Die weiße Nelke - Isidore Kaulbach - E-Book

Die weiße Nelke E-Book

Isidore Kaulbach

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Beschreibung

In einer Villa in der Nähe des Tiergartens findet der Kunstmaler Richard Claasen in seiner Atelierwohnung eine Leiche. Es handelt sich um Maria Goladtka, Schauspielerin am Lessing-Theater, die öfter für Claasen Modell gestanden hat. Claasen beteuert seine Unschuld, aber die Indizien sprechen gegen ihn. Der Staatsanwalt Seydel übernimmt den Fall – und gerät in einen Konflikt: Seine Tochter Elisabeth ist mit Claasen verlobt und versucht alles, um dessen Unschuld zu beweisen. Schließlich beauftragt Elisabeth den Privatdetektiv August Fluth, Licht ins Dunkel zu bringen. Isidore Kaulbachs Krimidrama lässt das Flair des "alten" Berlins zwischen Invalidenpark und Tiergarten lebendig erscheinen. Mit dieser Ausgabe ist "Die weiße Nelke" erstmals seit den 1920er Jahren wieder erhältlich – an die neue Rechtschreibung angepasst und mit erklärenden Fußnoten versehen. Null Papier Verlag

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Die weiße Nelke

Ein Berlin-Leipzig-Krimi aus den 1920er Jahren

Isidore Kaulbach

Die weiße Nelke

Ein Berlin-Leipzig-Krimi aus den 1920er Jahren

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Herausgeber: Jürgen Schulze, Sebastian Brück 1. Auflage, ISBN 978-3-962810-29-0

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Inhaltsverzeichnis

Über kri­mis­chaet­ze.de

Über die Au­to­rin

Über die­ses Buch

Han­deln­de Per­so­nen

Ers­tes Ka­pi­tel.

Zwei­tes Ka­pi­tel.

Drit­tes Ka­pi­tel.

Vier­tes Ka­pi­tel.

Fünf­tes Ka­pi­tel.

Sechs­tes Ka­pi­tel.

Sie­ben­tes Ka­pi­tel.

Ach­tes Ka­pi­tel.

Neun­tes Ka­pi­tel.

Zehn­tes Ka­pi­tel.

Elf­tes Ka­pi­tel.

Zwölf­tes Ka­pi­tel.

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel.

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel.

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel.

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel.

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel.

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel.

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel.

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

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Über krimischaetze.de

Kri­mi­nal­ro­ma­ne sind heut­zu­ta­ge er­folg­reich wie nie. Kri­mi-Klas­si­ker? Da den­ken die meis­ten so­fort an Aga­tha Chris­tie (1890-1976) oder Ed­gar Wal­lace (1875-1932). Tat­säch­lich ge­hör­ten die bri­ti­schen Au­to­ren zu den ers­ten, die in den »wil­den« 1920er Jah­ren ins Deut­sche über­setzt wur­den. Kri­mi-Fans ken­nen oft auch den Schwei­zer Fried­rich Glau­ser (1896-1938), den Na­mens­ge­ber des Glau­ser-Prei­ses – eine der wich­tigs­ten Aus­zeich­nun­gen für deutsch­spra­chi­ge Kri­mi-Au­to­ren. Wie viel­fäl­tig die Kri­mi-Sze­ne in der Wei­ma­rer Re­pu­blik war, ist in der brei­ten Öf­fent­lich­keit je­doch voll­kom­men in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten. Für kri­mis­chaet­ze.de ha­ben sich Jür­gen Schul­ze, Ver­le­ger des Null Pa­pier-Ver­la­ges, und Se­bas­ti­an Brück, Au­tor und Jour­na­list, zu­sam­men­ge­tan, um alte Kri­mi-Best­sel­ler neu zu ent­de­cken und als E-Book ver­füg­bar zu ma­chen – über­ar­bei­tet, in neu­er Recht­schrei­bung und mit er­klä­ren­den Fuß­no­ten ver­se­hen.

Über die Autorin

Isi­do­re Kaul­bach, ge­bo­ren 1862 in Han­no­ver, stammt aus ei­ner be­rühm­ten Künst­ler­fa­mi­lie. Ihr Va­ter Fried­rich Kaul­bach (1822-1903) war Hof­ma­ler im Kö­nig­reich Han­no­ver. Der be­kann­tes­te Ver­tre­ter der Fa­mi­lie war Isi­do­re Kaul­bachs in Mün­chen ge­bo­re­ner Halb­bru­der, der »Baye­ri­sche Ma­ler­fürst« Fried­rich Au­gust von Kaul­bach (1850-1920). Isi­do­re Kaul­bach wuchs im el­ter­li­chen Ate­lier- und Wohn­haus in der Wa­ter­loo­stra­ße 1 auf, heu­te Teil des Wa­ter­loo-Bier­gar­tens. In ih­rer Ju­gend gin­gen im Haus be­rühm­te Künst­ler ein und aus, un­ter an­de­rem Jo­han­nes Brahms, Cla­ra Schu­mann, Franz Liszt, Ernst von Wil­den­bruch, Jo­seph Joa­chim und An­ton Ru­bin­stein. Über die­se Zeit schrieb Isi­do­re Kaul­bach spä­ter das au­to­bio­gra­fi­sche Werk »Fried­rich Kaul­bach. Erin­ne­run­gen an mein Va­ter­haus.« Schon zur Zeit des Deut­schen Kai­ser­reichs pu­bli­zier­te sie er­folg­reich Ro­ma­ne, in der Wei­ma­rer Re­pu­blik war sie zu­dem als Re­dak­teu­rin des Han­no­ver­schen An­zei­gers tä­tig. Kaul­bachs To­des­da­tum ist nicht be­kannt, wird je­doch nach 1931 ver­mu­tet.

Über dieses Buch

In ei­ner Vil­la in der Nähe des Tier­gar­tens fin­det der Kunst­ma­ler Richard Claa­sen in sei­ner an­ge­mie­te­ten Ate­lier­woh­nung eine Lei­che. Es han­delt sich um Ma­ria Go­ladt­ka, Schau­spie­le­rin am Les­sing-Thea­ter, die öf­ter für Claa­sen Mo­dell ge­stan­den hat. Die jun­ge Frau wur­de kurz zu­vor er­sto­chen, Claa­sen be­teu­ert sei­ne Un­schuld, aber die In­di­zi­en spre­chen ge­gen ihn: Die Tat­waf­fe, ein Dolch, be­fand sich in sei­nem Be­sitz. Und sei­ne Hän­de und sein An­zug sind mit Blut be­fleckt. Claa­sen kommt in Un­ter­su­chungs­haft. Der Staats­an­walt Sey­del über­nimmt den Fall – und ge­rät in einen Kon­flikt: Sei­ne Toch­ter Eli­sa­beth ist mit Claa­sen ver­lobt und ver­sucht al­les, um des­sen Un­schuld zu be­wei­sen. Schließ­lich be­auf­tragt Eli­sa­beth den Pri­vat­de­tek­tiv Au­gust Fluth, Licht ins Dun­kel zu brin­gen: Die Spur führt in Claa­sens Ver­gan­gen­heit – und von Ber­lin nach Leip­zig. Da­bei er­ge­ben sich über­ra­schen­de Ver­bin­dun­gen: Nichts ist, wie es zu­nächst scheint, und letzt­end­lich bringt die sel­te­ne wei­ße Nel­ke, die ne­ben der Er­mor­de­ten auf dem Bo­den ge­fun­den wur­de, den ent­schei­den­den Hin­weis …

Isi­do­re Kaul­bachs Krimi­dra­ma lässt das Flair des »al­ten« Ber­lins zwi­schen In­va­li­den­park und Tier­gar­ten le­ben­dig er­schei­nen. Mit die­ser Aus­ga­be ist »Die wei­ße Nel­ke« erst­mals seit den 1920er Jah­ren wie­der er­hält­lich – an die neue Recht­schrei­bung an­ge­passt und mit er­klä­ren­den Fuß­no­ten ver­se­hen.

Handelnde Personen

Ma­ria (»Ma­ri­et­ta«) Go­ladt­ka: Schau­spie­le­rin am Ber­li­ner Les­sing-Thea­ter. Wur­de er­mor­det.

Richard Claa­sen: Kunst­ma­ler. Fin­det in sei­ner Woh­nung die er­sto­che­ne Go­ladt­ka.

Ha­gen­berg: der für den Fall zu­stän­di­ge Un­ter­su­chungs­rich­ter.

Staats­an­walt Sey­del: Verant­wort­li­cher Lei­ter der Er­mitt­lun­gen.

Eli­sa­beth Sey­del: des­sen Toch­ter, mit Richard Claa­sen ver­lobt.

Frau Frey­tag: Be­sit­ze­rin der »Mord­vil­la« und Claa­sens Ver­mie­te­rin

Fried­rich Hen­zen: ein wei­te­rer Mie­ter, teilt sei­ne Woh­nung mit Toch­ter Meta.

Meta Hen­zen: in Richard Claa­sen ver­liebt.

Al­fred Glau­bitz: Rechts­an­walt und ein Be­kann­ter Richard Claa­sens.

Thea Böh­mer: des­sen Ver­lob­te und eine Freun­din von Eli­sa­beth Sey­del

Rie­ke Mül­ler: Dienst­magd in der »Mord­vil­la«

Au­gust Fluth: Ame­ri­ka-Rück­keh­rer und pri­vat Er­mitt­ler

Franz Mark­worth: Klei­ner Gau­ner und Schmuck­dieb

Erstes Kapitel.

Müh­sam rich­te­te er sich im Ses­sel em­por und ließ die Hän­de sin­ken, mit de­nen er das Ge­sicht ver­hüllt hat­te.

Ver­wirrt, ver­stört schau­te er um­her. Vor dem An­blick der Wirk­lich­keit ver­weh­te die lei­se, un­kla­re Hoff­nung, die ihn wäh­rend der Mi­nu­te künst­lich ge­schaf­fe­ner Dun­kel­heit um­spielt hat­te: die Hoff­nung, dass er all das Schreck­li­che nur ge­träumt ha­ben möge. Nein, es war kein Traum! Dies war sein Zim­mer, in dem er je­den Ge­gen­stand kann­te! Dort zur Rech­ten die Tür zum Haus­flur, links wei­ter vor die dunkle, mit Lä­den ver­schlos­se­ne, die über die Ve­ran­da zum Gar­ten führ­te; ihr ge­gen­über die drit­te: der Ein­gang zum Ate­lier. Auf dem Mit­tel­tisch leuch­te­te ru­hig in der schwü­len Luft die Flam­me ei­ner halb her­ab­ge­brann­ten Ker­ze und brei­te­te ein mat­tes Licht über das Ge­mach.

Sie zeig­te ihm al­les, wenn auch zum Teil in Däm­me­rung ver­sin­kend: die Bil­der, die Mö­bel, die Vor­hän­ge, das zar­te Or­na­ment der De­cke. Sie zeig­te ihm auch das Eine, Gräss­li­che, das nicht hin­ein ge­hör­te in die­sen Raum: den Leich­nam, der dalag, nie­der­ge­sun­ken auf den Bo­den, ge­stützt von ei­nem Ses­sel, ge­gen den er ge­fal­len war, halb­auf­recht ge­hal­ten durch den Wi­der­stand – die blas­se, blut­über­ström­te Mäd­chen­ge­stalt, die mit ih­ren großen, weit ge­öff­ne­ten Au­gen, in de­nen das Ent­set­zen des To­des noch wohn­te, un­ver­wandt zu ihm her­zu­bli­cken schi­en.

Er mein­te, die­sen Blick nicht län­ger er­tra­gen zu kön­nen, der so fest auf eine be­stimm­te Stel­le sei­ner Brust ge­rich­tet war, dass er un­will­kür­lich mit der Hand dort­hin griff. Ei­nen dump­fen Laut des Ent­set­zens aus­sto­ßend, sprang er em­por; Blut an sei­nen Hän­den, an sei­ner Brust! Das Blut des Mäd­chens, das dort vor ihm lag, da­hin­ge­mor­det in sei­ner üp­pi­gen Schön­heit!

Das Ge­fühl ei­ner wahn­sin­ni­gen Angst vor der To­ten, die Emp­fin­dung, dass er et­was tun, et­was un­ter­neh­men, dass er Leu­te her­beiho­len müs­se, pack­te ihn plötz­lich. Er stürz­te zur Tür nach dem Flur und drück­te auf die elek­tri­sche Glo­cke, die dort an­ge­bracht war. Ein lan­ger, schril­ler, zit­tern­der Ton klang durch das Haus, aber nie­mand kam.

Er irr­te im Zim­mer um­her, war­tend, zu­wei­len einen ver­stör­ten Blick nach der Lei­che hin­über­sen­dend, de­ren Nähe er ver­mied. Bei ih­rem An­blick kam ihm die Erin­ne­rung an eine an­de­re, ge­lieb­te Mäd­chen­ge­stalt.

»Eli­sa­beth!«, schrie es in ihm auf, und von ei­nem er­höh­ten Schau­der er­grif­fen, eil­te er noch ein­mal zur Glo­cke, um ih­ren Ton von neu­em wach­zu­ru­fen. Zu­gleich aber riss er die Tür selbst auf, durch­eil­te den schma­len, dunklen Kor­ri­dor, öff­ne­te auch die En­tree­tür, trat auf den Flur und rief den Na­men der Magd hin­un­ter ins Sou­ter­rain.

Wie­der ver­gin­gen ein paar Se­kun­den. Die Ge­ru­fe­ne kam nicht. End­lich aber hör­te er ein leich­tes Geräusch, das von oben her zu ihm drang. Zu­gleich sah er, in das Trep­pen­haus hin­ein­spä­hend, wie ein Licht­schein sich aus dem obers­ten Stock­werk zu ihm her­ab­be­weg­te. Dann wur­de eine weib­li­che Ge­stalt auf den Stu­fen sicht­bar, die ein Licht in der Hand hielt.

»Ha­ben Sie ge­ru­fen, Herr Claa­sen?«, frag­te sie, »um Got­tes wil­len, was ist ge­sche­hen?«

»Sie sind es, Fräu­lein Hen­zen! Gott sei dank, dass Sie kom­men!«

»Aber, was fehlt Ih­nen? Sie sind bleich, wie der Tod! Ist ein Un­glück …?«

Er rang ver­geb­lich nach Wor­ten, sein hüb­sches, fei­nes Ge­sicht mit dem dunklen Haar und Bart war ver­zerrt. Mit ei­ner Hand­be­we­gung nur hieß er sie ein­zu­tre­ten. So­bald sie die Schwel­le über­schrit­ten hat­te, stieß sie einen Schrei aus und eil­te zu der Lei­che hin­über, um dann doch, von Ent­set­zen ge­bannt, auf hal­b­em Wege inne zu hal­ten.

»Ist sie … ist sie tot?«, stam­mel­te das Mäd­chen.

»Tot … er­mor­det!«

»Er­mor­det!« Sie sah ihn an; es war ein selt­sa­mer Blick, scharf und klar, aus tie­fen, schwar­zen Au­gen, die auf dem Grun­de sei­ner See­le schie­nen le­sen zu wol­len.

»Ich habe sie ge­fun­den, so wie sie da­liegt. Er­mor­det, hier in mei­nem Zim­mer! Es sind noch kei­ne zehn Mi­nu­ten ver­gan­gen, seit ich nach Hau­se ge­kom­men bin. Auf dem Flur war es dun­kel, Sie ha­ben es ja ge­se­hen. Im Fins­tern tap­pe ich mich nach der Tür, im Fins­tern su­che ich Licht zu ma­chen, das nicht auf sei­nem ge­wohn­ten Plat­ze steht. End­lich habe ich es ge­fun­den, zün­de ein Streich­holz an, und da sehe ich dies! Oh, es ist gräss­lich, gräss­lich!«

»Und eben­so un­ver­ständ­lich, wie gräss­lich«, sag­te das Mäd­chen, mit ih­ren schwar­zen, durch­boh­ren­den Au­gen ihn noch im­mer un­ver­wandt be­trach­tend. »Wie kommt das Fräu­lein hier­her zu Ih­nen um die­se Zeit in die ver­schlos­se­ne Woh­nung?« Sie trat einen Schritt nä­her zu ihm her­an, »Herr Claa­sen, kön­nen Sie sich den­ken, wer die­se ruch­lo­se Tat be­gan­gen ha­ben kann?«

Er öff­ne­te die Lip­pen, um ihr zu ant­wor­ten, aber in dem­sel­ben Au­gen­blick ver­stumm­te er wie­der mit ei­nem er­stick­ten Lau­te des Schre­ckens. An der Ve­ran­da­tür war ein Klop­fen er­tönt, das ihn jäh hat­te zu­sam­men­fah­ren las­sen.

»Es hat ge­klopft, dort an der Tür zum Gar­ten«, sag­te das Mäd­chen, »warum sind Sie so er­schro­cken?«

»Nicht er­schro­cken – nicht wei­ter er­schro­cken – es sind nur die Ner­ven. Der gräss­li­che An­blick hat mich al­ler Fas­sung be­raubt. Ich weiß … ich kann mir den­ken, wer es ist. Es wird der Rechts­an­walt Glau­bitz sein, ein Be­kann­ter von mir, er be­sucht mich öf­ters noch abends und nimmt dann häu­fig den Weg durch den Gar­ten.«

Mit wan­ken­den Schrit­ten ging er zur Ve­ran­da­tür und öff­ne­te sie. Die Flü­gel schlu­gen nach au­ßen auf, so­dass der Da­vor­ste­hen­de in die Däm­me­rung zu­rück­wei­chen muss­te und das Zim­mer nicht so­gleich über­se­hen konn­te. Von dort­her klang eine tie­fe, doch et­was har­te Män­ner­stim­me:

»Gu­ten Abend, Claa­sen … wie geht’s? Nun, wie weit ist seit neu­lich … ich mei­ne, das Por­trät von … Ah … Sie ha­ben Be­such …« Er hielt im Re­den inne und blick­te, nä­her­tre­tend, von Meta Hen­zen auf Richard Claa­sen, als ob ihn de­ren ver­stör­te Mie­nen be­frem­de­ten. Claa­sen aber stell­te sich, um ihm den un­er­war­te­ten An­blick der To­ten zu er­spa­ren, vor ihn hin, er­griff sei­ne bei­den Hän­de und sag­te im Ton tiefs­ter Er­schüt­te­rung:

»Hier ist ein furcht­ba­res Un­glück ge­sche­hen, fas­ten Sie sich zu­sam­men, Glau­bitz, es ist ein Ver­bre­chen…«

Der Rechts­an­walt prall­te ent­setzt zu­rück; in sei­ne ha­ge­ren, bart­lo­sen Züge trat ein Aus­druck töd­li­chen Er­schre­ckens. Fast un­sanft dräng­te er den Ma­ler bei­sei­te. Er hat­te die re­gungs­lo­se Ge­stalt am Bo­den er­blickt.

»Ein Mord!«, schrie er auf, »ein Mord hier bei Ih­nen! Das ist ja die Go­ladt­ka, die Schau­spie­le­rin vom Les­sing-Thea­ter, die Sie ge­malt ha­ben!«

Er tat einen Schritt zu der To­ten hin und starr­te wort­los auf sie nie­der. Dann wand­te er sich um, sah Claa­sen an mit ei­nem wil­den Blick und rief: »Was ist mit ihr ge­sche­hen? Und wer hat die­sen ver­ruch­ten Mord be­gan­gen? Claa­sen, wie kommt sie zu Ih­nen – in Ihre Woh­nung?«

Auf dem Bo­den, un­ter den Saum des Klei­des ge­glit­ten, lag ein spit­zer, blut­be­fleck­ter Dolch. Glau­bitz’ Fuß stieß da­ge­gen. Er hob die Waf­fe auf und be­trach­te­te die spit­ze, schar­fe Klin­ge und den fein­ge­ar­bei­te­ten, alt­sil­ber­nen Griff. Claa­sen hat­te die­sen Dolch für ein Bild als Mo­dell be­nutzt! Mit ei­nem ent­setz­ten Blick hielt der Rechts­an­walt ihn dem Ma­ler ent­ge­gen. »Um Got­tes wil­len … Ihr Dolch, Claa­sen … wie ist das zu ver­ste­hen?«

»Ich weiß es nicht«, stam­mel­te Richard, »ich bin selbst wie vom Schla­ge ge­rührt ge­we­sen … und mein … mein Dolch!«, er ver­stumm­te, asch­fahl im Ge­sicht.

»Ge­rech­ter Him­mel!«, schrie Meta Hen­zen auf ein­mal jäh auf, »Ihr An­zug ist mit Blut be­fleckt … und da … über­all Blut, an Ih­rer Hand … ret­ten Sie sich, Herr Claa­sen, sonst kommt das Ge­richt über Sie!«

Das lei­den­schaft­li­che Mäd­chen stand eine Wei­le mit flie­gen­dem Atem und fun­keln­den Au­gen vor dem nie­der­ge­schmet­ter­ten Man­ne. Dann stürz­te sie hin­aus. Der jun­ge Ma­ler fühl­te, dass eine große Schwä­che ihn zu läh­men droh­te. Mit al­ler Wil­lens­kraft hielt er sich auf­recht. Jetzt be­merk­te auch Al­fred Glau­bitz die Bluts­trop­fen an sei­ner Hand. Er rich­te­te sei­ne wildrol­len­den Au­gen auf den Un­glück­li­chen und fass­te des­sen Ge­lenk mit ei­ser­nem Griff.

»Claa­sen … Claa­sen«, flüs­ter­te er auf­ge­regt, »der Dolch und die Blut­spu­ren … das al­les er­zeugt einen schreck­li­chen Ver­dacht ge­gen Sie!«

Claa­sen brach fast zu­sam­men un­ter der Wucht die­ser zer­mal­men­den Wor­te. Er rang die Hän­de und fiel kraft­los auf einen Stuhl. Von sei­nen blei­chen Lip­pen ka­men end­lich stam­meln­de, von Qual durch­beb­te Wor­te:

»Ret­ten Sie mich aus die­ser ent­setz­li­chen Lage, Glau­bitz, ich fle­he Sie an – ste­hen Sie mir bei!«

»Wir müs­sen über­le­gen, lie­ber Freund, las­sen Sie uns Zeit«, gab der Rechts­an­walt zur Ant­wort. »Was hat­te das Mäd­chen hier bei Ih­nen im Zim­mer zu tun? Zu spä­ter Abend­stun­de? Und die­ser Dolch – kön­nen Sie be­wei­sen, dass er nicht der Ih­ri­ge ist?«

»Ein Rät­sel … ein grau­en­vol­les Rät­sel!«, rief Claa­sen fas­sungs­los.

»Aber Sie ha­ben die Go­ladt­ka doch ge­malt – sie muss doch täg­lich zu ih­ren Sit­zun­gen ge­kom­men sein. Wie ist es mög­lich, dass Ih­nen dies al­les rät­sel­haft sein soll?«

»Und doch kann ich al­les, was ich sage, be­schwö­ren! Oh, sa­gen Sie mir, was kön­nen wir tun?«

Glau­bitz hat­te jetzt sei­ne Er­re­gung ei­ni­ger­ma­ßen über­wun­den. »Zu­nächst wer­de ich ge­hen und einen Arzt ho­len«, sag­te er ru­hi­ger, »Dok­tor Grü­ner wohnt hier ganz in der Nähe. Und dann – es ist bes­ser, da­mit nicht zu lan­ge zu war­ten – wer­de ich auch gleich die Po­li­zei be­nach­rich­ti­gen.«

»Tun Sie das – ge­hen Sie, aber kom­men Sie bald zu­rück!«

Glau­bitz ver­ließ das Zim­mer und ließ Richard Claa­sen in Verzweif­lung zu­rück. Eine dump­fe Nie­der­ge­schla­gen­heit über­fiel die­sen. Wie im schwe­ren Traum saß er da auf ei­nem Stuhl ne­ben dem Tisch; er fühl­te nicht und dach­te nicht; es lag nur wie ein Alp­druck auf ihm. Drau­ßen lie­ßen sich bald ver­wor­re­ne Stim­men, Schrit­te, has­tig her­vor­ge­sto­ße­ne Lau­te ver­neh­men. Dann wur­de die Tür auf­ge­ris­sen, die Magd stürz­te in das Zim­mer, laut wei­nend und sich an­kla­gend, dass sie das Haus ver­las­sen habe, wäh­rend nie­mand zu sei­nem Schut­ze da war. Ihr auf dem Fuß folg­ten der Kri­mi­nal­kom­missar Mey­er und ein Schutz­mann in Beglei­tung von Al­fred Glau­bitz.

Noch im­mer saß Claa­sen, ei­nem Be­täub­ten gleich im Ses­sel. Er war un­fä­hig auf­zu­ste­hen, als die Be­am­ten mit Glau­bitz ein­tra­ten. Die fla­ckern­de Ker­ze war fast her­ab­ge­brannt und ver­brei­te­te ein un­si­che­res Licht.

Nach ei­ner klei­nen Pau­se er­schi­en auch der Arzt.

»Brin­gen Sie eine Lam­pe«, be­fahl der ers­te Be­am­te dem Dienst­mäd­chen.

Als die­ses, zit­ternd am gan­zen Kör­per, den Auf­trag er­füllt hat­te, be­trach­te­ten die Be­am­ten ge­nau die Lage der Lei­che und un­ter­such­ten mit kun­di­gem Auge die Wun­de und die Blut­spu­ren. Da­bei un­ter­lie­ßen sie nicht, den Ma­ler scharf zu be­ob­ach­ten, des­sen Ver­stört­heit ih­nen zu den­ken gab. We­nigs­tens wech­sel­ten sie einen Blick des Ein­ver­ständ­nis­ses mit­ein­an­der, als Glau­bitz ih­nen die ver­häng­nis­vol­le Waf­fe aus­hän­dig­te.

»Ge­hört Ih­nen die­ser Dolch?«, frag­te der Kri­mi­nal­kom­missar. Richard nick­te.

Der Schutz­mann such­te in­des­sen nach Ge­gen­stän­den, die viel­leicht die Sa­che noch kla­rer er­hel­len konn­ten. An­fangs fand er nichts; doch end­lich bück­te er sich nach ei­nem Ge­gen­stand, den der Schein der Lam­pe, die er in der Hand hielt, grell be­leuch­te­te: Es war eine große, wei­ße Nel­ke. Der Mann hob die Blu­me auf und be­trach­te­te sie. Der Fund schi­en an sich nicht wich­tig; nur weil al­les, was ne­ben der Lei­che auf dem Bo­den lag, viel­leicht auf ir­gend eine Spur füh­ren konn­te, er­hielt das Dienst­mäd­chen den Auf­trag, die Nel­ke in ein Was­ser­glas zu stel­len.

Der Arzt hat­te in­zwi­schen die Wun­de un­ter­sucht; er konn­te nichts tun, als den vor etwa ei­ner Drei­vier­tel­stun­de ein­ge­tre­te­nen Tod zu kon­sta­tie­ren.

Eben woll­te der Kri­mi­nal­kom­missar mit Claa­sen, an des­sen An­zug er die Blut­spu­ren wahr­ge­nom­men hat­te, ein Ver­hör be­gin­nen – da tra­ten Meta Hen­zen und de­ren Va­ter ins Zim­mer. Der Buch­hal­ter Hen­zen, ein ha­ge­rer Mann, des­sen kno­chi­ges Ge­sicht von ei­nem lan­gen, wei­ßen Bart um­rahmt war, gab sich stets das An­se­hen großer Ehr­wür­dig­keit. Er hat­te mit­un­ter et­was Fei­er­li­ches in sei­nem We­sen, na­ment­lich bei au­ßer­or­dent­li­chen Vor­fäl­len, wenn er zu­fäl­lig Zeu­ge war. Er war viel in der Welt her­um­ge­kom­men, und man hielt ihn für einen ab­son­der­li­chen Men­schen.

Ganz im Ge­gen­satz zu sei­ner leicht er­reg­ba­ren Toch­ter, be­wahr­te er fast im­mer eine äu­ße­re Ruhe. Meta zog ihn zu der Lei­che her­an und rief au­ßer sich: »Sieh hier, Va­ter, so lag sie, als ich ein­trat, mit der blu­ti­gen Wun­de in der Brust! Und Herr Claa­sen sah selbst aus, wie der Tod! Ha­ben Sie kei­nen Ver­dacht, wer es ge­tan ha­ben könn­te?«, wand­te sie sich an die Be­am­ten, wäh­rend ihr Blick auf den Ma­ler ge­rich­tet war, der noch im­mer in der­sel­ben Stel­lung ver­harr­te.

»Der Dolch die­ses Herrn, der dort auf dem Bo­den ge­fun­den wur­de, und die Blut­spu­ren an sei­nen Rock ge­ben al­ler­lei zu den­ken«, be­rich­te­te Mey­er.

»Re­den Sie doch, Herr Claa­sen«, rief Meta lei­den­schaft­lich, »sa­gen Sie doch, dass Sie un­schul­dig sind … wenn Sie es kön­nen!«

»Mä­ßi­ge dich, Mäd­chen«, un­ter­brach sie Hen­zen mit sei­ner ge­mes­se­nen Stim­me. »Es ist nichts so fein ge­spon­nen, es kommt end­lich an die Son­nen. Der Herr­gott da oben wird den Weg zei­gen, der zu dem wah­ren Tä­ter führt.«

Kein Zu­cken in dem ei­ser­nen Ge­sicht des Man­nes ver­riet, dass ihn der An­blick der Er­mor­de­ten er­schüt­tert hat­te.

Der Kri­mi­nal­kom­missar nahm den Tat­be­stand auf, nach­dem er ein kur­z­es Ver­hör mit Claa­sen be­en­det hat­te. Die­ser sag­te da­bei nichts an­de­res aus, als zu­vor Meta und Glau­bitz ge­gen­über. Aber die Ver­dachts­grün­de wa­ren so schwer­wie­gend, dass Mey­er es für sei­ne Pf­licht hielt, ihn in Haft zu neh­men.

»Mor­gen früh«, sag­te er, »wird die ein­ge­hen­de Un­ter­su­chung durch den Herrn Land­ge­richts­rat und den Ge­richts­arzt statt­fin­den; wenn es Ih­nen dann ge­lingt«, wand­te er sich an den Ma­ler, »Ihre Un­schuld zu be­wei­sen und die vor­lie­gen­den Ver­dachts­grün­de zu ent­kräf­ten, dann wird man Sie wie­der auf frei­en Fuß set­zen; einst­wei­len sind Sie im Na­men des Ge­set­zes mein Ge­fan­ge­ner.«

Richard Claa­sen wi­der­setz­te sich nicht, als die Be­am­ten ihn in ihre Mit­te nah­men und ihn ab­führ­ten; un­ter trot­zi­gem Stolz ver­barg er, wie sehr er in­ner­lich litt; er knirsch­te mit den Zäh­nen vor ohn­mäch­ti­ger Wut und hät­te am liebs­ten wie ein Löwe um sei­ne Ehre, sei­ne Frei­heit ge­kämpft. Nur die Ein­sicht, dass der Kampf ver­ge­bens sein wür­de, brach sei­nen Wi­der­stand.

Meta Hen­zen aber sah mit tiefs­ter Er­schüt­te­rung den Aus­druck von Qual und Lei­den in Richards Zü­gen. Ihre Bit­ter­keit ge­gen ihn be­gann zu schwin­den; doch als sie ihn fle­hend an­sah, wäh­rend er den schwers­ten Gang sei­nes Le­bens an­trat, blick­te er an ihr vor­über voll kal­ter Gleich­gül­tig­keit. Und glü­hend lo­der­te ihr lei­den­schaft­li­cher Hass wie­der em­por. Moch­te er zu Grun­de ge­hen – moch­te er sei­ne Stra­fe er­lei­den für den Mord, den er be­gan­gen hat­te!

Zweites Kapitel.

Schwül und son­nen­durch­glüht brach nach ei­ner Ge­wit­ter­nacht der nächs­te Mor­gen an. Das Haus, in dem der Mord ge­sche­hen war, stand im vol­len Licht. Die Blu­men des Vor­gar­tens duf­te­ten, und die Ul­men am Git­ter be­weg­ten spie­lend ihre Zwei­ge. Nie­mand hät­te ah­nen kön­nen, dass die­ses Haus über Nacht in eine Stät­te des Grau­ens ver­wan­delt wor­den war.

Die Kri­mi­nal­be­am­ten frei­lich, die mit dem Land­ge­richts­rat Ha­gen­berg und dem Ge­richts­arzt prü­fend das Haus und sei­ne Um­ge­bung be­trach­te­ten, ver­rie­ten den Vor­über­ge­hen­den, dass hier et­was Au­ßer­ge­wöhn­li­ches vor­ging. Die­se Her­ren sa­hen nicht aus, als ob sie den Stand der Blu­men be­gut­ach­ten oder sich an dem leuch­ten­den Grün der Bäu­me er­freu­en woll­ten!

Be­vor Ha­gen­berg das Haus selbst be­trat, mus­ter­te er des­sen äu­ße­re Si­tua­ti­on ge­nau. Es lag an ei­ner der ele­gan­ten Stra­ßen des mo­der­nen Ber­lin, die am Tier­gar­ten ent­lang füh­ren, zeig­te Cha­rak­ter und Stil ei­ner nicht sehr um­fang­rei­chen Vil­la und war auf al­len Sei­ten von ei­nem dicht­be­grün­ten Gar­ten um­ge­ben. Vom Git­ter des Vor­gar­tens war es un­ge­fähr zwan­zig Schrit­te ent­fernt, hat­te eine Hoch­par­terre, zu des­sen Tür vier Stu­fen em­por­führ­ten, ein obe­res Stock­werk mit fünf Fens­tern Front und dar­über ein stei­les, schie­fer­be­deck­tes Dach mit drei Man­sar­den­fens­tern. Zwei Wege führ­ten um das Ge­bäu­de her­um an den bei­den Sei­ten­fron­ten ent­lang, die gleich der vor­de­ren je fünf Fens­ter, aber kei­ne wei­te­re Tür­öff­nung auf­wie­sen. Da­ge­gen be­fand sich an der Rück­sei­te der Vil­la eine gleich­falls um vier Stu­fen über den Gar­ten er­höh­te Ve­ran­da, die sich, von der einen Ecke des Hau­ses be­gin­nend, zwei Fens­ter weit an ihm hin­zog und mit dem In­nern durch eine Glas­tür in Ver­bin­dung stand. Nach hin­ten und nach den Sei­ten dehn­te der Gar­ten sich so weit aus, dass man von den Nach­bar­grund­stücken und -ge­bäu­den jetzt zur Som­mer­zeit kaum eine Spur zu er­bli­cken ver­moch­te.

Das Haus lang­sam um­schrei­tend hat­ten die Her­ren des Ge­rich­tes die­se Tat­sa­chen fest­ge­stellt, als der Kri­mi­nal­kom­missar Mey­er an der Rück­sei­te des Hau­ses mit ei­nem Ruf der Über­ra­schung plötz­lich ste­hen blieb. Er deu­te­te leb­haft auf eine Stel­le un­ter dem Fens­ter, das als drit­tes von der Ecke des Hau­ses ne­ben der Ve­ran­da lag, und rief: »Se­hen Sie hier – se­hen Sie doch, Herr Land­ge­richts­rat, die­se fri­sche Ab­schür­fung an der Mau­er un­ter dem Fens­ter! Und ge­ra­de un­ter die­sem Fens­ter, das di­rekt in das Mord­zim­mer führt!«

Ha­gen­berg sah durch sei­ne Bril­le be­däch­tig nach der be­zeich­ne­ten Stel­le.

»Hm, ja …« sag­te er ge­dehnt, »dem­nach scheint es fast, als hät­te der Spitz­bu­be den Weg durch das Fens­ter ge­nom­men. Üb­ri­gens kann auch ich Ih­nen et­was zei­gen, was Sie bis­her noch nicht ge­se­hen ha­ben. Be­mer­ken Sie die Fuß­spu­ren hier in dem wei­chen Bo­den des Bee­tes un­ter dem Fens­ter?«

»Frei­lich! Wahr­haf­tig!«, rief der Kri­mi­nal­kom­missar und knie­te im Ei­fer des Su­chens auf der vom Ge­wit­ter­re­gen noch feuch­ten Erde des We­ges nie­der. »Das sind Fuß­spu­ren, un­ver­kenn­bar, auch die Re­se­d­a­pflan­ze hier ist nie­der­ge­tre­ten. Aber die Spu­ren sind durch den Re­gen in der Nacht ver­wischt wor­den; man kann nicht mehr er­ken­nen, in wel­cher Rich­tung der Fuß sich ein­ge­drückt hat.«

»Ha­ben Sie ges­tern Abend nichts da­von be­merkt?«

Der Kom­missar wur­de rot vor Är­ger. »Nein. Herr Land­ge­richts­rat, lei­der nein! Ich habe selbst­ver­ständ­lich ge­nau un­ter­sucht, ob die Fens­ter und die Ve­ran­da­tür des frag­li­chen Zim­mers ver­schlos­sen wa­ren, aber da ich al­les in Ord­nung fand, so …«

»Dies Fens­ter war also ver­schlos­sen?«

»Al­ler­dings.«

»Wis­sen Sie das ganz ge­nau?«

»So wahr ich Sie hier vor mir sehe, Herr Land­ge­richts­rat. Nur die Ve­ran­da­tür war spä­ter ge­öff­net wor­den, weil Herr Rechts­an­walt Glau­bitz, der heu­te als Zeu­ge er­schei­nen wird, durch sie ein­ge­tre­ten war.«

Ha­gen­berg be­trach­te­te noch ein­mal al­les ge­nau und schüt­tel­te den Kopf. »Son­der­bar«, sag­te er, »wenn der Mör­der nach voll­brach­ter Tat durch das Fens­ter ent­wischt wäre, so könn­te es nicht ver­schlos­sen ge­we­sen sein. Wäre er aber von hier aus in das Haus ge­drun­gen, so hät­te man ihn ent­we­der noch drin­nen fin­den müs­sen …«

»Vi­el­leicht ha­ben wir ihn ja schon ge­fun­den.«

»Sie mei­nen Herrn Claa­sen? Hm … ja … nein … es ist nicht sehr wahr­schein­lich, dass er durchs Fens­ter in sei­ne ei­ge­ne Woh­nung ein­ge­stie­gen sein soll. Un­mög­lich frei­lich ist nichts – die Er­fah­rung habe ich in mei­ner lan­gen Pra­xis oft ge­macht. Ist er aber nicht der Mör­der, so müss­te die­ser sich nach voll­brach­ter Tat zur Stra­ße hin aus der Woh­nung ent­fernt ha­ben, wo­bei er sich der Ge­fahr aus­ge­setzt hät­te, von je­man­dem be­ob­ach­tet zu wer­den. Die Stra­ße ist frei­lich abends sehr ein­sam, und ein vis-à-vis des Tier­gar­tens we­gen un­mög­lich.«

»Al­ler­dings. Aber im­mer­hin …«

»Nun, wir wer­den se­hen.«

Die Her­ren be­ga­ben sich wie­der zur Vor­der­sei­te des Hau­ses zu­rück und stie­gen die nied­ri­ge Trep­pe zur Ein­gangs­tür em­por. Ei­nen Blick zu­rück­wer­fend, sag­te Ha­gen­berg: »Von der Stra­ße aus kann man nur we­nig se­hen, das Ge­sträuch und die Bäu­me sind sehr dicht; aber die gan­ze Sa­che muss sich ja auch nach hin­ten zu ab­ge­spielt ha­ben.«

Da­mit be­tra­ten sie den Flur des Hau­ses, der sie mit an­ge­neh­mer Küh­le be­grüß­te. Ohne wei­te­re Stu­fen er­streck­te er sich di­rekt bis zu der En­tree­tür des un­te­ren Stock­werks, die dem Ein­gang ge­gen­über, ein we­nig wei­ter nach rechts hin lag. Ne­ben den Ein­tre­ten­den stieg die Trep­pe vom In­nern des Hau­ses her, auf die Front­sei­te zu ge­rich­tet, hell und be­quem em­por.

Vor der En­tree­tür mach­te Ha­gen­berg noch ein­mal Halt, be­trach­te­te sie ein­ge­hend und sag­te dann in sei­ner lang­sa­men, gründ­li­chen Art: »Be­ach­ten Sie, dass die­se Tür ohne Glas­fül­lung und ne­ben dem Schloss noch mit Drücker­vor­rich­tung ver­schließ­bar ist. Wenn sie ges­tern Abend nicht zu­fäl­lig of­fen stand, so muss der Mör­der wirk­lich durchs Fens­ter ein­ge­drun­gen sein, oder einen Drücker zu der Tür be­ses­sen ha­ben.«

Die an­de­ren Her­ren be­jah­ten stumm. Der Kri­mi­nal­kom­missar drück­te auf die elek­tri­sche Glo­cke zur Sei­te. Frau Frey­tag selbst, die Be­sit­ze­rin des Hau­ses, öff­ne­te ih­nen. Sie war eine klei­ne run­de Per­son, ehr­ba­re Wit­we ei­nes wohl­ha­ben­den Bau­un­ter­neh­mers, ge­gen­wär­tig zit­ternd vor Angst und Auf­re­gung.

»Der Ma­ler Richard Claa­sen«, re­de­te Ha­gen­berg die be­ben­de Alte an, »in des­sen Zim­mer die Tote ge­fun­den wur­de, ist Ihr Mie­ter, nicht wahr?«

»Ach du lie­ber Gott, ja!«, gab sie stam­melnd und stöh­nend zur Ant­wort.

»Wo be­fin­den sich Ihre Zim­mer und wo die des Ma­lers?«

Der Land­ge­richts­rat hat­te sich in­zwi­schen in dem dämm­ri­gen Vor­raum der Woh­nung um­ge­schaut, der sein Licht nur durch Milchglas­schei­ben in den obe­ren Tei­len von drei hier mün­den­den Zim­mer­tü­ren er­hielt. Eine von ih­nen lag der En­tree­tür ge­ra­de ge­gen­über, rechts und links an den Schmal­sei­ten des Kor­ri­dors eine der an­de­ren.

»Hier die­se gan­ze Sei­te vom Haus – es sind drei Stu­ben, die in­ein­an­der ge­hen – die habe ich an Herr Claa­sen ver­mie­tet«, sag­te Frau Frey­tag mit Über­win­dung, wäh­rend sie, dem Land­ge­richts­rat ge­gen­über­ste­hend, nach links deu­te­te. »Da, die bei­den Tü­ren ge­hen in sei­ne Zim­mer; die­se hier in ein Nord­zim­mer, das hat er sich zum Ate­lier ein­ge­rich­tet; und die­se hier«, sie zeig­te auf die Tür dem Ein­gang ge­gen­über, »Oh Gott! Die führt in das Zim­mer, wo es pas­siert ist. Ach, wenn mein Mann noch leb­te!«

»Und wo woh­nen Sie selbst?«

»Hier an der rech­ten Sei­te; die­se Tür hier führt in mei­ne drei Stu­ben. Es ist nicht sehr be­quem, nur die­ser eine Ein­gang; aber es hat auch wie­der sein Gu­tes. Wenn das Mäd­chen – die Kü­che und das Mäd­chen­zim­mer sind näm­lich im Sou­ter­rain …«

»Das eine Ih­rer Zim­mer stößt, wie mir scheint, un­mit­tel­bar an die­ses hier, in dem der Mord ge­sche­hen ist. Ha­ben Sie ges­tern Abend nicht ir­gend ein ver­däch­ti­ges Geräusch ge­hört?«

»Ach, du lie­be Zeit! Ich war ja gar nicht zu Hau­se! Um sechs Uhr schon bin ich fort­ge­gan­gen, bald nach Herr Claa­sen. Ich hat­te mei­nen Kon­zertabend im Zoo­lo­gi­schen Gar­ten. Ach, wenn ich hät­te ah­nen kön­nen, was mein ru­hi­ges Haus be­tref­fen soll­te, wäh­rend ich den Klän­gen der Mu­sik lausch­te, wäre ich nie fort­ge­gan­gen, um mein Ver­gnü­gen zu su­chen!«

»Wer be­wohnt au­ßer Ih­nen und Herrn Claa­sen noch das Haus?«

»Ach, nur ganz we­ni­ge Per­so­nen; ich habe mein Leb­tag auf Ruhe im Hau­se ge­ach­tet; hier un­ten ist also wei­ter nie­mand. Im ers­ten Stock, da wohnt der Herr Jus­tiz­rat Horn mit sei­ner Frau und sei­nem Sohn; die sind aber schon seit drei Wo­chen in He­rings­dorf, nur der Die­ner ist hier­geblie­ben. Ganz oben, das ist eine klei­ne Woh­nung; die habe ich auf Für­spra­che an einen al­ten Buch­hal­ter Hen­zen und sei­ne Toch­ter ab­ge­ge­ben. Ei­gent­lich wäre es auch noch eine Woh­nung für fei­ne Leu­te, und wenn mein lie­ber Mann noch leb­te.«

»Sind alle Haus­be­woh­ner an­we­send?«

»Ja­wohl, sie sind alle da; sie war­ten bei mir im Zim­mer.«

»Ist auch Herr Rechts­an­walt Glau­bitz da?«

»Glau­bitz? Ja­wohl, ja, so heißt der Herr, mei­ne ich. Ja, der ist auch ge­kom­men.«

»Es ist gut. Die Herr­schaf­ten sol­len bei Ih­nen im Zim­mer war­ten, bis ich sie ru­fen las­se. Wir …«, er wand­te sich zu sei­nen Beglei­tern, »wir wol­len nun zu­nächst in Ruhe die Stät­te der Tat be­sich­ti­gen.«

Auf einen Wink von ihm öff­ne­te Kri­mi­nal­kom­missar Mey­er die Tür zu dem Mord­zim­mer, wäh­rend Frau Frey­tag – zu ih­rer großen Er­leich­te­rung vor­läu­fig ent­las­sen – sich in ihre Woh­nung zu­rück­zog. Den Her­ren, die das ver­häng­nis­vol­le Zim­mer be­tra­ten, schlug eine schwe­re, war­me Luft ent­ge­gen; in den dump­fen Ge­ruch aber, der das Ge­mach er­füll­te, misch­te sich ein fei­ner Blü­ten­duft. Er kam von der wei­ßen Nel­ke, die im Was­ser­glas auf ei­nem klei­nen Ti­sche stand, ganz nahe bei der Lei­che des schö­nen Mäd­chens; die­se lag, wie am ver­gan­ge­nen Abend, auf den Bo­den da­hin­ge­streckt.

Ha­gen­berg be­trach­te­te die Tote mit großer Gründ­lich­keit, dann un­ter­such­te er zu­nächst die Ver­schlüs­se der Fens­ter und der Ve­ran­da­tür.

»Ist al­les noch wie ges­tern Abend?«, frag­te er den Kom­missar.

»Al­les un­ver­än­dert. Nur die Ve­ran­da­tür war ge­öff­net wor­den, als der Rechts­an­walt Glau­bitz durch sie ein­trat.«

»Ich weiß. Wa­ren die Vor­hän­ge an den Fens­tern nicht her­ab ge­las­sen?«

»Nein. Nur die­ser eine hier war zur Hälf­te zu­ge­zo­gen, wie er es jetzt noch ist.«

»Dies muss das Fens­ter sein, un­ter dem wir die Ab­schür­fung an der Mau­er ent­deckt ha­ben.«

»Al­ler­dings.«

»Hm … hier … nein, hier ist nichts zu se­hen!«

Die bei­den un­ter­such­ten das Fens­ter mit schar­fen Bli­cken, dann sag­te Ha­gen­berg: »Wenn der Mör­der hier ein­ge­drun­gen wäre, so hät­te er leicht Spu­ren auf dem Fens­ter­brett oder auf dem Fuß­bo­den zu­rück­las­sen kön­nen. Ich sehe je­doch nichts.«

»Er kann sich auch her­ein­ge­schwun­gen ha­ben, ohne auf das Brett zu tre­ten. Und das di­cke Fell hier auf dem Bo­den be­wahrt kei­ne Spu­ren auf.«

»Da­rin ha­ben Sie recht«, gab der Land­ge­richts­rat ein we­nig wi­der­stre­bend zu und wand­te sich so­dann ins Zim­mer zu­rück, um noch ein­mal Um­schau zu hal­ten. Plötz­lich blieb er vor dem Was­ser­glas mit der Nel­ke ste­hen, hob es auf und trat da­mit nä­her ans Licht.

»Sind Sie ein Blu­men­freund, Herr Kom­missar?«, frag­te er mit et­was iro­ni­schem Ton.

»Das könn­te ich ge­ra­de nicht be­haup­ten«, gab der an­de­re er­staunt zu­rück.

»Ich sehe das ohne Ihre Ant­wort; sonst hät­ten Sie be­mer­ken müs­sen, dass die­se Nel­ke … ist sie an der Lei­che ge­fun­den wor­den?«

»Nein, aus dem Fuß­bo­den ne­ben ihr.«

»Die­se Nel­ke ist ein ganz un­ge­wöhn­lich sel­te­nes Exem­plar. Ich ver­ste­he mich dar­auf, denn ich bin ein Blu­men­freund. Se­hen Sie nur ein­mal ge­nau­er her; auf den ers­ten Blick meint man, eine ge­wöhn­li­che wei­ße Nel­ke vor sich zu ha­ben, wenn auch von ab­son­der­li­cher Grö­ße. Nun be­trach­ten Sie aber ein­mal die ein­zel­nen Blu­men­blät­ter; da fin­den Sie auf je­dem eine fei­ne rote Fi­gur, aus drei Li­ni­en zu­sam­men­ge­setzt, fast wie ein zier­li­ches Drei­eck mit ei­nem ro­ten Punkt in der Mit­te. Die Blu­me kann uns viel­leicht einen wert­vol­len An­halt lie­fern. Wir müs­sen bei den hie­si­gen Gärt­nern nach­fra­gen, von wem sie stammt und wer sie ge­kauft hat. Fer­ner sor­gen Sie da­für, dass die Nel­ke bal­digst fo­to­gra­fiert, so­dann aber auch – man kann das jetzt ja ma­chen – mit Wachs in der Wei­se prä­pa­riert wird, dass sie ihr na­tür­li­ches Aus­se­hen be­hält.«

Der Kom­missar ver­neig­te sich stumm, und Ha­gen­berg wand­te sich nun zu dem Ge­richts­arzt, der in­zwi­schen mit der Lei­che be­schäf­tigt ge­we­sen war. »Nun, was ha­ben Sie ge­fun­den?«, frag­te er.

»Nur das, was mein Kol­le­ge Grü­ner ges­tern Abend be­reits fest­ge­stellt hat; die­ser Dolch passt ge­nau in die Wun­de. Der Stoß muss mit großer Kraft ge­führt wor­den sein, der Tod ist of­fen­bar fast au­gen­blick­lich ein­ge­tre­ten.«

»So wird uns vor­läu­fig nichts zu tun üb­rig blei­ben«, sag­te der Land­ge­richts­rat, »als dass wir auch die üb­ri­gen Zim­mer in Au­gen­schein neh­men und so­dann die Haus­be­woh­ner ihre Aus­sa­gen ma­chen las­sen.«

Er schritt vor­an in das nächs­te, als Ate­lier ein­ge­rich­te­te Zim­mer; die an­de­ren Her­ren folg­ten ihm. In dem ziem­lich großen, nach Nor­den ge­le­ge­nen Raum stan­den auf Staf­fe­lei­en Bil­der und Skiz­zen; ver­schie­de­ne Ti­sche wa­ren mit Gips­ab­güs­sen von Büs­ten und Fi­gu­ren voll­ge­stellt, und auf ei­ner am mitt­le­ren Fens­ter ste­hen­den Staf­fe­lei er­blick­ten die Be­am­ten das fast vollen­de­te Por­trät ei­nes schö­nen, üp­pi­gen Mäd­chens, des­sel­ben Mäd­chens, das nun ein Op­fer grau­sa­men, rät­sel­haf­ten Ver­bre­chens ge­wor­den war. Mit­leid, Em­pö­rung, Schau­der er­füll­ten das Herz Ha­gen­bergs, als er die­se vol­le, ju­gend­li­che Ge­stalt, die­sen licht­blon­den Kopf be­trach­te­te. Frei­lich lag ein Aus­druck trüber Schwer­mut in dem jun­gen Ge­sicht, und der Be­am­te, der in sei­nem Be­ruf nicht leicht von ei­ner an­de­ren Re­gung, als nur vom In­ter­es­se an der Auf­klä­rung des Ver­bre­chens ge­lei­tet wur­de, fühl­te sich selt­sam er­grif­fen beim An­blick des Bil­des, wäh­rend er an die stil­le Lei­che ne­ben­an den­ken muss­te. Noch wa­ren die Far­ben auf der Pa­let­te frisch, die Pin­sel noch feucht, und das Ar­beits­ge­rät lag auf ei­nem Sche­mel ne­ben dem Bild, als ob der Ma­ler so­eben die Sit­zung be­en­det hät­te.

Sich von dem Ge­mäl­de ab­wen­dend prüf­te Ha­gen­berg nun auch die­sen Raum und sei­nen In­halt mit großer Auf­merk­sam­keit. Al­les war in bes­ter Ord­nung, nur eins fiel ihm auf: In der Nähe der Staf­fe­lei stand ein klei­ner runder Tisch, und die rote Plüsch­de­cke die­ses Ti­sches lag da­ne­ben auf dem Bo­den, als hät­te je­mand sie, ei­lig vor­über­ge­hend, her­un­ter­ge­streift. Sonst war nichts zu ent­de­cken, was auf einen au­ßer­ge­wöhn­li­chen Vor­gang schlie­ßen ließ; we­der hier, noch in dem ne­ben­an ge­le­ge­nen Schlaf­zim­mer des Ma­lers. Das Bett war un­be­rührt, je­der Ge­gen­stand an am rich­ti­gen Platz.

Kopf­schüt­telnd wand­te Ha­gen­berg sich ab und ging lang­sam in das ers­te Zim­mer zu­rück. Wel­che Grün­de konn­ten den Ver­bre­cher ge­trie­ben ha­ben, die­ses Mäd­chen zu er­mor­den? Ein Raub konn­te nicht be­ab­sich­tigt ge­we­sen sein; da­ge­gen sprach al­les und be­son­ders der Um­stand, dass sie im Hau­se ei­nes frem­den Man­nes ge­tö­tet wor­den war. Nein, die­se Tat muss­ten tief­lie­gen­de Grün­de ver­an­lasst ha­ben!

»Nun, wir wer­den ja se­hen«, sag­te der Land­ge­richts­rat zum zwei­ten Mal, als woll­te er sich selbst Ant­wort ge­ben auf sei­ne Ge­dan­ken. Dann wand­te er sich dem Kri­mi­nal­kom­missar zu und füg­te lau­ter hin­zu: »Wol­len Sie jetzt die Güte ha­ben, die Haus­be­woh­ner her­ein­zu­ru­fen?«

Drittes Kapitel.

Nach ei­ner kur­z­en Pau­se er­schie­nen die Ge­ru­fe­nen: Frau Frey­tag, noch im­mer ängst­lich und zit­ternd, Meta Hen­zen, to­ten­bleich, in furcht­ba­rer Er­re­gung, ihr Va­ter hin­ter ihr, selt­sam ru­hig ne­ben der lei­den­schaft­li­chen Toch­ter. Auch der Rechts­an­walt Glau­bitz, Jo­sef, der Die­ner des Jus­tiz­ra­tes Horn, und Rie­ke, Frau Frey­tags Magd, wa­ren zur Stel­le. Zu­letzt kam Richard Claa­sen in Beglei­tung ei­nes Schutz­man­nes, der ihn aus der Un­ter­su­chungs­haft her­ge­führt und von den üb­ri­gen Haus­be­woh­nern bis­her ent­fernt ge­hal­ten hat­te. Claa­sens Aus­se­hen war zum Er­schre­cken elend und ver­stört.

An ihn wand­te sich der Un­ter­su­chungs­rich­ter nach Er­le­di­gung der nö­ti­gen For­ma­li­tä­ten zu­nächst mit der Fra­ge:

»Wa­ren Sie es, der die Lei­che zu­erst ent­deck­te?«

Claa­sen nick­te mit fins­te­rem Aus­druck, ohne die Lip­pen zu öff­nen.

»Sind Sie … ka­men Sie auf dem ge­wöhn­li­chen Wege in Ihre Woh­nung?«

Ha­gen­berg be­ob­ach­te­te ihn scharf, als er die­se Fra­ge tat, sah je­doch nur einen Blick un­ver­hoh­le­nen Er­stau­nens in den Au­gen des Ma­lers.

»Wie mei­nen Sie das?«, frag­te Claa­sen.

»Ich mei­ne, was ich fra­ge.«

»Ich wüss­te nicht, wie ich auf ei­nem an­de­ren als dem ge­wöhn­li­chen Wege in mei­ne Woh­nung ge­langt sein soll­te.«

»Fan­den Sie die Ve­ran­da­tür und die Fens­ter ver­schlos­sen?«

»Es war al­les ver­schlos­sen; al­les war, wie es jetzt ist, auch die Lei­che fand ich in der­sel­ben Lage, auf der­sel­ben Stel­le.«

»Als Sie das Haus ver­lie­ßen, wa­ren da die Fens­ter ver­schlos­sen, oder nicht?«

»Ge­schlos­sen. Ich weiß es be­stimmt, denn ich schlie­ße sie im­mer selbst, ehe ich abends fort­ge­he. Vom Gar­ten aus könn­te leicht je­mand ein­stei­gen, und wenn ich selbst auch nie­mals ängst­lich ge­we­sen bin, so habe ich es doch Frau Frey­tag ver­spro­chen, die mich gleich dar­um bat, als ich die Woh­nung mie­te­te.«

Die ge­nann­te Dame be­stä­tig­te mit Ei­fer des Ma­lers Aus­sa­ge und er­klär­te auf Be­fra­gen mit glei­chem Nach­druck, dass auch in ih­rer Woh­nung, wäh­rend ih­rer Ab­we­sen­heit vom Hau­se nie­mals ein Fens­ter ge­öff­net blei­be.

Ha­gen­berg schüt­tel­te den Kopf und blick­te nach­sin­nend kur­ze Zeit vor sich hin; dann ver­such­te er einen Coup der Über­ra­schung. Mit schnel­ler Be­we­gung er­griff er die Waf­fe des Mor­des und hielt sie dem Ma­ler ent­ge­gen.

»Ken­nen Sie die­sen Dolch?«

Claa­sen drück­te die Hän­de ge­gen die Schlä­fen; das Häm­mern im Kop­fe droh­te ihm das Den­ken zu rau­ben.

»Man sagt mir, dass die­ser Dolch der Ih­ri­ge sei?«, frag­te ihn Ha­gen­berg.

»Es ist so«, be­stä­tig­te Richard.

Der Un­ter­su­chungs­rich­ter wech­sel­te einen be­deut­sa­men Blick mit dem Arzt.

»Um wie­viel Uhr ha­ben Sie die Lei­che zu­erst ge­se­hen?«

»Es war etwa ge­gen halb zehn Uhr, als ich nach Hau­se zu­rück­kehr­te; al­les war dun­kel, was mich be­frem­de­te, da Frau Frey­tag stets dar­auf hält, dass die Flur­lam­pe pünkt­lich an­ge­zün­det wird. Ich öff­ne­te, wie ich stets zu tun pfle­ge, die Tür mit dem Drücker, tas­te­te im Dun­keln nach mei­nem Zim­mer, und, nach­dem ich Licht an­ge­zün­det hat­te, sah ich … er­blick­te ich … oh, es war ent­setz­lich!« Er deu­te­te mit der Hand auf die Tote.

»Ihr An­zug und Ihr Kör­per wa­ren mit Blut be­fleckt, als ges­tern Abend die Be­am­ten ka­men. Wie er­klä­ren Sie das?«

»Ich hat­te in mei­ner ers­ten Be­stür­zung den Leich­nam auf­zu­he­ben ge­sucht, weil ich nicht glau­ben konn­te, dass ich eine Tote vor mir hat­te. Da­bei muss ich mich mit dem Blut be­fleckt ha­ben.«

»Wa­ren Sie lan­ge vom Hau­se fort ge­we­sen?«

»Ich war etwa um sechs Uhr fort­ge­gan­gen.«

Er blick­te hil­fe­su­chend zu Glau­bitz hin­über, als ob er den Freund um Bei­stand an­fle­hen woll­te. Aber die­ser sah düs­ter zu Bo­den und schwieg.

»Wo­hin wa­ren Sie ge­gan­gen?«

»Ich war mit Freun­den in ei­nem Re­stau­rant zum Mit­ta­ges­sen, das ich ge­wöhn­lich erst nach sechs Uhr ein­zu­neh­men pfle­ge.«

»Und um halb zehn, sa­gen Sie, kehr­ten Sie erst zu­rück?«

»Wir wa­ren in hei­ters­ter Stim­mung und hat­ten nach dem Es­sen noch einen Spa­zier­gang ge­macht.«

»Als Sie die Lei­che ent­deckt hat­ten, wes­halb rie­fen Sie nicht so­fort die Leu­te im Hau­se zu­sam­men?«

»Ich klin­gel­te drei-, vier­mal nach dem Dienst­mäd­chen – nie­mand er­schi­en. Da rief ich den Na­men der Magd – ver­ge­bens. Fräu­lein Hen­zen kam end­lich die Trep­pe her­un­ter, und ich bat sie in mei­ner Angst, in mein Zim­mer zu tre­ten und zu se­hen, was ge­sche­hen war.«

»Hat­ten Sie Lärm im Haus ge­hört, Fräu­lein Hen­zen?«

»Ich hör­te die Klin­gel un­ten laut und lan­ge und woll­te se­hen, was das zu be­deu­ten ha­ben konn­te. Herr Claa­sen, der sich in ei­ner wahn­sin­ni­gen Auf­re­gung be­fand, ließ mich in sein Zim­mer ein­tre­ten. Nie in mei­nem Le­ben wer­de ich die­sen Au­gen­blick ver­ges­sen! Ich tre­te ein –ah­nungs­los … Da liegt die Lei­che auf dem Bo­den, Herr Claa­sen steht da­ne­ben – zit­ternd, ver­stört, blut­be­fleckt. Ich schau­de­re im­mer noch bis ins Herz hin­ein, wenn ich dar­an zu­rück­den­ke!«

»Es ist auf­fäl­lig, dass die Schau­spie­le­rin ges­tern Abend zu Ih­nen kam – so spät noch. Er­war­te­ten Sie die Dame?«

»Nein.«

»Ha­ben Sie kei­ne Ah­nung, was sie bei Ih­nen ge­wollt hat?«

Richard ver­nein­te aber­mals.

»In wel­chem Ver­hält­nis oder in wel­cher Be­zie­hung stan­den Sie zu ihr?«

»Ich mal­te sie.«

»Wenn Sie sie mal­ten, muss doch eine nä­he­re Be­kannt­schaft zwi­schen Ih­nen be­stan­den ha­ben.«

»Fräu­lein Go­ladt­ka wünsch­te, von mir ge­malt zu wer­den.«

»Wo ha­ben Sie Fräu­lein Go­ladt­ka ken­nen ge­lernt?«

Eine große Ver­wir­rung er­griff Richard Claa­sen. Fast ver­lor er den letz­ten Rest sei­ner Fas­sung. Ein flam­men­der Blick aus den Au­gen Meta Hen­zens traf ihn. Sie hat­te die Hän­de krampf­haft ge­ballt, und man sah es ihr an, dass sie mit dem Auf­ge­bot al­ler Kraft einen lei­den­schaft­li­chen Aus­bruch in Ban­den hielt.

»Die Ent­ste­hung die­ser Be­kannt­schaft hat nichts mit dem un­glück­se­li­gen Er­eig­nis zu tun«, sag­te Claa­sen nach ei­ner Wei­le, wäh­rend de­ren er um Samm­lung und Ruhe ge­run­gen hat­te.

Ha­gen­berg run­zel­te die Stirn. »Wis­sen Sie, dass Sie sich durch aus­wei­chen­de Ant­wor­ten noch stär­ker ver­däch­ti­gen? Ich rate Ih­nen, ge­treu zu be­rich­ten, was Sie über die Schau­spie­le­rin wis­sen.«

»Re­den Sie doch!«, brach Meta end­lich aus, »wes­halb ver­schwei­gen Sie denn, dass Sie Fräu­lein Go­ladt­ka lieb­ten? Ich selbst habe …«

»War­ten Sie, bis ich Sie zum Re­den auf­for­de­re, Fräu­lein Hen­zen«, er­mahn­te Ha­gen­berg das Mäd­chen, das mit fun­keln­den Au­gen, ei­ner Me­dea gleich, vor dem Ma­ler stand.

Richard, von al­len Sei­ten in die Enge ge­trie­ben, blick­te vol­ler Qual und Rat­lo­sig­keit um sich. Hat­te er denn kei­nen Freund, der ihm bei­stand?

»Ich habe Fräu­lein Go­lad­ka nie­mals ge­liebt, so wahr ich lebe«, be­teu­er­te er, »in mei­nem Her­zen wohnt ein an­de­res Bild; ich weiß nicht, was Fräu­lein Hen­zen zu sol­chen Aus­sa­gen be­rech­tigt.«

»Spre­chen Sie, Fräu­lein Hen­zen«, ge­bot Ha­gen­berg, »was wis­sen Sie über die Be­zie­hung der To­ten zu Herrn Claa­sen?«

»Herr Claa­sen hat es wohl ver­ges­sen«, sag­te Meta in der­sel­ben maß­lo­sen Er­re­gung, »dass ich vor ei­ni­gen Ta­gen gleich nach Fräu­lein Go­ladt­ka zu ei­ner Sit­zung be­stellt war. Herr Claa­sen hat­te mich näm­lich ge­be­ten, ihm für ein Bild Mo­dell zu ste­hen; ich tue es auch bei an­de­ren Ma­lern öf­ter, um mir ne­ben mei­nen Hand­ar­bei­ten noch et­was Geld zu ver­die­nen. Ich kam zu früh zu Herrn Claa­sen, und weil die Dame noch an­we­send war, war­te­te ich hier im Zim­mer, bis sie das Ate­lier ver­las­sen wür­de. Da hör­te ich ne­ben­an eine lau­te, er­reg­te Un­ter­re­dung …«

»Sie … Sie ha­ben die­se Un­ter­re­dung be­lauscht, Fräu­lein Hen­zen?« Der Ton, in dem Richard die­se Fra­ge tat, war so voll schmerz­li­cher Ent­rüs­tung, dass Meta ver­stumm­te. Mit Be­frem­den sa­hen die An­we­sen­den, dass plötz­lich Trä­nen in den Au­gen des selt­sa­men Mäd­chens glänz­ten.

»Ha­ben Sie den In­halt der Un­ter­re­dung ver­stan­den, Fräu­lein Hen­zen?«, frag­te Ha­gen­berg wei­ter.

»Ei­fer­sucht, Lie­be, Hass – al­les, al­les, wozu die Lei­den­schaft sie trieb«, rief Meta mit vom Wei­nen durch­zit­ter­ter Stim­me.

Der Un­ter­su­chungs­rich­ter run­zel­te die Stirn. »Die Ant­wort ist un­ge­nau«, sag­te er. »Be­rich­ten Sie aus­führ­li­cher. Ihre Mit­tei­lung kann von großer Wich­tig­keit für den Gang der Un­ter­su­chung sein. Wer sprach von, Ei­fer­sucht, Lie­be und Hass, Herr Claa­sen oder die Er­mor­de­te? Be­sin­nen Sie sich und ge­ben Sie ge­nau Aus­kunft.«

Meta sah vor sich nie­der; man konn­te er­ken­nen, wie stark ihre in­ne­re Er­re­gung war. So stand sie einen Au­gen­blick, ohne zu ant­wor­ten.

Kur­ze Zeit ließ Ha­gen­berg sie ge­wäh­ren, dann wur­de er un­ge­dul­dig. »Wir war­ten auf Sie, Fräu­lein Hen­zen. Wenn Sie sich ein­zel­ner Äu­ße­run­gen oder Wor­te aus je­nem Ge­spräch er­in­nern, dann tei­len Sie es mir mit. Es ist Ihre Pf­licht. Was kön­nen Sie mir sa­gen?«

»Nein – ein­zel­ner Äu­ße­run­gen er­in­ne­re ich mich nicht«, gab Meta jetzt lang­sam zur Ant­wort. »Ge­nau­es konn­te ich nicht ver­ste­hen.«

»Sie schei­nen mir vor­hin et­was leicht­sin­nig in den Tag hin­ein­ge­spro­chen zu ha­ben. Sie sag­ten doch, es sei eine lei­den­schaft­li­che Un­ter­re­dung ge­we­sen?«

»Das war es auch. Sie spra­chen bei­de schnell und has­tig. Das Wort ›Lie­be‹ habe ich auch ge­hört.«

»Wer sprach es aus, der Ma­ler oder die Schau­spie­le­rin?«

Meta zau­der­te wie­der. Sie blick­te zu Claa­sen hin­über, und der Aus­druck ih­res Ge­sich­tes wur­de weich. Dann aber schau­te sie auf die Er­mor­de­te nie­der, und ein fins­te­rer Groll drück­te sich in ih­ren Zü­gen aus.

»Ich glau­be, dass bei­de von Lie­be ge­spro­chen ha­ben«, sag­te sie kurz und hart.

»Ist das al­les? Wis­sen Sie nichts Ge­nau­e­res an­zu­ge­ben?«

»Nein, wei­ter nichts.«

»Nun, be­sin­nen Sie sich; viel­leicht fällt Ih­nen spä­ter noch et­was ein. Ich wer­de auf die Sa­che zu­rück­kom­men. Sa­hen Sie an je­nem Tage Fräu­lein Go­ladt­ka das Ate­lier ver­las­sen?«

»Ja, sie ging in großer Er­re­gung an mir vor­über, ohne mich zu be­mer­ken; ich stand in der Ecke dort im Schat­ten.«

»Ha­ben Sie Fräu­lein Go­ladt­ka noch ein­mal nach die­sem Tag bei Herrn Claa­sen ge­trof­fen?«

»Nein.«

»Be­stä­ti­gen Sie die Aus­sa­gen Fräu­lein Hen­zens?«, frag­te Ha­gen­berg den Ma­ler.

Richard lä­chel­te bit­ter. »Nie­mand kann wis­sen, wel­cher Art der In­halt der Un­ter­re­dung zwi­schen mir und Fräu­lein Go­ladt­ka ge­we­sen ist; und ich wer­de ihn nicht ver­ra­ten.«

Ein schnei­den­des Auf­la­chen un­ter­brach auf ein­mal die Pau­se, die nach den letz­ten Wor­ten des Ma­lers ein­ge­tre­ten war; es mach­te auf die An­we­sen­den einen um so un­heim­li­che­ren Ein­druck, als die Nähe der stil­len Lei­che oh­ne­hin das Ge­müt ei­nes je­den mit lei­sem Schau­der er­füll­te.

Mit ge­run­zel­ter Stirn blick­te Ha­gen­berg auf.

Es war Fried­rich Hen­zen, der das ei­gen­tüm­li­che La­chen aus­ge­sto­ßen hat­te. Jetzt stand er wie­der mit un­be­weg­li­chem Ge­sicht an der Wand.

»Wol­len Sie mir er­klä­ren«, frag­te Ha­gen­berg streng, »wes­halb Sie lach­ten?«

»Herr Un­ter­su­chungs­rich­ter«, er­wi­der­te Hen­zen ru­hig und ge­mes­sen, »man­cher geht so durchs Le­ben hin, ohne viel zu re­den und ohne dass die Men­schen sich um ihn küm­mern. Und doch weiß er vie­les, wo­von nie­mand eine Ah­nung hat. Wenn ich spre­chen woll­te – was wür­de das hohe Ge­richt wohl für Stoff zum Nach­den­ken be­kom­men! Aber es gibt Din­ge, die es nicht be­straft, und die doch straf­ba­rer sind als manch­mal ein …«

»Kom­men Sie zur Sa­che!«, ge­bot Ha­gen­berg. »Was soll­te das La­chen? Ha­ben Sie ge­gen Herrn Claa­sen eine An­kla­ge zu rich­ten?«

Es war gut, dass Richard Claa­sen die Au­gen ge­senkt hat­te und den Blick nicht sah, den Hen­zen ihm zu­warf. Es lag ein sol­cher Hass dar­in, dass man sich fürch­ten muss­te vor der Ra­che die­ses Man­nes. Ha­gen­berg aber be­merk­te den Blick. Ge­spannt war­te­te er auf Hen­zens Ant­wort.

»Ich habe kein Recht zu ei­ner An­kla­ge, ich bin ein ein­fa­cher Mann. Es scha­det ja nichts, wenn Men­schen un­se­res Schla­ges ge­tre­ten wer­den, wie elen­des Ge­würm. Ich lach­te nur, weil der Herr sag­te, er hät­te in kei­ner Be­zie­hung zu der Er­mor­de­ten ge­stan­den.«