Die Villa am Bach - Carolin Sprick - E-Book

Die Villa am Bach E-Book

Carolin Sprick

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Beschreibung

Sommer, Ruhe, Garten. So will Jari ihre Semesterferien in ihrer Heimatstadt Steverford verbringen und quartiert sie sich in der Villa ihrer Großtante ein. Die ehemalige Musikschule am Bach ist der ideale Platz, um sich allein und in Ruhe auf ihre Prüfungen vorzubereiten. Doch gleich am ersten Abend trifft sie ihren alten Klassenkameraden Ole, der sich und seine Bandkollegen Luc und Marlon zum Lagerfeuer am Bachufer der Villa einlädt. Ausgerechnet Marlon! Plötzlich erlebt Jari nachts Szenen der Vergangenheit in der Villa. Jari ergreift die Chance, um Missverständnisse zwischen ihr und Marlon zu korrigieren und Versäumtes nachzuholen, doch dann steht Jaris beste Freundin und Hobby-Model Hannah auf der Matte.

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Seitenzahl: 70

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Die Villa am Bach

Die Villa am BachImpressum

CLOSER TO THE EDGE

30 Seconds to Mars – This Is War

Durchatmen. Tief!

Komm schon, Jari! Im Schwimmbad hat’s damals auch geklappt, und da warst du nicht mal sechs!

Doch irgendwie funktioniert dieser Motivationsversuch nicht. Immer noch zweifelnd steht sie ein paar Schritte von der Kante entfernt.

Hoch ist es nicht. Ob das überhaupt funktioniert? Was ist, wenn sie unsanft auf dem Boden landet?

Die pulsierende Bassbox hinter Jari schubst sie ein paar Schritte weiter nach vorne.

„Go with the flow and just let it go!” singt Marlon hinter ihr ins Mikrofon.

Okay. Scheiß drauf.

Jari springt.

Und in Zeitlupe rasen die letzten Wochen noch einmal an ihr vorbei.

GOIN’ HOME

Rolling Stones – Aftermath

Jari liebt den Sommer. Eigentlich. Doch die schönste Zeit des Jahres zeigt sich heute mal wieder von ihrer Schattenseite. Leider nicht buchstäblich, denn im Zug ist es unerträglich heiß. Sauerstoffgehalt gegen minus unendlich.

Jari hat mittlerweile jede für sie erdenklich mögliche Sitzposition durchgetestet und für vorübergehend aushaltbar befunden. Bis sie die Schaffnerstimme erlöst und durch die qualitativ minderwertigen Lautsprecher des Wagons kratzt: „Nächster Halt: Steverford.“

Jari quetscht ihren Schmöker zurück in ihren Rucksack zwischen Collegeblock und Vorlesungsskript, sieht aus dem Fenster und atmet einmal tief durch.

„Erinnerungen?“ fragt der Mann, der ihr gegenüber sitzt, mit einem freundlichen Lächeln.

Jari lächelt verlegen zurück. Ertappt. Eigentlich will sie auf diese Frage gar nicht eingehen, aber unhöflich möchte sie jetzt auch nicht sein.

„Meine Heimatstadt“, erklärt sie.

„Besuchen Sie ihre Familie?“

„Ich verbringe die Semesterferien im Haus meiner Tante.“ Das muss nun wirklich genügen.

Die Bahnhofshalle hat sich kaum verändert. Lediglich der Zeitschriftenladen wurde renoviert und heißt nun nicht mehr Ullas Schmökerbüdchen, sondern Relay. Passt nicht wirklich, denkt sich Jari, und erinnert sich an die langen Buswartezeiten, die sie damals damit verbrachte, Teenie-Zeitschriften durchzublättern. Das funktionierte ungefähr zwei Jahre lang, bis sie die halbstündige Schulwegstrecke täglich mit dem Fahrrad fuhr.

Frischluft. Herrlich.

Die Rollen von Jaris Koffer klackern über die unebenen Pflasterplatten des Stadtwalls. Früher ist sie diesen Weg zur Schule auf ihrem Mountainbike wie auf einem BMX-Rad gefahren, damit die Erschütterungen am Po nicht so schmerzen.

Sieben Jahre ist das nun her, doch die dicht beieinander stehenden Häuser gleichen noch immer kleinen Villen, getrennt durch hohe Gartenhecken und schwarzen, gusseisernen Zäune.

Die kühle, schattige Luft weht Jari um die Nase. Der Autoverkehr entfernt sich. Sonnenlicht gleißt durch die hohen Baumkronen der Linden, die diesen Weg des Stadtwalls tunnelartig schützen. Die Blätter der Linden rauschen und führen ein Schattenspiel vor, das Jari beruhigt.

Hallo Kleinstadt. Hallo Entschleunigung.

Am Ende des Weges hinter einer Kurve, bevor die Kleinstadt an Wiesen und Felder grenzt, steht sie, Tante Jördis‘ Villa. Eigentlich ist sie keine wirkliche Villa, doch die beiden Giebeltürme ragen majestätisch in die Baumkrone des wuchtigen Apfelbaumes und erinnern Jari an ein Schlösschen.

Drei Wochen wird sie mindestens hier bleiben. Vielleicht auch länger.

Jari öffnet das quietschende Gartentor, schmunzelt über diese intakte Alarmanlage und wuchtet ihren Koffer die dreistufige Marmortreppe hinaus zur Eichenholztür, deren Türschloss leicht klemmt.

Der kühle Hausflur. Grauschwarze Fliesen erinnern an eine Zeit, in der man sich noch mit einem Kelch in einer großen Schale wusch, und der lange dunkle Gang des Hausflurs wird lediglich durch das Tageslicht erhellt, das durch die einzelnen Zimmertüren hineinfällt. Jari stellt den Koffer neben der Holztreppe ab und geht in den Flügelsaal.

Der schwarze Bechstein-Flügel steht noch immer an seinem Platz in der Mitte zwischen zwei weißen Säulen und erhält seine verdiente Beachtung.

Jari öffnet den Deckel und spielt ein paar Töne. Der Flügel ist leicht verstimmt. Tante Jördis muss lange nicht gespielt haben.

Zum Durchlüften öffnet Jari die Schiebetür zur Gartenterrasse, schließt die Augen und atmet tief durch.

Rosmarin und Lavendel.

Die Samthortensien leuchten in ihren violetten Farben im Sonnenlicht.

Die große, rustikal eingerichtete Bauernküche mit der modernen Kochinsel in der Mitte wurde von Tante Jördis ordentlich hinterlassen. Der Kühlschrank funktioniert und möchte gefüllt werden. Also schnappt sich Jari einen Bastkorb vom Haken neben der Tür, kramt ihr Portemonnaie aus ihrem Skaterucksack und zieht los.

AND THE BEAT GOES ON

The Whispers – The Whispers

Weil Jari in der unmittelbaren Nähe keinen preiswerten Supermarkt findet, hält der überteuerte Biomarkt als Kühlschrankinput her.

Sie arbeitet sich zwischen den Regalen durch, die zahlreiche Produkte anbieten, die Herr und Frau Ottonormalverbraucher nicht brauchen, und findet schließlich endlich die winzige Gemüseabteilung.

Ein letzter, mickriger Salatkopf signalisiert auch einem anderen Kunden, dass er die Nacht nicht hier verbringen möchte. Ihre Köpfe stoßen zusammen.

„Autsch.“ „Tschuldigung.“

Sie blickt auf und schaut in das Grinsen eines ausgeblichenen, gelben Nirvana-Smileys auf einem schwarzen, verwaschenen T-Shirt.

„Jari?“ fragt der ebenso breit grinsende T-Shirt-Träger, ein dunkelhaariger Filz-Dreadlock-Kopf.

„Ole!“ Da sieht sie ihren alten Schulkameraden nach Jahren wieder und ist weniger überrascht, dass sie ihn trifft, als über die Tatsache, dass sie ihn in einem Biomarkt trifft, pflegte er sich doch früher in der Pause von Tacco-Chips und Energy-Drinks zu ernähren. Aber vielleicht gibt’s die auch in Bio.

„Is ja’n Ding. Was machste hier?“

Ja, was mache ich hier eigentlich, in diesem eingeschlafenen Seelendorf, das ich nach dem Abi so schnell wie möglich verlassen habe, um in der Ferne zu studieren, fragt sich Jari. Dass ich in den Semesterferien keine Lust habe, zu Hause zu pauken, während meine Eltern mit dem Bulli an der Algarve herumdüsen und meine Schwester ein Praktikum auf einem Ponyhof in Norddeutschland macht, weil sie nach dem Abitur den Kopf frei kriegen möchte, dass meine beste Freundin Hannah ihre Model-Nebenjobs alle in die Semesterferien gelegt hat, dass Malte mich endgültig abgeschrieben hat, oder ich ihn, wir beide uns gegenseitig, wie auch immer, dass unsere Beziehung jedenfalls in die Brüche gegangen ist und ich absolut keine Lust habe, ihm zu begegnen und mich zu Hause gerade wirklich nichts hält – all das geht Ole eigentlich gar nichts an. Also erkläre ich ihm die plausibelsten Umstände: „Ich wohn‘ gerade in der Villa meiner Tante Jördis.“

„Urlaub bei der Tante also.“

„Naja, Urlaub – Ich muss mich auf ein paar Prüfungen vorbereiten. Ich hab sozusagen sturmfrei. Tante Jördis reist gerade durch Indien.“

„Man gönnt sich ja sonst nichts“, schmunzelt Ole und begutachtet nebenbei ein Bund Radieschen, „Wo ist die Villa?“

„Es ist die alte Musikschule am Wall.“

„Nein! Im Ernst? Da wohnst du?“

„Naja, ich hab ja gerade erklärt – “

„Da hatten wir früher unseren Probenraum im Keller.“

Ach ja! Die Band! „Spielt ihr noch zusammen?“

„Klar! Wir wohnen sogar zusammen in `ner WG. Bietet sich halt an, wenn man hier studiert.“ Sein Handyklingeln unterbricht uns.

„Ja? Marlon! Wo brennt's? – Okay, bring ich mit.“

Als er den Namen seines Kumpels nennt, zuckt Jari kurz zusammen. Dabei reden sie doch die ganze Zeit schon über die Band.

Ole legt auf und entschuldigt sich: „Sorry, ich muss. Marlon hat den Probenraumschlüssel vercheckt. Wir proben jetzt nämlich in der Autowerkstatt von meinem Vater. Also, im Keller. Nicht in der Werkstatt.“

„Schon klar.“

„Und was machen wir jetzt mit dem Salat?“ fragt Ole und weiß die Antwort schon: „Wir teilen!“

„Das wird ziemlich schwierig an der Kasse.“ Doch Ole schüttelt den Kopf und erklärt:„Wir grillen morgen Abend alle bei dir. Ihr habt doch noch die alte Feuerstelle am Bach, oder?“

Jari nickt.

„Na also. Geritzt. Ich greif noch schnell ein paar Steaks ab, okay“, verabschiedet sich Ole und verschwindet im Dickicht von Tofuwürstchen und Lupinensteaks.

***

Nach dem Abendessen klettert Jari übermüdet bereits um zehn Uhr in die Koje des Mansardenzimmers und wacht vier Stunden später wieder auf, weil sie verrückten Durst hat. Nicht dran zu denken hilft nicht. Also schwingt sie sich die drei Stockwerke hinunter in die Küche, zapft sich ein Glas frostkaltes Wasser aus dem Hahn und leert es in einem Zug.

Dissonante Akkorde klirren aus dem Flügelzimmer.

Okay, ich muss wirklich müde sein, denkt sich Jari. Jetzt nehme ich schon mitten in der Nacht expressionistische Klaviermusik wahr.

Wieder was.

Kann nicht sein. Ich halluziniere. Die Hitze hat mich heute wahrscheinlich völlig fertig gemacht. Besser, ich lege mich wieder schlafen.

SOULMATES NEVER DIE

Placebo – Sleeping With Ghosts

Im kühlen Halbschatten lernt Jari am nächsten Tag auf der windigen Terrasse eher weniger erfolgreich die ersten Seiten des Skriptes durch.

Dass ich die Jungs ein paar Jahre lang nicht gesehen habe, ist doch wirklich kein Grund, um nervös zu sein. Sie schließt die Augen, lauscht dem Windrauschen und lässt sich den Kopf durchpusten.

Besser.

Abends kocht Jari schon mal die restlichen Kartoffeln aus der Biomarkttüte, als es an der Haustür schellt.

Da steht sie, die Band.

Dreadlockenkopf Ole, der lange Lulatsch Luc – und Marlon.

Ole begrüßt Jari mit einer Umarmung und Luc zieht gewohnheitsmäßig und völlig unnötig den Kopf ein, als er sich an Jari vorbei durch die ungefähr drei Meter hohe Haustür schiebt.

„Hi“, grüßt Marlon so knapp wie möglich. Seine Augen glänzen noch immer wie blaue Eiskristalle.

„Steile Hütte!“ staunt Ole und sieht sich im kathedralenartigen Hausflur um.

„Tu doch nicht so, als wärst du noch nie hier gewesen“, erinnert Luc ihn an den damaligen Musikunterricht.

„Ja aber guck doch mal, wie das jetzt aussieht! Wurde die Bude saniert?“

Jari nickt.