Eines Morgens erwachte er und auf der Platte seines Wohnzimmertischs lag die hintere Hälfte eines kleinem Schweines. Die Stadt, die unter die Nacht gesunken war, leuchtete stark. Es handelte sich um ein für Gedrungenheit bekanntes Port Mon-Schweine. Er weiß ja nicht, was für Menschen in Port Mon leben, weiß nicht, was sie tun, wenn an einem stillen Wochenende oder einer Serie von Feiertagen her Bitternis in ihr Herz eindringt.

Die Nacht draußen trank nicht von den Menschen, sie schlürfte, sabberte, gurgelte und rülpste. Doch die Morgen überleben sie. Auch wenn es passiert, dass du morgen erwachst und mitten im Kern eines eher unbarmherzigen Wunders verloren gegangen bist. So ist das Menschsein - Wunder kommen pöbelnd und unangenehm des Weges, hebeln dich aus dem Grund, auch wenn du dich angekettet hast oder in Beton eingegossen bist. Legenden werden durchaus aus einer natürlicheren Grobheit angeregt. Und die Fische in den Bächen sehen absolut übel aus und Port Mon-Schweinchen werden an Schwanz und Schnauze angebunden und auseinander gerissen; wenn du sie ringsum den Wanst anschneidest, dann klappen sie eventuell mit einem eleganten “Plop” auseinander. Dann wird es regnen und die Gewitterfliegen schlüpfen durch die angelehnten Fenster. Es schreckt sie nicht, dass der Stuck mit Blut und deiner letzten Pietät besudelt ist.

Wirre Okeaniden fotografieren sich in lauen, dennoch bedrückenden Industriehäfen - Fleisch-gewordene Margeriten, die sinkenden Blüten - das Leben setzt sich ja doch fort. Die Fliegen bringen die anderen Blumen ringsumher zur Macht und gewissenloses Wachsen; die nahrhaften, salzigen Schlacken in den Augen hungrig oder gläubig übender Löwen.

Vor einem Monat wollte er es nicht einmal anblicken und drückte sein Gesicht bang aber immerhin hinfort an die kühle Mauer des Landesparlaments. Der Gedanken, dass da irgendwo Allmacht ist, hat ihn mutloser werden lassen.

Sie tasten nach allem, allem, das da in der Dunkelheit um sie ist. Wie Libellen und Ufos gleiten und teleportieren sich rote Würfel in einiger Entfernung, die sie zueinander einhalten, durch die Luft. Er sah sie sich an und ist ausgeleert wie ein Blitz. Was ist es, dieses große, immer die Wahrheit aussprechende äußere Kind? Ein ulkiges, klein gewachsenes wirkliches Kind schneidet einem Mondfältlingsblatt den Mund auf. Es sieht wie ein bemaltes Ei aus. Die Sphinx des Respekts. Die Kunst offener Worte.

Sanft tragen ihn seine Erinnerungen aus der Stadt; an jeder einzelnen Haltestelle krähte der Fahrer des Busses geschickte, dennoch bemerkenswert obszöne Flüche die Tür hinaus, was die blau-fingrige Alte in der ersten Reihe jedes mal wie einen kleinen Gelatine-Klumpen zum Zittern brachte, aber keinen erkennbaren Fassungsverlust auf ihrem glatten und ebenmäßigen Gesicht aufflackern ließ. Hunde griffen Scheinwerfer an, der Kartenautomat wollte seinen Zweck nur dann verwirklichen, wenn man ihn zärtlich streichelte; ein Teenie stieg an derselben Haltestelle aus an der er eingestiegen war “Auf sowas habe ich wirklich keine Lust”. Der Vollmondschein kochte ein paar männliche Begleiter in ihren Magenverstimmungen sämig - Preis einer Ernährung ohne Meeresfrüchte und des Mischbierkonsums.

Noch vor einigen Monaten, wäre ihm niemals in den Sinn gekommen, dass das Gewerbegebiet so viel Reiz auf ihn ausüben könne. An einem Sonntagabend und dank starkem Wind gibt es im Stadtbereich um die dunkle Jahreszeit keinen besseren Platz, wenngleich nur zu Fuß der Reiz tatsächlich auszukosten ist, wo das Vernehmen des Schweigens ganz natürlich gegeben ist; spröde werdende Lippen hinter denen du an toten Winkeln ertrinkst. Peripherie-Romantik; wenn die Stadt es hergäbe, hätte ich nichts gegen das Überleben in einem guillotierten Ofenrohr. Über die Radiowelle stelle ich kybernetischen Jazz, ganz nah dran, an: “Kimberley-Morley, lass es die Instrumente machen; die steigen ganz schön hinten auf, du verstehst?”, “Nannten sie dich nicht Flanger-Fuck-Rick?”. Danach überspringt man ein paar Sequenzen. “[Und so geht], das schwarz-weiße Sweatshirt darunter bringt mich zum [eine der grausamsten Mordserien] gurgeln; weiß auch nicht, [die das Land gesehen hat] komm bei der nicht weiter [weiter], dabei immer die dicke Schnalle ihres roten BHs, die meine unprofessionellen Systeme kreuzt. Ich reiße sie mir wie eine Perücke hinunter, der geometrische Kolbenfresser, der meine Signalrezeptoren verschleißt, vollkommen hohl in Bezug auf jeden geistigen Austausch. Glimmendes Pulver. Wintersport; Ausgleichung von Neuners Leistung, sie war, wie wir alle, verletzt.

Melonen-Brause für die Polizisten; etwas lahm da kein guter Autofahrer - zu dünne Nerven in dichten Verkehr - aber unantastbar. Was ist ein Polizist? Laut mancher Kollegen etwas, was zu überlisten ist, etwas, was sie überhaupt Anreiz nehmen lässt…” Der Jazzkanal stößt auf und sackt zurück, sie spielen die wilde Burping Trumpet, die beim Live-Konzert den Spieler auf den Boden wirft; die Krebsschalen-Drums sind eine ironisch gemeinte Konterkarierung, denn diese hinreißend verzierten, bitter schönen Schlaginstrumente verstummten entsetzt unter der Burping Trumpet oder einem, auf richtige Weise, in Brand gesetzten Klavier (“sollten sie mir nicht glauben, zementieren und schließen sie sich in ein kühles Korallenriff ein und sie werden sehen”).

Das Gewerbegebiet ist ein ausgezeichneter Ort. Auf einem Grün, nahe eines Sees, in dem sie eine ganze Franziskanermonasterie versenkt haben, parkt er, raucht noch eine dem Wind entgegen und versucht zu einer stummen Show auf Comedy Central auf dem Fahrersitz einzuschlafen, als die Nachricht von Artemis Silber kommt - es ist eine Einladung sie in ihrem Appartement zu besuchen; zwei andere Gäste wären auch dabei; sie würde sich freuen.

Die Nacht ist löchrig, zu belehrend - erlegt dem eigenen Sinnieren Enge auf. Er verbrennt seinen Gaumen und speit bitteren Dampf aus, krank, berührt die Innenseite seines Schenkels, der in Schlaf gefallen war und hinter dem Wagen vermisst er sich selbst zu erblicken, eine seidige Box auf einem Pfannkuchen-Turm. Dicke Schnallen und wie Blech lärmende Ösen. Der Schlüssel würgt eine lebendige Kurbel an, der Fleischjammer zertrampelt den Schlaf der zeitlosen Gänge, in die das seinige Fahrzeug seine Würfel wirft.

Er drückt die Zigarette auf dem Deckel des Notebooks aus und sog sich beim Fahren mit Melonen-Limonade voll um sie schließlich wie ein Schützenfisch aus dem Fahrzeugfenster zu schießen. In sich selbst liegt man da so wie ein kleiner Junge, der das Fallen noch nicht gelernt hat; bei Regen verliert man die Fähigkeiten Knoten zu binden.

Er lässt sich hingegen von seinem eigenen Versprechen zur Vergangenheit hinreißen, wieder mal geht es los, Richtung Phantom der drastischen Belehrungen, Richtung Marina.

Layer 2/100 (Inzident)

Wahnsinn des Morgens; die lieblose, Herz-enteignete Eloquenz der Städte – das vierte Montenegro, in denen die Laufwerke des Systems voller Verachtung verseuchtes Blut, in zarten Streuseln, über das Gesicht spritzt, das dritte Paris bereits – Vereitelung aller, beinah aller Bemühungen – das sechsundzwanzigste Tokio…

Dass die Vervielfältigung großer, signifikanter Städte zigfach gegenüber der des Menschen zugenommen hat, bringt einen zu jenem schlimmen Dienstag zurück, einem, an dem Bajika Lünitz am Gipfel der Treppe einer der vielen Instanzen für den arbeitslosen Teil der Bevölkerung stand, und in einem meisterlichen Akt ihrem aufgedrehten Dreijährigen und schließlich, mit wahrem Kunstgriff, die zwei Säuglinge auf ihrem Arm mit einem langen Messer enthauptete. Auf jeden Fall schossen die beiden jungen Zwillingshäupter (um Kopf zu bleiben geboren) zur Linken und Rechten des Beobachters vorbei – das Blut aber, als verstünde es unsere frühere Ethik besser, wurde tief in die Häupter hinein gesogen. Die Gerüchte aber, der Kopf des Dreijährigen wäre dem Beobachter, von der untersten Stufe in einem günstigen Winkel abprallend, mit großer Wucht in den Schritt geflogen, sind sicherlich frei erfunden.

Wahrheit hingegen - das war die Schönheit ihrer Augen, die in diesem Augenblick, wenn auch nicht im sich steigerndem oder präziser werdendem Sinne, sicherlich noch unermesslicher war…

Venen der Vorabende, die dreckig in Kammern und Gehöften der Innenstadt Marinas enden; alte, von Sorglosigkeit entstellte Damen schieben sich mit ihren Schirmen in die überdachten Areale, während die sensiblen Jungen unbewehrt in den - vermutlich sich angesichts dieser Ungerechtigkeit erst recht noch intensivierenden - Regen ausweichen. Freitag-Vormittag, eingeschoben in ein Konzert 27.000 Erbrechender, die aus kalten, stickigen Korallen taumeln; sie verbrennen Brot und Obst, gegeißelt von ihrem eigenen Adel; ein zutiefst ketzerischer Akt. Aus Ketzertum, nicht aus Überzeugungen. Onomatopoeten hinter Geschäften, die, im Kopf immer noch als anormal verankerte, Interessen auch noch in den späten Stunden bedienen, reden über abschüssige Straßen und mit Messing beschlagene Kakaobohnenhülsen, die bei der Sprengung des Hafens – die Bauarbeiter betonten allesamt, sie hätten gedacht, sie handelten nur im Traum als sie ihn an einem vom Meer abgekapselten See erbauten – sich in säuerlichen Rauch auflösten. Die Warzen ihrer Brust waren bläulich und weich.

Explosionen, Nahrungsmittelbrände, menschliche Ignoranz…

Bajika hatte jeden Monat einen blinden, vollkommen entwickelten Vogel geboren.

Larsa räusperte sich.

Stadt Marina.

Dem Erbauer muss die Westküste der Vereinigten Staaten wie eine abscheuliche Ansammlung von Eingeweiden erschienen sein. Die Zugezogenen – echte Einwohner gab es nicht – fraßen freiwillig Parfüm, die Mieten killten einen mit gemäßigter Geschwindigkeit – weniger reiche Exzentriker hatten immerhin eine minimale Chance zu überleben.

War eine gewisse Menge an unansehnlichen Menschen gegenwärtig, so verstummte unmittelbar der Fluss der Komplimente, welche an den Herzen der Unattraktiven nicht zu landen vermochten oder an denen der Attraktiven vorbeigingen, die innerhalb dieser Stadtgrenzen ihre von der Rasur leicht entzündeten Schamlippen oder mit duftenden Blumenkreolen eingeschnürten Hoden nicht mehr als die siebzehnhundertfache Bestätigung eines unermüdlichen Lobes darbieten mussten; nicht mehr nötig sich mit den viel-Paarenden für ein einziges Mal zu paaren und das ewige, drückende Bild dessen auszurollen wie eine Flagge.

Einige Tiere hatten eine erweiterte Haut, in die ein kleines Gefäß für ihre Entleerung, direkt innerhalb ihres eigenen Körpers, zur Verfügung steht und das mit Hilfe einer Spritze über einen Port ausgesaugt und dessen in Inhalt in die nächste zur Verfügung stehende Toilette gespritzt werden konnte (da die festen Exkremente, die den Körper nicht verließen unter Einfluss der Infektionen, die sich hieraus nahezu automatisch ergaben, ohne zusätzlichen technischen Aufwand einzuschmelzen pflegten). Obwohl niemand hier geboren wurde, halten manche die Arschlöcher ihrer Haustiere immer noch für Softeis-Maschinen. Und wenn die Tiere über die Stadtgrenzen hinaus geführt werden, beginnt ihr Leib unmittelbar und vehementer als unter üblichen körpereigenen Abwehrmaßnahmen auf Zellebene den Port abzustoßen; hübsche Anekdote: „Ich muss mit dir reden, mein schwächlicher Sohn, den wir mit unseren konservativen Herzen nicht trauen können. Deine Töle hat eine Art Transistor oder so in unseren Garten geschissen, den er unmöglich verschluckt haben kann…“ – auf einmal dreht der Alte in der Mitte des Vortrags durch, sein Gesicht verzerrt sich ihm in süßer Agonie, er reibt sich im Schritt, reißt das Medaillon vom Hals des eigenen Weibes, knackt es, was ihr nie gelungen war, und holt daraus die Fotografie eines schönen Schäferhundes (meint der Sohn, der aus Marina heimgekehrt war um trockenen Kuchen auf sein Herz gluckern zu lassen).

Layer 3/100 (Ein Leben als Gast bei Artemis Silber)

„Wo?“, fragte Sedna und sah in die melasmierende Finsternis der „Skyline“ hinaus, welche die westliche Zimmerwand ersetzte. Der Sekt glänzte und zermahlte die Kiefer. Dort draußen die militärisch organisierten, offenen Augen, Menschen, die nur noch aus der 69er-Position heraus fernsehen; Kinder liefen desorientiert und schreiend in der Innenstadt umher, etwas für’s Leben lernend, was ihnen in ein Dutzend Jahren zum verhängnisvollen Nachteil gereichen wird.

Sie sah sich in der Runde um, die neben ihr nur aus Larsa und dessen langjährigen Freund Marius bestand, dem sie zwar zuvor nie auf einer jener Feten begegnet war, die regelmäßig in Artemis Silbers Penthouse-Appartement stattfanden, aber den sie vor Kurzem zu Genüge hat kennenlernen dürfen. Den ganzen Tag lang ist zwischen den beiden jungen Männern gesprochen worden, ohne dass sie auch nur ein Wort verstand. Es schienen keine Idiosynkrasien, übermäßig geschickte Metaphern oder Fachausdrücke, auch hatte es nicht den Anschein – auf der anderen Seite dachte sie: „was weiß ich schon?“ – dass irgendwas unter dem ersten Anschein der Wörter geregelt wurde, dass sie in einer Art Code sprechen würden.

Artemis selbst hatte kurz außerhalb ihres eigenen Reiches zu tun und Sedna hatte eine leichte Furcht, oder besser gesagt: es war ihr unbehaglich dabei dass sie auch in den Folgetagen durch einen nicht vorhersehbaren Einwand abberufen werden würde und sie hier zurückbleiben werden würde.

Alles außerhalb des Wochenendes – und wie vielen Menschen ergeht es nicht so – hatte sie keine Ahnung, woraus Artemis’ Leben bestand und wie sie ihre Zeit verbrachte, sich ernährte, dachte oder empfand – und bis vor Kurzem auch nicht, welche Menschen in diesen Augenblicken zu ihrem Leben gehörten; sie hatte überdies ihre Zweifel (mehr erhofft als berechtigt), dass die paar Tage in Merico – so hieß der Vorort im ausgetrockneten Salzsee vor Marina – ihr als Einsicht darüber besonders behilflich gewesen sind.

In einer Erinnerung von anderen Wochenenden her, trug sich die Graphit-Schale mit kleinen Geoden-Verzierungen vom Tisch heran; die Birne, in grünem Lack gemantelt, die Mandarinen, die unablässig bebten, so dass sie manchmal in die Schale zurückgelegt werden mussten, zumal sie, je weiter sie sich von der Schale entfernten, stärker zitterten und rissen. Es gab Äpfel – wenn man sie berührte, verdunkelte sich sofort der Raum und er erhellt sich wieder, wenn man sie eine Weile lang lässt. Kirschen, mit denen man Menschen verschwinden lassen kann.

Und zwar bestellt, aber noch nicht ausgeliefert, weil die Logistikexperten vor unlösbare Aufgaben gestellt wurden: fremdartige, faserlose, weiche Nüsse mit purpur-schwarzen Hüllen gleich Auberginen, welche, sobald sie vom Stamm auf die Erde fallen mit flüchtigen Gravitationsfeldern Einfluss auf die Persönlichkeit eines Menschen nehmen. Ein entfernter Bekannter – gleichwohl er sich ihr nahe zu wissen glaubt – verspottet die Experten „Diese Leute hier erachten es als einfachste Höflichkeit den ganzen Tag liebevoll im Gedanken an Branen zu verweilen oder einen toten Winkel im Raum-Zeit-Kontinuum aufzureißen, als kehre man etwas unter einen Teppich, nur um ungestört zu scheißen“. Auf einmal hört man ein komisches Schlagen von Flügeln, überzogen, in etwa wie in einem Cartoon. Etwas später enthält Artemis einen Entschuldigungs-Früchtekorb, weil sie als einzige zu benachrichtigende Person eingetragen ist. Sie traut sich kaum ihn auch nur anzusehen.

Eine Woche später bemerkt Sedna, die stets etwas früher vorbeikommt um vor Ort noch einmal unter die Dusche zu springen und sich umzuziehen, dass immerhin die beiliegende Karte abgerissen worden ist. Artemis fächert Sedna mit ihrer Lesebrille zu und dreht sich zum Drucker zurück, der gerade ein zweihundertseitiges Dokument ausdruckt, von dem Sedna auf dem Weg allerdings nichts entziffern kann und entziffern will. Sie kann es kaum halten; die Turnschuhe sind vom Regen durchnässt und auf jeder Stufe schreien sie ihrer Trägerinnen wie aufgekratzte, zwitschernde Vögel hinterher. Die Stadt war schwarz doch durch das Wasser breitete sich das durch den Menschen fabrizierte Licht bis in die kleinsten Fugen und in unberührbare Geister-reiche aus; gierige Eltern zerkratzen sich mit Plastikfröschen gegenseitig das Gesicht… der Urin entrinnt; sie schleudert Slip und Jeans mit dem Knöchel gegenüber ins Waschbecken, zuckt aber jedes mal dabei, weil einmal der ganze Spiegelschrank von der Wand fiel. Was für ein Leben.

Sedna fixiert mühsam den Blick auf eine kleine, kaum auffallende Unregelmäßigkeit auf ihrer Richthand.

Layer 4/100 (Die Stadt Marina hat nicht nur Vorzüge)

Die Stadt Marina hat nicht nur Vorzüge; leider hört man aber, wenn man die Bewohner darauf anspricht nur noch einen lauten Knall, der dich derangiert wie jemand, der in einem Comic mit Sprengstoff in Kontakt kommt, und dann – tja – dann rein gar nichts mehr. Videoaufnahmen allerdings zeigen schon, dass es nicht, wie es jeder Einwohner noch aus der Harnöffnung hervor lullen würde, wirklich um einen Überschallknall sondern um billige Tricks handelt. Wie wenn man einen Paparazzi mit Schneckenkorn angreift.

„Der Prof“, meinte Artemis, kritisiert vor Allem die absolut lächerlichen Messerkämpfe. Sie sind tatsächlich befremdlich; meist in Bussen ziehen die zwei Kontrahenten Taschen- oder Springmesser, gerade mal so wirksam wie Nagelfeilen, tanzen umeinander herum wie Karikaturen eitler Fechter mit spanischen Akzent, es ernst meinend, und bedrohen sich mit dem Vokabular des lokalisierten Terence Hills. Du weiß nicht ob du weinen, lachen oder dich einem Gott opfern solltest, der selbst seit dem Zeitalter des Internets nie von mehr als 10 Menschen gleichzeitig angebetet wurde.

„That’s it“, fasst er es zusammen, wendet sich von dir ab als seist du was Ekles und läuft die Straße hinab, die hungriger geworden scheint.

Freundliche Menschen triffst du nur zu den für die Freundlichkeit vermessenen Stunden an. Der Welt liegt – jeder Zahnlose, Ideologische, Idiologische und Idiot bestätigt es – ein potenziertes Geschick zu Grunde; die Realität ist so stumpf, so beeinträchtigt im Denken, dass sie nie belohnen würde, was sie nicht bereits im Übermaße vorfindet. Was anderes vernimmst du, als du sechzig Meter weiter in Richtung des Herzens der Wohnblöcke einen Jüngeren an die Schultern greifst. Du bemühst dich freundlich und noch aufmerksam zu bleiben angesichts der ausladenden Länge des Tages, den du beinahe ja schon überwunden hast, als er die sich stets verändernde Integrität der Objekte vor deinen Augen und Ohren plötzlich zu begreifen scheint. Beinahe beneidest du ihn darum, dass er jetzt so rasend ist, dass er auch, nach Wortneuschöpfungen Hände ringend, fischen muss. Aus lauter Müdigkeit schießen die Tränen in multiplen Strömen aus deinen Augen, vielleicht ist einer unter ihnen auch nur deine Entschuldigung für heute, dass du gleich heimkehren wirst.

Das Bitterste und Wichtigste aber ist, dass du diesen Schwall Blut, den du trocken draußen in einer Grasnarbe des Parks, die nicht einmal von Fell je zerdrückt wurde, von deiner Zunge aus abgelegt hast, nicht weiter erwähnenswert findest, wenn du den Flur öffnest und dein spielender Gatte und das gebadete Kind dir zuschreien –

Die Stadt Marina hat nicht nur Vorteile.

Auf Sedna wirkten die Gesichter, die sie vorfand, als seien sie auf Cornflakes-Schachteln gedruckte Aberrationen, und eine sehr festgelegte Form der Sinnlichkeit ist überall zu finden. „Jeder doch hat irgendeine Überzeugung“, mischt sie sich in ein nahes Gespräche ein, doch die zwei förmlichen, sehr elaboriert wirkenden Männer schütteln sie ab; Sedna folgt ihnen einige Meter, bestürzt, und schließlich wenden sie sich zu ihr mit ihren halben Gesichtern die zusammen doch ein einziges, ganzes bilden. „Ähm, wir haben über Überzeugung gesprochen, Überbefruchtung, du verstehst?“ „Uh, mhm“, wiegt Sedna sie, doch erst nachdem die beiden Männer ein gutes Stück davon sind und ihre allenfalls lautmalerische Verabschiedung nicht mehr zu rekonstruieren, gibt sich ihr der Sinn der Worte zu erkennen.

„Du… sahst gestern ganz weiß aus“, sagte Art und formulierte jeden einzelnen Buchstaben einzeln aus. Eine Antwort wurde nicht erwartet; sie konnte von nichts anderem ausgehen, dass sie an der Konversation lediglich als ihre eigene Legende beteiligt war.

Durch die Gasse liefen wirkliche, gläserne Menschen, die im Gehen nur die Intensität der Sonnenstrahlen minderten in dem sie hindurch traten, nichts weiter. Das Kaffeemädchen kam herbei, seufzte schwer, hielt einige Sekunden starr inne angesichts der leeren, schmutzigen Tassen und schenkte schließlich nach. Ihr Vater, der Inhaber rief etwas Unkenntliches; erst als das Mädchen ihn albern nachäffte „Wraith, Wraith“ war es zu verstehen. Gelegentlich schwirrten Fliegen herbei und verzehrten die Krumen. Sie waren so überaus gierig, dass Sedna deutlich verschwinden sah, was sie vertilgten. Die Attacken waren schwach angesichts der Größe der Kuchen, aber dennoch sah man sein Stück in einem insektoiden Rhythmus allmählich verschwinden. Denen ist jetzt alles egal, denkt das Gegenüber. Das Gegenüber faltete die Finger vor seiner eigenen Nasenspitze und sah in das Milchglas der Leute. „Wenn jetzt zwei Menschen nebeneinander gehen und der eine löst sich von einem Augenblick auf den anderen einfach auf…“

Die Kaffeekanne stürzte und ergoss sich auf den Boden in der Mitte zweier Tische.

Layer 5/100 (Morning Sunshine)

Larsa erwachte; er sah gerade noch den Rücken von Artemis Silber bevor sich sein Mund mit jenem lauen Geschmack füllte, der auf Erinnerung hinwies, die im ersten Anschauen wie verloren wirkte, sich aber bei wacher Prüfung als die ermüdete Form jener Inhalte entlarvten, die alltäglich die Zimmer der Fantasie kleideten.

Ihr Rücken, mitsamt der wundervollen Anordnung der Leberflecke, wurde zugedeckt und als sie das Zimmer verlassen hatte, erwachten hinter den Wänden einige Stimmen zum Leben, mehr vielleicht als da waren. Der Wind, dachte er, der um freiwillige Prüfungen der Sinne gemacht wird. Die Sonne tropfte und auf dem Deckenfenster über dem Bett floss gelbes Öl, vielleicht weil die Fläche so eben war, recht ungelenk umher. Er warf die Decke von sich, bog den eigenen Penis umher, eine Schnittwunde konnte er aber nicht entdecken. Stroboskop-Lichter warfen sich auf seine Augen. Er blieb einen Moment liegen, während sich Zufriedenheit und Verzweiflung in seinem Kopf zusammenfügten und die Vorstellung der anderen Räume in alle Richtungen zersplitterte und wiederum in einem rücksichtslosen Vielklang in eine verschmolz.

Der Hirnmacher kommt aus dem Osten.

Larsa deckte die geheime Karte der Kraft auf, die Nerven schleuderten ungezielte Blitze aufeinander und erzeugten in Explosionen Bilder, die das Blut sehen konnte. Das Blut taumelte, und wenn Blut nicht weiter weiß, betet es zum Herz. Hundertfach erprobt sich ein Schrei aus Erinnerungen, dicht, zum Fleisch aller Ähnlichkeiten und Ahnungen erwachsen; Geist schlüpft in den hohlen Wurm des Leibes. Die Fasern weicher Mäntel regen sich in dem kaum bemerkbaren Gewicht des menschlichen Atems; das Räkeln eines Aufbegehrens. Die Gesteins-gleichen Wolken hatten sich zu dichten, opaken Planeten verdichtet; sie umtrieben einander, so dass es wirkte als kondensierten sie an ihren Bäuchen und Wölbungen zu Wasser, das nach Metern des Fallens aber um ein weiteres Mal verdunstete und von den, allein durch ihre Gegenwart erdrückende doch behagliche, Massenkraft der großen Ballungen wieder einverleibt wurde.

Geburt und Verschlingen; trotz der Macht und des Absoluten dieser Vorgänge, beschämten sie sich durch das Ringen um die Zuneigung der sehenden und beobachtenden Wesen. Dasselbe, dachte Larsa, ist es, gleich der unbehaglichen Physiologie, die in uns ist.

Larsa saß aufrecht auf dem Bett; von einer Unordnung seiner Substanz erschüttert, doch nicht besinnungslos und so: wissend, qualvoll, dass etwas ist, das nicht ihm gilt. Er fühlt den Schmerz des von den elysischen Substanzen Verlassenen, der dadurch die Auflösung des Glaubens an Schicksal, kosmischer Absichten, die jeden von uns bewohnen, erfährt. Der Himmel, die Konturen, welche die Wolken, Himmelsgötter ihm verleihen, werden sich zerstreuen und in die schmerzhafte Tiefe des Diffusen und Profanen, in die Obskurität zurücksinken.

Die Übelkeit reist von Land zu Land, kopiert sich in ernst zerstreute Gesichter, bereit zu formulieren, dass diese Welt nicht besteht.

Die Oberflächen kreuzen sich mit der Beschaffenheit des Plastiks. Die Flash-Mobs werden den Weg zu dem eigenen Morgen finden, durch korrumpierte Vorstellung ihrer selbst, auf „ihre“ Art, arbeitslos irgendwie, dennoch sakrosankt…

Gibraltarische Engel im Streit. Warmherzige Erbauer endlos verzweigter Nekropolen und Fotografen, scharfsinniger als jene unseren Zeitalters, stehen bereit um uns über die Grundfarben zu belehren…

Die Därme schlimmer Schänder Westafrikas oder die Tuberkulose eines Seeigel-Verkäufers in Jarkutsk, sich noch nicht dessen bewusst, dass er ein Priester des Lebens ist – der feurige, Vogel-gleiche Drache zerschlägt die Kasten – die Venus, die mit schwarzen Tuben mit dem Innern der Sonne verbunden wird – lebende Dichtung, die bedeutet Dramen zwischen Menschen zu entfachen; Sonntag, 23:50 – man sitzt aufrecht im Bett, und kann eins nicht: die Augen schließen.

Layer 6/100 (Die letzten Menschen Kölns)

„Larsa“, sagte Denis und erzählt ihm eine sehr sonderbare Geschichte von jemanden, der in einer Zeitschleife fest steckte und sich in der Supermarktschlange darüber ärgerte, dass er an sich selbst nicht vorbeikam. „Vielleicht bin ich es auch selbst gewesen“, überlegte er laut, „mein Arsch ist fett geworden. Ich krieg zu wenig Bewegung“. Mit seinen Knöcheln schlug er sanft gegen das Knie des Schlafenden. Larsa bahnte sich den Weg aus einer schweren Form des Traumes, jene Form, aus der man lange nicht richtig erwacht, einer jener Träume, die dir das eindrückliche Gefühl oder die Einsicht geben, dass du soeben den Raum verlassen hast, dass jener, in dem du dich jetzt aber befindest, eindeutig dem selben Korridor zugehörig ist.

Die Aggregate der gestrigen Speisen verblühten faul an seinem Gaumen.

Denis merkte an, dass er ihn eingekeilt zwischen dem Tresen und der Küchenzeile vorgefunden hatte; sein Mund war geöffnet doch in der Tiefe seiner Kehle blickte ihn die Erschöpfung an; eine Monstrosität. Rumba knallte zudem aus einem Spielzeug-Radio über Larsa, ob es ihn nicht krank gemacht hätte. Mit angetrockneten Augen, die mit einem punktierten, vergrößertem Schmerz unter ihren schweren Lidbetten hervor schlüpften, sprach er Denis an, der sich sich seitlich fort drehte. Der Wind kräuselte sich durch einen solch unwahrscheinlichen Winkel mühelos in sein Gesicht, dass er zuerst nicht verwundert gewesen wäre, wenn ein gefiedertes Hieronymus Busch-Wesen dessen unliebliches, mit einem Blasebalg ausgestattetes Gesicht sich in die schmale Öffnung spreizte. Seine Brust vergrub sich in einen groben Schmerz. Beschissene Windteufel. Der Toten-Ariel stampft mit einer hageren und hässlichen, kleinen Teufelsform auf ihm herum. Er lehnte sich schwach auf, Denis schaufelte Muschelpatt in die Kaffeemaschine und drehte periodisch sein ausdrucksloses Makaken-Gesicht in Richtung des unsanft Wiedergeborenen.

„Seeschnecken und -pferdchen, getrocknet und zerstäubt, helfen gegen Teufel“, sagte er, als er wieder auf ihn zukam, unnatürlich geschickt.

„Was?“

„Meine Großmutter pflegte zu erzählen, wie sie an der Waliser Küste beobachtet hatte, wie sich ein Teufel an einem Seekrebs vergangen hatte“

„Kannst du das nochmal wiederholen?“, sagte Larsa, zumindest dachte er das, sehr ernst, in einer Stimme, die den wahren Freunden für gewöhnlich die gewöhnliche Lüge abstreift. Denis verschwand während des Satzes einfach, wenig später allerdings tauchte er im Flur wieder auf. Er sah ihn traurig an.

„Was kann ich denn dafür“?

Das Sofa stank nach einer Butanflamme. An der Küchentheke, auf drei Stühlen saßen drei weibliche Mannequins. Jemand hatte diese Puppen dort positioniert als Larsa bereits dem Schlaf anheim gefallen war; sicherlich war es Annette, die später auch ihn, den Leblosen, auf das Sofa legte. Aphrodite teilt zwei Stränge entzwei.

Später hatte er sich im Hostel eingerichtet und etwa zwanzig Dosen des wunderbaren Kaffeegetränks 'Mr. Brown' erworben, sowie ein paar Fertig-Sandwiches, und beschloss bis zum Anbruch der Dunkelheit in seinem winzigen Mietparadies in Schlichtheit und Abgeschiedenheit auszuharren. In das Badezimmer drang von außen kein einziges Mandat des urteilenden Lichtes, außer gelegentlich, wenn die Libido provoziert durch das verzehrte und verzehrende Gift, in Kapriolen durch die Opferzeremonien der, in die Abwehr des Lebens hinein rücken wollende Nacht schlägt. Am eigenen durchnässten Leib klettert man wieder in die mehligen kleinen Puppen der Kleider zurück. Die Welt wie Milch geworden; der Ruf der Gruppen erfüllt von Stottern und dazwischen glaubte er den Hotelwirt schon stöhnen und Luft fangen zu hören. Der Fernseher war auch mit impotenten Mohn gefüllt und daher beschloss er, sein Auto aufzusuchen. „Dieser alte Ford Consul“ „Ne, ich hatte ihn gegen Scorpio eingetauscht.“ „Oh Mann, ich hab dir so sehr davon abgeraten. Ich kann dir nicht ins Gesicht sehen, es verschwimmt vor meinen Augen.“ So hatte Marius damals geurteilt. Larsa schaute auf die Uhrzeit; wenn Marius noch Sedna aufgegabelt hatte, dann würden sie mittlerweile im Leihwagen Richtung Merico sitzen. Larsa verband eine karibische Schönheit aus den Werbeanzeigen mit dem Wagen; sie hob an ihrer Flanke den Rock um uns das verbrannte Gesicht eines Engel zu zeigen. Doch das Bild wurde immer wieder unterbrochen von Gerichtsverhandlungen. Schrille Märzgesänge schallten aus Kehlen zweier von Sandstein erschlagenen Witwen und der Millionen-Jackpot wird vergeben für die Antwort „Ich habe nie gelebt“. Er müsste sich bald fertig machen für die Party.

Layer 7/100 (Die Wärme und sonst keiner)

Nachdem Schopenhauer es hinter sich hatte, drehte der Kurator des Wachsfigurenkabinetts einfach durch und goss die anderen Figuren allesamt - eine Ursuppe aus Effigien - in die Gosse.

Nur wenige verstehen den Sommer.

Marius lehnte an einer weißen, von der Sonne beschienenen Kalksteinwand und lauschte dem Flötisten, der sich unentwegt verspielte. Schließlich erstarrte dieser und blickte Marius an, sagte „ich puste den Schnee von deinem Haus“, und spielte weiter.

Marius saugte trocken an der Zigarette, was noch ging, dann schritt er auf die große Allee hinaus. Er sieht noch die großen Insekten - unter Strom, hergeholt aus den Nächten. Ein Anflug, ein Zuruf aus der Bedeutungslosigkeit. Zynische Dinge heben sich den Weg entgegen; ein ehemaliges Geschäft für Rauchmelder; das alte Werbeschild „Wer weckt sie bei Feuer? Der Rauchmelder“; „Der Rauchmelder“ wurde durchgestrichen und darüber steht „Der halbverkohlte Hund“ per Handschrift gekritzelt. E.T.A. Hoffmann hätte es nicht gefallen.

Aber das Leben ist wunderbar. Hundertschaften tragen sich mit reinem Entsetzen, doch diese einzelnen Partikel erhellen sich doch und leuchten, oft noch im Angesicht des menschlichen Widerstrebens.

Marius erschaudert. August verbrannte in allen Kerzen; Wünsche formulierten sich in den, am wenigsten der Sprache begabten, Mündern zu makelloser Schönheit und Einleuchten; die fantastischen, grotesken Erscheinungen gaben dem Herzen weder Last noch erneuerten Laut.

Marius lüftete den Ärmel, die Sekundenzeiger kringelten sich, ansonsten war das Blatt der Uhr ein schreiendes Loch.

Sie haben Hunger, dürsten grässlich oder stöhnen, ineinander gelegt, auf. Er balancierte eine Krone Laub über dem Solar Plexus, das Haar schob sich im asynchronen Wiegen des Schrittes auseinander. Der Versuch einem Hintern in Jeans hinterherzulaufen, doch, wenngleich ruhig, nicht recht zu gewinnen.

Im Saltout-Park entfernten die Bauarbeiter die neuen Laternen; sie waren zu gläsernen Menoras und Gabeln geformt und das Design sah einen unregelmäßigen, zufälligen Betrieb vor, doch verführten sie zu sehr Vögel ihre Nester darin zu errichten und so schmolzen in den, von Designern erflehten, Stunden unzählige Bruten dahin und hinterließen einen verhärteten, schwarzen Brei.

Marius lehnte sich gegen die Lippe des alten Bewässerungstunnelsystems; er belebte eine vergangene Uhrzeit neu und addierte einige Minuten, dann verdoppelte er sie im Geist. Er sah in die nicht zu durchdringende Dunkelheit. Wäre der Zugang verschlossen, wäre es für die Wenigen mit Erlaubnis sicherer. Der Zugang war nicht versperrt.

Sedna hatte ein kleines grünes Heft in der Hand. Larsa und Marius saßen auf dem Sofa und blickten sie mit weihnachtlichen Gesichtern an. “Was ist das hier? Hört mal:

August 1880; der Junge vom Zirkus spielt, kaum neun, ein erotisches Lied. Der Weißclown legte seine Hand flach auf seinen Rücken, den sie ganz bedeckte, 'mein Lieber, das ist zu geschmackvoll'. Der Junge widmete sich anderen Künsten, wenn nicht unverwandt, so erlernte er einen weichen Sopran in seiner Kehle zu bilden, den er aus seiner Wildheit heraus bis über den Stimmbruch hinaus beibehalten konnte. Bis 1913 übte er sein Fach aus und wandelte sein Leben zu dessen Vollendung, doch dann, bei einer Auführung in Bukarest, zog er die durch Messerkunst herzförmige, purpurrote Eichel aus dem Schlitz der Stoffhose. Der Souffleur drohte ihm Skelette von Auftragskillern auf den Hals zu hetzen, doch sein Gegenüber floh durch einen Vorhang. Er verbarg sich im Laut der Jahreszahl 1890 und dort verblieb er auch. In diesem Jahr liebte er es zu onanieren, sich gelegentlich die Kappe des kleinen Fingers an den After zu legen, und ändern wird sich das nicht – “

Layer 8/100 (Nur wenige verstehen den Sommer)

„Nur wenige verstehen den Sommer“, begann Larsa zu erklären. Natürliches Licht und die Stadt. In der Natur hingegen, unter konsequentem und unbeirrtem Leben, gibt es keine Einsamkeit. Er zündete sich eine Zigarillo an. „Als Sonnenkopf die fließenden Fassaden entwickelte, waren die Material-historischen Utopien, welche nun, nach Entwicklung…“ Marius war abgelenkt von einer anderen Geschichte aus der Zeit des Industrialismus, die Sedna vorhin noch erzählte, um aber die Fäden im Sinn zu behalten, musste er nur durch die Fensterwand der Penthouse-Suite Artemis Silbers nach draußen schauen, mit einem minimalen Blick nach unten hin, denn dort finden sich eben solche Fassaden und ihre „kryptologische Membran“; das bedeutet letztendlich nur, dass jede Information in die tieferen Ebenen durchsickert und sich im Informationsgewirr der tiefsten Schichten wie in einem Sediment oder im Genom die Geschichte der Fassade ablesen lässt. Die flüssigen Fassaden absorbieren Sonnenlicht bis zu einem gewissen Einfallswinkel, und sind somit so konstruiert, dass sie sich im Tagesverlauf aufhellen und wieder verdunkelten. Die Wände selbst erschienen weiß. Die weiße Stadt wäre sonst zu Mittag in der Regel unmöglich auch nur anzublicken, dem menschlichen Auge zumindest, so wie es, gerade an wechselhaften Tagen wo die Sonne starken Schauern folgt, Shell District, den Pagurenhäusern, den Conchas, etwas weiter die Küste rauf, der Fall ist. Regen sind die Sonnenkopf-Wände natürlich ebenso gewachsen, zumindest solange die äußeren acht Layer intakt sind. Die Beschädigung der Layer, also dem absoluten Großteil der Außen-wände bzw. Innenwände öffentlicher Einrichtungen ist ein sehr kostspieliges Verbrechen; manche Layer an öffentlichen Gebäuden werden „Eingangskarte in die Leibeigenschaft“ genannt. Da weiße Wände, die durchgängig die gesamte Stadt durchziehen, selbst einem Unmenschen steril erscheinen könnten, stehen die 9ten bis 17ten Layer gegen Miete zur Verfügung um graphische Designs zu realisieren, vorausgesetzt, man kann sich die horrenden Mieten leisten. Hat so manchen Sprayer zur Verzweiflung getrieben – es sei denn, sie hatten Dachwohnungen.

Die Layer über dem Design-Layer dienten dem Schutz vor der Witterung und der Wartung “von der Oberfläche nach innen”, welche die langfristigen Kosten, die durch Renovierung und menschliche Wartung entstünden, absolut minimieren, und vom technischen Standpunkt aus die Stadt Marina im unantastbaren mehr Schneewittchen- als Dornröschenschlaf erhält. Es soll auch noch Wartungslayer in der Mitte geben, die von der Mitte aus nach Außen und Innen führen und angeblich einen Layer, der von Innen nach Außen wartet und symmetrisch in seiner Bedeutung ist zu seinem Gegenstück. Diese Layer sind in einer gewissen Anordnung unabdinglich. Durch die rigide Durchkonzeption der Stadt seit Anbeginn