Die Wassernixe - James Fenimore Cooper - E-Book

Die Wassernixe E-Book

James Fenimore Cooper

3,0

Beschreibung

Es ist der Beginn des 18. Jahrhunderts an Amerikas Küsten: Waghalsige Schmuggler, stets verfolgt von der britischen Krone, entgehen seit Jahren mit ihre Schiff „Die Wassernixe“ erfolgreich den Verfolgern ihrer Majestät. Doch dann passiert etwas. Wendet sich das Blatt vor der Küste New Jerseys?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 799

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
3,0 (16 Bewertungen)
3
4
2
4
3
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



James Fenimore Cooper

Die Wassernixe.

oder

der Streicher durch die Meere.

Erschienen1853

Inhaltsverzeichnis
Die Wassernixe.
Vorrede zu der letzten Ausgabe des Originals.
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Neunundzwanzigstes Kapitel
Dreißigstes Kapitel.
Einunddreißigstes Kapitel.
Zweiunddreißigstes Kapitel.
Dreiunddreißigstes Kapitel.

»Mais, que diable allait-il faire dans cette galère?« Molière.

Vorrede zu der letzten Ausgabe des Originals.

Die ursprüngliche Vorrede dieses Buches enthielt einen kurzen Bericht über die Entstehungsweise der Stadt New-York, des Schauplatzes unserer Erzählung. Da aber die Geschichte Amerika's im Allgemeinen noch so wenig bekannt ist, so wird eine kurze Wiederholung desselben auch an dieser Stelle nicht ungeeignet seyn, dem Leser über gar manche Begebenheiten und über noch mehr Anspielungen in unserem Werke Aufklärung zu verschaffen.

New-York, dessen erster Name Neu-Niederland war, verdankt seine Gründung einer Colonie, die von der ostindischen Compagnie in Holland ausging. Die ersten Niederlassungen fielen in das Jahr 1612, und über ein halbes Jahrhundert von da erhielten sich die Holländer im Besitze des Landes. Nach Verlauf dieses Zeitraumes eigneten es sich die Engländer mitten im tiefsten Frieden an, mußten aber ihre Eroberung bald wieder aufgeben und sahen sich dieselbe erst später nach einem zweiten Einfall durch den Utrechter Frieden im Wege des Vertrages gesichert. Karl II., unter dessen Regierung das britische Reich einen so wichtigen Länderzuwachs gewann, übergab die Colonie seinem Bruder, dem Herzog von York, von dem sie ihren jetzigen Namen hat. Die Thronfolge dieses Fürsten brachte die Provinz wieder unter königliche Verwaltung, und unter dieser blieb sie bis zu der Revolution von 1776.

Der Einfluß eines halben Jahrhunderts ließ die Holländer gar festen Fuß in dem Lande fassen. Viele ihrer Benennungen finden sich noch heut zu Tage vor, und der Verfasser erinnert sich noch wohl der Zeit, wo man in den Straßen der Hauptstadt Albany soviel Holländisch als Englisch hören konnte. Manche holländische Sitte hat sich neben den Gebräuchen Englands so in New-York eingebürgert, daß man ihr ewige Dauer versprechen darf.

Unsere Erzählung macht häufig eine gewisse Classe von Landeigenthümern: Patroons – namhaft. New-York war stets, sowohl vor als nach der englischen Eroberung, eine der aristokratischen Provinzen der jetzigen Union. Während der Herrschaft der holländischen Generalstaaten übten diese Patroons eine Art von Patrimonialgerichtsbarkeit aus, nicht unähnlich jener der Grundherren in England, und nach der englischen Eroberung sah man förmliche Grundherrschaften sich bilden, deren Besitzer die Befugniß hatten, höhere und niedere Gerichtsbarkeit, dabei noch andere jener wohlbekannten feudalen Rechte auszuüben, die in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts die Attribute solcher Herren waren.

Unter diesen Patroons hatte die Familie van Rensselaer viele und verschiedenartige Besitzungen inne, eine insbesondere, die von jeher wie heute noch für die größte und werthvollste in der Provinz gelten konnte. Es waren der Patroons in dieser Familie drei, wenn nicht mehre: der von Rensselaerwyk oder von Albany, wie man ihn gewöhnlich nannte; der von Greenbush und der von Claverack. Wahrscheinlich aber verdankten die beiden Letzteren ihre Existenz Niederlassungen des erstgenannten Besitzers, der das Haupt seiner Familie war. Der Patroon von Albany hatte, so lange New-York Colonie war, einmal eine Festung an den Ufern des Hudson, eine eigene Flagge und das Recht, einen Sheriff zu ernennen. Jedes Fahrzeug, das sein Besitzthum durchsegelte, war gehalten, die Flagge vor seinen Gerechtsamen zu senken, wie früher andere Nationen den Engländern gegenüber im Canal thun mußten.

Unter der englischen Herrschaft waren der Grundherren vergleichungsweise sehr viele. Die Patroons waren im Besitz der meisten ihrer Vorrechte geblieben und Männer von Einfluß aus dem neuen Mutterlande wurden mit großen Länderschenkungen bedacht. Die Herrschaft Courtlandt, einer einflußreichen holländischen Familie dieses Namens zugehörend, war dieser von der englischen Krone bestätigt worden; auf gleiche Weise fiel Livingstone den Livingstone's zu, Morrisania den Morris, Pellham den Pell's, Philipse den Philipse oder Felipse, Scarsdale den Heathcothe's, Coldenham den Colden, Johnstown den Johnson's und so andere mehr. Viele dieser Herrschaften hatten das Recht, Abgeordnete in das Colonialparlament zu senden und konnten somit als eben so viele rotten boroughs gelten. Man irrt, wenn man glaubt, diese Besitzungen hätten sich in Amerika nicht, wie in andern Ländern, fortgepflanzt. Bis zur Revolution waren sie alle unveräußerliches Eigenthum der jedesmaligen Erben, und nachher waren der Zertheilungen und Verkäufe ohne Zweifel nicht mehr und keine anderen, als wie sie in England durch Vermächtnisse, Verpfändungen und andere Veräußerungen auch vor sich gehen. Sogar wo vielfache Theilungen des Eigenthums statt gefunden haben, ist es Thatsache, daß sein Werth dessen ungeachtet stets im Steigen geblieben ist. In einem großen Theile der Vereinigten Staaten kann der Länderbesitz nur von sehr kurzer Dauer rückwärts seyn, aus dem einfachen Grunde, weil das Land noch jüngst eine Wildniß war, aber in den älteren Bezirken des Staats New-York insbesondere sind die Abkömmlinge der alten Grundherren noch in mehr oder weniger beschränktem Besitze des Eigenthums ihrer Vorfahren. Zur Bestätigung des eben Gesagten mögen aus vielen Andern, deren Besitzungen unbedeutender sind, folgende Namen genannt werden: – van Rensselaer von Rensselaerwyck, oder »der Patroon«, wie man ihn zur Auszeichnung allein nannte, dessen Besitzungen eine Grafschaft im Herzen des Staats in sich begriffen: die Livingstone's, obere und untere Herrschaft; die Philipse, »eben jene«, wie man in Schottland sagen würde: die van Courtlands von Courtlandt; Jones von Fort-Neck; Nicoll von Islip; Nicoll von Shetta-Eiland, Morris von Morrisania u.u. Diese Thatsachen sind nicht unwichtig, da sie gar Vieles entkräften, was man über den angeblichen Unbestand solchen Eigenthums in Amerika gesagt hat, und wir führen sie namentlich auch der Vorurtheile wegen an, die Manche immer noch gegen eine Volksregierung hegen. Man sollte sich eher wundern, daß soviel Grundbesitz generationenweise denselben Familien verblieben ist, in einem Lande, wo es keine Lehensbande gibt, und wo sich die doch wahrlich nicht geringe Bevölkerung innerhalb Menschengedenken versiebenfacht hat.

Man hat diesem Buche zu große Unwahrscheinlichkeit der Begebenheiten vorgeworfen. Zweifelsohne gründet sich diese Meinung nur auf Unkenntniß der See-Gebräuche: denn wir sind der Ansicht, daß es kein Seemann lesen wird, ohne die einfachsten und verständlichsten Schlüssel zu all den Geheimnissen zu finden, die vielleicht einen Bewohner des Festlandes verwirren könnten. Nicht ein einziger zauberhaft dünkender Vorfall sollte unerklärt bleiben; auch glauben wir nicht, daß irgend etwas im Buche dem mit dem Ocean vertrauten Leser wirklich räthselhaft erscheinen wird, wenn er nur dazu die gewöhnliche Aufmerksamkeit mitbringen will.

Die örtlichen Schilderungen dürfen wir für so naturgetreu als möglich halten, und auch eine sorgfältig wiederholte Prüfung seiner Arbeit hat den Verfasser nichts entdecken lassen, was der Wahrscheinlichkeit oder der Wahrheit Gewalt anthäte, wenn man anders die selbstverstandenen Vorrechte des Dichters nicht absichtlich außer Augen lassen will.

London, Oktober 1833.

Erstes Kapitel

Soll diese Red' uns zur Entschuld'gung dienen? Wie? oder treten wir nur grad' hinein? Romeo und Julia.«

Innerhalb des vierzigsten und des einundvierzigsten Grades nördlicher Breite erhält der Ocean den Zoll der vier großen Flüsse Hudson, Hackensack, Passaic und Rariton und einer Menge von geringerer Bedeutung. Aus dem Zusammenfluß aller dieser Gewässer entsteht die herrliche Bucht, welche in der bezeichneten Erdgegend die amerikanische Küstenlinie durchbricht. Den Stürmen der offenen See verschließt die glückliche Lage der Inseln Nassau und Staaten den Zutritt in das Innere, während die tiefen, breiten Meeresarme dem Welthandel wie dem Binnenverkehr die wünschenswerthesten Erleichterungen bieten. Dieser trefflichen Vertheilung von Land und Wasser, verbunden mit einem gemäßigten Klima, verdankt die Stadt New-York, in der Mitte der Bucht und vor einem nach allen Richtungen hin von Kanälen und Flüssen durchschnittenen unermeßlichen Innern gelegen, ihr außerordentliches Aufblühen. Fehlt es auch keineswegs den Gestaden dieser Bai an Schönheiten der Natur, an reizenden Aussichten, so wird sie doch in dieser Beziehung von vielen übertroffen; dagegen dürfte die Erde schwerlich noch einen Punkt aufzuweisen haben, dem die Natur die Mittel zum Wachsthum und Gedeihen eines ausgebreiteten Handels in solcher Fülle geschenkt hätte. In ihren Gunstbezeugungen unermüdlich, hat sie der Insel Manhattan einen Punkt angewiesen, der für die Lage einer Stadt der erwünschteste ist. Bewohnten selbst Millionen diesen Fleck, so könnte ein Schiff doch vor jeder Thüre seine Ladung einnehmen. Des Bodens Oberfläche hat nicht mehr Unebenheiten, als die Gesundheit und die Reinlichkeit erfordern, und sein Schooß trägt in Fülle das zum Bauen unentbehrlichste Material.

Jedermann weiß, was dieses so außergewöhnliche Zusammenwirken günstiger Umstände zu Stande gebracht hat. Ein kräftiges, gesundes und stetiges Wachsen, selbst in der Geschichte dieses eigenthümlichen, glücklichen Landes ohne Beispiel, hat die unbedeutende Provinzialstadt des verstoßenen Jahrhunderts bereits auf gleiche Höhe mit den Städten zweiten Ranges auf der andern Halbkugel erhoben. Schon wetteifert das Neu-Amsterdam dieses Festlandes mit seiner Mutterstadt auf dem östlichen, und, sofern der Mensch irgend eine Voraussagung wagen darf, wird es binnen wenigen, kurzen Jahren den Vergleich mit Europa's stolzesten Hauptstädten nicht scheuen dürfen.

Fast scheint es, als hätte die Natur nicht blos dem Thierleben seinen Stufengang vorgeschrieben, sondern auch jedem sittlichen und politischen Emporstreben Gränzen gesetzt. Immer weiter wird der leere Raum zwischen den verfallenen Mauern und den Gebäuden in der einstigen Stadt der Medici, gleich der verschrumpfenden Menschengestalt sich verlierend »in den mageren bepantoffelnden Pantalons;« die Spuren der Königin des adriatischen Meeres, die auf ihren schlammigen Eilanden schläft, ja selbst die Spuren Roms, sind gesunkene Tempel, begrabene Säulen: unterdessen verbreitet sich die jugendliche Kraft Amerika's über die Wildnisse des Westen, und füllt sie mit den glücklichsten Früchten des menschlichen Gewerbfleißes an.

Gewöhnt an die Wälder von Mastbäumen, an die meilenlangen Kais, an zahllose Villen, Hunderte von Kirchen und Palästen, an die rauchenden geschäftigen Fahrzeuge, von denen die Bai wimmelt, an das tägliche Wachsen und lebendige Regen überall in seiner Vaterstadt, wird der Manhattanese die Umrisse des Bildes kaum wieder erkennen. Ja, das nächste Geschlecht lächelt vielleicht, daß die Stadt sogar in ihrer gegenwärtigen Lage ein Gegenstand unserer Bewunderung seyn konnte; – und doch steigen wir in kein hohes Alterthum hinauf, der Leser soll sich mit uns nur um ein Jahrhundert in die junge Geschichte seines Vaterlandes zurückversetzen.

Als am Morgen des dritten Juni 171 – die Sonne aufging, hörte man, auf den Gewässern des Hudson einhergewälzt, den Knall einer Kanone. Eine Rauchwolke kam aus der Schießscharte einer kleinen Festung hervor, welche auf der Landspitze lag, da wo der Fluß und die Bai ihr Wasser vereinigen. Der Knall war noch nicht verhallt, da stieg eine Flagge empor, und als sie die Höhe ihres Stocks erreichte und sich langsam im leichten Windstrom entfaltete, ward das blaue Feld und das rothe Kreuz der englischen Standarte sichtbar. Einige Meilen in der Ferne unterschied man die dunkeln Masten eines Schiffes, matt hervorgehoben durch den grünen Hintergrund der Höhen auf der Insel Staaten. Jetzt zog eine kleine Wolke über diesen Gegenstand, und alsbald ertönte, schwerfällig daherrollend, das erwiedernde Signal. Aus der Ferne ließ sich nicht erkennen, welche Flagge der Kreuzer aufzog.

Genau in dem Augenblick, wo der Lärm der ersten Kanone erschallte, öffnete sich die Thüre eines der ansehnlichsten Gebäude in der Stadt, und ein Mann, höchst wahrscheinlich der Hausherr, trat in den »Stoop«, wie man noch jetzt die unbequemen Hauseingänge dort zu benennen pflegt. Er schien gerüstet, als wenn er im Begriff stände, eine Reise anzutreten, die einen Tag dauern könnte. Ihm folgte bis zur Thürschwelle ein Schwarzer von mittlerem Alter, und ein zweiter, noch ein Knabe, trug ein kleines Bündel unterm Arm, das wahrscheinlich die zur Bequemlichkeit des Herrn unentbehrlichsten Sachen enthielt.

»Sparsames Wirtschaften, Herr Euclid, sparsames Wirthschaften ist dir der wahre Stein der Weisen;« sagte der Hausherr in volltönigem breitem Holländisch zu seinem obersten Sklaven, wahrscheinlich als Schluß bereits schon ertheilter Abschieds-Instruktionen. »Sparsames Wirthschaften hat noch Niemand zum Bettler, aber schon Manchen reich gemacht. Durch Sparsamkeit ist mein Haus zu seinem Kredit gelangt, und, ich darf es immer selbst sagen, breitere Schultern und festeres Fußgestell hat kein Kaufmann in den Kolonien aufzuweisen. Du, Schelm, bist blos der Abglanz von deines Herrn Wohlgedeih'n; um so nöthiger also, daß du auf seinen Vortheil bedacht seyest. Wenn der Körper abzehrt, was wird dann aus dem Schatten! Wenn ich schwächlich werde, wirst du krank; wenn ich hungere, so kannst du verhungern; sterbe ich, so kannst du – hum – Hör', Euclid, unter deine Aufsicht stelle ich, so lange ich abwesend bin, Güter und Geräthe, Haus und Stallung; auch hast du dafür zu sorgen, daß mein Charakter bei den Nachbarn keinen Schaden erleide. Ich gehe nach ›Lust in Ruhe‹, um einen Mundvoll frische Luft zu schöpfen. Pest und Fieber! ich glaube, die Leute werden nicht eher aufhören, in diese Stadt zu ziehen, bis sie so verpestet ist, wie Rotterdam in den Hundstagen. Du, Junge, bist jetzt in den Jahren, wo man anfängt vernünftig zu werden; ich erwarte also, selbst wenn ich dich nicht unter Augen habe, geziemende Wachsamkeit und Diskretion in der Hausumgebung. Denn, hör' mal, Bengel, der Charakter deiner Sippschaft will mir nicht ganz gefallen; er ist gar nicht so respektabel, wie er sich für den vertrauten Bedienten eines Mannes von gewissem Range in der Welt geziemt. Deine beiden Vettern da, der Brom und der Kobus, sind nicht viel besser, als ein Paar gemeiner Schufte; und der engländische Neger, der Diomed, der ist vollends ein kleiner Teufel. Die andern Schlösser stehen schon unter deiner Bewachung: hier hast du auch den Stallschlüssel;« dabei zog er das genannte Instrument mit sichtbarem Zwang aus der Tasche. »Nicht ein Huf soll zum Stall heraus, außer wenn's zur Schwemme geht – und daß jedes Thier sein Futter zur rechten Zeit bekomme, bis auf die Minute! Ihr Quartiermeister des Satans! so ein Neger in Manhattan glaubt, ein flamländischer Wallach sey ein schmächtiges Windspiel, nie außer Athem; da geht's denn Nachts im wilden Galopp die Heerstraße entlang, wie eine Uankih-Here durch die Lüfte auf einem Besenstiel – aber gib Acht, Meister Euclid! ich habe Augen im Kopf, wie du aus bitterer Erfahrung weißt! Oder hast du schon vergessen, Schlingel, wie ich dich im Haag die Bestien den Leydener Damm entlang reiten sah, als wenn der Teufel sie spornte, ohne Erbarmen, wie ohne Erlaubniß?«

»Immer mir will vorkommen, daß ein boshafter Ohrenbläser damals dem Masser es gesagt hat;« erwiederte der Neger mürrisch, obgleich nicht ohne Zagen.

»Die Ohrenbläser waren seine eigene Augen. Hätten Herren keine Augen, die Neger würden die Welt auf den Kopf stellen! Jede schwarze Ferse auf der Insel steht in dem großen Buche eingezeichnet, in dem ich, wie du weißt, so oft blättre, besonders an Sonntagen; und wenn sich einer von den genannten Hetz-Kerlen untersteht, meinen Boden zu betreten, so soll er sich auf einen Besuch bei dem Stadt-Profos gefaßt halten. Was denken sich die wilden Katzen! Glauben sie, die Wallachen sind in Holland gekauft worden mit Kosten für's Zureiten, Einschiffen, Assecuriren, Fracht und Risiko von Krankheiten, damit ihnen hier das Fleisch von den Rippen abschmelze wie ein Küchentalglicht?«

»In'r ganzen Insel nix wird gethan, wo nicht ein farbiger Mensch es soll haben gethan! Er das Unheil thut, und alle Arbeit er auch thut! Möchte wohl wissen, was für Farbe Masser glaubt, daß der Kapitän Kiod hat gehat?«

»Der war, schwarz oder weiß, ein Erzschelm; dafür weißt du auch, was für ein Ende er genommen. Ja, ja, der Wasserdieb hat seine schlechten Streiche höchst wahrscheinlich damit begonnen, daß er bei Nacht die Pferde der Nachbarn ritt. Sein Schicksal sollte jedem Neger in der Kolonie eine Warnung seyn. Diese Höllenbrut! Den Engländern fehlt es doch zu Hause nicht an Schelmen, daß sie uns den Piraten nicht lassen konnten, damit wir ihn in den Inseln als eine Vogelscheuche für unsere Schwarzen aufknüpften.«

»Na, ich glaube, der Anblick einem Weißen auch nit gerade könnte schaden;« erwiederte Euclid, der die ganze Keckheit eines verzogenen holländischen Negers auf seltsame Weise mit wahrer Anhänglichkeit für den Herrn, in dessen Diensten er geboren war, vereinigte. »Ich jedermann doch höre sagen, es waren nur zwei farbige Mensch in'm Schiff, und die noch dazu in Guinea geboren waren.«

»Willst du wohl bescheidener sprechen, du Nacht-Trotter! hab' Acht auf meine Wallachen. – Da – da hast du zwei holländische Gilders, drei Stüber und einen spanischen Piaster; der eine Gilder ist für deine betagte Mutter, und mit dem Rest kannst du dir in den Lustbarkeiten zu Paus was zu gute thun. Hör' ich, daß einer deiner spitzbübischen Vettern oder der englische Diomed eine meiner Bestien geritten hat, so mag sich ganz Afrika in Acht nehmen. Hungersnoth und Skelette! ich quäle mich nun schon sieben Jahre hier, die Klepper zu mästen, und noch sehen sie einem Paar Wiesel ähnlicher, als soliden Wallachen.«

Den Schluß dieser Rede bekam der Namensvetter des großen Mathematikers nur halb zu hören, die andere Hälfte brummte der Bürger im Selbstgespräche beim Fortgehen vor sich hin. Während dieser Abschiedspredigt war die Miene dessen, dem sie gehalten wurde, etwas zweideutig. Es kämpfte offenbar in seinem Innern die angeborne Liebe zum Ungehorsam mit der geheimen Furcht vor der Spionirkunst seines Herrn. So lange dieser noch im Gesichte blieb, haftete der zweifelnde Blick des Schwarzen an seiner Gestalt; kaum aber war sie um eine Ecke herum, so wechselte er mit einem Neger an einer nahen Hausthür Blicke, dann nickten sie bedeutsam mit den Köpfen, brachen in ein helles Gelächter aus und verschwanden. Die Nacht kam heran, und der vertraute Diener nahm sich der Angelegenheiten seines verreisten Herrn mit der Treue und Sorgfalt eines Menschen an, welcher weiß, daß seine Existenz gänzlich von dem Eigenthümer seiner Person abhängt. Schlag zehn Uhr jedoch bestieg er und des Nachbars Neger die trägen, überfütterten Pferde, und nun ging's im Galopp so schnell als die Füße sich nur bewegen konnten, mehrere Meilen landeinwärts, nach einem der gewöhnlichen Sammelplätze der Neger, wo eben eine Lustbarkeit vor sich ging.

Hätte der Stadtrath Myndert Van Beverout geahnet, wie bald nach seiner Abreise ihm so mitgespielt werden würde, so würde er wahrscheinlich nicht mit so gelassener Miene vorwärts geschritten seyn. Die selbstgefällige Ruhe, verbreitet über Züge, die überhaupt nicht leicht in eine gewaltsame Lage zu versetzen und noch schwerer in solcher zu erhalten waren, zeugte von dem Vertrauen Myndert's in die Wirksamkeit seiner Drohungen. Dieser wohlhabende Bürger war nicht viel über die fünfzig, und ein englischer Witzbold, der aus seinem Mutterlande den brittischen Humor mit eingeführt hatte, sagte einst, als die Herren im Magistrat miteinander wetteiferten, wer am witzigsten sey, Rathsherr Van Beverout sey ein Mann von lauter Alliterationen. »Denn,« sagte er, als man ihn über diesen Bruch parlamentarischer Schicklichkeit zur Rede stellte und eine Erklärung verlangte, der Alderman ist, was anbelangt den Körper, kurz, knollig und körnig, was angeht die Physiognomie, pausbackig, purpurn und putzig, und in Hinsicht auf Stimmung des Gemüths, stolz, schwerfällig und sparsam.« Diese Beschreibung hatte jedoch, wie alle erkünstelten Bonmots, mehr Pikantes als Wahres an sich, insofern nämlich auch der Charakter Myndert's darin mit beschrieben war, wiewohl in physischer Beziehung die Schilderung so richtig und genau war, als sie zu unserer Erzählung nöthig ist, und wir brauchen für jetzt nichts weiter zu erinnern, als daß wir einen Junggesellen und sehr begüterten schlauen Händler vor uns sehen.

Die frühe Stunde, in welcher dieser handelsfleißige, blühende Kaufmann seine Wohnung verließ, hinderte nicht, daß er durch die engen Straßen seines Geburtsortes mit abgemessenen, gravitätischen Schritten einherging. Mehr als einmal blieb er stehen, erkundigte sich bei dem bevorzugten Bedienten der einen und andern Familie nach dem Wohlbefinden seines Herrn, und endigte jedesmal das Gespräch mit einem harmlosen Scherz auf den angeredeten Sklaven. Es scheint daher, daß der ehrenwerthe Städter zwar etwas übertriebene Ansichten von Hausdisciplin hegte, aber keineswegs ein Vergnügen an solchen Drohungen fand, wie wir ihn haben ausstoßen hören. Er hatte eben einen solchen auf der Straße sich herumtreibenden Neger entlassen, als ihm beim Wenden um eine Ecke ein Weißer, der erste an diesem Morgen, unvermuthet entgegen trat. Etwas erschrocken machte der Bürger unwillkürlich eine ausweichende Bewegung; als er aber sah, daß es nicht gelingen wollte, fügte er sich in die Notwendigkeit mit so guter Miene, als wenn er die Zusammenkunft gesucht hätte.

»Das Tagesgestirn – die Morgensalve – und der Herr Stadtrath Van Beverout!« rief ihm der Unerwartete entgegen. »Das ist in dieser frühen Stunde, bei jeder neuen Umkugelung dieses Erdballs, die Folgereihe der Dinge.«

Bevor der Aldermann diesen vertraulichen und etwas scherzhaften Gruß gehörig zu erwiedern hatte, fand er gerade noch Zeit genug, seine Fassung wieder zu gewinnen. Er zog den Hut, verbeugte sich steif und gab eine Antwort, die dem Aufdringling wenig Ursache ließ, sich seines Scherzes zu freuen.

»Die Kolonie mag mit Recht bedauern, daß sie die Dienste eines Gouverneurs entbehren soll, der sein Bett so früh verläßt. – Daß wir Geschäftsmenschen bei Zeiten rührig sind, ist ganz in der Ordnung, gewiß aber würden manche Städter kaum ihren Augen trauen, wenn sie so glücklich wären, jetzt an meiner Stelle zu stehen.«

»Sir, es gibt in dieser Kolonie Viele, die große Ursache haben, ihren Sinnen zu mißtrauen, obgleich Niemand irren wird, wenn er in einem zweckmäßig beschäftigten Manne den Rathsherrn Van Beverout vor sich zu sehen glaubt. Wer mit dem Erzeugniß des Bibers handelt, muß ja wohl auch die Ausdauer und vorsichtige Klugheit dieses Thiers besitzen. Fürwahr, wäre ich ein Wappenkönig, so würde ich Herrn Myndert einen Schild beilegen mit jenem beißenden Thier, einem Pelzmantel, zwei Mohawk-Jägern als Schildhalter, und der Devise: »Industrie«.«

»Oder was denken Sie, Mylord,« erwiederte der Andere, dem die aufziehende Bemerkung nicht ganz gefallen wollte, »von einem blanken Schild für ein reines Gewissen, zum Helm eine flache Hand, mit der Devise: »Mäßigkeit und Gerechtigkeit«?«

»Hm, die offene Hand gefällt mir, obgleich das Bild etwas anspruchsvoll ist. Ich sehe, Sie wollen damit sagen, daß die Van Beverout nicht jetzt noch nöthig haben, sich in einem Wappenamte nach Ehrenzeichen umzusehen. Auch fällt mir eben ein, daß ich schon einmal Ihr Wappen gesehen haben muß; eine Windmühle im Gange; ein Damm geschlängelt; Feld, grün, mit Schwarzvieh gesprenkelt – Nicht? nun denn, so trügt mich mein Gedächtniß; die Morgenluft ist voller Nahrung für die Einbildungskraft.«

»Die freilich eine Münze ist, mit welcher kein Gläubiger sich will abspeisen lassen, Mylord,« sagte der kaustische Myndert.

»Da sprechen Sie eine Bitterkeit, aber zugleich eine Wahrheit aus. Dies ist indessen kein kluger Schritt, Rathsherr, einen Mann von Stande gleich Hamlet's Geist bei Nacht aus dem engen Hause herauszulassen, und ihn beim ersten Hahnenschrei wieder einzusperren. Das Ohr der Königin, meiner Cousine, ist vergiftet worden, ärger als das Ohr des »gemordeten Dänemark«, sonst würde der Anhang dieses Herrn Hunter wenig Ursache zum Triumphiren haben.«

»Sollte es nicht möglich seyn, denjenigen, welche die Thüre verschlossen haben, solche Toasts beizubringen, daß Ew. Herrlichkeit dadurch in Stand gesetzt würden, dem königlichen Ohr das Gegengift einzuflößen?«

Diese Frage berührte eine Saite, welche des Anderen Weise gänzlich veränderte. Seine Manier, bis jetzt die eines scherztreibenden Vornehmen, ward würdevoller, ernster. Seinen Zügen, seiner Kleidung und seiner sonstigen Haltung war freilich der Charakter eines Lüderlichen aufgestempelt, doch an der Seite des langsam einherschreitenden, untersetzten Aldermans war es leicht bemerkbar, daß der schlanken und nicht uneinnehmenden Gestalt des Ex-Gouverneurs jene einschmeichelnde, gewinnende Leichtigkeit nicht fehlte, die sich durch langen Umgang mit guter Gesellschaft selbst von dem Ruchlosesten erwerben läßt.

»Ihre Frage, mein würdiger Sir, zeugt von großer Herzensgüte und bestätigt den allgemeinen Ruf, in welchem Sie bei Allen wegen Ihrer Großmuth stehen. Wahr ists, man hat die Königin zu überreden gewußt, den Befehl zu meiner Zurückberufung zu unterzeichnen, auch ist es nicht minder gewiß, daß sich Herr Hunter im Besitz meiner Charge sieht; doch diese Dinge lassen sich ändern, werde ich nur in eine Lage versetzt, die mir den Zutritt zu meiner Cousine möglich macht. Ich stelle gewisse Unklugheiten nicht in Abrede, Sir; sie läugnen zu wollen würde sich schlecht schicken, wenn ein Mann von der strengen Tugend des Rathsherrn Van Beverout dabei steht. Ich habe meine Fehler; vielleicht wäre es besser gewesen, wenn, wie Sie so eben anzudeuten beliebten, Mäßigkeit mein Wahlspruch gewesen wäre; allein Sie werden auch nicht läugnen, Sir, daß eine offene Hand in meinem Wappen nicht am unrechten Ort stehen würde. Habe ich meine Schwachheiten, so müssen doch selbst meine Feinde eingestehen, daß ich nie einen Freund im Stich gelassen habe.«

»Da ich nie Gelegenheit hatte, Ihre Freundschaft in Contribution zu setzen, so werde ich mich hüten, der Erste zu seyn, der eine solche Klage gegen Sie vorbrächte.«

»Ihre Unparteilichkeit ist zum Sprüchwort geworden! »So ehrlich wie Alderman Van Beverout«; »so großmüthig wie Alderman Van Beverout«, sind jedem Mund geläufige Ausdrücke. Einige sagen auch: »so reich«; (hier blinzelte das kleine blaue Auge des Bürgers). Doch Ehrlichkeit, Reichthum und Großmuth haben, ohne Einfluß, wenig Werth. Die Menschen sollten in der Gesellschaft die Stellung einnehmen, welche die Natur ihnen angewiesen hat. Diese Kolonie ist mehr eine holländische denn eine englische; demungeachtet finden sich, wie Sie wissen, auf der Liste des Verwaltungsraths nur wenige Namen, die man hier vor einem halben Jahrhundert gekannt hätte! Da haben wir die Familie Alexander und Heathcote, die Familien Morris und Kennedy, die Familien de Lancey und Livingston, welche Rathszimmer wie Parlamentshallen füllen, aber wenige Van Rensselaers, Van Courtlandts, Van Schuylers, Van Stuyvesants, Van Beckmans und Van Beverouts sind da zu finden, wo man sie von Rechtswegen finden sollte. Alle Nationen und Glaubensgenossen stehen höher in der königlichen Gunst denn die Kinder der Patriarchen dieser Kolonie. Die Böhmischen Felips, die Hugenotten de Lancey, Bayard, Jay, die Königsfeinde Morris und Ludlow – kurz Alle genießen größere Achtung in den Augen der Regierung, als die älteste Familie, die der Patroon!«

»So verhält es sich in der That schon lange; ich kann mich nicht entsinnen, wann es anders wär' gewesen.«

»Es läßt sich nicht läugnen. Es würde indeß mit einer klugen Politik schlecht übereinstimmen, bei Beurtheilung der Menschen den Schein der Raschheit anzunehmen. Wenn dasselbe Vorurtheil meiner eigenen Verwaltung vorgeworfen werden kann, so beweist dies nur um so klarer, wie sehr falsch die Sachen zu Hause dargestellt werden. Mir fehlte blos Zeit um meinen Geist aufzuklären, man hat sie mir aber nicht gegeben. Nur noch ein Jahr, mein würdiger Sir, und der Verwaltungsrath würde mit lauter Van's besetzt gewesen seyn.«

»In dem Fall, Mylord, hätte sich allerdings die unglückliche Lage, in der Sie sich jetzt befinden, vermeiden lassen.«

»Und ist es denn zu spät, dem Uebel Einhalt zu thun? Man sollte doch endlich einmal die Königin enttäuschen, ihre Gunst wieder zu gewinnen suchen. Und nichts als Gelegenheit braucht es, daß solche Gerechtigkeit ausgeübt werde. Mir blutet das Herz. Sir, wenn ich denke, daß diese Schande Jemand trifft, der dem königlichen Geblüt so nahe steht!«

»Mylord ehemaliger Gouverneur!« versetzte der Andere, als er bemerkte, daß jener fortzufahren zauderte.

»Was halten Sie von dieser Einführung der Hannöverschen Familie? – Soll ein Deutscher die Krone eines Plantagenet tragen?«

»Sie ward von einem Holländer getragen.«

»Getroffen! ein Holländer hat sie getragen, und zwar würdiglich. Die beiden Völker sind verwandt, und in Ihrer Antwort liegt Vernunft. Wo hatte ich meinen Verstand, daß ich nicht früher den Beistand deiner Rathschläge suchte. Vortrefflichster! Ja Myndert, es ruht ein wahrer Segen auf allem was Niederländer unternehmen!«

»Sie sind emsig im Verdienen, im Vergeuden langsam.«

»Wenn« doch der Aufwand nicht der Ruin so manches würdigen Unterthans wäre! Aber Zufall – Chance – Glück – oder wie Sie es nennen wollen, fährt bisweilen ganz unverantwortlich dazwischen, und wirft den Wohlstand eines Mannes von Stande über den Haufen. Beständigkeit in der Freundschaft, Sir, bete ich an; mein Grundsatz ist, daß die Menschen auf ihrem Wege durch dies finstre Lebensthal einander hülfreiche Hand reichen sollten – Herr Stadtrath Van Beverout – »Mylord Cornbury.«

»Ich wollte sagen, daß ich meinen schmerzlichen Gefühlen wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen würde, wenn ich die Provinz verließe, ohne vorher mein Bedauern darüber ausgedrückt zu haben, daß mir die Verdienste der ursprünglichen Eigenthümer derselben, und die Ihrigen insbesondere, nicht früher bekannt geworden sind.«

»Ist denn Hoffnung vorhanden, daß Ew. Herrlichkeit Gläubiger nachgeben werden, oder hat der Graf Mittel zur Oeffnung der Gefängnißthür bewilligt?«

»Sie bedienen sich höchst scherzhafter Ausdrücke, Sir! – doch ich liebe vor allen andern Eigenschaften die edle Offenherzigkeit. Die Gefängnißthür, wie Sie es so deutlich nennen, könnte freilich geöffnet werden, und glücklich wäre der Mann, der den Riegel zurückschöbe. Es schmerzt mich, wenn ich an den Unwillen der Königin denke, der früher oder später auf das Haupt meiner tollkühnen Verfolger fallen wird. Dagegen tröstet mich der Gedanke an die Gunst, welche sie Denjenigen zutheilen wird, die sich in meiner gegenwärtigen Noth als Freunde gezeigt haben. Gekrönte Häupter sehen es nicht gern, wenn selbst der Niedrigste ihres Geblüts der Schande ausgesetzt wird, weil der Makel einen Fleck auf den Hermelin der Majestät zurückwerfen könnte. – Herr Alderman – ?«

»Mylord?«

»Wie geht's den flamländischen Wallachen?«

»Danke sehr, Mylord, vortrefflich; die Schelme sind fett wie Butter! Die armen Teufel haben Aussicht auf etwas Ruhe, da Geschäfte mich nach meinem Landhause rufen. Es sollte ein Gesetz geben, Lord Gouverneur, welches den Schwarzen, der Nachts ein Pferd reitet, zum Galgen bringt.«

»Ich habe über eine, solchem herzlosen Verbrechen angemessene Strafe schon nachgedacht, allein unter der Verwaltung dieses Herrn Hunter ist wenig Hoffnung dazu. Ja, Sir, könnte ich nur noch eine Audienz bei meiner königlichen Base erlangen, so sollte diesem Betruge bald gesteuert werden, und die Kolonie würde wieder gute Tage haben. Nicht mehr sollten die Leute eines Geschlechts über Leute eines Jahrhunderts herrschen. Aber vorsichtig, mein theurer Sir! daß nur ja Niemand von unsrem Plane Luft bekomme; die Idee ist eine ächt holländische, und Männer dieser Herkunft sollten die politischen wie die Geldvortheile... – Mein werther Van Beverout – ?«

»Mein guter Lord?«

»Ist die blühende Alida gehorsam? Glauben Sie mir, seit ich mich in der Kolonie aushalte, habe ich an keinem Familienereigniß wärmeren Antheil genommen, als an dieser wünschenswerthen Verbindung. Die Bewerbung des jungen Patroon von Kinderhook ist eine Angelegenheit der ganzen Provinz. Es ist ein verdienstvoller junger Mann.«

»Hat ein vortreffliches Gut, Mylord!«

»Und einen Ernst, der weit über seine Jahre geht.«

»Ich garantire was man will, daß er bei jedem Quartalanfang zwei Drittheile seiner Einkünfte zu seinem Kapitel schlägt.« »Er scheint von der Luft zu leben.«

»Oho, mein alter Freund, der verstorbene Patroon,« fuhr der Rathsherr, die Hände reibend, fort; »hat erkleckliche Kapitalien hinterlassen, abgesehen vom Landgut.«

»Welches keine Schafhürde ist.«

»Es reicht vom Hudson bis zur Gränze von Massachusetts. Hunderttausend Morgen Hügel- und Thalgrund, mit wirtschaftlichen Holländern gut bevölkert.«

»Ein höchst achtbares Besitzthum, und ein wahres Goldbergwerk in Zukunft! Solchen Leuten, Sir, muß man sich gefällig zeigen. Wir sind es seiner Stellung schuldig, ihn in unsern Plan: die Königin von ihrer Täuschung zu befreien, einzuweihen. Was wollen die leeren Prätensionen so eines Kapitäns Lublow sagen gegen die Ansprüche eines solchen Gentleman?«

»Er hat in der That ein vortreffliches und dabei immer zunehmendes Vermögen.«

»Diese Ludlow, Eir, Leute, welche wegen Verschwörungen gegen die Krone landesflüchtig werden mußten, sind treuen Unterthanen ein Aergerniß; und gegen viele von englischem Blut abstammende Bewohner dieser Provinz läßt sich mit nur zu vielem Recht dieselbe Einwendung machen. Ich muß es leider sagen, sie nähren Zwietracht, trüben die Gemüther des Volks und sind rechthaberische Zänker um Privilegien und Zunftrechte. Im holländischen Charakter hingegen liegt eine Ruhe, die demselben Würde verleiht. Die Nachkommen der Holländer sind Männer, auf die man sich verlassen kann; wo man sie heute verläßt, da sieht man sie morgen wieder. Ja, ja, wie wir Staatsmänner zu sagen pflegen: wir wissen wo sie anzutreffen sind. Scheint es Ihnen nicht besonders anstößig, daß man den Befehl des einzigen königlichen Kreuzers auf der Station diesem Kapitän Ludlow gegeben hat?«

»Ich sähe es lieber, Mylord, wenn er in Europa diente.« erwiderte der Alderman mit leiserer Stimme und nach einem vorsichtigen Blick rückwärts. »Letzthin ging ein Gerücht, daß sein Schiff wirklich die Inselgewässer durchsuchen soll.«

»Die Dinge fangen an, eine sehr schiefe Richtung zu nehmen, würdigster Sir; um so nöthiger ist es, daß Jemand bei Hofe sey, der der Königin die Augen öffne, und die Neuerer hier vertreibe, damit Männer, deren Namen in der Kolonie geschichtlich sind, jene Stellen besetzten.«

»Das könnte freilich dem Kredit Ihrer Majestät nicht schaden.«

»Ein neuer Juwel in ihrer Krone wär's! Bekäme Eure Nichte diesen Kapitän Ludlow zum Gemahl, so würde die Familie ihren Charakter gänzlich verändern. Wie ist es doch? ich habe ein so schlechtes Gedächtniß – eure Mutter, Myndert, war eine – eine – «

»Das gottselige Weib war eine geborene Van Busser.«

»Aber deine Schwester vermählte sich mit einem Hugenotten, und die schöne Alida hat schon zur Hälfte fremdes Blut in den Adern. Heirathet sie nun vollends einen Ludlow, so ist der Sauerteig des Geschlechts zerstört! Der Mensch hat, wie ich glaube, nicht einen Heller.«

»Das möcht' ich nun gerade nicht behaupten, Mylord, denn ich schade ungern dem Kredit irgend eines Menschen, und wäre er mein ärgster Feind; allein wenn er auch wohlhabend ist, so hat er doch noch lange nicht das Vermögen des jungen Patroon von Kinderhook.«

»In der That, man müßte ihn nach Westindien schicken. – Myndert – ?«

»Mylord?«

»Meinen Gesinnungen für Herrn Oloff Van Staats würde Gewalt angethan werden, wenn er von den Vortheilen unseres Projekts ausgeschlossen bliebe. Zu seinen Gunsten erbitte ich mir dieses Freundschaftsftück von Ihnen: Ihr Beide schaffet dann in gleichen Theilen die erforderliche Summe herbei, eine gemeinschaftliche Verschreibung macht die Sache fest, und da wir unser Geheimniß für uns behalten, so läßt sich gar nicht zweifeln, daß wir mit gehöriger Klugheit zu Werke gehen werden. Dies Papier enthält den Betrag der Summe.«

»Zweitausend Pfund, Mylord!«

»Verzeihen Sie, Theuerster, nicht ein Heller mehr als Eintausend kommt auf jeden von Ihnen Beiden. Gerechtigkeit gegen Van Staats verlangt, daß Sie ihn Theil nehmen lassen. Nähme ich nicht Rücksicht auf seine Bewerbung um Ihre Nichte, so würde ich den jungen Herrn mit nach Hofe nehmen, um dort für sein Glück zu sorgen.«

»In der That, Mylord, die Summe übersteigt um Vieles meine Mittel. Die hohen Pelzpreise letzten Winter und ausgebliebene Zahlungen haben unser Silber versiegelt« –

»Die Prämie wäre bedeutend.«

»Baares Geld wird jeden Tag knapper, so daß das Antlitz eines Carolus eine fast eben so große Seltenheit ist, wie das eines Schuldners« –

»Die Zahlung sicher.«

– »Der sich überall, nur nicht bei seinem Gläubiger zeigt« – »Der Handel durchaus ein holländischer.«

– »Und die letzten Briefe aus Holland rathen, unser Gold für eine bevorstehende außerordentliche Bewegung in der Handelswelt aufzusparen.«

»Herr Alderman Myndert Van Beverout!«

»Mylord Viscount Cornbury.«

»Plutus erhalte dich, Sir – aber nimm dich in Acht! obgleich ich die Morgenluft wittere und zurück muß, so ist es doch nicht verboten, die Geheimnisse meines Kerkers zu verkünden. In jenem Käfig ist Einer, welcher flüstert, der »Streicher durch die Seen« sey an der Küste! Sey umsichtig, würdiger Bürger, sonst dürfte auf diesen Gewässern noch der zweite Theil der Tragödie Kidd gespielt werden.«

»Dergleichen Verhandlungen überlasse ich Vornehmern,« war die beißende Antwort des nochmals sich steif verbeugenden Rathsherrn. »Unternehmungen, mit welchen sich der Graf von Bellemont, Gouverneur Fletcher und Mylord Cornbury beschäftigt haben, sind über den Ehrgeiz eines bescheidenen Kaufmanns erhaben.«

»Adieu, festhaltender Sir; sey nicht zu ungeduldig nach den außerordentlichen holländischen Bewegungen!« sagte Cornbury mit einem erzwungenen Lachen, während er insgeheim den Stich, den ihm der Andere gegeben, recht gut fühlte, da man sich überall erzählte, daß nicht blos er, sondern auch seine Vorfahren im Amte Theil genommen hatten an mehreren gesetzlosen Thaten der amerikanischen Flibustier. »Sey wachsam, sonst dürfte Demoiselle Barbérie die Reinheit der stehenden Pfütze deines Geblüts noch einmal durchkreuzen.«

Sie verbeugten sich gegenseitig, doch jeder auf die ihm eigenthümliche Weise. Der Alderman war unerschüttert, steif und ceremoniös; der Lord, selbst bei so heftigem innerem Verdruß, leicht und ungenirt. Besiegt in einem Versuche, zu dem nur eine so verzweifelte Lage und ein fast eben so verzweifelter Charakter anspornen konnten, ging der entartete Sprößling des tugendhaften Clarendon seiner Haft entgegen, mit dem Schritte eines Menschen, der sich eine Ueberlegenheit über seines Gleichen anmaßt; zugleich aber mit einem, durch beständige Ruchlosigkeit so verstockten Gemüth, daß von jeder höhern Eigenschaft kaum noch eine Spur zurückgeblieben war.

Zweites Kapitel.

»Sein Wort ist gut wie Schrift, sein Eid Orakel; In Liebe echt, im Denken mackellos.« Die zwei Herren aus Verona.«

Nicht leicht war's, den Rathsherrn Beverout in seiner philosophischen Gemüthsruhe zu stören, indessen hätte man sich nicht geirrt, wenn man das Spiel der unteren Muskeln seines Gesichts als Selbstgefälligkeit über seinen Sieg, und die zusammengezogenen Theile um die Stirn als ein klares Bewußtseyn der eben bestandenen Gefahr auslegte. Die linke Hand wühlte in der Tasche unter kleinen spanischen Geldmünzen, von welchen unser Kaufmann, wenn er ausging, stets einen Vorrath bei sich hatte; und mit einem Rohr in der rechten schlug er taktmäßig und kräftig das Pflaster; eine Aeußerung seines entschlossenen Wesens. So setzte er noch einige Minuten seinen Gang fort, und trat bald aus den niedriger gelegenen Straßen in eine, welche am Rande der an diesem Theile der Insel sich erhebenden Felskrone entlang lief. Hier machte er bald vor der Thür eines Hauses Halt, das in jener Provinzialstadt ganz das Aussehen der Wohnung eines Patriciers hatte.

Zwei falsche Giebel, mit eisernen Wetterhähnen auf den Spitzen, bildeten Felder im Dach, und der länglich enge Eingang war aus den rothen Quadersteinen des Landes gebaut. Das Material des übrigen Gebäudes bestand, wie gewöhnlich, aus kleinen, harten, holländischen Backsteinen, und war mit einer zarten Milchfarbe angestrichen.

Ein einziger Schlag mit dem gewichtigen glänzenden Klöpfer brachte einen Bedienten an die Thür. Die Schnelligkeit, mit welcher dem Rufe entsprochen ward, bewies, daß der Alderman, ungeachtet der frühen Stunde, kein unerwarteter Gast war. Auch zeigte sich keine Ueberraschung auf dem Gesichte des schwarzen Thürstehers, als er den Eintritt Begehrenden erblickte; vielmehr deutete jede seiner Bewegungen darauf hin, daß man auf den Empfang des Besuchs vorbereitet war. Der Alderman nahm indeß die Einladung, einzutreten, nicht an, lehnte sich an das eiserne Gitter des Stoop, und ließ sich mit dem Neger in ein Gespräch ein. Dieser war wohlbetagt, hatte ein graues Haupt, eine Nase, die fast auf gleicher Ebene mit dem übrigen Gesicht lag, Runzeln in den verworrenen Zügen, und eine sich unter der Last der Jahre krümmende, obgleich noch immer feste Gestalt.

»Grüß' dich wacker, alter Cupido;« hob der Bürger an, in jener aufrichtig herzlichen Weise, mit welcher damals die Eigenthümer Sklaven, die sie leiden konnten, anzureden pflegten. »Ein reines Gewissen ist eine gute Nachtmütze, und du siehst ja freundlich aus, wie die Morgensonne! Hoffentlich hat mein Freund, der junge Patroon, nicht minder gut geschlafen, und zum Beweis schon sein Gesicht gezeigt.«

Der Neger antwortete in jener langsamen, abbrechenden Weise, die ältlichen Sklaven so eigen ist:

»Er viel wacht, Masser Alerman. Ich glaube, er nicht schläft seine halbe Zeit, kürzlich. Alle seine Thätigkeit und Lebhaftigerei fort! und er nicht thut etwas, als rauchen. Ein Gentlum, der raucht allezeit, Masser Alerman, wird ein melarcholischer Mann, am Ende. Ich wirklich glaub, es muß geben in York eine junge Frauenzimmer, die sein Tod seyn wird, einmal.«

»Wir wollen schon Mittel finden, ihm die Pfeife aus dem Munde zu nehmen,« sagte der Andere, den Schwarzen pfiffig anschauend, als wenn er seine Meinung mehr andeuten als äußern wollte. »Romane und hübsche Mädchen machen was sie wollen mit unserer Philosophie, so lange wir jung sind, wie du aus Erfahrung weißt, alter Cupido.«

»Ich jetzt nicht mehr gut bin zu nichts dererlei, gar nichts,« erwiederte ruhig der Schwarze. »Hab' mal Zeit gelebt, wo wenig farbige Mensch in York, hat gehabt mehr Hochachtung beim schönen 'Schlecht, aber das schon lange her. Nun, die Mudher von ihrem Euclid, Masser Alerman, war ein hübsches Frau, obschon ihre Aufführung nur mittelmäßig war. Dazumalen war ich selbst jung, un ich pflegte in Alermans Vater sein Haus zu besuchen, eher die Engländer ankamen un wie oller Patroon noch eine junge Mann war. Golly! ich sehr lieb den Euclid, obschon das junge Hunt nimmer zu mir kommt.«

»Das ist ein Schlingel! Kaum kehr ich den Rücken um, so sitzt der Schelm schon auf einem der Wallache seines Herrn.«

»Er sehr jung ist, Masser Mynert; Nimmand kriegt Einer Weisheit bevor ein graues Haar.«

»Er hat volle vierzig, und der Spitzbube wird unverschämter, je älter er wird. Das Alter ist ein ehrwürdiger und achtbarer Stand, wenn es Ernst und Ueberlegung mitbringt; aber wenn ein junger Laffe Langeweile macht, so ist ein alter Narr verächtlich. Ich steh dafür, du warst nie so unbesonnen oder so herzlos, Cupido, ein abgemattetes Thier des Nachts zu reiten.«

»Gutt, ich wer' ziemlich alt, Masser Mynert, un nicht alles mehr weiß, was ich hab gethan, als ich war noch jung. Doch hier ist der Herr Patroon, welcher versteht dem Alerman dererlei zu sagen, besser als ein armer Sklav.«

»Wünsch wohl aufgestanden zu haben und einen glückbringenden Tag!« rief der Alderman, indem er einen hohen, langsam einherschreitenden, vornehm aussehenden jungen Mann begrüßte, der fünf und zwanzig Jahr alt seyn mochte, aber mit der Gravität eines Fünfzigers herannahte. »Die Winde schweigen, als wären sie besprochen, und kein schönerer Tag hat je am Himmel geglänzt, weder in der reinen Atmosphäre Hollands, noch in Alt-England selbst. Potz Colonien und Gönnerschaft! wenn das Volk jenseits des Meers mehr Vertrauen zu Mutter Natur, und eine geringere Meinung von sich selbst hätte, es würde das Athemholen in den Plantagen erträglich genug finden. Aber die eingebildeten Spitzbuben sind wie der Balgentreter, welcher glaubt, er bringe die Musik hervor, und der allerbucklichste Kauz unter ihnen hält sich für gerader und gesünder als den Besten in den Colonien. Sieh einmal dort unsere Bai, so glatt als wenn sie von zwanzig Dämmen umschlossen wäre; gewiß, die Reise kann auf einem Kanal nicht sicherer seyn.«

»Das sehr gutt ist, wenn die Reise sicher,« murmelte Cupido, der sich aus Anhänglichkeit zu seinem Herrn allerhand um dessen Person zu thun machte. »Ich halte es für besser allzeit zu reisen auf dem Land, wenn ein Gentlum besitzt so viel wie Masser Oloff. War 'ne Zeit, wo ein Fährboot ging unter mit Leuten, eine Menge; und Niemand jemals ist heraufgekommen, um zu sagen, wo er ist gefallen hinab.«

»Hier steckt ein Irrthum!« unterbrach der Rathsherr, seinen jungen Freund beunruhigt anblickend. »Ich zähle vierundfünfzig Jahre, und kann mich keines solchen Unglücks entsinnen.«

»'Sis doch sehr zunderbar, wie leicht vergißt der junge Volk! Sechs Leute in jenem Boot ertrunken sind. Eine zwei Yankih, ein Franzos aus Canada, und ein armer Frauenzimmer von Jarseys. Alle jemande waren sehr leid über den armen Frauenzimmer!«

»Deine Rechnung stimmt ja nicht, Meister Cupido,« versetzte der Alderman, der nirgends mehr zu Hause war und nie geläufiger, als in arithmetischen Dingen. »Zwei Yankihs, ein Franzose und dein Frauenzimmer aus Jersey, machen nur vier.«

»Gutt, kann seyn, 's war nur eine Yankih, ich aber ganz gewiß weiß, daß alle ertrinken, denn der Gubbenör seine schönen Pferde auch hat verloren, in jenem Fährboot.«

»Wahrhaftig, der alte Knabe hat doch Recht, denn nun erinnere ich mich des Unglücks mit den Pferden, als wenn es erst gestern geschehen wäre. Indeß, der Tod ist der Monarch der Erde, und Niemand von uns darf hoffen, seiner Sense zu entwischen, wenn die bestimmte Stunde da ist! Doch Pferde gibt es heut keine zu verlieren, wir können also immerhin unsere Seereise mit heiteren Gesichtern und leichten Herzen antreten, Patroon. Gehen wir?«

Oloff Van Staats, oder der Patroon von Kinderhook, wie man ihn aus Höflichkeit in der Kolonie gewöhnlich nannte, besaß viel persönlichen Muth. Gleich den meisten Nachkommen der Holländer, zeichnete ihn bei Gefahren Festigkeit, und da, wo es Widerstand galt, ausdauernde Gegenkraft aus. Der Grund zu dem kleinen, eben vorgefallenen Wortkampf zwischen seinem Freund und seinem Sklaven, war daher nicht etwa, daß sie ihn für zaghaft gehalten hätten, sondern daß der Eine zärtlich wie ein Vater um seine Sicherheit besorgt war, der Andere seinerseits besondere Ursache zu wünschen hatte, daß der junge Mann das Vorhaben, die Seefahrt mitzumachen, nicht aufgeben möchte. Der junge Mann machte dem Streit ein Ende, indem er dem Knaben, welcher den Mantelsack trug, ein Zeichen gab und sich bereit erklärte, mitzukommen.

Cupido zögerte an dem Eingang, bis sein Herr um die Ecke war, schüttelte dann den Kopf, voll von den Ahnungen, welche Unwissenheit und Aberglaube einzugeben geeignet sind, trieb hierauf die junge Brut von Schwarzen, welche sich an die Thür gedrängt hatten, ins Haus zurück und schloß endlich alles mit scrupulöser Genauigkeit und Sorgfalt hinter sich zu. Wiefern die Ahnungen des Negers durch die That gerechtfertigt wurden, wird sich im Laufe der Erzählung zeigen.

Die breite Gasse, in welcher Oloff's Wohnung lag, war nur einige hundert Ellen lang. An dem einen Ende stand das Fort, am andern zog sich eine hohe Verpallisadirung entlang, welche man mit dem Namen, die Stadtmauer, beehrte, und die als Schutzwehr gegen plötzliche Einfälle der Indianer diente, denn die niedriger liegenden Bezirke der Colonie wurden damals nicht blos stark, der Jagd wegen, von Wilden besucht, sondern viele Indianer hatten dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

Man muß mit dem allmähligen Anwachs der Stadt sehr vertraut seyn, um in dieser Beschreibung die herrliche Straße wieder zu erkennen, die sich heut mehrere englische Meilen hin durch den Mittelpunkt der Insel zieht. Von dieser Allee, damals wie noch jetzt »der breite Weg« genannt, stiegen unsere Abenteurer, im Gespräch begriffen, in den tiefer gelegenen Theil der Stadt hinab.

»Bei so einem Neger, wie der Cupido, bleibt das Dach auf dem Hause, wenn der Herr abwesend ist, Patroon;« bemerkte der Aldermann, als sie die Stoop verlassen hatten. »Er sieht aus wie ein Hängeschloß, und es muß sich schon ohne störende Träume schlafen lassen, wenn man einen solchen Wächter in der Nähe hat. Hätt' ich doch meinen Stallschlüssel mitgebracht und ihn dem ehrlichen Kerl eingehändigt!«

»Ich hörte meinen Vater immer sagen, daß die seinigen unter seinem Kissen am sichersten lägen,« erwiederte mit unerschütterlichem Gleichmuth der Eigenthümer der hunderttausend Morgen.

»Oh, der Fluch Kain's! Auf einem Katzenrücken soll man doch nie einen Marderpelz suchen; aber, Herr Van Staats, als ich diesen Morgen zu Ihnen ging, wollte es mein Geschick, daß ich den gewesenen Gouverneur antreffen mußte, den seine Gläubiger in den Frühstunden, wo er sich von unbequemen Mahnern ungesehen glaubt, frische Luft schöpfen lassen. Sie haben hoffentlich das Glück gehabt, Patroon, Ihr Geld zurückbezahlt zu bekommen, ehe das königliche Mißfallen den Menschen heimsuchte.«

»Ich habe das gute Glück gehabt, ihm nie welches anzuvertrauen.«

»Das war noch besser, denn es wäre eine unfruchtbare Auslage gewesen; große Gefahr des Kapitals und keine Zinsen. Inzwischen sprachen wir von allerhand Angelegenheiten, und unter andern erdreisteten wir uns auch, ein Wort über Ihre Liebesbewerbung um meine Nichte fallen zu lassen.« »Weder die Wünsche von Oloff Van Staats, noch die Neigung der schönen Barbérie, sind Gegenstände für den Gouverneur und seinen Rath,« sagte trocken der Patroon.

»Sind auch nicht als solche behandelt worden. Der Viscount gab gute Worte, und wäre er nicht gar zu unbillig gewesen, so würden wir uns wohl verständigt haben.«

»Es freut mich, daß die Unterredung mit einiger Zurückhaltung geführt wurde.«

»Der Mensch übersprang allerdings alle Vernunftgrenzen, denn er verlor sich in persönliche Anspielungen, die kein kluger Mann billigen konnte. Inzwischen gab er Hoffnung, daß die Coquette doch noch nach den Inseln wegbeordert werden dürfte.«

Wir haben schon erwähnt, daß Oloff Van Staats ein hübscher junger Mann war, der eine ansehnliche Person, hohen Wuchs und die Manieren eines gebildeten Mynheer hatte; ein Britte blos als Unterthan, war er in seinen Gefühlen, Sitten und Ansichten ganz Holländer. Bei der Anspielung auf die Gegenwart seines anerkannten Nebenbuhlers stieg ihm das Blut in's Gesicht: ob aber dieser Aufwallung Stolz oder Aerger zum Grunde lag, war mehr, als sein Gefährte zu entdecken vermochte.

»Wenn Kapitän Ludlow eine Küstenfahrt in den Westindien dem Dienste in diesen Gewässern vorzieht, so wünsche ich ihm Glück in seinem Bestreben,« lautete die zurückhaltende Antwort.

»Er macht den Liberalen, hat aber weiter nichts, als einen hochtönenden Namen und leere Koffer,« bemerkte der Alderman etwas kurz. »Meines Dafürhaltens müßt' er es uns Dank wissen, wenn wir den Admiral ersuchten, daß er einen so verdienten Offizier dahin schicken möchte, wo er Gelegenheit findet, sich auszuzeichnen. Die Freibeuter machen ja den Zuckerhandel zu einer wahren Teufelsjagd, und weiter im Süden fangen selbst die Franzosen an, lästig zu werden.«

»Er hat allerdings den Ruf eines wachsamen Kreuzers.« »Hol' der Blixum diese philosophische Kälte! Wenn Sie bei Alida Glück machen wollen, Patroon, so müssen Sie die Affaire mit mehr Lebendigkeit betreiben. Das Mädchen hat etwas vom Franzosen in ihrem Temperament, und mit Ihrem besonnenen und schweigsamen Wesen werden Sie den Tag nicht gewinnen. Dieser Besuch nach ›Lust in Ruh‹ ist Amor's eigenes Machwerk, und ich hoffe Euch Beide so einverstanden zurückkehren zu sehen, wie der Statthalter und die General-Staaten, wenn sie nach einem tüchtigen Zank wegen der jährlichen Geldbewilligung, die Sache freundschaftlich ausgeglichen haben.«

»Der Erfolg dieser Bewerbung liegt mir mehr als alles, am ....« Der junge Mann, gleichsam über seine eigene Geschwätzigkeit verwundert, brach kurz ab, stieß die Hand in die Weste, die er in der Eile beim Anziehen nicht ganz zugeknöpft hatte, und bedeckte mit der breiten Fleischmasse denjenigen Theil des menschlichen Körpers, welchen die Dichter keineswegs als den Sitz der Liebe zu bezeichnen pflegen.

» Magen? Wenn das Ihre Meinung ist, Sir, so werden Sie Ihre Hoffnung nicht getäuscht finden.« versetzte der Alderman etwas beißender als sich mit seiner Behutsamkeit vertrug. »Die Erbin von Myndert Van Beverout wird keine Braut ohne Mitgift seyn, und auch Monsieur Barbérie hat seine Lebensrechnungen nicht geschlossen, ohne für die Bilanz gehörig Sorge zu tragen – aber was zum Teufel! dort stoßen die Schiffer vom Kai ab ohne uns. Trab' voraus, Brutus, und sag' ihnen, sie sollen die gesetzliche Minute abwarten. Die Halunken sind nie präcis; bald fahren sie ab, ehe ich fertig bin, bald lassen sie mich in der Sonne stehen und warten, als wenn ich ein getrockneter Klippfisch wäre. Pünktlichkeit ist die Seele der Geschäfte: ein Mann von meinen Gewohnheiten liebt es nicht, der Zeit zuvorzulaufen, noch hinter ihr zurückzubleiben.«

Mit diesen und ähnlichen Worten machte der gute Städter, welcher das Thun und Lassen Anderer gern überall nach dem seinigen eingerichtet hätte, seinem Unmuth Luft, und eilte dabei mit seinem Reisegefährten vorwärts, um das langsam bewegte Boot, das sie aufnehmen sollte, noch einzuholen. Eine gedrängte Schilderung der Scene hat vielleicht einiges Anziehende für eine Generation, die, verglichen mit jener Zeit, eine späte genannt werden kann.

Eine tiefe, schmale Bucht drang an diesem Punkt eine Viertelmeile weit in die Insel. An beiden Ufern standen Häuserreihen, so daß das Ganze das Ansehen eines holländischen Kanals gewann. Da man sich nothwendig nach dem natürlichen Laufe des Einschnitts richten mußte, so hatte die Straße eine dem Neumond ähnliche Biegung genommen. Die Häuser waren im strengsten holländischen Styl, niedrig, winkelig, reinlich bis zum Aengstlichen, und alle mit Giebelfronten. Keinem fehlte der unschöne und unbequeme Eingang, die sogenannte Stoop, noch die Fahne oder der Wetterhahn, noch die Dachfenster, noch endlich die abgestuften Mauern mit Zinnen. Von der Spitze einer dieser Mauern ragte ein mäßiger eiserner Krahn in die Straße herüber, an dessen Ende ein kleines Boot von demselben Metall sich hin und her schaukelte, zum Zeichen, daß dies das Schifferhaus sey.

Wahrscheinlich hatte die angeborne Liebe zur Künstlichkeit und Umschränkung in der Schifffahrt die Bürger einen solchen Fleck zum Abfahrtsort so vieler Fahrzeuge wählen lassen; denn allerdings boten die beiden Flüsse, mit ihren breiten, freien Kanälen, mehr als einen Punkt dar, welcher zweckmäßiger gewesen wäre.

Schon wimmelte die Straße mit etlichen vierzig Schwarzen, die ihre Reisigbesen in die Bai tauchten, und die Haupt- und Seitenwege mit Wasser besprengten. Diese täglich wiederkehrende Arbeit, leicht an und für sich, machten sie sich noch leichter durch laute Scherze und helles Gelächter, worin die ganze Straße, wie angesteckt von der sorgenfreien, freudigen Geistesstimmung, im vollen Chor einstimmte. Die Sprache dieses leichtherzigen, lärmenden Völkchens war holländisch, aber schon durch englische Wendungen und Wörter verdorben. Und wahrscheinlich ist es dieser Gang, den der Sprachwechsel genommen, welcher viele Nachkommen der alten Kolonisten auf die Meinung bringt, daß die letztere Sprache überhaupt nur ein verdorbener Dialekt der ersteren sey. Nun geht's aber diesen guten Leuten so, wie gewissen belesenen englischen Gelehrten, welche, wenn sie anfangen die Nase in die Werke der Festländer zu stecken, gleich literarische Diebstähle riechen: sie wissen nicht, daß Englands Sprache dem in Rede stehenden Dialekt eben so viel geliehen hat, als sie je aus den reineren Quellen der holländischen Schule geschöpft.

Hier und da guckten ernste Bürger, die Nachtmütze noch auf dem Kopf, aus obern Fenstern, und lauschten den barbarischen Sprachverdrehungen und den von Mund zu Mund fliegenden Spässen mit unbezwinglicher, von keiner Ausgelassenheit des Straßenvölkchens zu erschütternder Gravität.

Da die Bewegung des Fahrboots nothwendig nur langsam war, konnte der Alderman und sein Gefährte noch einsteigen, ehe die Bindseile eingezogen waren. Die Pirogue, wie diese Gattung von Fahrzeugen hieß, hatte eine gemischte, halb europäische, halb amerikanische Bauart. Sie war lang, schmal und von nettem Bug, wie das Canoe, dessen Namen sie führte; dagegen hatte sie den Flachboden und die Lee-Planken eines, für die seichten Gewässer der Niederlande berechneten Bootes. Noch vor zwanzig Jahren war diese Art Fahrzeuge in Menge auf unsern Flüssen, und selbst jetzt sieht man sie alle Tage mit ihren zwei langen, ungestützten Masten, ihren hohen, spitz zulaufenden Segeln, wie Schilf sich vor dem Winde beugen und leichtfüßig auf den Wellen der Bai tanzen. Uebrigens gibt es von dieser Gattung eine Art, die bei weitem größer und imposanter ist, als die eben erwähnte und die einen Platz unter den groteskesten und malerischsten Fahrzeugen verdient. Wer je die südliche Küste des Sundes beschifft hat, dem muß das Schiff, das wir meinen, oft vorgekommen seyn. Es zeichnet sich durch seine große Länge und durch Masten aus, die, frei von allem Tauwerk, gerad und kühn, wie zwei hohe, fehlerlose Bäume, aus dem Rumpf emporsteigen. Wenn das Auge die waghalsige Höhe der Segel, das edle Vertrauen der Takelage erschaut, und dabei zwei unerschrockene, gewandte Seeleute die verhältnißmäßig ungeheure Maschine mit Leichtigkeit und Anmuth handhaben sieht, so gleicht die Bewunderung derjenigen, welche der Anblick eines im strengsten alterthümlichen Styl erbauten Tempels erregt. Das klare, einfache Gebäu, verbunden mit der Verwegenheit und Schnelligkeit seiner Bewegungen, verleiht ihm einen Ton des Großartigen, den man bei dem Alltagsgebrauch des Fahrzeugs nicht erwarten sollte.

Die ursprünglichen Ansiedler New-Yorks waren, ungeachtet ihres häufigen Verkehrs mit dem Wasser, bei weitem nicht solche nichtsscheuenden Seeleute wie ihre Nachkommen heutigen Tags. Eine Fahrt über die Bai war eine Seltenheit in dem geräuschlosen Bürgerleben, ja Viele mögen sich noch erinnern können, daß eine Seereise zwischen den zwei vorzüglichsten Städten des Staats als ein Ereigniß angesehen wurde, welches Verwandte besorgt und die Reisenden selbst ängstlich machte. Die Gefahren des Tappaan Zees, wie noch heute eine der breiteren Ausdehnungen des Hudson genannt wird, waren oft das Sujet der Wundermährchen im Munde der guten Hausfrauen in der Kolonie, und diejenige unter ihnen, welche sie am häufigsten bestanden hatte, galt für eine Art Wasser-Amazone.

Drittes Kapitel.

»Der Kerl gereicht mir zu großem Trost; mir däucht, er sieht nicht nach dem Ersaufen aus: er hat ein ächtes Galgengesicht!

Der Sturm.«

Wie gesagt, die Pirogue war schon in Bewegung, ehe noch unsere zwei Abenteurer an Bord derselben zu gelangen vermochten. Die Ankunft des Patroon von Kinderhook und des Stadtraths Van Beverout wurde erwartet, und der Schiffer hatte genau in dem Augenblick, wo die Ebbe eintrat, abgestoßen, bloß aus jenem hochfahrenden, Leuten seines Gewerbes so wohlthuenden Unabhängigkeitsgefühl, um zu zeigen, daß ›Zeit und Fluth auf keinen Menschen warten.‹ Inzwischen trieb er seinen Trotz nicht zu weit, sondern trug Sorge, daß die Bewegung des Bootes einen so wichtigen und beständigen Kundsmann als den Rathsherrn, keiner erheblichen Unbequemlichkeit aussetzte. Als er und sein Freund eingestiegen waren, wurden die Bindseile an Bord geworfen, und die Mannschaft gab sich nun ernstlich daran, ihrem Fahrzeuge die gehörige Richtung nach der Mündung der Bucht zu geben. Während die Bootsleute so beschäftigt waren, saß ein junger Neger auf dem Bug der Pirogue, und ließ auf jeder Seite des Schafts ein Bein baumeln, so daß er eine Figur des Gallions ganz entbehrlich machte. Er setzte jetzt eine Muschel an, und mit seinen glänzend schwarzen Backen, angeschwollen wie die des Aeolus, mit einem Paar dunkler, leuchtender Augen, welche das Vergnügen aussprachen, das ihm die Muscheltöne machten, blies er in einemfort das Signal zum Absegeln.

»Steck' deine Muschel ein, du Schreihals!« rief der Alderman, und versetzte mit seinem Rohr dem Burschen im Vorbeigehen einen solchen Streich auf die entblößte Scheitel, der selbst einen minder auf's Lärmmachen Versessenen aus aller Harmonie bringen konnte. »Tausend trompetende Winde sind die Stille selbst gegen so ein Paar Lungen! Ihr da, Meister Schiffer, ist das Eure Pünktlichkeit, abzustoßen, ehe Eure Passagiere zusammen sind?«

Ohne sich irre machen zu lassen, oder die Pfeife aus dem Munde zu nehmen, wies der Bootsmann auf die schon zur Bucht hinausfließenden Wasserblasen – ein zuverläßiges Zeichen, daß die Ebbe bereits eingetreten war.

»Was kümmert mich Euer Ein und Aus, Eure Ebbe und Fluth,« erwiederte der Alderman mit Hitze. »Fuß und Auge eines pünktlichen Mannes sind die besten Zeitmesser. Abfahren ehe man fertig ist, und zögern nachdem nichts mehr zu besorgen bleibt, ist gleich beschwerlich. Laßt Euch was sagen, Meister Schiffer, Ihr seyd nicht der einzige Bootseigner in dieser Bai, auch sind schon schneller segelnde Fähren vom Stapel gelaufen als die Eurige. Seht Euch vor; obgleich ich nachsichtiger Natur bin, so findet wetteifernde Opposition doch Unterstützung bei mir, wenn es das öffentliche Beste erfordert.«

Gegen den Angriff auf sich behauptete der Schiffer eine stoische Gleichgültigkeit, aber die Eigenschaften der Pirogue konnte er nicht ruhig verunglimpfen hören, da er sich als ihren von Natur bestallten Wortführer betrachtete. Er nahm daher jetzt die Pfeife aus dem Munde, und mit jener Unumwundenheit, mit welcher die barschen Holländer jeden Beleidiger zu behandeln pflegten, gleichviel welchen Rang, welche persönliche Vorzüge er haben mochte, brummte er im Landesdialekt dem Rathsherrn die Entgegnung zu:

»Hol' die Windsbraut alle Rathsherren! Das Boot in der Vorker Bai möcht' ich sehen, welches der ›Milchmagd‹ sein Hinterkastell weisen kann! Der Bürgermeister und die Rathsherren sollten lieber befehlen, daß die Ebbe sich nach ihrem hohen Belieben einstelle, da würde dann jeder sein eignes Belieben haben, und statt Ebbe und Fluth hätten wir Strudel an Strudel im Hafen!«

Nachdem der Schiffer solchergestalt seine Meinung von sich gegeben hatte, nahm er seine Pfeife wieder vor, wie Jemand, welcher fühlt, daß er den Siegeslorbeer verdient hat, er mag ihn nun bekommen oder nicht.

»Mit einem Eigensinnigen rechten, ist verlorne Mühe,« sprach der Alderman zwischen den Zähnen und bahnte sich durch Gemüsekörbe, Butterfässer und allerhand andere Frachtgegenstände eines Marktschiffs einen Weg nach der Stelle, welche seine Nichte im Spiegel einnahm. »Guten Morgen, liebe Alida! frühes Aufstehen wird deine Wangen zu einem Blumengarten machen, und wenn du erst die reine Luft zu ›Lust in Ruhe‹ athmest, werden deine Rosen wo möglich noch üppiger blühen.«

Aber seine Bemerkung brachte jetzt schon tiefere Gluth auf die Wangen, die der wieder gutherzig Gewordene mit einer Innigkeit küßte, welche bewies, daß es ihm nicht an wahrer Seelenwärme fehlte. Den tiefen Bückling des bejahrten europäischen Lakaien, in einer ziemlich abgetragenen aber reinlichen Livrée erwiederte er mit einer Berührung des Huts, und mit einem freundlichen Kopfnicken den Gruß einer jungen Negerin, deren erborgter Anstand sogleich die Zofe der reichen Erbin erkennen ließ.

Was letztere anbelangt, so war ein zweiter Blick kaum nöthig, um sich zu überzeugen, daß sie nicht von Eltern gleicher Nation abstammte. Als Erbtheil von ihrem normannischen Vater, einem Hugenotten aus dem niedern Adel, hatte Alida de Barbérie das Rabenhaar, die großen, schwarzglänzenden, feurigmilden Augen, das rein klassische Profil und die schlanke Gestalt – deren Linien wellenförmiger waren, als sie den holländischen Damen in der Regel zu Theil werden. Von ihrer Mutter hatte ›Barberie die Schöne‹, wie man das Mädchen oft vertraulich nannte, eine Farbe der Haut erhalten, weiß und fleckenlos wie Frankreichs Blume, und eine Röthe, welche mit den reichen Tinten eines Abendhimmels in ihrem Vaterlande wetteiferte. Von dem Embonpoint, welches die Schwester des Rathsherrn in ziemlich reichlichem Maaße besessen hatte, war etwas auf ihre schönere Tochter übergegangen, in welcher es sich aber zur reizenden Jugendfülle gestaltete, und, ohne der Leichtigkeit und Anmuth der Gestalt etwas zu nehmen, ihren Umrissen nur noch mehr Weiches und Abgerundetes verlieh. Diese persönlichen Vorzüge wurden noch mehr hervorgehoben durch den netten, bescheidenen Reisehabit, durch einen kleinen, mit herabwehenden Federn geschmückten Biber, vor allem aber durch ihre äußere Haltung, die, ungeachtet der etwas verlegen machenden Lage für eine Dame, glückliche Mitte zwischen Selbstvertrauen und Befangenheit hielt.