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"Morning Glory" schließt dort an, wo der vorangehende Erzählband "Niemals die Stadt" abschloss. In 80 einzelnen Bildern, teilweise karg, erratisch, surreal, nicht selten mit einer Spur von Humor, erzählt der Band in 6 Kapiteln von Städten der Herkunft, dem Erwachsen und Suchen neuer Heimaten, Wanderschaften durch Adoleszenz und kurzen Feierabend in fremden Städten, sowie am Ende, mit emotional noch größerem Gewicht, von dem Gedanken an Rückkehr in die alten Heimaten und den Schlaf, beruhend auf echten Begebenheiten. Mal sehr chaotisch, dann doch sehr nah ist "Morning Glory" erst als Gesamtwerk komplett zu verstehen und lädt zu stetigem erneuten Lesen ein und dem Umherwandern durch das Labyrinth der Orte und am Ende durch die Etappen des Lebens selbst. Begleitend dazu, wenn auch im loseren Zusammenhang, enthält das Buch Abbildungen von Acrylgemälden des Autors, welche die Leseerfahrung sowohl auflockern als auch vertiefen.
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Seitenzahl: 49
Veröffentlichungsjahr: 2020
Veröffentlichungsjahr: 2020
Verlag und Druck: tredition GmbH,
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
© Christian Mauck 2011-2019
978-3-347-15343-1 (Paperback)
978-3-347-15344-8 (Hardcover)
978-3-347-15345-5 (e-Book)
Christian Mauck
Morning Glory
(Gedichte)
Dieses Buch ist gewidmetFrauke
Kapitel 1: Lift
(dem Ort des Aufwachens)
Kapitel 2: Hände
(der neuen Heimat)
Kapitel 3: Unwissen / Jungfernstieg
(dem halben Weg fort)
Kapitel 4: Weiler
(dem halben Weg heim)
Kapitel 5: Glory
(der alten Heimat)
Kapitel 6: Morning Glory
(dem Ort des Schlafengehens)
Kapitel 1
(Lift)
01.
Loft / Der Turm
Hast du noch Geld?
Nage den hängenden Kragen aus Hängen an einer schaukelnden Wand
Beschmiert mit schlammiger Cola; austropfende
Kerzenlöh
Aus versteinertem Flieder schneiden sich Boote,
Hände mit Nagel-armen Fingern
Er webt nur Tier, das dann schon alt ist,
getrennt von holländischen Frauen
Das Glas ist stark, sie scheiden
auf schäumenden Eis
Er nimmt alle Gestalten an sich
Aus einem Bra kriecht der Pilz
Töpfen und turmartigen Krügen nah
ein Dietrich aus einem Kiefer
alles ähnelt
einem zurückgelassenen
singenden Menschen
02.
Abendflöte
Auf der Brüstung einer ewigen Destille
trage ich Decken und blaue Röcke
Schmerzende Gaze, ein Ätzen wo ich
schleudernden Geistern begegne
Spektrale Wägen mit kleinen Schädelnäpfen
Meine Frau sabbert auf ein Till Brönner-Cover
Am Fenster verkündet sie,
dass sie große Neigungen sieht
Ich lebe nur hier um den Käfig zu stehlen
und es lässt sich jeder Zeit tun
Auf der Brüstung einer ewigen Destille
In der Waschküche liegen tote, schwangere Frösche
Ich lege Schilf und eine Wolle herum aus
Ich lege Schilf um meinen Mund
Auf der Brüstung einer ewigen Destille
Ein Alter klettert auf seinen Stock
Fleckiger Saft sickert aus einem Lichtstrahl
Ein Embryo trinkt radioaktive Kleider
Auf der Brüstung einer ewigen Destille
löscht ein Blöder einen ausgekühlten Kopf im Schrei
Ich pfropfe Saugnäpfe auf einen Herzmuskel
Auf der Liege ruhe ich auf einer Brust
Auf der Brüstung einer Destille
knüllt ein Einhändiger Sonnen
Ich durchquere eine Fensterscheibe, bleibe stecken
Mitten im Glas treibe ich auf,
halb hörbar laut
03.
100 Kilogramm schwerer Zitronenfalter
er
die Nadel eines toten Chamäleons,
über mir liegend als betupfte Kaiser,
Brut, brütend hinfort eines hämischen Bauches,
ich muss meiner Nichte Brüste kühlen
ein dampfendes Laub aus Säuren,
meine Mutter weckt gusseiserne, sinkende Gänse,
wir blasen foie gras auf,
Mutter nimmt einen blutigen Strang, der an mir, hoch
mein Vater bläst Argon in ein Pferd,
in ein Astloch legt er Fell,
er flimmert wie eine Schar aus Würmern,
meine Nichte näht sich einen Karren ins Fleisch
ich reiße mir die Nägel,
die Finger schlürfen leeren Vorhäuten gleich,
schwarze Algen schwimmen in Stadtpfützen
In die blaue Algen, ins liebevoll verstellte Meer?
Oder Alkohol und der kranke Kot?
04.
Keine Musik, ausnahmsweise
Zwischen zwei Wolken laufen wir umher
Giorgio haben wir die Geschichte erklärt und er
war leise; und wir waren heiter,
heiter mit unseren Shrimps, denn das Auftürmen
bis unter-die-heißen-Tage war fordernd,
fordernd wie ein Krokodil hinter der Straßenecke
Eine Gesellschaft, eine Clique aus Wachs
Wir sitzen im Frühling auf der Landzunge der Weser
Als erster ergreife ich nie das Wort
Doch uns sagt das nichts; meine Art
Hundert Lösungen für den, der lebt wie ich, habe ich
wie Hundert Grad Fahrenheit
05.
Igel
Ein Fernlaut; harte Strafen
mit puffenden Brustkörben spielt er
er ist ein Sangeslied
im Wind schläfrig auf neunschwänzigen Katzen
liegend
ein stummes Verwerfen, Kolportiertes
auf Faulmoos, gespalten, und Holz von
Deutenden erpresst
ein Oni sieht dich aus dem Dung überzüchteter
Katzen fehl an; Mönche beten jenes Schauen
in verschweißten Kohlenstofftanks an
auf dem Grund verlorene Hände
sie lösen Rätsel in der Erde,
der Lös verlangt tyrannisch, die von ihm
endlos erschauten Möwen in unablässiger
Zeremonie zu Frauen zu nehmen
aus Thronen und viktorianischen Gärten
rülpst einem ein entstellter, starrer Wein entgegen
welcher Körperteil ist ein Attentat, mit welchem
(mancherorts mit Dietrich geöffneten) Leib
erzieht man uns;
ich erwache aller Tage mit toten Männern
jemand fettet an allen Abenden den Schnee ein
Sperma, Morgensterne und Lächeln tippen auf den
Zweigen und Blättern;
was ist der wahre Preis eines Hauses,
was lege ich auf das Grab aller Freunde und Freude
Willst du die Stadt der Teufel sehen?
Wir legen hier Kastanien
in die Augen des Teufels
und in unseren Kanalisationen mühen sich
heilige Gärtner;
wir bieten wiederum unsere Milch an
aus den Gedärmen der Kühe
und dein Blut ist in Niemandes Besitz; du selbst
sehnst dich von Hand zu Hand
06.
Irgendein anderes Venedig
über dir spann ich Bahn,
lass dir noch und nöcher beten, -
Speichel auf die Messer; sie
knacken, Kartuschen voll Thymian
und glühende Orangen
wir sind deine Sklaven
und noch immer wollen wir dich
für dich bestatte ich mich nicht,
leiere und halte allen Anschlag an
ein kühles Bier für die Toten; sie
wuchsen schneller und tiefer als das Grab
sie sind immer noch deine Untergebenen
um sie zu dressieren, lege ich dich frei,
ich kratze und sauge ihre Augen aus -
fallen wir doch auf die Welt wie versteinerte Sterne,
ich betusche die in Volieren
gesperrten Bienen
immer noch trage ich dein Gesicht
gestern war ich Gott,
heute bewege ich mich auf der Oberfläche des
Sterns
und immer noch will ich dich
07.
Blumenhirn
Man könnte meinen, dass es nach
Seesternen röche und
die Edelsteine sich dehnen.
Die Dörfer versengen sich
zu kleiner Größe und
Kinder schreien herab
Du, bis zu den Knien berieselt,
bis zur Hand gestillt.
Die Brotschneidemaschine schwimmt
Ich rieche an den verlassenen Kleidern,
der Botanische tötet sich
zum Herbste her und die Klingeln
werden geschnitten
08.
Wellenkamm
Ich lebe in der Wabe deiner Musik,
eine, die geliehen, durch deine Stimme
dir selbst geboren
wie das eigene herangezogene
Kind im Innern
Herzstillstandsdame
Wir gehen in blauen Zimmerecken spazieren
Katzen mit Elefantitis stehen auf dem Balkon
Mit uns darauf stürze er ein
Du sitzt im entkernten Schrank
und schreist wie eine Löwin
Wie viele Ureinwohnerstämme müssten
deinen Teppich bedauern
Die Sterne deiner Besessenheit
graben sich tief in mich ein,
öffnen meinen Körper und meine Seele