Die Wahrheit über Sachsens Glanz und Preußen Gloria - Walter Brendel - E-Book

Die Wahrheit über Sachsens Glanz und Preußen Gloria E-Book

Walter Brendel

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Beschreibung

Sachsens Glanz und Preußens Gloria ist ein sechsteiliger Fernsehfilm der DDR, der auf historische Ereignisse der Jahre 1697 bis 1763 zurückgeht, basierend auf dem Roman von Józef Ignacy Kraszewski, thematisiert auch die brandenburgisch-sächsischen Beziehungen. Die Film wurde ein großer Erfolg und entwickelte sich zum Straßenfeger. Doch genau betrachtet strotzt er von historischen Unsinn, genauso wie die sogenannte Sachsen-Trilogie des polnischen Schriftstellers Kraszewski. Und dieser Unsinn wird leider noch von Drehbuchautor Dr. Albrecht Börner noch durch völlig frei erfundene Geschichten vertieft. So z.B. bei den angeblichen Fluchtversuchen der Gräfin Cosel von der Burg Stolpen, der Negativdarstellung des Grafen Heinrich von Brühl, erfundene Affären des Grafen und seiner Gemahlin Franziska und auch die Darstellung des Preußenkönig Friedrich II. Der Autor des vorliegenden Buches versucht, die verfälschten Eindrücke richtig zu stellen und den handelnden Hauptpersonen wieder den Platz zuzuweisen, denen die Historiker ihnen heute einräumen.

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Seitenzahl: 523

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Walter Brendel

Impressum

Texte:             © Copyright by Walter Brendel

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

 

Inhalt

Impressum

Vorwort

Józef Ignacy Kraszewski

Gräfin Cosel

Graf Heinrich von Brühl

Der 5. und 6. Teil des Filmes und die Rolle des Preußenkönig

Quellen

Vorwort

Sachsens Glanz und Preußens Gloria ist ein sechsteiliger Fernsehfilm, der auf historische Ereignisse der Jahre 1697 bis 1763 zurückgeht, basierend auf dem Roman von Józef Ignacy Kraszewski.

Ein großartiger Film, eine glänzende Besetzung und mit noch nie dagewesenen Kosten für eine DDR-Filmproduktion.

Doch der Ursprung der anschließenden Verfilmung war ein ganz anderer. Denn sowohl der Roman des polnischen Schriftstellers Józef Ignacy Kraszewski als auch das Drehbuch von Dr. Albrecht Börner wimmelten nur so von historischen Ungereimtheiten und fiktiven Geschichten, die sich so oder ähnlich nie zugetragen haben. Das betrifft insbesondere die Personen August des Starken, der Reichsgräfin Constantia von Cosel, August des III. und des Ministers Graf Heinrich von Brühl und seines Gegenspielers Friedrich II.

Bereits von Kraszewski verfälscht dargestellt, setzt das Drehbuch von Börner noch eine drauf. Begebenheiten die sich so nie zugetragen hatten und wegen des Spannungseffekts des Filmes noch dazu erfunden wurden, lassen jeden Historiker schaudern.

Das hier vorliegende Buch hat es sich zur Aufgabe gestellt, wieder die gesamte Handlung thematisierten brandenburgisch-sächsischen Beziehungen geradezurücken und die Wahrheit über die handelnden Hauptfiguren zu erzählen. Und es beileibe keine Kritik an den großartigen Schauspielern, die diese Personen verkörperten, denn diese mussten sich ja an das Drehbuch halten.

Die detailreichen und in mancher Hinsicht stark von den tatsächlichen historischen Geschehnissen abweichenden Romane wurden jedoch für die Drehbücher erheblich gestrafft und verändert, so dass die Verfilmung eine recht freie Umsetzung der Romanmotive darstellt. Auch inhaltlich gibt es mehrere Fehler, so wurde zum Beispiel Heinrich von Brühl erst 1737 in den Grafenstand erhoben, wird aber im Film bereits 1733 als Graf und damit im Adelsrang auf einer Ebene mit Graf Sulkowski stehend bezeichnet.

Hinzu kommen verschiedene historische Ungenauigkeiten. So gibt es einige Einstellungen, in denen Gegenstände und Gebäude zu sehen sind, die es zum Zeitpunkt der Handlung noch gar nicht gab. So ist in den Stadtansichten von Dresden das Neue Rathaus zu sehen, das aber erst von 1905 bis 1910 gebaut wurde. In verschiedenen Einstellungen sind Gullydeckel zu sehen, obwohl in Dresden erst ab 1850 erste unterirdische Kanäle angelegt wurden.

In einer Einstellung im 1. Teil, in der Karl XII. auf seinem Ritt nach Dresden gezeigt wird, sind im Hintergrund die beiden als Marienbrücke bezeichneten Elbbrücken zu sehen, die erst von 1856 bis 1852 bzw. von 1898 bis 1901 gebaut wurden. Etliche Aufnahmen zeigen auch Gaslaternen, obwohl die ersten Laternen dieser Art Beleuchtung in Dresden erst am 23. April 1828 am Schloss leuchteten.

An anderen Stellen sind im Bild z. B. Straßenbahnschienen, Glühlampen, Telefonfreileitungen oder Weidezäune zu sehen. Auch der Dresdner Fürstenzug, die Semperoper und sogar die in den 1970er Jahren elektrifizierte Bahnstrecke Dresden – Bad Schandau finden sich im Film.

Ein Kuriosum in dieser Hinsicht ist sicherlich ein Förderband, das im Hintergrund einer Einstellung in Pillnitz im 5. Teil zu sehen ist. Ähnlich verhält es sich teilweise mit der Musik im Film. So wird beispielsweise die Krönung Augusts des Starken im Jahr 1697 mit dem erst im Jahre 1825 komponierten Te Deum des 1770 geborenen Komponisten Anton Reicha untermalt.

Die feudale Oberschicht darf in den 6-Teiler wieder auferstehen und den Zeitgeist der damaligen Zeit wiederspiegeln lassen. Ein Jahrzehnt arbeitete der Regisseur Hans-Joachim Kasprzik an dem Epos um Liebe, Macht und Intrigen. Doch dessen Realisierung wird immer wieder in Frage gestellt. Was Kasprzik dabei erlebt, beschreibt er für sich als menschliche und künstlerische Tragödie. 1983 beginnen die Dreharbeiten. Da das barocke Dresden nicht mehr zu finden ist wird auch in Prag, den damaligen Leningrad und an vielen kleinen Schössern wie in Barockmuseum Schloss Moritzburg, der Burg Stolpen, der Festung Königstein Staatliches Heimat und Schlossmuseum Sondershausen, Museen der Stadt Gotha, Barockgarten Großsedlitz, der Staatliche Porzellan Manufaktur Meißen, Albrechtsburg Meißen, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen deutschen Literatur in Weimar – Dornburger Schlösser, Barockschloss Valtice, Barockschloss Buchloviceund den Staatliche Schlösser und Gärten Potsdam Sanssouci sowie den Staatliche Museen Heidecksburg Rudolstadt gedreht.

Immer wieder gab es Einmischungen von ganz oben. All das ging an Kasprzik nicht spurlos vorüber und er fing an, zu trinken. Seine ohnehin cholerischen Züge bekamen dann auch bald die Schauspieler verstärkt zu spüren. Doch eins muss man ihn lassen, er gab nie auf, begann immer wieder an den Intendanten des Fernsehens der DDR zuschreiben, persönlich hinzugehen, nur um das Projekt am Laufenden zu halten.

Die Macher des Films können dabei auf die Erfahrungen eines der ältesten Filmstudios der Welt, die Ufa – ab 1946 DEFA mit einer dann völligen politischen Neuausrichtung, in Potsdam zurückgreifen. Handwerklich profitiert die nun sozialistische Traumfabrik von den großen Traditionen. Das Fernsehen wäre mit eigener Produktion des Films überfordert gewesen, so übernahm es die DEFA als Auftragnehmer, das Filmwerk zu produzieren.

Vieles was benötigt wurde, gab es nicht im Fundus, also musste alles neu mit einem großen Zeitaufwand angefertigt werden. Doch nicht nur an Kostümen fehlt es, sondern auch an Möbeln der damaligen Zeit.

21 Millionen DDR-Mark kosten die sechs Filme, die die DEFA im Auftrag des Fernsehens produziert. Insgesamt 186 Drehorte, 100 davon im Außenbereich. 86 verschiedene Dekorationen. Die ARD bietet eine Million Westmarkt für die Senderechte.

Am Set von Sachsens Glanz und Preußens Gloria ist Alkohol Alltag, gewissermaßen ganz im Sinne von August des Starken. Mit Bier begannen die Dreharbeiten am neuen Tag. Dennoch entsteht ein Werk, was Hans-Joachim Kasprzik und Albrecht Börner der DDR abgerungen haben. Trotz aller historischen Ungenauigkeit und erfundenen Geschichten ist die Handlung des Werkes in sich schlüssig, wobei die heutigen Teile 1 und 2 zuletzt gedreht wurden. Sogar in Paris gibt es eine Premiere. Die Filme werden von 1985 bis 1987 ausgestrahlt und sind ein grandioser Erfolg bei den Zuschauern in Ost und West. 10 Jahre lang hat Kasprzik am Projekt gearbeitet, drei Jahre davon musste er mit warten auf Antworten der Oberen verbringen. Und auch nach der Wende muss er Briefe schreiben, an alle westdeutschen Produzenten, denn er ist arbeitslos. Er hat der DDR einen der größten Straßenfeger beschert, sie siebziger Jahre erlebt er nicht. Er stirbt mit 69 Jahren an Krebs.

Ein Kunststück das seinen Preis hatte. Szenarist und Regisseur haben drei Jahre am Drehbuch gefeilt und dann noch einmal anderthalb Jahre warten müssen, bis die DEFA das Budget zusammen hatte. 12 Millionen Mark waren veranschlagt. Zu Recht. Schon allein die Garderobe der Hauptdarsteller kostete im Schnitt 50.000 DDR-Mark und ist in aufwendiger Handarbeit gefertigt worden. Die DEFA fuhr mit riesigen Teams, hunderten von Kostümen und LKW´s voll Technik nach Leningrad und Warschau, um den eigentlichen Handlungsort Dresden so glanzvoll wie möglich zu inszenieren.

Ein Rausch schöner Bilder, in dem pointierte Rededuelle, Machtkämpfe, Pulverdampf und Schlachtengetümmel ebenso ihren Platz haben, wie erotische Abenteuer und die große romantische Liebe. Sie haben Millionen Zuschauer im Osten an die Bildschirme gebannt – und später auch im Westen, wohin die Serie erfolgreich verkauft wurde.

Doch wie schon erwähnt, kommt es hier den Autor mehr auf die wahre Darstellung der handelnden Personen an. Doch der Reihe nach. Beginnen wir mit dem Autor der sogenannten Sachsen-Trilogie.

Józef Ignacy Kraszewski

Józef Ignacy Kraszewski, Pseudonym: Bogdan Bolesławita wurde am 28. Juli 1812 in Warschau geboren und starb am 19. März 1887 in GenfEr ist vor allem für seine Serie historischer Romane Dzieje Polski („Die Geschichte Polens“) sowie die Sachsentrilogie bekannt.

Józef Ignacy Kraszewski (um 1880)

Józef Ignacy Kraszewski wurde in Warschau als ältester Sohn einer wenig begüterten polnischen Adelsfamilie (Szlachta) geboren. Er studierte in Wilna Medizin, dann Philosophie und war ein Anhänger des Novemberaufstands von 1830.

Im Jahr 1861 war er Mitglied des Warschauer Selbstverwaltungsorgans Delegacja Miejska. Nach dem Januaraufstand 1863 entging er nur durch Flucht der Verbannung nach Sibirien. Eigentlich beabsichtigte er, nach Frankreich zu emigrieren, verblieb jedoch in der sächsischen Residenzstadt Dresden, die er am 3. Februar 1863 erreichte. Hier traf er eine große Anzahl von Landsleuten an und engagierte sich bei Hilfsaktionen für polnische Flüchtlinge. Anfangs nahm er in der Innenstadt verschiedene Wohnungen (Pillnitzer Straße, Augustusstraße, Hauptstraße, Dippoldiswalder Gasse, Blumenstraße u. a.).

Von Dresden aus begab sich Kraszewski 1863/64 und 1868 auf Reisen in die Schweiz, nach Italien, Frankreich und Belgien und besuchte auch die Städte Köln, Berlin und Leipzig. Seine Reiseeindrücke schilderte er als Fortsetzungsartikel für eine polnische Zeitung; später erschien damit, in einer Auswahl, ein Buch mit dem Titel „Reiseblätter“.

1869 wurde seinem Antrag auf die Erlangung der sächsischen Staatsangehörigkeit entsprochen. Mit dieser Voraussetzung erwarb er 1873 schließlich ein von einem Garten umgebenes Anwesen in Dresden, Nordstraße 27 (später 28). Im Jahr seines 50. Schriftstellerjubiläums konnte er 1879 ein größeres Gebäude auf der Nordstraße 31 kaufen. Dieses bewohnte er bis 1883.

Er hat es seiner sächsischen Wahlheimat wenig gedankt, dass er hier in Ruhe leben und arbeiten konnte. Im Gegenteil. Er verunglimpfte Persönlichkeiten der sächsischen Geschichte durch frei erfundene Erzählungen und fiktive Geschichten, um sie in ein schlechtes Licht zu rücken. Hier kommt insbesondere seine antimonarchistische Einstellung zum Ausdruck, eingedenk auch der Tatsache, dass Sachsen wie Könige in seinen Heimatland Polen stellte, während er offen Sympathien für den Preußenkönig zeigte.

Nach über 20 Jahren des Dresdner Exils wurde er schließlich der Arbeit für den französischen Geheimdienst bezichtigt und in Berlin verhaftet. Nach der Verhandlung vor dem Reichsgericht in Leipzig verurteilte man ihn zu dreieinhalb Jahren Festungshaft in Magdeburg. Durch seinen schlechten Gesundheitszustand wurde Kraszewski 1885 gegen Kaution zu einem Genesungsurlaub entlassen.

Nach Dresden zurückgekehrt, verkaufte er sein Grundstück und verließ die Stadt, um in San Remo ein neues Domizil zu suchen. Hier hoffte er nicht nur, seine Gesundheit wiederherzustellen, sondern auch einer erneuten Inhaftierung zu entgehen. Aus Angst vor eventueller Auslieferung entschied er sich schließlich zu einem neuerlichen Ortswechsel nach Genf. Dort verstarb Kraszewski, vier Tage nach seiner Ankunft.

Kraszewski hinterließ etwa 240 Romane und Erzählungen, indem aber nur wenige bekannt wurden. Mit seinen sechs zwischen 1873 und 1885 in Dresden entstandenen Sachsen-Romanen – August der Starke, Gräfin Cosel, Flemmings List, Graf Brühl, Aus dem Siebenjährigen Krieg und Der Gouverneur von Warschau – schuf er ein umfassendes und farbenprächtiges Zeitgemälde Kursachsens und Polens, dessen Wahlkönige von 1697 bis 1763 Kurfürst Friedrich August I. (August der Starke, als polnischer König: August II.) und sein Sohn Kurfürst Friedrich August II. (als polnischer König: August III.) waren. Doch das, wie erwähnt, vorwiegend mit hasserfüllter Darstellung und frei erfundenen Geschichten.

Gehen wir den Romanen, die die Grundlage für den Film Sachsens Glanz und Preußens Gloria bildeten, auf den Grund und rücken die betreffenden Personen wieder in das historisch genaue Licht und beginnen mit dem 1. und 2. Teil, der das Schicksal der Gräfin Cosel zum Inhalt hat.

Gräfin Cosel

Die Darstellung im Film:

Gräfin Cosel I

Der durch die Niederlage im Großen Nordischen Krieg gegen Schweden gedemütigte Kurfürst August der Starke kehrt nach Sachsen zurück, im Nacken seinen jungen schwedischen Widersacher und dessen Soldaten. Der Sieger verlangt den Verlierertribut von Sachsen und seinem Volk. Verletzt und missgestimmt sucht August der Starke Abwechslung in unbändigen Festen und Gelagen. Eines dieser Gelage endet mit einer Wette, in deren Ausgang Anna Constantia von Hoym, geborene von Brockdorff – die Frau des sächsischen Akzisedirektors – an den Hof beordert wird, um zu zeigen, ob ihr Gatte seine Wette – sie sei die schönste Frau in Sachsen – gewinnen kann. Vom ersten Moment an ist August fasziniert von dieser Frau, die er später zur Gräfin Cosel machen wird. Die Fürstin Teschen ist vergessen, Hoym in die Lausitz geschickt und August beginnt ein zähes Werben um seine schönste und langjährigste Mätresse. Sie ringt ihm ein Eheversprechen ab und zeigt damit ihrem Schicksal den Weg…

Gräfin Cosel II

Gräfin Cosel regiert Sachsen und seinen Herrscher. Aber sie mischt sich ein in die Politik, will mehr sein als Bettgespielin für den launischen sächsischen Herrscher. Und wiederum nehmen die Intrigen ihren Lauf. Man weiß es am Hof geschickt zu lancieren, dass Anna in Ungnade fällt und August – letztlich ihrer überdrüssig – sie nach Burg Stolpen schickt. Mehrfach versucht sie, ihn um Gnade anzuflehen, mehrfach versucht sie mit Hilfe verschiedener Kavaliere, wie Rittmeister von Rosen, zu fliehen. August indessen vergnügt sich mit neuen Mätressen und neuen Festen. Und neue Gesichter beginnen ihre Rollen am sächsischen Hof zu spielen. Darunter ein Page namens Heinrich von Brühl, der August wiederholt in die polnische Residenz nach Warschau begleitet …

Die historisch genaue Darstellung:

Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel, geb. von Brockdorff wurde am 17. Oktober 1680 in Depenau geboren. Sie starb am 31. März 1765 in Stolpen. Sie war die bekannteste Mätresse Augusts des Starken.

Anna Constantia von Brockdorff wurde am 17. Oktober 1680 in Depenau (heute Ortsteil von Stolpe) geboren. Sie wuchs als Tochter des Ritters Joachim von Brockdorff und seiner Frau Anna Margarethe, Tochter des reichen Hamburgers Leonhard Marselis, auf Gut Depenau auf.

Die junge Anna Constantia wuchs im Herrscherhaus auf. Das alte Herrenhaus Depenau mit seinem romantischen Walmdach wirkte auf den ersten Blick wie ein Plätzchen im Paradies Holstein. Umgeben von einem schützenden Wassergraben war es nur über die mächtige Zugbrücke zu erreichen. Im Sommer schmückten bunte Blumen Fassade und Auffahrt; im Winter bogen sich die Äste der hohen Bäume unter glitzerndem Schnee.

Die Diele war das Lebenszentrum der Familie. Vor allem im Winter fand hier der Alltag statt. Hier taten die Kinder ihre ersten Schritte, las die Mutter aus der Bibel vor und auch der Unterricht der Kinder durch verschiedenen Hauslehrer fand hier statt.

Für ein Mädchen der Barockzeit erhielt Anna Constantia eine ungewöhnlich umfassende Ausbildung: Sie lernte mehrere Sprachen, erhielt Unterricht in Mathematik und in klassischer Bildung, ritt im Damen- und Herrensattel und besaß eine Leidenschaft für die Jagd. Sie galt aber auch als ungestüm und eigensinnig. Man sagte, dass sie Pfeife rauchte und sehr gut mit Gewehren umgehen konnte.

Aber nicht nur das: Sie konnte Bier brauen, sowie Branntwein brennen und kannte sich im Umgang mit Kräutern aus.

Doch die Kindheit war auch überschattet, von Unruhen und Auseinandersetzungen zwischen den leibeigenen Bauern und dem Schlossherren. Um über immer mehr Land verfügen zu können, fingen die Grundherren mit dem „Bauernlegen“ an, das heißt, sie vertrieben ehemals freie Bauern von ihren Höfen. Durch das Kieler Privileg von 1524 hatten die Ritter die Obergerichtsbarkeit über ihre Güter erhalten. Damit zwangen sie immer mehr Bauern in die Leibeigenschaft. Der Leibeigene gehörte dem Gutsherrn wie das Land. Er durfte die Scholle nicht verlassen, er musste einen festgelegten Teil seiner Arbeit für den Gutsherrn entrichten. Nicht einmal heiraten durfte er ohne die Erlaubnis des Grundherrn.

Die Pflicht des Gutsherrn war wiederum, seine Leibeigenen bei Katastrophen und Missernten zu ernähren und vor dem Tod durch Erhungern zu retten. Ihm war per Gesetz die Sorge für die Menschen auf dem Gut anvertraut. Doch nicht alle Gutsherren hielten sich an ihren Teil der Pflichten.

So geschah es auch auf Gut Depenau in der Zeit des Gutsherrn Joachim von Brockdorff, der die Leitung des Gutes 1681 übernahm. Joachim von Brockdorff antwortete mit noch größerer Härte, sperrte die Rädelsführer ins Gefängnis des Gutes. Er ging sogar so weit, einen Mann zu töten und mehrere schwer zu verletzen.

Dies ging dem dänischen König zu weit. Er entsandte einen Beamten, der die Beschwerden beider Seiten überprüfen sollte. Der Bericht fiel entsprechend negativ für von Brockdorff aus. Er musste eine Strafe von insgesamt 6000 Reichstalern zahlen. Ihm wurde eine Zeitlang die Verwaltung des Gutes entzogen. Er versprach Besserung, aber als er auf das Gut zurückkehrte, änderte sich nichts.

Bis zu seinem Tode im Jahr 1719 zogen sich die Auseinandersetzungen mit den Leibeigenen dahin. Seine Witwe, Anna Margaretha, geb. Marselis, die aus einer reichen Hamburger Kaufmannsfamilie stammte, ging nicht gar so willkürlich mit den Leibeigenen um, entließ sogar einige aus der Leibeigenschaft. Trotzdem klagten Hufner und Insten über die Willkür der Bauernvögte, die doch selber Leibeigene, aber Handlanger des Gutsherrn waren.

Die Geisteshaltung des Sohnes Christian Detlev von Brockdorff, der das Gut nach dem Tod seiner Mutter erbte, spricht aus diesem von ihm 1740 geäußerten Spruch: „…nichts gehöret euch zu, die Seele gehöret Gott, eure Leiber, Güter und alles was ihr habt, ist mein,…“

Bewusst und unbewusst wurde Constantia Zeuge der Willkürhandlungen ihres Vaters. Sie stahl sich sogar aus dem Herrenhaus fort, um Zeuge von Hinrichtungen auf dem Totenberg zu sein. Brockdorff kümmerte sich höchst selbst um die Vorbereitungen. Er kontrollierte den Aufbau des Scheiterhaufens, stieß mit einem festen Tritt die aufgeschichteten Hölzer beiseite, während sich die Gehilfen des Henkers daran machten, die Scheite erneut zu stapeln. Ritter Brockdorff ging zu einem erhöhten Platz zum Standort des Scharfrichters, welcher die Standfestigkeit des Richtblockes und die Schärfe seiner Klinge prüfte. Für den Henker war es ein guter Tag. Drei Köpfe mit dem Schwert abschlagen brachte pro Kopf zehn Taler, die anschließende Verbrennung der Körper noch einmal so viel und er war dem Gerichtsherrn und Ritter Brockdorff dafür sehr dankbar.

Constantia wurde für ihre Neugierde am nächsten Tag mit Stubenarrest bestraft.

Anfang 1689 nahm Ritter Brockdorff ehrenhaft seinen Abschied aus den Diensten des dänischen Königs. Die Ländereien waren groß und unübersichtlich. Immer wieder versuchten die Leibeigenen zu fliehen. Brockdorff versuchte mit allen Mitteln, dieses zu verhindern. Er ritt regelmäßig mit seinen Wachleuten Patrouille und führte die Trupps selbst an. Mit den Hunden jagten sie die armseligen Gestalten und, nachdem sie ausgepeitscht, in Ketten in den Kerker des Herrenhauses geworfen. Constantia liebte ihren Vater, doch jetzt, nachdem sie mehrfach Zeuge seiner „Herrscherpflicht“ war, hatte sie nur noch vor ihm Angst.

Doch Constantia und ihre Geschwister sahen kaum etwas vom Leid und Elend der Untertanen, denn ihre Erziehung nahm sie gefangen und auch die körperlichen Fähigkeiten mussten geschult sein. Springen, laufen, schwimmen, ringen, reiten, schießen, fechten. Der Ritter lehrte Christian und Constantia den Umgang mit Pferden, zeigte ihnen, wie man mit Bogen und Pistolen schoss, und achtete besonders auf gute Haltung beim Fechten. Constantia legte in allen Disziplinen ein außergewöhnliches Talent an den Tag. Furchtfrei jagte sie im Galopp über die Wiesen, beherrschte den Herren- ebenso wie den Damensattel.

Es gibt nur eines, was ich noch schöner finde als einfach nur reiten, und das ist die Jagd. Nichts ist so aufregend wie eine Jagd. Das ist das Allerschönste!, so Constantia.

Doch auch für Constantia sollte die Kindheit ein Ende nehmen. Margarethe von Brockdorff war entschlossen, sie zu einer jungen Dame heranzubilden und begann, die entsprechenden Kontakte aufzunehmen. Die Herzogin von Gottorf teilte ihr mit, dass ihre Tochter, Prinzessin Sophie Amalie von Holstein-Gottorf, in ihrem Hofstaat Platz für ein Hoffräulein hatte und sich gerne dazu bereit erklärte, diese Position mit Anna Constantia von Brockdorff zu besetzen. Constantia war überglücklich.

Begleitet von ihren Vater traf Constantia in Gottorf ein und wurde sehr freundlich von der Herzogin begrüßt. Neugierig ließ sie die Blicke umherschweifen und nahm sich vor, baldigst einen ausführlichen Rundgang zu machen.

Schloss Gottorf in Schleswig ist eines der bedeutendsten profanen Bauwerke Schleswig-Holsteins. Es entwickelte sich von einer mittelalterlichen Burg über eine Renaissancefestung bis hin zu einem Barockschloss. Das Schloss lag auf einer idyllischen Insel in der Schlei.

Nach der Vorstellung bei Sophie Amalie sah Constantia eine gebildete junge Frau von vierundzwanzig Jahren. Diese hatte einen überaus liebenswürdigen Charakter, war fast immer gute Laune und vielseitig interessiert, dass es nie langweilig mit ihr wurde.

Dennoch litt Constantia in den ersten Wochen unter heftigem Heimweh. Bei Hof gab es strenge Regeln und eine peinlich genau festgelegte Rangordnung.

Da war zunächst der Hausherr, Herzog Christian Albrecht von Holstein-Gottorf. Dann die Herzogin und die Kinder. Prinzessin Sophie Amalie war die Älteste, ihr Bruder Friedrich ein Jahr jünger. Der Erbprinz war klug und sehr temperamentvoll. Dann folgte Christian August, zwei Jahre jünger als der Erbprinz. Er war den schönen Künsten und der Literatur sehr zugetan. Seine größte Vorliebe galt allerdings jungen Männern.

Das jüngste Kind der Herzogin, Marie Elisabeth, war mit ihren siebzehn Jahren kaum älter als Constantia.

Es gehört zu Constantias Aufgaben, der Prinzessin beim An- und Auskleiden zu helfen. Die Kammerfrau reicht ihr das jeweilige Kleidungsstück, und sie gibt es an ein älteres Hoffräulein weiter, das es der Prinzessin reicht. Wenn Constantia Hofdienst hat, bedient sie bei Tisch, und sie ist bald so weit, dass sie dem Pagen die silberne Wasserschale abnehmen darf und der Prinzessin vor und nach dem Essen das Wasser reichen kann. Ein anderes Hoffräulein nimmt von einem anderen Pagen das Handtuch entgegen und reicht es der Prinzessin. Während ihrer Dienststunden begleitet Constantia die Prinzessin überallhin, und da Sophie Amalie sehr fromm ist, betet auch sie oft lange im kunstvoll geschnitzten Fürstenstuhl der Schlosskapelle.

Hauptvorbild für die Sitten an den Fürstenhöfen ist der Kaiserhof in Wien. Dessen strenge Etikette sind aber in Gottorf zum Glück nicht so ausgeprägt, zumindest nicht alltags. Constantia kann sich also nicht beklagen.

Das Beherrschen eleganter Sitten, der Rangordnung und des Hofdienstes genügt nicht für ein Hoffräulein, das später einmal eine Dame der guten Gesellschaft sein soll. Zu Constantias Erziehung gehört die Übung in „zivilisierter Konversation“. Besonderes Ansehen gewinnt, wer sich geistvoll und amüsant unterhalten kann, und zwar nicht nur über die kleinen Ereignisse des Alltags, sondern vor allem über die Geschichte und die Politik. Als vorzügliches Mittel, gilt die Zeitungslektüre. Wenn der Hofmeister der Prinzessin die Zeitungen bringt, versammeln sich gewöhnlich die Hofdamen und Hoffräulein, hören zu oder lesen selbst vor und besprechen nach jeder Meldung, was sie von den Neuigkeiten in der Welt zu halten haben.

Im Schloss sind in kleinen Rahmen Geselligkeiten am Abend. Das Herzogpaar ist ohnehin kein Freund von vielen Bällen und lebt zurückgezogen und ruhig. Das Herbstwetter mit Regen und Nebel verleidet nicht mehr zum Spaziergang. Die Prinzessin bleibt daher im Schloss, macht Handarbeiten und lässt sich von ihren Hoffräulein vorlesen. Constantia ist eine eifrige Leserin und gespannt, wie die Ritterromane und langen verwickelten Liebesgeschichten ausgehen.

Zur Ausbildung Constantias gehört schließlich der Unterricht im höfischen Tanz. Sie hat aber bereits viele Vorkenntnisse durch ihren Tanzmeister zu Hause in Depenau, Aller Augen sind auf die tanzenden Paare gerichtet, und jede ihrer Bewegungen wird aufmerksam und kritisch registriert. Constantia, sonst so stürmisch, dreht, wendet und beugt sich mit gemessener Grazie, und ihre Haltung und Anmut bringt ihr Bewunderung.

Am dritten Adventsonntag 1694 befällt den Herzog Christian Albrecht in der Schlosskapelle während des Gottesdienstes ein Unwohlsein und wird zunehmend schwächer. Der Tod klopft an die Tür und holt ihn in den Morgenstunden des 27. Dezember.

Der Hof trauert. Am 1. März wird der Sarg des Herzogs im Dom von Schleswig zu den Särgen seiner Ahnen gesetzt. Zu den Trauergästen zählt auch Constantias Vater. Im ganzen Land läuten die Glocken. Der junge Herzog Friedrich IV. übernimmt das Regierungsschiff und versichert den König in Kopenhagen seine Gefolgschaft.

Dann beginnen die Veränderungen, von denen auch Constantia betroffen wird. In Gottorf ist der Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel mit seinem Erbprinzen August Wilhelm Ende Juni 1695 zu Besuch eingetroffen, und am nächsten Tag ist bereits Verlobung. Das Haus Holstein-Gottorp verbindet sich mit der älteren Linie der Welfen: Sophie Amalie wird Erbprinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Am Sonntag, dem 7. Juli 1695, wird das hochfürstliche Beilager zwischen dem Erbprinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel und der Prinzessin von Holstein-Schleswig gehalten und das junge Ehepaar verlässt im Oktober Schloss Gottorf. Das Hoffräulein Anna Constantia Brockdorff begleitet die Prinzessin nach Wolfenbüttel.

Das Schloss liegt mitten in der Stadt. Constantia selbst wohnt in einem ungemütlichen kleinen Raum im obersten Stock. Dort verbringt sie auch an diesem Tag, dem 17. Oktober 1695, ihren Geburtstag. Sie wird fünfzehn Jahre alt.

Das Hoffräulein Constantia kann alles genießen, was Wolfenbüttel zu bieten hat. Der Herzog ist zwar nicht sehr reich, aber ein großer Kunst- und Musikliebhaber mit einen eigenen Hoftheater. Im Zeughaus befindet sich eine der berühmtesten Bibliotheken Europas mit über 120 000 Bänden. Wolfenbüttel wird für acht Jahre ihre Heimat sein.

Das Verhältnis des Herzogspaar zur Schwiegertochter ist nicht das allerbeste, was sich zwangsläufig auch auf ihr Hoffräulein bezieht. Für Constantia beginnen stille Jahre, in denen sie zu der Schönheit heranwächst und nach der man sich am Hof umzusehen beginnt.

Im Juli 1698 stirbt in Depenau ihre kleine elfjährige Schwester Marguerita Dorothe. Die Mutter hat so viele Fehlgeburten gehabt, und von sechs lebendgeborenen Kindern sind nun drei tot. Die Eltern leben jetzt ganz allein, beide Brüder sind fort, es muss still sein an den Abenden in der Diele des alten Herrenhauses.

Im Sommer 1699 reist Constantia mit Sophie Amalie und August Wilhelm nach Schweden. Constantia begleitet ihre Prinzessin zum Empfang beim König. Cousin Karl XII. ist nun siebzehn Jahre alt, lang und schmal, höflich und wortkarg, ein seltsamer junger Mann, von dem man noch nicht weiß, wie er sich entwickeln wird.

Die Rückreise führt über Kopenhagen, dort bekommt August Wilhelm vom dänischen König den Elefantenorden und in bester Stimmung machen sich die Wolfenbüttler auf den Heimweg. Sie hatten noch nicht ganz die Landesgrenzen verlassen, als der dänische König bei einem Jagdunfall am 25. August 1699 verstirbt. Der Kronprinz, auch ein Friedrich IV. wie der Vetter in Gottorf und nur eine Woche älter als dieser, ist neuer König. Brennend vor Ehrgeiz und Unternehmungslust. Die alten nach-sichtigen Könige im Norden sind tot, und ungeduldige ruhmsüchtige junge Herren regieren in Schweden, Dänemark und Holstein.

Frederik, einen galanten Herrn mit schmalem Gesicht Frederik IV., seit vier Wochen König von Dänemark, geht am 25. September 1699 ein Bündnis ein mit seinem Vetter Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen und als August II. König von Polen. Am 11. November folgt ein Bündnis der beiden Vettern mit Peter, dem Zaren von Russland.

Der König von Dänemark, der König von Polen und der Zar von Russlands verbünden sich, um dem achtzehnjährigen König von Schweden, dem nur der Herzog von Holstein zur Seite steht, ein ordentliches Stück seines Landes wegzuschnappen. Frederik von Dänemark will das verlorene Schonen jenseits des Sundes wiedererobern und die Alleinherrschaft in Schleswig. August von Polen will Livland und Estland zurückerobern, die die Schweden den Polen erst vor wenigen Jahrzehnten abgenommen haben. Peter von Russland will den Seeweg zum Westen, einen Hafen an der Ostsee, erkämpfen. Am 11. Februar 1700 überschreiten sächsische Truppen die Grenze.

Wir erwähnen das etwas ausführlicher, da die erwähnten Herrschaften noch mehrfach im Leben Constantias auftauchen und einer ganz besonders.

Die Sorgen der Herren interessieren Constantia nicht. Für sie und ihre Prinzessin ist wichtig, dass Holstein gerettet ist. Sie stehen auf der Seite des Königs von Schweden, der so freundlich und zuvorkommend gegen seine Cousine Sophie Amalie bei ihrem Besuch in Stockholm war. Doch ein Jahr später haben Constantia und Sophie Amalie den Krieg vor der eigenen Haustür. In der Nacht zum 20. März 1702 besetzen 4000 hannoversche und cellische Soldaten das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel und entwaffnen die im Quartier liegenden Truppen Anton Ulrichs: Der Herzog hat sich im Spanischen Erbfolgekrieg auf die Seite der Franzosen geschlagen. Doch nach einigen Wochen ist alles wieder beim Alten.

Mittlerweile ist Mai geworden und unsere Constantia ist zu einer blühenden Schönheit erwacht. Groß gewachsen, hält sich aufrecht, ist anmutig. Sie hat ein längliches Gesicht, eine zierliche Nase, einen kleinen Mund, prachtvolle Zähne und große schwarze Augen. Ihre Gesichtszüge sind weich, ihr Lächeln bezaubert und geht zu Herzen. Sie hat schwarzes Haar und einen weißen Teint, man rühmt ihren wunderbaren Busen, ihre formvollendeten Hände und Arme und den herrlichen Hals. Ihre Erscheinung ist majestätisch, und sie tanzt vollkommen. Sie ist lebhaft und unterhaltsam, liest Bücher in mehreren Sprachen und ist eine große Spötterin. Constantia tanzt nun auf allen Bällen. Ihre Schönheit bringt ihr endlich die gute Meinung anderer Leute, die Ehre.

Ludwig Rudolf macht ihr den Hof und sie mag ihn gern. Er ist lustig und bringt Constantia oft zum Lachen. Sie fühlt sich durch seine Aufmerksamkeit geschmeichelt, ohrfeigt ihm aber bei seinen ersten Kussversuch. Ein Page sieht es, und nun weiß es der ganze Hof.

Dann kam der große Abend des Maskenballs, und Constantia sah aus wie eine Gestalt aus dem Märchen. Im gelben Kleid, die langen Locken mit Spangen gebändigt und zu einer kunstvollen Kreation hochgesteckt, eine goldglänzende Halbmaske bedeckte ihr Gesicht.

Ludwig Rudolf in weißrotem Ritterkostüm sah sie und stand in Flammen. Ich muss sie haben!, waren seine einzigen Gedanken.

Ludwig Rudolf, geboren am 22. Juli 1671, war der jüngste Sohn von Herzog Anton Ulrich und Prinzessin Elisabeth Juliane, Tochter von Friedrich von Schleswig-Holstein-Norburg. Da auch er automatisch als Jüngster von der Thronfolge ausgeschlossen wurde, begann Ludwig Rudolf sein Interesse für wissenschaftliche Studien weiter zu verfolgen. Neben den Wissenschaften galt sein weiteres Interesse der Kriegsführung. Schon mit 19 Jahren wurde er als Generalmajor in die militärischen Dienste von Kaiser Leopold I. gerufen. Als er 1690 in der Schlacht bei Fleurus (Fleury) von den Truppen König Ludwigs XIV. geschlagen wurde, geriet er in französische Gefangenschaft.

Ludwig Rudolf durfte aber aufgrund seiner Herkunft noch im selben Jahr nach Hause zurückkehren. Sein Vater war so froh darüber, dass er seinem Sohn als Willkommensgeschenk die Grafschaft Blankenburg am Harz übertrug. Dies entsprach nicht dem Prinzip der Primogenitur, nach der sein Bruder August Wilhelm den Vorzug hätte bekommen sollen.

Wie immer brillierte Constantia auf dem Parkett. Der Perfektion ihrer Schritte, der Grazie ihrer Haltung und dem Strahlen ihres Lächelns zollte sogar der alte Herzog Respekt.

Unter den geladenen Gästen befand sich noch jemand, dem Constantias Schönheit nicht verborgen blieb und der noch eine Rolle in Constantias Leben spielen soll. Es war Adolf Magnus Gotthelf von Hoym, am Hofe des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs, vom Volk August der Starke genannt, ein bedeutender Mann. Denn die Hoyms waren äußerst wohlhabend und besaßen ausgedehnte Ländereien; Adolf Magnus und sein Vater spielten zudem am Hofe Augusts eine wichtige Rolle. Allerdings hatte Anna Constantias Schwiegervater, der Kammerpräsident und Geheime Rat Ludwig Gebhard von Hoym, einen hässlichen Fleck auf der weißen Weste: Er hatte seine Stellung als Kammerdirektor missbraucht, um sich durch Bestechung und raffinierte Erpressungen zu bereichern. Zur Strafe war er auf der Festung Königstein inhaftiert worden – fast zwei Jahre lang. Dann wollte August der Starke nicht mehr auf Hoyms Talente verzichten; er holte ihn aus der Haft und setzte ihn wieder in Amt und Würden ein – gegen Zahlung einer saftigen Geldstrafe: 200 000 Taler musste der korrupte Beamte an seinen Landesherrn abführen (das dürfte heute der Kaufkraft von rund fünf Millionen Mark entsprechen); doch die bezahlte Hoym aus der Westentasche.

Der vor Ehrgeiz sprühende Hoym wurde in kurzer Zeit der wichtigste Finanzberater des Fürsten. Immer hatte er neue Ideen, um aus den Untertanen ein Maximum an Steuern und Abgaben herauspresste. Seine Karriere war beispielhaft doch den Minister fehlte etwas zu seinem Glück: Eine Frau. Deshalb war Hoym auf der Suche und auch hier beim Maskenball hielte er die Augen offen nach einer Frau, mit der er im Dresdner Residenzschloss repräsentieren konnte.

Delikat war der Mann nicht. Dicklich und pausbäckig parlierte er in breitem Sächsisch. Die Eltern zogen Erkundungen ein. Hoym, dem beste Beziehungen zum sächsischen Kurfürsten und polnischen König nachgesagt wurden, war eine gute Partie. Dass er zwölf Jahre älter war als Constantia, fiel nicht ins Gewicht.

Herzog Anton Ulrich war also geschmeichelt, den Herrn Minister unter seinem Dach zu beherbergen. Hoym war kaum kostümiert. Er trug lediglich eine kleine Maske in der Hand, die er aus Höflichkeit von Zeit zu Zeit vor das Gesicht hielt. Der Minister ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. Constantia war mit weitem Abstand die schönste Frau auf dem ganzen Fest, und Hoym folgte jedem ihrer Schritte mit schar-fen Augen. Stets war sie umgeben von einer ganzen Schar Kavaliere, die sich um ihre Gunst bemühten. Allen voran und am erfolgreichsten ein junger Mann im weißen Ritterkostüm. Hoym erkannte den Prinzen zunächst nicht und beschloss, erst einmal abzuwarten.

Ludwig Rudolf zog indessen alle Register der Verführung. Er ließ keinen Tanz aus, versorgte Constantia mit Wein und Gebäck. Sie ließ es gern geschehen, denn die „Oberaufseherin“, die fromme Christine Luise hütete das Bett und konnte nicht stören.

Constantia hatte sich gegen Mitternacht zurückgezogen. Durch den Alkohol benebelt, ließ sie sich auf der Treppe zu ihren Gemächern von Ludwig Rudolf küssen. Constantia fühlte ein Kribbeln im ganzen Körper. Gemeinsam gingen sie in die Kammer. Kurz danach, das gelbe Federkleid lag auf dem Boden, der Haarschmuck bildete ein glitzerndes Häufchen auf dem Tisch und Constantia lag im Bett. Stück für Stück entledigte sich Ludwig Rudolf seiner Kleider und schlüpfte lediglich mit einem Hemd bekleidet unter Constantias Decke. Während im großen Saal die Diener die Kerzen löschten und die letzten Gäste in ihre Gemächer wankten, liebte Prinz Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel das Hoffräulein Constantia von Brockdorff auf der schmalen Pritsche in einer Kammer unter dem Dach.

Constantia erwachte als es hell wurde und sie war allein. Ab heute ist nichts mehr wie es war, dachte sie und streckte sich. Sie hatte ihn gefunden, den Mann, der sie liebte. Bevor er das erste Mal in sie stieß, säuselte er seine Versprechungen: Er wird sich scheiden lassen und sie heiraten. Ihre Fantasie ging mit ihr durch.

Es ist Sommer geworden und Constantia ist einundzwanzig Jahre alt. Sie liebt. Sie trifft sich heimlich des Nachts in den Lusthäusern im Park. Niemand findet heraus, mit wem. Verräterische Anzeichen sprechen aber für Ludwig Rudolf.

Doch das Glück ist auf einmal vorbei. Friedrich von Holstein ist am 19. Juli 1702 in Polen gefallen. Am 30. Juli wird die Leiche aus dem Lager von Klissow in Stafetten über Breslau nach Gottorf gebracht. Während der Sarg langsam in Stafetten quer durch Nordeuropa nach Holstein zieht, bereitet Sophie Amalie die Reise zu ihrer Mutter nach Kiel vor. Das Hoffräulein Constantia wird sie begleiten. Zum ersten Mal stört der Krieg Constantias Leben. Wird Ludwig Rudolf ihr treu bleiben?

Nach fast dreimonatiger Reise kommt die Stafette mit dem toten Herzog am 15. Oktober 1702 in Reinbek an. Das Begräbnis findet am 19. Dezember statt. Sophie Amalie und Constantia kehren nach Wolfenbüttel zurück und Constantia ist schwanger.

Nachdem die Schwangerschaft nicht länger zu verbergen war, ließ die Herzogin Elisabeth Juliane ihre Schwiegertochter zu einer Beratung bitten. Die Herzogin forderte die sofortige Entfernung Constantias vom Hof, während Sophie Amalie es nur für die Zeit der Schwangerschaft für notwendig hielte. Als erster Tagesordnungspunkt war die Frage zu klären, wer der Vater des zu erwartenden Kindes war. Beide tippten auf Ludwig Rudolf. Das konnte natürlich standesrechtlich nicht sein, dass sich dieser zu einer Vaterschaft bekannte. Nach langer Beratung, die bis zum Abend andauerte, einigten sich die Damen auf einen Kompromiss dahingehend, dass Constantia in den nächsten Tagen nach Hause fahren würde, doch niemand sollte den wahren Grund für ihre plötzliche Abreise erfahren. Sie wird halt in Depenau benötigt und fertig. Obwohl ihr der Abschied zu Herzen ging, verbarg Sophie Amalie ihre Gefühle und lächelte Constantia zu, als diese die Kutsche bestieg. Selbstverständlich verließen Herzog und Herzogin zum Abschied ihre Gemächer nicht.

Je näher das elterliche Gutshaus kam, umso ruhiger wurde Constantia. Sie freute sich sogar, nach den Jahren in Gottorf und Wolfenbüttel wieder nach Hause zu kommen. Aber die Angst vor dem Vater stieg immer mehr.

Ritter von Brockdorff tobte und brüllte. Margarethe von Brockdorff wollte schlichten, doch der Scham blieb auch bei ihr bestehen. Constantia weinte nur noch. Nach vier Tagen Schweigen wurde Constantia zu ihren Eltern einbestellt. Brockdorff verfügte, dass sie in Depenau entbinden soll und in der verbleibenden Zeit wird ein passender Mann für sie gesucht, den sie zu heiraten hat. Es gab keinen Widerspruch, besser gesagt, der Ritter duldete keinen.

Die Zeit vergeht, Constantia hat nichts mehr zu lachen. Dann holen die Mägde den großen hölzernen, mit Leder bezogenen Geburtsstuhl hervor, welcher im Sitz ein Loch hat. Die Mutter und vertraute Dienerinnen sind bei Constantia. Was dann geschah, liegt im Dunkeln. Ein Kind wurde mit Sicherheit geboren und wohl irgendwann und irgendwem zur Pflege gegeben. Es ist aber noch im Säuglingsalter verstorben. Es ist auch nicht bekannt, welches Geschlecht das Kind hatte.

Wieder ist es Mai geworden, als Besuch aus Dresden kam. In der Diele sitzt der uns bereits bekannte Adolf Magnus von Hoym mit dem Ritter von Brockdorff zusammen. Gespräche um eine baldige Hochzeit werden geführt. In Anbetracht der Umstände ist Hoym ist eine gute Partie. Das ist aber nicht ungewöhnlich. Hoym ist seit März Direktor des General-Accis-Collegiums, einer Behörde für eine neuartige Umsatzsteuer (Akzise). Diese Akzise, war eine indirekte Steuer, in der Regel eine Verbrauchssteuer beziehungsweise ein Binnenzoll. Akzisen wurden auf Grundnahrungsmittel (zum Beispiel Roggen, Weizen, Hopfen oder anderes Getreide beziehungsweise Mehl), auf Lebensmittel (Zucker, Salz, Fett, Fleisch), Genussmittel (Tabak, Kaffee, Tee, Bier, Sekt), auf Vieh oder auf den sonstigen Verbrauch erhoben. Anna Margarethe interessiert sich für alles, was mit Geld zusammenhängt. Auch mit dem ungestümen schwierigen Joachim weiß Hoym umzugehen.

Hoym wurde am 6. Mai 1668 in Droyßig geboren. Er entstammte dem alten anhaltischen Adelsgeschlecht Hoym und war der älteste Sohn des Ludwig Gebhard von Hoym (1631–1711) und der Catharina Sophia von Schönfeld. Mit der Einrichtung des Generalakzisekollegiums 1704, entstand zur Erledigung der anstehenden Aufgaben eine Vielzahl von Behörden. Mit der Ordnung vom 31. August 1707 wurde die Generalkonsumtionsakzise für ganz Sachsen geregelt. Hoym wurde hier als Direktor des neu errichteten kursächsischen Generalakzisekollegiums von Flemming nach Dresden bestellt.

Im Jahr 1707, im neu gegründeten Geheimen Kabinett, wird Hoym von August dem Starken zum Kabinettsminister und wirklichen Geheimen Rat ernannt. Doch den Querelen am Dresdner Hof und den ständigen Intrigen, vor allen die der Hofblase um die Gräfin Henriette Amalie von Reuß, ist Hoym nicht gewachsen. Doch so weit sind wir noch nicht.

Constantia hat keine andere Wahl, die Hochzeit mit den keinesfalls ansehnlichen Hoym ist eine beschlossene Sache. Für die verarmten Brockdorfs ergab sich die Chance, die missratene Tochter loszuwerden. Constantia willigte in die Ehe ein. Weg von Depenau, wo sie nur versauern konnte, weg, weg! Dresden war eine Chance, wieder zu leben.

Constantia hat keine Wahl gehabt, aber dies ist eine gute Heirat, und sie ist entschlossen, Hoym zu lieben, so wie die Mutter den Vater liebt. Sie bezaubert ihren Zukünftigen mit ihrem Lächeln und verspricht ihm ewige Treue. Am 2. Juni 1703 ist es dann soweit. Auf Gut Depenau wird Hochzeit gefeiert. Constantia ist eine strahlende Braut, die Schönste weit und breit. Ihr Mann ist zur Hochzeit noch freundlich, er ist klug und tüchtig, und das gefällt ihr. 10 000 Reichstaler werden als Mitgift ausgehandelt. Nicht sehr viel für eine Tochter aus dem Geschlecht der Familien Brockdorff und Marselis, doch eine erhebliche Summe für Depenau. Die Mitgift wird nicht ausgezahlt, sie verbleibt im Gut, Hoym bekommt jährlich vier Prozent Zinsen geschickt. Constantia ist in die Erbfolge von Depenau aufgenommen, d.h. falls beide Brüder ohne Erben sterben, wird Depenau an sie und ihre künftigen Kinder fallen.

Die Hochzeit ist vorbei. Ob Hoym die fehlende Jungfernschaft seiner Angetrauten bemerkt hat oder ob darüber gesprochen wurde, ist nicht bekannt. Hoym und Constantia reisen nach Dresden. Das Unglück des vergangenen Winters und Frühjahrs bleibt zurück und verblasst. Constantia reist einem neuen Hof entgegen, weit glänzender als der zu Wolfenbüttel, dem Hof des Königs August, an dem sie als Ehefrau des Steuerpräsidenten einen hohen Rang einnehmen wird. Nun hat ihre Schönheit ihr doch Ehre gebracht.

Jetzt sah die Neuvermählte zum ersten Mal Dresden; für damalige Verhältnisse eine imposante Stadt mit 21.000 Einwohnern. Dresden beeindruckte Constantia. Das Schloss der Wettiner war trotz der Brandstellen imposant. Auf dem Altmarkt herrschte fast täglich reges Treiben. Das herrliche Palais ihres Schwiegervaters in der Kreuzgasse sollte das Domizil des frischgebackenen Ehepaars werden. Alles könnte sich zum Guten wenden, aber das Gegenteil war der Fall! In ihrem neuen Heim wurde sie frostig empfangen. Sie machte ihre ersten Anstandsbesuche und wartete darauf, dass Hoym sie bei Hofe einführte. Aber ihr Mann, schien wenig interessiert zu sein.

In Hoyms Haus lebte noch eine zweite Frau. Constantia entdeckte, dass Hoym mit ihr ein Verhältnis hatte. Sie fühlte sich in ihrer Ehre verletzt. Sie hatte Hoym nicht geheiratet, um eine andere neben sich zu dulden. Sie stellte ihn zur Rede. Es gab den ersten Krach. Die Ehe missriet. Was sollte sie tun? Nach Depenau zurückkehren - das zweite Mal gescheitert? Sie bat Hoym, die Frau außer Haus zu schicken. Hoym lehnte ab, bestand aber auf seinen ehelichen Rechten. Constantia verweigerte sich ihm. Hoym behandelte seine junge Frau grob und rücksichtslos.

Dass sich eine Frau ihrem Mann widersetzte, war gegen alle Gepflogenheiten und alles Recht. Hoyrn drohte mit Trennung, wenn sie sich ihm nicht fügte. Constantia war nicht bereit, sich weiter missbrauchen zu lassen. Ein Brief vom Juni 1704 belegt:

„…. weilen euch mein Umgang und manier unerdräglich scheinet, ich dergleichen sentiments auch von euch habe und mich euher hartes tractament so desperat macht, dass ich mich vielmals den dodt wünsche, würde also meine verdrislichkeiten und chagrins (Gram) abzuhelffen mir in der welt nichts Iiebers widerfahren können, als wen euher bedrohung nach unsere gäntzliche seperation balt befördert würde."

Der Brief verdeutlicht einen Charakterzug Constantias: Sie lässt sich ihre Würde als Frau nicht nehmen und widersetzt sich der üblichen Männermacht, auch um den Preis eines gesellschaftlichen Bankrotts. Er war ihr, der Tochter eines namenlosen Ritters von Schleswig-Holstein, nach einer Scheidung sicher.

Die ersten Wochen in Dresden verlaufen für Constantia eintöniger, als erwartet. Die erhofften Einladungen bleiben aus, geschweige denn, dass an eine baldige Bekanntschaft mit dem vom Hörensagen inzwischen gut bekannten Monarchen zu denken ist. Alles, was ihr über den Landesherrn erzählt wird, macht sie neugierig auf jenen Menschen, der über so unendlich viel Macht verfügt, dessen Wirken man auf Schritt und Tritt in der Stadt spürt und von dem man berichtet, er habe ein weites Herz für das schöne Geschlecht. Einstweilen hat sie sich über Hoym zu ärgern, der ihr von Tag zu Tag unerträglicher wird.

Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel

Doch bereits ein Jahr später strebte Hoym eine Trennung von seiner Ehefrau an, die er nun als „herrschsüchtig und hinterhältig“ beschrieb. Im Januar 1705 reichte er die Scheidung ein, 1706 wurde die Ehe geschieden. Ein weiterer Grund für die Trennung könnte gewesen sein, dass Anna Constantia ihrem Mann die Existenz ihres Kindes verschwiegen hatte.

Im Film sollte die Ehe auf Drängen von August des Starken geschieden werden, wobei sich Hoym lange Zeit geweigert hätte, in die Scheidung einzuwilligen.Als August der Starke die Gräfin kennenlernte (1704) lief bereits die Scheidungsabsicht von Hoym.

Am 7. Dezember 1704 wurde August der Starke bei einem Brand im Hause Hoym auf die attraktive Anna Constantia aufmerksam und holte sie an den Hof, obwohl er sich zu dieser Zeit noch in einer Beziehung mit Fürstin Teschen befand. Freiherr von Hoym warnte August den Starken vor Anna Constantia, die er für gänzlich ungeeignet hielt, das Amt einer offiziellen Maitresse en titre zu übernehmen.

Im Film wurde die Gräfin aufgrund einer Wette zwischen Hoym und Minister Flemming an den Hof geholt.

Eine erste flüchtige Bekanntschaft zwischen Friedrich August und Constantia kommt im Januar 1704 zustande. Die Ehefrau des Königs, Christiane Eberhardine, richtet zu Ehren ihres Gemahls ein Essen aus. Hoym und Ehefrau gehören zu den Gästen. Weder ihr Mann noch sonst jemand fühlt sich veranlasst, die junge Frau ds Akzisendirektors dem König vorzustellen. In Constantia gärt es vor Zorn und ihr Temperament veranlasst sie, etwas Ungewöhnliches tut. Sie stellt sich selbst vor. Schritt für Schritt geht sie auf den König zu und mustert ihn verstohlen. Seine gesunde, natürliche Hautfarbe, die kräftige Statur und die beeindruckenden braunen Augen gefallen ihr. So hat sie sich von der Gestalt her einen Monarchen vorgestellt. Ihr Blick wird direkter, und als sie annehmen darf, dass Friedrich August sie wahrgenommen hat, verneigt sie sich grüßend vor ihrem neuen Landesherrn. Der winkt sie zu sich heran. Die konsternierte Hofgesellschaft nimmt zur Kenntnis, dass Madame Hoym sich selbst bekanntmacht. Was erdreistet sich die Provinzlerin. Der kleinen Plauderei mit dem Austausch der üblichen Belanglosigkeiten gehen schon nach ein paar Minuten zu Ende. Friedrich Augusts Interesse war erloschen. Allerdings, die Selbstvorstellung, das kurze Gespräch und die auffallende Schönheit der jungen Frau von Hoym regen den Klatsch und Tratsch kräftig an.

Die Chefin der Dresdner Intrigen- und Klatschzentrale ist die Witwe eines hohen Offiziers, die Gräfin Henriette Amalie Reuß. Ihr war die attraktive Frau an der Seite Hoyms schon im Sommer ins Auge gefallen. Auch die zwischen den Neuvermählten bald schon ausbrechenden Zwistigkeiten blieben ihr und einem eifrig zutragenden Fräulein Hülchen nicht verborgen. Sollte sich da nicht eine neue Mätresse für den König anbieten, die zugleich ihr, der Reuß, und ihrem Freund, dem Statthalter Fürstenberg, zugetan war? Emsig, mit vor Aufregung und kühnen Gedanken glühenden Wangen erörtern die Damen Reuß und Hülchen die Chancen und möglichen Strategien. Man würde sehen, was zu machen war.

Die Gräfin Reuß baut den Kontakt zu Constantia auf. Die Umstände drängen ansonsten nicht sehr, denn Friedrich August weilt seit Ende Januar nicht mehr in Dresden, sondern in Krakau. Frühling und Sommer des Jahrs 1704 gehen ins Land, der Herbst kommt, und noch immer weilt der König in Polen. Unbeirrt und mit wachsendem Eifer werden von den beiden Damen Pläne geschmiedet. Zur Umsetzung fehlt lediglich die andere Hauptperson, Friedrich August.

Am 30. November 1704 traf Friedrich August, von Polen kommend, in Dresden ein.

Seit Januar war er nicht mehr in seiner sächsischen Residenz gewesen. Um den polnischen König stand es nicht zum Besten. Im Juli war Stanislaw Leszyinski zum Gegenkönig ausgerufen worden. Karl XII. hielt zeitweilig Warschau besetzt. Die sächsischen Truppen zogen sich in Richtung Sachsen zurück. Der Wettiner schien militärisch erledigt. Viele hofften, dass er Polen aufgeben werde, auch im engsten Kreis. Flemming gelangte zur Einsicht, dass der Krieg mit Schweden nichts bringe. Die Hoffnungen erwiesen sich als trügerisch. Der Wettiner ließ zwangsrekrutieren, Aufträge an Waffenfabrikanten ergingen. Die Stände sahen es mit wachsendem Unmut. Am Hof wuchs die Kritik an seiner Person. Das Land wurde in seiner wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeworfen.

Augusts rechtmäßige Ehefrau, Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth, hatte sich zu jener Zeit längst vom Hof zurückgezogen und lebte auf Schloss Pretzsch.

An diesem erwähnten 30. November verbreitet sich blitzschnell die lang-ersehnte Nachricht, Seine Majestät sei wieder in Dresden. Nun schlagen nicht nur die Herzen der Gräfin Reuß und Fräulein Hülchens höher, nahezu die gesamte Damenwelt lebt auf und macht mobil. Die Reuß arrangiert für den 7. Dezember, einen Sonntag, einen Ball. Das Ehepaar Hoym wird von ihr persönlich zu dem Fest eingeladen. Sie lässt verlauten, auch der König werde anwesend sein. So kann die Einladung unter keinen Umständen ausgeschlagen werden. Hoym erteilt seine Zusage.

Seine junge Frau denkt den ganzen Tag an den bevorstehenden schönen Abend. Sie freut sich auf hoffentlich geistvolle Gespräche, sie malt sich den luxuriösen Ball und das kulturvolle Dinner mit großem Vergnügen aus. Ihre Garderobe bestimmt sie mit aller Sorgfalt, sie nimmt sich viel Zeit für das Zurechtmachen und Ankleiden. Nun, da der Abend naht, sind nur noch ein paar letzte Handgriffe zu tun. Da wird ihre frohe, entspannte Stimmung jäh unterbrochen. Urplötzlich dringt beißender Brandgeruch in ihr Zimmer, und schon hört sie auch die Flammen knistern. Wie sich später herausstellt, war eine brennende Wachskerze unbeaufsichtigt geblieben und hatte das Feuer entfacht. Im Haus und nur wenig später in der gesamten Kreuzgasse, bald schon in den angrenzenden Straßen, brechen Angst und Hektik aus. Zur Brandbekämpfung hatten zwar in allen Häusern Ledereimer bereitzustehen, aber die Erfahrung lehrte, dass man damit nicht allzu viel ausrichten konnte. Viele hatten schon persönlich erlebt, dass ganze Stadtteile abbrannten, aus den Erzählungen ist jedermann bekannt, welche große Gefahr ein Brand bedeutet. Entsprechend groß ist der Schreck. Jetzt sind Leute mit kühlem Kopf vonnöten, die einer möglichen Katastrophe wenigstens eine kluge Organisation der Löscharbeiten entgegensetzen.

Der Türmer bläst aus Leibeskräften Feueralarm.

Die Brandglocken fordern die Bürger zum Löschen auf. Auch der Kurfürst, der in Kürze zum Fest der Gräfin Reuß unterwegs ist, hört die schlimme Botschaft. Schleunigst eilt er dem Rauch und dem sich am Himmel abzeichnenden Feuerschein entgegen. In der Kreuzgasse trifft er zu seinem Zorn nicht nur löschende Leute, auch aufgeregt gestikulierende, nichts tuende Personen und Schaulustige stehen herum. Eine Gestalt hebt sich innerhalb der großen Menschenansammlung ab, die in dieser Katastrophensituation fast unwirklich erscheint. In einem wundervollen Ballkleid agiert eine majestätisch wirkende Frau. Ihr wohlgebauter Körper und jede Bewegung drücken trotz der angespannten Atmosphäre eine betörende Fülle von Anmut aus. Aus dem länglichen Gesicht blitzen schwarze Augen, die ein wenig in Unordnung geratenen Haare kontrastieren wirksam mit den strahlend weißen Zähnen. Von der Persönlichkeit dieser Frau, die mit fester und zugleich angenehmer Stimme die Brandbekämpfurig ordnet, strahlt eine Energie aus, die dem Friedrich August mehr als verblüfft. Er drängt zu ihr hin. Man macht ihm Platz, und nun steht er neben ihr, der Frau seines Akzisedirektors Hoym. Constantia erkennt im ersten Augenblick den vornehm wirkenden Herrn nicht, dann jedoch erweist sie dem König die Ehrenbezeugung. Nun endlich vernimmt man auch die befehlenden Stimmen einiger in der Brandbekämpfung erfahrener Männer, die versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen. Friedrich August nimmt die erschöpfte Frau mit hin zu seiner Kutsche und rollt mit ihr davon.

Was sich in der Staatskarosse für ein Gespräch ergab und ob der König sich bereits in der Kreuzgasse erinnert hatte, mit der schönen Frau bereits vor Monaten eine erste Bekanntschaft geschlossen zu haben - wer weiß es? Einige Wochen nach dem Brand, dem das Wohnhaus der Hoyms zum Opfer fiel, ist es ganz offensichtlich, dass Friedrich Augusts Interesse an der energischen und klugen Frau zur Begierde geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt werden Fürstenberg und der Stallmeister Vitzthum bei ihr mit dem geradlinigen Angebot des Königs vorstellig, dessen Mätresse zu werden. Die entrüstete Ablehnung Constantias ist durchaus echt und kein Pokerspiel.

Gut hundert Tage später jedoch ist sie seinem Werben erlegen und ihm in echter Liebe zugetan.

Dass der König August der Starke, nachdem er sie kennengelernt, in sie verliebt war, darf uns bei ihrer Schönheit und ihren geistigen Vorzügen und bei dem ganzen damaligen Hofleben nicht wundern. Baron von Pöllnitz gibt von ihrem Äußeren folgende Beschreibung:

„Sie hat ein längliches Gesicht, eine wohlgestaltete Nase, einen kleinen Mund, volkommen schöne Zähne, große, schwarze, blitzende und spitzfindigen Augen, alle ihre Züge waren zärtlich, ihr Lächeln reizend und vermögend, die Liebe in dem innersten der Herzen zu erwecken. Ihre Haare waren schwarz, Hände und Arme trefflich gebildet, die Farbe ungemein natürlich, weiß und rot. Ihre Leibesbildung konnte als ein Meisterstück angesehn werden. Ihre Mienen waren majestätisch, und sie tanzte in der größten Vollkommenheit!“

So war sie in der Tat „eine der schönsten Frauen ihrer Zeit.“

Augusts Werbung um die Gunst der verehelichten Hoym und ihr Scheidungsprozess liefen parallel nebeneinander her. Anna Constantia verweigerte ihrem um zwölf Jahre älteren Gatten die ehelichen Pflichten, offenbar passten die Temperamente beider im Schlafzimmer wenig zusammen; auch mag es stimmen, dass Herr von Hoym sich eine Nebenfrau im Hause hielt. Trotzdem verlor die Gattin in der damaligen Männerwelt den Prozess: Sie wurde als »bösliche Verlasserin ihres Herrn Gemahls« schuldig geschieden. Und während der Herr Gemahl sich, wenn er wollte, wieder verheiraten konnte, wurde Anna Constantia dies lebenslang untersagt. Es hat sie wohl wenig gekümmert. Denn inzwischen war die Affäre mit dem verliebten August weiter gediehen. Zwar war er seit 1693 mit der Prinzessin Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth verheiratet, die ihm auch bereits den Thronerben geboren hatte; aber diese brave, nicht gerade schöne Dame, eine fromme Protestantin mit dem Spitznamen »Betsäule Sachsens«, hatte den König nicht an seiner Mätressen-Wirtschaft hindern können. Eben jetzt halfterte er seine Ex-Favoritin Ursula Katharina von Lubomirska ab, die er vom Kaiser zur Fürstin von Teschen hatte erheben lassen; nun schickte er sie mit einem Ruhegehalt von 20 000 Talern pro Jahr in die Wüste.

Dass die Freiin von Hoym nicht gewillt war, die Rolle einer Gräfin von Teschen, einer Königsmark usw. zu übernehmen, beweisen die Anstrengungen, die August der Starke unternommen hat, um sie in seinen Besitz zu bekommen.

Über vieles was jetzt geschieht, gibt es vielfältige Meinungen. Wir stützen uns da lieber auf historische Quellen, insbesondere Akteneinsichten, welche bereits bei Oscar Wilsdorf erwähnt wurden.

Das erste Aktenstück hierüber ist vom 24. Juni 1705 und besagt, der Geh. Rätin v. Hoym 2 Fässchen Tokaier zu schicken. Am 26. August erhält sie jährlich 30 Schragen hartes Holz aus dem königlichen Holzhof. Der König kauft ihr am 15. Juni 1705 das Haus des Kammerherrn von Haugwitz am Taschenberg für 10500 Taler, sowie für 8000 Taler das Einsiedel´sche Haus auf der kleinen Brüdergasse und lässt mit einem Aufwand von 70.000 Taler beide Häuser zu einem Palais ausbauen zu dem vom Schloss ein Gang hinüber gelegt wird. Am 21. Sept. 1705 erhält sie den freien Gebrauch des türkischen Gartens vor dem Wildstruffer Tor samt der Wohnung auf Lebenszeit. Am 26. Sept. 1705 erhält sie laut einer von Patkul ausgestellten Urkunde von den Subsidiengeldern, welche der Zar dem König zahlte, 30000 Taler. Auf der Michaelismesse in Leipzig 1705 erklärt der König Freiherrn von Hoym: „es dependiere Dero Leib und Leben von dieser Kreatur Besitz und sei es Ihm, als wenn sie bezaubert wären.“

Der König versprach ihr nun völlige Trennung von seiner zeitherigen Geliebten, der Fürstin von Teschen, eine jährliche Pension von 100 000 Talern und gab ihr durch einen eigenhändigen Kontrakt die Versicherung, sie nach dem Tod der Königin als rechtmäßige Königin anzuerkennen und die mit ihr gezeugten Kinder als legitime Prinzen und Prinzessinnen zu behandeln. Diese Urkunde befindet sich nach Dr. von Weber nicht im Staatsarchiv, dafür aber im Entwurf folgendes Schriftstück ohne Datum:

„Wir Friedrich August von Gottes Gnaden König in Polen u.s.w. urkunden hiermit demnach vor Unserem chursächlichen Oberkonsistorio zu Dresden Frau Kaonstantia Gräfin v. Cosel geb. v. Brockdorf von ihrem vormaligen Ehemann, Unsern wirklichen Geheimen Rat und lieben getreuen Herrn Adolf Magnus Freiherrn v. Hoym vermöge Reichs und Land üblicher Gesetze und Rechte der Ehe halber gänzlich geschieden worden, Wir aus genusam erheblichen und sonderbaren Ursachen Uns dieselbe nach Art der Könige in Frankreich und Dänemark, auch anderen Souveränen in Europa als Unsere legitime épouse beilegen lassen, derogestalt, daß wir in Kraft eines ehelichen Eides versprechen und halten wollen, dieselbe herzlich zu lieben und beständig treu zu verbleiben.

Dahero wollen Wir solches hiermit vor Unserem Geheimen Rat deklarieren und die mit Unserer geliebten Gräfin v. Cosel künftig erzeugenden Kinder männlAich und weiblich Geschlechts vor Unsere rechte, natürliche Kinder kraft dieses erkennen, leben auch der gewissen Hoffnung, daß auf den Fall, der in Gottes des Allmächtigen Händen steht und Uns nach seinem allerheiligsten Rat und Willen begegnen kann, da Wir dieses Zeitliche mit dem Ewigen wechseln, Unseres Churprinzens und übrige Nachfolger in der Chur, diese Unsere geliebte Gräfin v. Cosel und die von Uns mir derselben erzeugten Kinder hiervor erkennen, selbige bei dem gräflichen Stande und Demjenigen, was sie von Uns oder sonst an Lehn und Erbe, beweg- und unbeweglichem Gut erhalten, geruhig lassen, die Succession unsere natürlichen Kindern in solchen gestatten, auch selbige auf Angebende Fälle bei unseren Lehnhof der widrigen Observanz ungeachtet damit belehnen, in mehrerer Batrachtung, daß dieses Alles im Römischen Reich nicht ungewöhnlich, auch bei des Gottseligen Churfürsten zu Sachsen Friedrich III. und nach dessen Tode also beachtet worden. Zu dessen Urkunde haben Wir diese mit gutem Bedacht aufgesetzte Deklaration und Verordnung Umserem Geheimen Raths-Collegio versiegelt überreicht, auch selbige Unserer geliebten Gräfin v. Cosel zugestellt und ist Unser Wille und Meinung, daß hierbei in künftigen Zeiten festgehalten werde.“1

Die Gräfin von Cosel erhielt nun einen Doppelposten als Ehrenwache vor ihr Palaus, aus dem Grünen Gewölbe eine Menge Silberwerk, silberne Tische, Spiegel mit silbernen Rahmen, Schalen, kunstreiche Gobelins, türkische Teppiche, kostbare Spitzen, sowie Apothekerfreiheit und freie Fische aus dem Hoffischhause. Am 22. November 1707 schenkte ihr der König für die nominelle Kaufsumme von 60000 Talern, über deren Empfang er sogleich quittierte, das Schloss Pillnitz und das Palais im Großen Garten zum Sommeraufenthalt. Zu Bauten in Pillnitz wurden ihr die Hölzer unentgeldlich aus den königlichen Forsten überlassen.

Im Dezember 1705 übergab August der Starke Anna Constantia ein schriftliches Eheversprechen, das sie im Falle des Todes der Kurfürstin als seine „Frau zur Linken“, also zu seiner morganatischen Ehefrau, erklärte und eventuelle Kinder legitimierte.

Anna Constantia hatte auf diesem schriftlichen Versprechen bestanden, denn nach der heimlichen Geburt eines unehelichen Kindes und ihrer Scheidung wollte sie wahrscheinlich nicht auch noch als Mätresse Karriere machen, ohne zumindest die Aussicht auf die Ehre einer Ehefrau zu haben. In diesem folgenreichen Dokument wurde auch ihre Versorgung geregelt: So sollte sie 100.000 Taler jährlich als Pension und das Rittergut Pillnitz erhalten.

Seit dem 22. Februar 1706 wurde sie offiziell Gräfin von Cosel genannt, Gräfin des heiligen römischen Reiches. Der Name ist der Herrschaft Cosel im ehemaligen Herzogtum Oppeln in Schlesien entlehnt, die sie aber nie besessen hat. Die Sporteln an das Kaiserliche Reichtaramt in Wien für die Erhebung der Gräfin in den Reichsgrafenstand betrugen, wenn die Hälfte erlassen wurde 3867 fl. 30 Kr., und der sächsische Gesandte, Graf Wackerbarth schreibt aus Wien vom 18. Juni 1710, dass er sich außerstande sehe, sie zu bezahlen.

Um 1706 beauftragte der Kurfürst seinen Baumeister Matthäus Daniel Pöppelmann mit der Neugestaltung des Türkischen Hauses, heute der Mittelbau des Taschenbergpalais, zum Wohn- und Repräsentationssitz für die Gräfin Cosel. Anna Constantia war nun der Mittelpunkt des sächsischen Hofes und galt als schön, ehrgeizig und intelligent, aber auch als aufbrausend, hochmütig und dünkelhaft. Sie machte sich einige Feinde, indem sie Intrigen und Verfehlungen der Minister aufdeckte.

Anna Constantia und August hatten drei Kinder:

Augusta Constantia Gräfin von Friesen, geb. von Cosel (1708–1728), ab 1725 Ehefrau von Heinrich Friedrich von Friesen;

Friederike Alexandra Gräfin Moszynska, geb. von Cosel (1709–1784), ab 1730 Ehefrau von Johann Xantius Anton Moszyński;

Friedrich August Graf von Cosel (1712–1770), Erbe des mütterlichen Gutes Depenau, Erwerber von Schloss Saabor in Schlesien; er heiratete 1749 Gräfin Friederike Christiane von Holtzendorff, Erbin von Schloss Bärenstein. Sie ließen ab 1762 das Coselpalais in Dresden erbauen.

Nach Auffassung des Hofes mischte sich Anna Constantia mittlerweile zunehmend in die Politik ein. Besonders ihr Versuch, Augusts Ambitionen auf die polnische Krone durch ihre dem Kaiser Karl VI. verpflichtete Politik zu beeinflussen, stieß auf erheblichen Widerstand der Minister, insbesondere des dirigierenden Ministers Jacob Heinrich von Flemming. Ihre Eigenmächtigkeit ging so weit, dass sie Abschriften von Dokumenten des Geheimen Kabinetts an den Kaiserlichen Gesandten in Sachsen weitergab, wofür ihr der Titel einer Reichsfürstin von Görlitz versprochen wurde. Das Wappen hatte man schon entworfen, der Entwurf ist im sächsischen Staatsarchiv erhalten. Der Kurfürst im protestantischen Kernland Sachsen kämpfte hartnäckig um die Wiedergewinnung des Königstitels im katholischen Polen, den er nach der Niederlage gegen die Schweden im Großen Nordischen Krieg verloren hatte. August war aus rein politischen Gründen zum Katholizismus übergetreten; die Protestantin Anna Constantia hingegen missbilligte seine Ambitionen. Sie warnte August eindringlich davor, sich auf die Machtspiele polnischer Fürstenhäuser einzulassen, nur um erneut König von Polen werden zu können. Dank ihrer umfassenden Bildung und politischen Erfahrung sah sie das Debakel voraus, das August letztlich auch erlitt. Es kränkte August in seinem Stolz, dass eine Frau die Lage realistischer eingeschätzt hatte als er selbst. Augusts Streben nach der polnischen Krone sollte auch dazu dienen, dem Kurfürstentum Sachsen mehr Macht und Bedeutung im Reich zu verschaffen, als der Nachbarstaat Preußen zunehmend mächtiger wurde. Das Ziel August des Starken war die traditionelle Wahl- in eine Erbmonarchie zu verwandeln.

Um dem polnischen Adel Entgegenkommen zu demonstrieren, erschien auch die Wahl einer katholischen Mätresse aus Polen opportun. August entschied sich schließlich für Gräfin Maria Magdalena von Dönhoff. Die Zugeständnisse, die August dem polnischen Adel machen musste, schmälerten die angestrebte Bedeutung der wiedergewonnenen Königswürde.

Anna Constantias Eifersucht und ihre Versuche, die neue Mätresse des Fürsten zu bekämpfen, veranlassten August schließlich dazu, sich gänzlich von der Gräfin Cosel abzuwenden. Weil die Gräfin jede Anstrengung einer gütlichen Trennung zurückwies, entschied sich der Kurfürst für drastische Mittel. 1713 verbannte August Anna Constantia vom Dresdner Hof nach Schloss Pillnitz; die Übersiedlung nach Zabeltitz lehnte sie ab.

Am 12. Dezember 1715 reiste sie nach Berlin, um den von August zurückgeforderten Ehevertrag zu beschaffen. Weil sie Pillnitz nicht verlassen durfte, galt diese Reise als Flucht. Damit hatte sie eine Situation geschaffen, die der Kurfürst nicht hinnehmen konnte. Das schriftlich fixierte Eheversprechen, das August ihr seinerzeit hatte ausstellen lassen, wurde ihr nun zum Verhängnis. Wäre ein solches Dokument publik geworden, zumal in Preußen, hätte dies eine europaweite Blamage des sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen zur Folge gehabt. August war somit zum Handeln gezwungen und bot dem preußischen König im Austausch gegen die Auslieferung der Gräfin nach Sachsen geflohene preußische Deserteure an.