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Die zweiundzwanzigjährige Amerikanerin Joan von Simons erbt von ihrem Urgroßvater, der in Deutschland lebte, ein altes Schloss im malerischen Altmühltal. Angewiesen ist Joan nicht auf das Erbe, denn sie hat schon von ihrem Vater die große Uhrenfabrik geerbt, und die ist Millionen wert. Trotzdem fliegt sie entschlossen nach Deutschland, um den alten Kasten in Augenschein zu nehmen. Doch was soll sie mit dem Schloss anfangen? Es verkaufen, dort leben, es anderweitig nutzen oder den Verwandten, die dort wohnen, einfach nur die Heimat erhalten?
Während Joan um eine vernünftige Entscheidung ringt, kommt unerwartet die Liebe ins Spiel und macht alles noch komplizierter ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Die verschenkte Erbschaft
Vorschau
Impressum
Die verschenkte Erbschaft
Ein heiter-beschwingter Liebesroman für glückliche Stunden
Die zweiundzwanzigjährige Amerikanerin Joan von Simons erbt von ihrem Urgroßvater, der in Deutschland lebte, ein altes Schloss im malerischen Altmühltal. Angewiesen ist Joan nicht auf das Erbe, denn sie hat schon von ihrem Vater die große Uhrenfabrik geerbt, und die ist Millionen wert. Trotzdem fliegt sie entschlossen nach Deutschland, um den alten Kasten in Augenschein zu nehmen. Doch was soll sie mit dem Schloss anfangen? Es verkaufen, dort leben, es anderweitig nutzen oder den Verwandten, die dort wohnen, einfach nur die Heimat erhalten?
Während Joan um eine vernünftige Entscheidung ringt, kommt unerwartet die Liebe ins Spiel und macht alles noch komplizierter ...
»Aber Darling«, rief Helen von Simons kopfschüttelnd, »du willst tatsächlich nach Europa reisen? In dieses alte Schloss?«
Joan von Simons nickte so heftig, dass ihr das braune Haar ins Gesicht fiel.
»Ja, Helen. Schließlich schreibt doch dieser Rechtsanwalt in seinem Brief, dass ich das Schloss erben soll.«
»Du bist wie dein Vater, Joan«, erwiderte Helen seufzend. »Unglaublich! Was soll man denn heutzutage noch mit einem alten Schloss anfangen? Und dann die Verwandtschaft deines Vaters ... Lauter verstaubte Adelige, denen der Kalk aus den Ärmeln rieselt.«
Joan blickte ihre Mutter verblüfft an.
»Woher hast du denn solche Ausdrücke?«
Helen von Simons zuckte die Schultern.
»Du vergisst, dass mein augenblicklicher Verehrer ein Kauz namens Ferry Atkins ist, der in Ohio zu Hause ist. In Ohio haben die Leute immer solche blumigen Ausdrücke. Und wenn ich Ferry imponieren will, muss ich mich dieser bildhaften Ausdrucksweise bedienen.«
»Deine Verehrer wechseln so oft, da habe ich es längst aufgegeben, den Überblick zu behalten.«
Joan verstand ihre Mutter wirklich nicht. Zugegeben, dachte sie, Helen sieht mit ihren einundvierzig Jahren wirklich noch sehr attraktiv aus, und sie tut ja niemandem weh damit, wenn sie mit gut aussehenden, reichen Junggesellen flirtet, denn Papa ist schon einige Jahre tot, aber sie sollte sich vielleicht doch endlich für einen von ihnen entscheiden.
»Soll das eine Kritik sein?«, erkundigte sich Helen von Simons in ungewollter Schärfe. »Hör zu, Joan, die Freiheit, die du für dich in Anspruch nimmst, gilt auch für mich. Ich bin niemandem über mein Leben Rechenschaft schuldig, auch nicht dir. Du bist zweiundzwanzig Jahre und sagst mir ja auch nicht Bescheid über die Männer, die du verrückt machst.«
»Nicht der Rede wert, Helen«, wehrte Joan kühl ab. »Ich werde also den nächsten Flug nach Old Germany buchen. In welcher Gegend steht eigentlich dieses Schloss meiner Väter?«
»Was fragst du mich? Dein Großvater Otto Graf Simons verließ damals Deutschland und baute sich hier in den Staaten ein neues Leben auf. Er soll kurz vor dem Tode großes Heimweh nach seinem Schloss gehabt haben. Doch dein Vater hat das Schloss nie gesehen, ich übrigens auch nicht. Aber so groß ist dieses Deutschland ja gar nicht. Du wirst das Schloss schon finden. Du bist ja ein schlaues Mädchen.«
»Hier im Brief des Rechtsanwaltes steht, dass es im Altmühltal läge, Helen!«
»Altmühltal? Nie gehört.« Helen von Simons rümpfte die Nase. »Komischer Name. Aber du könntest dir diese Reise wirklich sparen.«
»Ich will aber nachsehen, wie mein Erbe aussieht. Wetten, dass es nicht viele Girls aus Amerika gibt, die ein richtiges altes Schloss erben?«
»Ich wusste gar nicht, dass du romantisch bist«, spottete Helen. »Aber bitte, fahr hin. Nimm aber unseren Butler Harry mit. Du kannst nicht allein reisen. Im Übrigen würde ich das Schloss den Verwandten deines Vaters schenken, dann bist du es wenigstens los. Ja, wenn du einen Wolkenkratzer geerbt hättest, der würde einen gewissen Wert darstellen! Aber ein Schloss? Pah, solche alten Gemäuer haben sich doch längst überlebt.«
»Wenn ich dort bin, Helen, werde ich das Schloss fotografieren und dir das Bild schicken!«, versprach Joan lächelnd.
»Das kannst du dir ersparen. Was soll ich mit dem Bild einer alten Ruine? Es würde doch nur im Papierkorb landen.«
♥♥♥
Elvira Freifrau von Lützgendorf nahm das Lorgnon von den Augen und hob den Kopf.
»Hier im Lexikon steht, dass Queens ein Stadtteil von New York ist«, sagte sie, »und dort wohnt also unsere Nichte Johanna.«
Anette Gräfin Schlüter ließ den Stickrahmen sinken, mit dessen Hilfe sie eine schwierige Petit-Point-Arbeit an einer reinseidenen Tischdecke fertigte.
»Natürlich, Elvira«, sagte sie leicht gereizt, »das weiß doch heutzutage jedes Kind. Queens, Bronx, Brooklyn und Manhattan sind die Namen der vier Stadtteile von New York, und du schlägst im Lexikon nach, Elvira! Unglaublich!«
»Du hast einen vergessen, Tante!«, rief Baroness von Lützgendorf.
»Vergessen? Was? Was mischst du dich eigentlich ein, Adelgunde?«
Adelgunde war ein nicht mehr sehr junges Mädchen, das von ihrer strengen Mutter ständig kritisiert wurde.
»Ach, nur so. Es ist nicht so wichtig«, murmelte Adelgunde und senkte den Blick. Ihr volles Gesicht war verschlossen und kummervoll.
»Du hast Tante Anette unterbrochen«, rügte Freifrau von Lützgendorf. »Was wolltest du also sagen, Adelgunde?«
»Dass es noch einen fünften Stadtteil in New York gibt«, hauchte Adelgunde. »Long Island, Tante Anette. Man nennt es auch Richmond.«
»Das gehört nicht mehr zu New York, das ist eine eigene Insel!«
»Eine Halbinsel«, verbesserte Adelgunde schüchtern. »Und es zählt sehr wohl noch zum Stadtgebiet von New York.«
»Dieses Mädchen sieht aus wie ein Trampel, will sich aber wichtigmachen«, fuhr die Gräfin die Freifrau an. »Warum hockt sie eigentlich ständig mit uns am Tisch? Kann sie nichts anderes tun?«
»Geh hinaus, Adelgunde«, befahl die Freifrau mit verkniffenem Gesicht.
Mit gesenktem Kopf ging Baroness Adelgunde hinaus und begab sich auf ihr Zimmer. Sie starrte aus dem Fenster.
Sobald die neue Schlossherrin kommt, wird hier im Schloss sowieso alles anders werden, dachte sie mutlos. Wenn sie nun Mama und mich aus dem Schloss jagt? Eigentlich ist Mama nur die Cousine des Vaters dieser Johanna aus New York, der Universalerbin. Und wir haben überhaupt keinen Anspruch darauf, noch länger hier zu sein. Aber wo sollen wir hin?
Als ein Wagenmotor aufbrummte, eilte sie ans Fenster. Dort unten war Justin, ihr Vetter!
Er war Tante Anettes Sohn und hatte bis zur Testamentsverkündung gehofft, dass er Schloss Simonsfels erben würde.
Auch für ihn war es ein schwerer Schlag, dachte Baroness Adelgunde. Justin war der einzige Mensch im Schloss, der ihr eine echte Freundlichkeit entgegenbrachte. Oder halt, nein, dachte sie, in letzter Zeit geht er mir aus dem Weg. Ich muss ihn doch wirklich mal fragen, warum.
♥♥♥
Der Butler Harry Schmiedecke war einst von Otto Graf Simons als Diener eingestellt worden, und vielleicht hatte es dabei eine Rolle gespielt, dass er gebürtiger Deutscher aus Mannheim war.
Inzwischen war Graf Otto längst tot, auch sein Sohn Gottlieb, der sich jedoch – sobald er älter geworden war und nicht mehr mit diesem Vornamen gehänselt werden wollte – Goddard von Simons genannt hatte. Umso eifriger hatte dann aber Harry Schmiedecke mit der Enkelin des Grafen Otto, Johanna, deutsch geübt. Sie hatte die deutsche Oberschule in Queens besucht und ihren deutschen Vornamen – wie ihr Vater – amerikanisiert und sich Joan genannt.
Otto Graf Simons war damals nach einem heftigen Streit mit seinem Vater nach Amerika gekommen, mit ein paar Hundertern in der Tasche und ohne Koffer. Er hatte nur die Kleidung besessen, die er auf dem Leib getragen hatte.
Durch eisernen Fleiß hatte er sich eine Position in einer kleinen Uhrenfabrik geschaffen. Später hatte er dieses Unternehmen gekauft. Seine deutschstämmige Frau Loni war ihm immer eine treue Gefährtin gewesen.
Heute – nachdem Graf Ottos Enkelin zweiundzwanzig Jahre alt war – war aus der ehemals so kleinen Uhrenfabrik ein großes Werk mit vierzehn Fabrikationshallen am Rande von Queens geworden. Es stellte nicht nur Uhren aller Art her, sondern auch Thermometer, Barometer, komplizierte Messgeräte und Tachometer.
Nach dem Tode ihres Vaters Goddard von Simons, hatte vor drei Jahren Joan das Werk geerbt. Drei Direktoren leiteten das Unternehmen, mussten jedoch bei allen schweren Entscheidungen ihre junge Chefin um Erlaubnis fragen.
Von New York aus hatte Joan eine Wagenverleihfirma in Nürnberg beauftragt, zur Ankunftszeit des Flugzeugs einen geräumigen Wagen auf dem Flughafen bereitzustellen.
Jetzt saß der Butler Harry am Steuer und fuhr ihrem Ziel entgegen. Es war kurz vor Mitternacht, und es herrschte kaum Verkehr.
Joan merkte es dem treuen Diener an, wie sehr er sich freute, wieder daheim zu sein. Ich muss ihm wirklich ein paar Tage Urlaub geben, damit er nach Mannheim reisen kann, überlegte sie.
Dann wandten sich ihre Gedanken ihrer Verwandtschaft zu, die im Schloss wohnte und von der sie nicht einmal die einzelnen Namen kannte.
Hatte Helen recht, wenn sie sie »verstaubte Adelige« nannte, denen der Kalk aus den Ärmeln rieselte?
Joan verzog das Gesicht. Sie hatte eine Menge an ihrer Mutter auszusetzen, vor allem aber die Tatsache, dass Helen es so peinlich vermied, in der Öffentlichkeit als ihre Mutter zu gelten.
Helen hat Torschlusspanik, dachte Joan. Sie will unbedingt einen attraktiven, reichen Mann heiraten. Joan jedenfalls würde es ihr gönnen, wenn ihre Muter sich den tollsten Junggesellen von ganz Nordamerika angeln würde.
»Schlafen Sie, Miss Joan?«, fragte der Butler.
»Ich denke nach, Harry. Sind wir bald da?«
»Wenn mich die Landkarte, die ich vor der Abfahrt aus Nürnberg gründlich studiert habe, nicht täuscht, dann müssten wir bald da sein.«
»Und Sie haben auf der Landkarte wirklich Schloss Simonsfels entdeckt?«, fragte Joan.
»Gewiss, es muss sich um eine malerische Gegend mit braunen Felsen handeln. Der Ort Eichstätt liegt ganz in der Nähe.«
Joan lehnte sich zurück und schaute in die Ferne.
»Ich frage mich, warum Grandpa überhaupt von hier wegging, wenn es eine so malerische Gegend ist«, murmelte sie.
»Ich hörte läuten, Miss Joan, dass es sich um einen Familienstreit handelte.«
»Klar, das habe ich auch gehört«, bestätigte Joan. »Na, diese alten Geschichten sind hoffentlich längst begraben, oder glauben Sie, Harry, dass Grandpa damals von der übrigen Familie verflucht wurde und der Fluch nun auf mich übertragen wird?«
»Sie haben zu viel Fantasie, Miss Joan«, erwiderte Harry Schmiedecke. »Sie sind Schlossbesitzerin und Universalerbin des Simons-Vermögens. So stand es doch in dem Brief des Vermögensverwalters?«
»Sie haben schon wieder meine Post gelesen, Harry!«, warf Joan ihm vor.
»Verzeihung, Miss Joan, ich interessierte mich zunächst nur für die deutschen Briefmarken auf dem Umschlag, und dabei fiel mir das Schreiben direkt in die Hände«, verteidigte sich Harry beleidigt.
»Schon gut. Ich habe keine Heimlichkeiten vor meinem Personal.«
Joan schloss die Augen und schlief augenblicklich ein.
Harry lächelte im dunklen Fahrraum des Wagens. Er liebte Joan wie eine Tochter. Sie war eine echte Simons. Wie gut, dass sie nicht ihrer verspielten, leichtsinnigen Mutter Helen nachgeraten war. Die hatte doch kaum den Gatten verloren, da hatte sie schon angefangen, mit anderen Männern herumzutändeln.
Joan aber war ein Mädchen von Format, sie hatte Charakter. Schade, dachte er, dass Mr. Goddard es nicht mehr erlebt hatte, wie prächtig sich seine Tochter entwickelt hatte.
♥♥♥
Joan schreckte hoch, als Harry Schmiedecke anhaltend auf die Hupe drückte.
»Was ist los?«, stieß sie hervor.
»Wir stehen auf dem Hof des Schlosses Simonsfels«, erklärte der Butler lakonisch. »Ich hatte mich zunächst gründlich verfahren. Es ist zwei Uhr siebzehn geworden.«
»So spät?«
Joan wischte sich die Müdigkeit aus den Augen und presste ihr Gesicht an die Wagenscheibe. Sie erblickte eine riesige dunkle Silhouette.
»Dieser Koloss soll Schloss Simonsfels sein?«, fragte Joan verwundert.
»Ja, es ist kein Zweifel möglich. Übrigens fuhren wir durch ein Steintor, über dem ein riesiger Adler schwebt. Auch aus Stein natürlich. Und er stützt sich auf ein Wappen mit der Inschrift: Simonsfels.«
»Dann müssen wir wohl richtig sein«, sagte Joan beklommen.
»Die Leute scheinen alle schwerhörig zu sein«, erklärte Harry und stieg aus dem Wagen. »Jetzt werde ich mal eine Klingel suchen«, fügte er hinzu, als plötzlich irgendwo in der Nähe ein Hund laut zu jaulen begann.
»Es hört sich an, als ob ein Kojote schreit«, rief Joan. »Bleiben Sie hier, Harry, versuchen wir es noch mal mit der Hupe.«
Der Butler wusste, dass Joan im Alter von fünf Jahren sehr schmerzhaft von einem Colliehund gebissen worden war. Seitdem hatte dieses selbstsichere, moderne Mädchen Angst vor Hunden. Sie machte um jedes Tier dieser Gattung einen Riesenbogen.
»Also gut, Miss Joan. Versuchen wir es noch mal«, gab der Butler nach. Er setzte sich hinters Lenkrad und presste den Handteller auf die Lenkradscheibe, die den Hupton auslöste.
»Wir hätten uns eben anmelden sollen«, sagte Joan nachdenklich. »Ich glaube, bei feinen Leuten ist es eine Ungezogenheit, wenn man so spät in der Nacht noch auf Besuch kommt.«
Der durchdringende Dauerheulton ging ihr auf die Nerven.
»Hören Sie auf, Harry«, fuhr sie den Butler an. »Sehen Sie, da ist ein Licht angeknipst worden, dort hinter einem der Fenster.«
»Ja. Im Erdgeschoss. Endlich ist jemand wach geworden.«
»Da kommt auch schon jemand«, sagte Joan.
Die Scheinwerferkegel des Fahrzeuges erfassten einen Mann in kurzem Bademantel, unter dem man die beiden Pyjamabeine sehen konnte.
Harry kurbelte das Wagenfenster herunter.
»Das dauert aber lange, bis hier jemand wach wird«, begrüßte er den Fremden. »Wer sind Sie?«
»Erlauben Sie«, japste der Mann. »Ich bin der Diener Emmo Schulte. Sie können hier doch nicht so laut hupen. Die Herrschaften schlafen alle.«
»Wir haben eine weite Reise hinter uns«, erklärte Harry ein wenig von oben herab. »Wir konnten den Zeitpunkt unserer Ankunft nicht genau im Voraus bestimmen, denn wir kommen direkt aus Amerika.«
»Ich möchte, dass jemand geweckt wird«, meldete sich Joan zu Wort.
»Jemand?«, fragte Schulte verwirrt. »Aber wieso? Sie haben sich doch gewiss bloß verfahren. Wo wollen Sie eigentlich hin? Wir sind hier auf Schloss Simonsfels. Und wir erwarten keine Besucher so spät nachts. Wir erwarten eigentlich überhaupt keine Besucher.«
»Doch, mich. Wer hat hier zu befehlen?«
Ungeachtet des heftigen Hundegekläffs verließ Joan das Fahrzeug.
»Ich weiß nicht ... Ich weiß wirklich nicht ...« Schließlich fiel Emmo Schulte etwas ein. »Die Polizei«, sagte er. »Ich verständige sofort die Polizei. Sie kommen mir reichlich verdächtig vor.«
»Gehen Sie sofort zu Ihrem Vorgesetzten, Herr Schulte, und melden Sie ihm, dass Miss Joan von Simons mit ihrem Butler angekommen sei«, befahl Joan. »Aber schnell, uns ist kalt.« Sie drehte sich zu Harry um. »Ich wusste gar nicht, dass es in Deutschland mitten im Sommer so kalt sein kann.«
»Aber ich kann doch keinen von der Herrschaft wecken«, jammerte Schulte. »Was stellen Sie sich eigentlich vor?«
»Was Miss Simons sich vorstellt, he?«, mischte sich Harry zornig ein. »Dass das alles hier ihr gehört. Sie ist Ihre neue Herrin, Schulte, und wenn Sie jetzt nicht augenblicklich parieren und uns zwei anständige Gästezimmer und eine Flasche Whisky anbieten, dann gibt's Ärger.«
Emmo Schulte hatte den Verdacht, zwei Geistesgestörte vor sich zu haben.
»Gut, ich gehe und melde Sie«, sagte er hastig, nur bestrebt, rasch ins Haus zurückzukehren, »warten Sie hier.«
So schnell seine Beine ihn tragen konnten, hetzte er auf die dem Hof zugewandte Eingangstür des Schlosses zu. Dort prallte er mit Justin Graf Schlüter zusammen.
»Was geht hier vor, Schulte?«, herrschte Justin ihn an.
»Schnell die Tür zu«, keuchte Schulte, »ein Mann und eine Frau. Die erzählen was von Amerika und zwei anständigen Gästezimmern und dass die Dame meine neue Herrin sei. Wenn Sie mich fragen, die sind nicht ganz dicht im Oberstübchen.«
»Amerika?«, fragte Justin verwundert. »Und die Dame ist Ihre neue Herrin?« Er pfiff durch die Zähne. »Holla, sollte mein liebes Cousinchen aus Amerika eingetroffen sein?«
»Aber gnädiger Herr ...«
»Ruhig, Schulte! Gehen Sie rein und schließen Sie die Tür hinter sich ab. Bleiben Sie in der Nähe, falls ich Sie brauche.«
»Aber die Leute könnten gemeingefährlich sein«, widersprach Schulte.
Justin Graf Schlüter ließ ihn reden und schritt die wenigen Treppen hinunter. Langsam ging er über den Hof auf das Fahrzeug zu. Die Scheinwerfer erfassten ihn. Er legte die Hand über die Augen.
»Ausmachen«, befahl er. »Blenden Sie mich mit Absicht?«
Schlagartig ging das Licht aus. Jemand trat zu Justin heran.
»Wer sind Sie?«, fragte eine helle Frauenstimme.
»Ich bin Justin von Schlüter. Und Sie?«
»Ich bin Joan von Simons.«
»Joan von Simons? Wir erwarten zwar eine gewisse Johanna Komtess Simons, aber keine Joan.«
»Johanna heißt auf Englisch Joan. Und ich lebe in Amerika«, stellte Joan klar. »Sie heißen also Schlüter. Lassen Sie mich überlegen. Schlüter ... Richtig, das haben wir in der deutschen Schule von Queens in Kunstgeschichte gelernt: War dieser Schlüter nicht Architekt oder Bildhauer? Warten Sie: geboren sechzehnhundertsechzig, gestorben siebzehnhundertvierzehn. Er hieß Andy mit Vornamen.«
»Andy? Andreas hieß er.«
»Sind Sie mit ihm verwandt?«